Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichterreichen von Zielvorgaben für Sammlung und Recycling von Abfällen
Ende Juli hat die Europäische Kommission in einem Beschluss angekündigt, gegen alle 27 EU-Mitgliedsstaaten Vertragsverletzungsverfahren zu eröffnen. Die Kommission wirft den Mitgliedsstaaten vor, Mindestquoten für die Sammlung und das Recycling von Abfällen nicht zu erreichen.
Rechtsverbindliche Ziele der Abfallrahmenrichtlinie
Die Abfallrahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/98/EG) setzt verbindliche Ziele für die Vorbereitung zur Wiederverwendung und zum Recycling von Siedlungsabfällen fest. Hierzu zählen Abfälle wie Papier, Metall, Kunststoff und Glas. Bis 2020 sollten 50 % dieser Abfälle zur Wiederverwendung vorbereitet oder recycelt werden. Doch Bulgarien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern haben dieses Ziel nicht erreicht.
Rechtsverbindliche Ziele der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle
Die Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle (Richtlinie 94/62/EG) betrifft alle Verpackungen auf dem europäischen Markt und deren Abfälle. Bis zum 31. Dezember 2008 sollten zwischen 55 % und 80 % aller Verpackungsabfälle recycelt werden. Konkrete Recyclingziele wurden für verschiedene Materialien festgelegt:
- 60 % für Glas,
- 60 % für Papier und Karton,
- 50 % für Metalle,
- 22,5 % für Kunststoffe,
- 15 % für Holz.
Doch viele dieser Zielvorgaben wurden nicht eingehalten, schreibt die Kommission, ohne hier weiter ins Detail zu gehen.
Rechtsverbindliche Ziele der Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte
Die Richtlinie über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (Richtlinie 2012/19/EU) fordert die getrennte Sammlung und ordnungsgemäße Behandlung dieser Geräte. Jedes Jahr sollte jeder Mitgliedstaat mindestens 65 % des Durchschnittsgewichts der in den drei Vorjahren in Verkehr gebrachten Elektro- und Elektronikgeräte oder alternativ 85 % der anfallenden Altgeräte sammeln.
Auch hier hat die Mehrheit der Mitgliedstaaten die Sammelziele verfehlt. Welche Mitgliedsstaaten die Kommission hier meint, sagt sie nicht.
Jedoch legen die Sammelquoten der letzten Jahre nahe, dass auch Deutschland die Vorgabe für Elektroschrott nicht erreicht. Die Quote bei der Sammlung von E-Schrott lag laut dem BMUV 2021 bei 38,6 %, wobei die EU-Mindestvorgabe 65 % vorsieht.
Empfehlungen der Kommission und weiteres Vorgehen
Die Kommission fordert alle Mitgliedstaaten auf, ihre Bemühungen zu intensivieren, um die festgelegten Verpflichtungen zu erfüllen. Eine Unterstützung können die länderspezifischen Empfehlungen des Abfall-Frühwarnberichts 2023 bieten. Diese Empfehlung sei essenziell, damit die Mitgliedsstaaten die künftigen Ziele für 2025, 2030 und 2035 erreichen können, die in den jüngsten Änderungen der EU-Abfallvorschriften festgelegt wurden.
Die Kommission hat – als ersten Schritt in einem Vertragsverletzungsverfahren – nun an alle 27 Mitgliedstaaten Aufforderungsschreiben versendet, und die Mitgliedsstaaten müssen nun binnen zwei Monaten reagieren und die von der Kommission festgestellten Mängel beheben.
Reagiert ein Mitgliedstaat nicht oder unzureichend auf das Aufforderungsschreiben, gibt die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab. Diese legt detailliert dar, wie der Mitgliedstaat gegen EU-Recht verstoßen hat, und fordert erneut eine Korrektur innerhalb einer zweimonatigen Frist. Wenn der Mitgliedstaat der Stellungnahme nicht nachkommt, kann die Kommission den Fall vor den EuGH bringen. Der EuGH entscheidet dann, ob eine Vertragsverletzung vorliegt. Wird eine Vertragsverletzung festgestellt, muss der Mitgliedstaat das Urteil umsetzen und die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um den Verstoß zu beheben.