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Mandanten­information zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Novelle der Richtlinie über Industrie­emissionen

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

die Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen (IE-Richtlinie, IED) ist das zentrale Regelwerk auf europäischer Ebene zur Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung durch Industrieemissionen. Sie gilt für derzeit rund 52.000 der größten Industrieanlagen und Nutztierhaltungsbetriebe in der EU; diese sind für einen Massenanteil von rund 20 % der EU-weiten Schadstoffemissionen in die Luft, rund 20 % der Schadstoffemissionen ins Wasser und etwa 40 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Sie wurde im Jahr 2010 verabschiedet und fasste verschiedene Vorgängerrichtlinien zusammen und entwickelte diese weiter.

Nun steht erstmals eine von der Europäischen Kommission initiierte Novellierung der Richtlinie an. Wir möchten Ihnen mit dieser Mandanteninformation die wichtigsten Änderungsvorschläge vorstellen und wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen.

Und: Bleiben Sie gesund!

1. Hintergrund

Ziel der IE-Richtlinie ist es, einen umfassenden Schutz der Umwelt vor Emissionen in Luft, Wasser und Boden zu gewährleisten, indem ein allgemeiner Rahmen für die Kontrolle der wichtigsten Industrietätigkeiten aufgestellt wird, welcher insbesondere Eingriffe an den jeweiligen Quellen der Emissionen vorsieht. Um diesen Schutz zu gewährleisten, soll ein integriertes Konzept für die Vermeidung und Verminderung von Emissionen in Luft, Wasser und Boden, für die Abfallwirtschaft, für Energieeffizienz und für die Verhütung von Unfällen aufgestellt werden.

Die IE-Richtlinie musste bis zum 7. Januar 2013 in nationales Recht umgesetzt werden. In Deutschland erfolgte die Umsetzung zum einen durch ein Änderungsgesetz, mit dem das BImSchG, das WHG, das KrWG und das UVPG geändert wurden, und zum anderen durch zwei Verordnungen, mit denen insbesondere die 4. BImSchV, die 13. BImSchV und die 17. BImSchV neugefasst sowie die 41. BImSchV und die IZÜV erlassen wurden.

In den Jahren 2018 bis 2020 führte die EU-Kommission eine Evaluierung der IE-Richtlinie durch, um ihre Effektivität zu überprüfen. Hierbei kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass die Richtlinie durchaus geeignet sei, die Umweltverschmutzung aufgrund von Industrieemissionen in Luft, Wasser und Boden zu kontrollieren und zu vermindern. Die Auswirkungen der Richtlinie auf Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft und Innovation seien zwar schwieriger zu bewerten; sie scheine aber auch insoweit einen begrenzten positiven Beitrag geleistet zu haben.

Durch die Evaluierung wurde allerdings auch festgestellt, dass es Raum für Verbesserungen gebe. Insbesondere ist aufgefallen, dass die Richtlinie nicht kohärent und nicht mit gleichem Ehrgeiz in allen Mitgliedstaaten umgesetzt worden sei, was zu teilweisen Unterschieden in der Effektivität der Richtlinie führe. Außerdem stellte die Kommission fest, dass die Richtlinie nur begrenzt dazu in der Lage sei, die steigenden Anforderungen an den Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zu gewährleisten.

Die ausführlichen Ergebnisse der Evaluierung können in dem Papier SWD (2020) 181 final, eine Zusammenfassung kann in dem Papier SWD(2020) 182 final nachgelesen werden.

Auf der Grundlage dieser Evaluierung hat die Kommission einen Vorschlag für eine Novelle der IE-Richtlinie erarbeitet und am 5. April 2022 veröffentlicht (COM(2022) 156 final). Die Ziele des Entwurfes und die wichtigsten Vorschläge der Kommission zur Umsetzung dieser Ziele werden nachfolgend dargestellt.

2. Ziele der IED-Novelle

Das Hauptziel der Überarbeitung der IE-Richtlinie ist allgemein die Verbesserung der Wirksamkeit der existierenden Regelungen im Hinblick auf die Vermeidung und Minimierung der Verschmutzung durch große Industrieanlagen. Damit möchte die Kommission die Ziele, welche im Rahmen des europäischen Grünen Deals sowie des Null-Schadstoff-Aktionsplans, des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft und der Farm-to-Fork-Strategie für die Reduzierung von Emissionen gesetzt wurden, vorantreiben.

Weiterhin soll der Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen, zur Beteiligung an Entscheidungsverfahren sowie zu Gerichten im Zusammenhang mit der Genehmigung, dem Betrieb und der Kontrolle von IED-Anlagen gestärkt werden.

Insgesamt sollen die bestehende Rechtslage an Klarheit gewinnen, der Verwaltungsaufwand verringert und die kohärente Umsetzung durch die Mitgliedstaaten gefördert werden.

Ein weiteres Ziel der Überarbeitung der IE-Richtlinie ist die Förderung innovativer Technologien und Techniken während des sich derzeit vollziehenden industriellen Wandels. Hierzu sollen die BVT-Merkblätter ständig überprüft und überarbeitet werden, sobald es Hinweise darauf gibt, dass effizientere innovative Techniken existieren, um den neusten Stand der Technik EU-weit abzubilden und zu gewährleisten.

Darüber hinaus wird der Übergang zur Verwendung von sichereren und weniger giftigen Chemikalien unterstützt, ebenso die Ressourceneffizienz sowie eine bessere Umsetzung des Kreislaufprinzips.

Die Dekarbonisierung soll unterstützt werden, indem die Verwendung von und die Investitionen in Techniken gefördert werden, welche den CO2-Ausstoß verhindern oder reduzieren.

Schließlich soll der Geltungsbereich der IE-Richtlinie auf weitere Agrar- und Industrietätigkeiten ausgedehnt werden.

3. Geplante Maßnahmen zur Umsetzung der festgelegten Ziele

Die zur Umsetzung der Ziele geplanten Maßnahmen lassen sich thematisch wie folgt zusammenfassen: Der Anwendungsbereich der IE-Richtlinie wird auf weitere Agrar- und Industrietätigkeiten erweitert, den von der Richtlinie betroffenen Anlagenbetreibern werden neue Pflichten auferlegt, die Genehmigungsbehörden müssen neue Regelungen im Genehmigungsverfahren beachten, das Verfahren für die BVT-Merkblätter wird angepasst, die Öffentlichkeit wird in ihren Rechten gestärkt und die Innovation wird gefördert.

a) Ausweitung der von der IE-Richtlinie erfassten Tätigkeiten

Die Novelle sieht eine Ergänzung in Anhang I der IE-Richtlinie vor, sodass auch die Gewinnung und Aufbereitung von Industriemineralen und metallurgischen Erzen der IE-Richtlinie unterfallen wird. Beispielhaft sind die Industrieminerale Baryt, Bentonit, Diatomit, Feldspat, Flussspat, Gips, Graphit, Kaolin, Magnesit, Perlit, Pottasche, Salz, Schwefel und Talkum sowie die Erze Bauxit, Blei, Chrom, Eisen, Gold, Kobalt, Kupfer, Lithium, Mangan, Nickel, Palladium, Platin, Wolfram, Zink und Zinn genannt. Die Aufbereitung umfasst u.a. die Zerkleinerung, Größenkontrolle, Veredelung und Aufwertung der genannten Stoffe.

Des Weiteren wird der Anwendungsbereich der IE-Richtlinie im Bereich der Viehzucht erweitert. Zum einen wird in dem Anhang I die bislang dort genannte Intensivhaltung und -aufzucht von Geflügel und Schweinen gestrichen und in einem neuen Anhang Ia neu geregelt. Hierzu werden die bislang geltenden Schwellenwerte (40.000 Plätze für Geflügel, 2.000 Plätze für Mastschweine und 750 Plätze für Säue) ersetzt durch 150 Großvieheinheiten. Hierbei handelt es sich um eine neu in die IE-Richtlinie aufzunehmende Referenzeinheit, die das Weideäquivalent einer ausgewachsenen Milchkuh mit einer Jahresmilchleistung von 3.000 kg Milch ohne Zufütterung von Kraftfutter darstellt. Aus der Umrechnungstabelle in Anhang II der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 808/2014 ergibt sich eine deutliche Erweiterung der insoweit erfassten Anlagen. Zum anderen wird die Intensivhaltung und -aufzucht von Rindern erstmalig in den Anwendungsbereich der IE-Richtlinie aufgenommen. In einem neuen Kapitel VIa werden zahlreiche Sondervorschriften für die Haltung von Geflügel, Schweinen und Rindern eingefügt.

Eine weitere bedeutende Erweiterung des Anwendungsbereichs der IE-Richtlinie betrifft große Batteriefertigungsanlagen. Zwar fallen mehrere Tätigkeiten der Batteriewertschöpfungskette bereits unter die Richtlinie. Eine gesonderte Erwähnung findet die Batteriefertigung bislang jedoch nicht. Gemäß dem Vorschlag der Kommission soll der Anhang I der Richtlinie um die Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien (einschließlich Montage von Batteriezellen und Batteriesätzen) mit einer Produktionskapazität von 3,5 GWh oder mehr pro Jahr ergänzt werden.

Überdies schlägt die Kommission vor, den bereits vorhandenen Katalog der Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verarbeitung von Eisenmetallen zu erweitern. Und schließlich soll zusätzlich zur Vergasung oder Verflüssigung von Kohle sowie anderen Brennstoffen in Anlagen mit einer Feuerungswärmeleistung von 20 MW oder mehr zukünftig auch die Pyrolyse dieser Stoffe der IE-Richtlinie unterfallen.

b) Neue Pflichten für Anlagenbetreiber

Eine zentrale neue Pflicht für Betreiber von Anlagen nach Anhang I der IE-Richtlinie ist die Entwicklung und Umsetzung eines Umweltmanagementsystems nach den einschlägigen BVT-Schlussfolgerungen. Dieses System soll insbesondere umweltpolitische Ziele für die fortlaufende Verbesserung der Umweltleistung und der Anlagensicherheit beinhalten, einschließlich Maßnahmen, um die Entstehung von Abfällen zu vermeiden, die Nutzung von Ressourcen und die Wasserwiederverwendung zu optimieren und die Risiken im Zusammenhang mit der Verwendung gefährlicher Stoffe zu vermeiden oder zu mindern. Weitere notwendige Bestandteile sind u.a. ein Verzeichnis der in der Anlage als solche, als Bestandteile anderer Stoffe oder als Teil von Gemischen vorhandenen Chemikalien, eine Risikobewertung der Auswirkungen dieser Stoffe auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt sowie eine Analyse der Möglichkeiten einer Substitution durch sicherere Alternativen. Das Umweltmanagementsystem ist der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Weiterhin sollen Betreiber von Anlagen nach Anhang I der IE-Richtlinie zur Erstellung von sog. Transformationsplänen verpflichtet werden. Gegenstand dieser Pläne sind Informationen zu den Maßnahmen, die im Zeitraum 2030–2050 in der jeweiligen Anlage ergriffen werden, um zur Entwicklung einer nachhaltigen, sauberen und klimaneutralen Kreislaufwirtschaft bis zum Jahr 2050 beizutragen. Je nach Art der Tätigkeit gemäß Anhang I sind diese Pläne entweder zum 1. Januar oder zum 30. Juni 2030 zu erstellen. Die Transformationspläne sind in die Umweltmanagementpläne aufzunehmen und daher ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Derzeit enthält die IE-Richtline die allgemeine Vorgabe, dass die Mitgliedstaaten festlegen, welche Sanktionen bei einem Verstoß gegen die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie zu verhängen sind, und dass die Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen. Diese allgemeine Vorgabe soll nach dem Vorschlag der Kommission insbesondere dahingehend konkretisiert werden, dass die Sanktionen Geldstrafen umfassen, die proportional zu dem Umsatz der juristischen Person bzw. dem Einkommen der natürlichen Person sind, die den Verstoß begangen hat. Sie muss der für den Verstoß verantwortlichen Person wirksam den aus dem Verstoß gezogenen wirtschaftlichen Nutzen entziehen. Für jeden wiederholten Verstoß ist die Höhe der Geldstrafen schrittweise anzuheben. Wird ein Verstoß von einer juristischen Person begangen, beträgt die maximale Höhe dieser Geldstrafen mindestens 8 % des Jahresumsatzes des Betreibers in dem betreffenden Mitgliedstaat.

c) Neue Maßgaben für die Genehmigungsbehörden

Bislang sind die Genehmigungsbehörden zur Festlegung von Emissionsgrenzwerten verpflichtet, mit denen sichergestellt wird, dass die Emissionen unter normalen Betriebsbedingungen die BVT-assoziierten Emissionswerte gemäß den BVT-Schlussfolgerungen nicht überschreiten. Die Kommission schlägt nun vor, diese Vorgabe zu ergänzen um die Verpflichtung, die strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte festzulegen, die mit den niedrigsten durch die Anwendung von BVT in der Anlage erreichbaren Emissionswerten übereinstimmen. Zudem sollen die derzeitigen Vorgaben für die Gewährung einer diesbezüg­lichen Ausnahme durch umfangreiche Grundsätze konkretisiert werden, die sich aus einem neuen Anhang II zur IE-Richtlinie ergeben. Im Falle der Gewährung einer Ausnahme soll der Anlagenbetreiber die Konzentration der unter die Ausnahme fallenden Schadstoffe, die im Aufnahmemilieu vorhanden sind, überwachen und der zuständigen Behörde übermitteln. Für die Überprüfung der Einhaltung der Emissionsgrenzwerte und die Validierung der Messwerte für Emissionen in die Luft und das Wasser soll die Kommission innerhalb eines Zeitfensters von zwei Jahren nach Inkrafttreten der Novelle einen Durchführungsrechtsakt erlassen.

Des Weiteren sollen die Genehmigungsbehörden verpflichtet werden, in den Genehmigungen Umweltleistungsgrenzwerte festzulegen, mit denen sichergestellt wird, dass diese Leistungsgrenzwerte unter normalen Betriebsbedingungen die BVT-assoziierten Umweltleistungsgrenzwerte nicht überschreiten. In den Erwägungsgründen der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie wird insoweit auf Umweltleistungsgrenzwerte für Verbrauchs- und Ressourceneffizienz, darunter auch für den Wasser- und Energieverbrauch und für die Verwendung recycelter Materialien abgestellt.

Eine zusätzliche Maßgabe betrifft Verbrennungseinheiten und andere Einheiten am Standort, die Kohlendioxid ausstoßen und die dem Geltungsbereich der Richtlinie 2003/87/EG über ein System für den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten unterfallen. Diesen Einheiten sollen zukünftig Energieeffizienzanforderungen auferlegt werden. Die derzeit bestehende Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Ausnahme dieser Einheiten von Energieeffizienzanforderungen soll daher ersatzlos gestrichen werden.

Schließlich ist in dem Richtlinienvorschlag ein gesteigerter Informationsaustausch zwischen Behörden vorgesehen. Insbesondere sollen die Genehmigungsbehörden künftig Genehmigungen erst nach Konsultation aller für die Einhaltung der einschlägigen EU-Umweltrechtsvorschriften zuständigen Behörden erteilen. Kommt es zu Vorfällen oder Unfällen mit erheblichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt in einem anderen Mitgliedstaat, ist künftig sicherzustellen, dass die zuständige Behörde des anderen Mitgliedstaats unverzüglich informiert wird.

d) Neue Regelungen für das Verfahren bei der Erstellung von BVT-Merkblättern

Um den Risiken der Verwendung von Chemikalien in IED-Anlagen besser entgegenzuwirken, plant die Kommission, der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eine offizielle Rolle bei der Ausarbeitung der BVT-Merkblätter zu übertragen. Hierzu soll der bereits aktuell von der Kommission organisierte, zwischen den Mitgliedstaaten, den betreffenden Industriezweigen, den Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Umweltschutz einsetzen, und der Kommission stattfindende Informationsaustausch zur Erstellung, Prüfung oder Aktualisierung von BVT-Merkblättern auf die ECHA erweitert werden.

Des Weiteren plant die Kommission einen besseren Schutz von Informationen, die von der Industrie im Zusammenhang mit dem von der Kommission organisierten Informationsaustausch eingeholt werden und die als Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse oder sensible Geschäftsinformationen erachtet werden. Diese sollen nur an die Kommission und – nach Unterzeichnung einer Vertraulichkeits- und Geheim­haltungsvereinbarung – an die folgenden Personen weitergegeben werden: Beamte und andere Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die Mitgliedstaaten oder EU-Agenturen vertreten, sowie Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, die sich für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt einsetzen. Der Austausch dieser Informationen wird auf das für die Erstellung, Überprüfung und gegebenenfalls erforderliche Aktualisierung der BVT-Merkblätter notwendige Maß beschränkt; sie werden nicht zu anderen Zwecken verwendet.

In diesem Zusammenhang ist auf eine im Rahmen der IED-Novelle geplante Änderung der Richtlinie 1999/31/EG über Abfalldeponien hinzuweisen. Deponien fallen in den Geltungsbereich der IE-Richtlinie (Ziffer 5.4 des Anhangs I). Für sie gibt es bislang jedoch keine BVT-Schlussfolgerungen, da aufgrund einer ausdrücklichen Anordnung in der Deponierichtlinie die Erfüllung der Anforderungen der Deponie­richtlinie als Erfüllung der Anforderungen der (zunächst von der Richtlinie 2008/1/EG und sodann von der IE-Richtlinie abgelösten) Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung gilt. Die Kommission schlägt die Streichung besagter Anordnung vor, da angesichts der technischen Entwicklungen und Innovationen, die seit dem Erlass der Deponierichtlinie stattgefunden haben, inzwischen wirksamere Techniken zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zur Verfügung stehen und folglich mit der Annahme von BVT-Schlussfolgerungen für Abfalldeponien den wichtigsten Umweltproblemen im Zusammenhang mit dem Betrieb von Abfalldeponien, einschließlich der erheblichen Methanemissionen, entgegengewirkt werden könnte.

e) Beteiligung und Rechtsschutz der Öffentlichkeit

Um einen von den Vertragsparteien des Aarhus-Übereinkommens festgestellten Verstoß der EU gegen einzelne Vertragspflichten zu beseitigen, schlägt die Kommission vor, dass die Öffentlichkeit zusätzlich zu den ihr bereits aktuell zukommenden Beteiligungsrechten weitere Beteiligungsrechte im Zusammenhang mit der Erteilung und Aktualisierung von Genehmigungen erhält.

Weiterhin soll klargestellt werden, dass die Mitgliedstaaten Informationen über gewährte Genehmigungen im Internet kostenlos zugänglich machen müssen und der Zugang dazu nicht auf angemeldete Benutzer beschränkt werden darf. Außerdem soll der Öffentlichkeit eine Zusammenfassung jeder Genehmigung zugänglich gemacht werden. Diese Zusammenfassung muss insbesondere einen Überblick über die wichtigsten Genehmigungsauflagen, die Emissionsgrenzwerte und Umweltleistungsgrenzwerte sowie jegliche Ausnahmen hiervon, die anwendbaren BVT-Schlussfolgerungen sowie die Bestimmungen für die Überprüfung und Aktualisierung der Genehmigung umfassen. Das für die Zusammenfassung zu verwendende Format soll in einem von der Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsakt festgelegt werden. Wie bereits vorstehend benannt, sind zudem die neu zu erstellenden Umweltmanagementsysteme einschließlich der Transformationspläne öffentlich zugänglich zu machen.

Zur Stärkung des Zugangs der Öffentlichkeit zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren und zur Umsetzung eines entsprechenden Urteils des EuGH aus 2021 soll es den Mitgliedstaaten untersagt werden, die Klagebefugnis von der Rolle abhängig zu machen, die die betroffene Person in der Phase der Beteili­gung am Entscheidungsverfahren gemäß der IE-Richtlinie gespielt hat. Zur Umsetzung eines weiteren Urteils des EuGH aus 2013 sollen die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, einen angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch einen vorläufigen Rechtsschutz sicherzustellen.

Im Falle einer Schädigung der menschlichen Gesundheit infolge eines Verstoßes gegen innerstaatliche Maßnahmen zur Umsetzung der IE-Richtlinie sollen nach dem Vorschlag der Kommission die betroffenen Personen das Recht haben, gegenüber den für den Verstoß verantwortlichen natürlichen und juristischen Personen und gegebenenfalls gegenüber den zuständigen Behörden Ersatz für einen Schaden zu verlangen und zu erwirken. Nichtregierungsorganisationen sollen als Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit die Befugnis erhalten, die betroffenen Personen vor Gericht zu vertreten und Sammelklagen auf Schadensersatz einzureichen. Zudem sollen die Beweislastvorschriften angepasst werden. Zukünftig soll dann, wenn der Geschädigte Nachweise vorlegt, die auf einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem erlittenen Schaden und dem Verstoß schließen lassen, der für den Verstoß verantwortlichen Person die Beweislast dafür obliegen, dass der Verstoß den Schaden weder verursacht noch dazu beigetragen hat. Die Verjährungsfrist für diese Schadensersatzklagen darf nicht kürzer als fünf Jahre sein und darf nicht anlaufen, bis der Verstoß eingestellt wurde und die den Anspruch auf Schadensersatz erhebende Person weiß oder nach vernünftigem Ermessen wissen müsste, dass sie durch einen Verstoß Schaden genommen hat.

f) Innovationsförderung

Die Kommission schlägt verschiedene Maßnahmen zur Innovationsförderung vor. So soll u.a. ein „Innovationszentrum für industrielle Transformation und Emissionen“ errichtet werden. Aufgabe dieses Zentrums ist die Erhebung und Analyse von Informationen zu innovativen Techniken, einschließlich Zukunftstechniken. Die zuständigen Behörden sollen zudem ermächtigt werden, für die Erprobung von Zukunftstechniken befristete Ausnahmen von einzelnen Genehmigungsanforderungen zu gewähren.

4. Ausblick

Der Entwurf der Kommission wird nun im Europäischen Parlament und im Rat beraten. Ob und – falls ja – wann die derzeitige oder eine kommende Ratspräsidentschaft (noch bis 30. Juni 2022: Frankreich; 1. Juli bis 31. Dezember 2022: Tschechische Republik; 1. Januar bis 30. Juni 2023: Schweden) den Vorschlag aufgreifen wird, ist nicht absehbar. Sollten die vorgeschlagenen Änderungen angenommen werden, so muss die Änderungsrichtlinie zunächst vom deutschen Gesetzgeber umgesetzt werden, um innerstaatliche Verbindlichkeit zu erlangen.

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Dr. Henning Blatt
Rechtsanwalt | Partner

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