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Mandanteninformation zur Verordnung (EU) 2024/3110 – EU-BauPVO –

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

am 7. Januar 2025 ist die neue EU-BauPVO, welche offiziell den Titel „Verordnung (EU) 2024/3110 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 305/2011“ trägt, in Kraft getreten. Mit der Veröffentlichung der neuen Verordnung im EU-Amtsblatt wurde der bereits im Jahr 2016 begonnene Revisionsprozess nun abgeschlossen. Die neue EU-BauPVO soll dabei sowohl die erkannten Praxisdefizite der Verordnung (EU) 305/2011 beseitigen als auch Belange der Digitalisierung und – im Rahmen des European Green Deals – des Umweltschutzes und der Kreislaufwirtschaft Rechnung tragen. 

Im Rahmen dieser Mandanteninformation werden die wesentlichen Neuerungen der EU-BauPVO dargestellt und eingeordnet.

Die EU-BauPVO sieht an vielen Stellen eine Konkretisierung durch delegierte Rechtsakte der Kommission vor. Eine abschließende Bewertung der Auswirkungen wird erst möglich sein, wenn diese delegierten Rechtsakte ebenfalls vorliegen.

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen.

Marthe-Louise Fehse

Inhaltsverzeichnis

    1. Revisionsprozess und Gründe für die Neuregelung

    Die EU-BauPVO harmonisiert Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten in der Europäischen Union, um den gemeinsamen Binnenmarkt zu stärken. Bereits im Jahr 2016 hatte die EU-Kommission begonnen einen Revisionsprozess für die damals geltende Verordnung (EU) 305/2011 einzuleiten. Anlass hierfür boten die, in der Praxis in Erscheinung getretenen, Defizite im Normungsverfahren. Durch die sog. James Elliott-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 27. Oktober 2016 – Rs. C-613/14), in welcher das Gericht feststellte, dass harmonisierte Normen als Teil des Europäischen Rechts anzusehen sind, wurden strengere Anforderungen an harmonisierte technische Spezifikationen gestellt. Dies führte praktisch dazu, dass die Fundstellen zahlreicher neuer harmonisierter Normen im EU-Amtsblatt nicht mehr veröffentlicht wurden. Ein solcher Stillstand hatte weitreichende Folgen. Insbesondere machte er es Herstellern und anderen Wirtschaftsteilnehmern unmöglich, auf den technischen Fortschritt im Bausektor zu reagieren. Gleichzeitig waren die noch im EU-Amtsblatt veröffentlichten Normen mittlerweile veraltet und unvollständig. 

    Nunmehr wurde die Verordnung (EU) 305/2011 weitreichend überarbeitet und durch die EU-BauPVO ersetzt, wenngleich die neue EU-BauPVO die Verordnung (EU) 305/2011 aufgrund differenzierter Übergangsvorschriften sukzessive ablösen wird. Eine wichtige Neuerung ist, dass neben der Leistung in Bezug auf die wesentlichen Merkmale (zu denen nunmehr auch wesentliche Umweltmerkmale zählen) auch Produktanforderungen geprüft werden müssen. Wesentliche Änderungen erfolgten außerdem im Anwendungsbereich der Verordnung, im Normungsprozess und im Bereich der Marktüberwachung. Hinzu kommt die Einführung eines Digitalen Produktpasses für Bauprodukte. 

    2. Ausweitung des Anwendungsbereichs

    Der Anwendungsbereich der EU-BauPVO wurde sowohl in persönlicher als auch in sachlicher Hinsicht erweitert. 

    a) Persönlicher Anwendungsbereich

    Der persönliche Anwendungsbereich der EU-BauPVO umfasst im Wesentlichen die sog. Wirtschaftsteilnehmer. Für jeden Wirtschaftsteilnehmer ergeben sich unterschiedliche Rechte und Pflichten. Dabei ändert die EU-BauPVO nicht nur den Wortlaut von „Wirtschaftsakteur“ zu „Wirtschaftsteilnehmer“, sondern erweitert auch dessen Bedeutungsinhalt. Neben den klassischen – bereits in der Verordnung (EU) 305/2011 genannten – Wirtschaftsteilnehmern wie Hersteller, Einführer, Händler und Bevollmächtigter umfasst der Begriff des Wirtschaftsteilnehmers in der EU-BauPVO nunmehr zusätzlich auch Fulfilment Dienstleister und Online-Marktplätze sowie Akteure, die gebrauchte Produkte wiederaufbereiten. Durch diesen Zusatz ist die in Art. 3 Nr. 9 EU-BauPVO genannte Definition des „Wirtschaftsteilnehmers“ nicht mehr gleichbedeutend mit der in Art. 3 Nr. 13 MÜV genannten Definition des „Wirtschaftsakteurs“. 

    b) Sachlicher Anwendungsbereich

    Die EU-BauPVO erweitert außerdem ihren sachlichen Anwendungsbereich. Zum einen wird der Begriff des Bauprodukts erweitert und zum anderen gilt die EU-BauPVO fortan auch für gebrauchte Produkte. Gem. Art. 3 Nr. 1 EU-BauPVO ist ein Bauprodukt jedes geformte oder formlose physische Bauelement, einschließlich mithilfe von 3D-Druck hergestellter Produkte, oder einen Bausatz, das bzw. der beispielsweise durch die Anlieferung an die Baustelle in Verkehr gebracht wird, um dauerhaft in Bauwerke oder Teile davon eingebaut zu werden, mit Ausnahme von Bauelementen, die zuerst in einen Bausatz oder ein anderen Bauprodukt eingebaut werden müssen, bevor sie dauerhaft in Bauwerke eingebaut werden. Die neue Definition des Bauprodukts unterscheidet sich dabei von der ehemaligen Definition der Verordnung (EU) 305/2011 insbesondere dadurch, dass der Begriff des Bauproduktes nicht mehr davon abhängig gemacht wird, ob das jeweilige Produkt Auswirkungen auf die Grundanforderungen an Bauwerke hat oder nicht. Dadurch werden deutlich mehr Produkte von diesem Begriff erfasst.

    Außerdem vom Anwendungsbereich der Verordnung erfasst sind bestimmte – in Art. 1 Abs. 1 EU-BauPVO aufgezählte – Bauelemente. Folglich sind nicht mehr nur Endprodukte von der EU-BauPVO erfasst. Eine solche Klarstellung gab es in der Verordnung (EU) 305/2011 nicht. 

    Während die Verordnung (EU) 305/2011 ausschließlich neue Produkte von ihrem Anwendungsbereich erfasste, stellt Art. 2 EU-BauPVO nun ausdrücklich klar, dass die EU-BauPVO auch für gebrauchte Produkte gilt. Ein gebrauchtes Produkt bezeichnet dabei ein Produkt, das kein Abfall im Sinne der Richtlinie 2008/98/EG ist oder die Abfalleigenschaft gemäß der genannten Richtlinie nicht mehr besitzt und mindestens einmal in ein Bauwerk eingebaut wurde und keinem Verfahren unterzogen worden ist, das über Maßnahmen der Prüfung, Reinigung oder Reparatur zum Zwecke der Verwertung hinausgeht, bei denen Produkte oder Bauteile von Produkten so vorbereitet werden, dass sie ohne weitere Vorbehandlung für Bauzwecke verwendet werden können oder einem Umwandlungsprozess unterzogen worden ist, der über Maßnahmen der Prüfung, Reinigung oder Reparatur zum Zwecke der Verwertung hinausgeht und der nach Maßgabe der anwendbaren harmonisierten technischen Spezifikation als nicht wesentlich für die Leistung des Produkts eingestuft ist (Art. 3 Nr. 20 EU-BauPVO). 

    Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich sind hingegen u.a. Aufzüge, Rolltreppen und ihre Bauteile, die in den Anwendungsbereich der Aufzugsrichtlinie fallen, sowie bestimmte Bauteile, die von der Trinkwasserrichtlinie erfasst sind (Art. 2 Abs. 2 EU-BauPVO). 

    Dadurch, dass Bauprodukte nunmehr keine Auswirkungen auf die Grundanforderungen an Bauwerke mehr haben müssen, ist abstrakt eine Vielzahl von Produkten erfasst, die bislang nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 305/2011 fielen. Allerdings bleibt es dabei, dass Pflichten nur an solche Produkte gestellt werden, die von einer harmonisierten technischen Spezifikation erfasst sind bzw. die einer Europäisch Technischen Bewertung entsprechen. Dies gilt insbesondere auch für die in den Anwendungsbereich aufgenommenen gebrauchten Produkte. Nur in diesem Fall ist der Hersteller grundsätzlich zur Erstellung einer Leistungs- und Konformitätserklärung verpflichtet. Das bedeutet, dass der mögliche Anwendungsbereich zwar weit gefasst ist, jedoch erst eine Harmonisierung den Rechte- und Pflichtenkanon der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer auslöst. Dieses Regelungskonzept fand sich bereits in der Verordnung (EU) 305/2011. 

    3. Die harmonisierte Zone

    a) Erarbeitung harmonisierter technischer Spezifikationen

    Gemäß Art. 11 Abs. 1 EU-BauPVO umfasst die harmonisierte Zone alle Produkte, die harmonisierten technischen Spezifikationen unterliegen.

    Hinsichtlich der harmonisierten technischen Spezifikationen ist zunächst zu beachten, dass die EU-BauPVO den Begriff der harmonisierten technischen Spezifikation neu definiert. Bisher fielen darunter harmonisierte Normen und Europäische Bewertungsdokumente. Nunmehr umfasst der Begriff neben den harmonisierten Leistungsnormen auch Durchführungsrechtsakte nach Art. 6 Abs. 1 EU-BauPVO und Änderungsmöglichkeiten der Kommission durch sog. Delegierte Rechtsakte gemäß Art. 89 EU-BauPVO. Die Europäischen Bewertungsdokumente werden begrifflich dagegen nicht mehr unter die harmonisierten technischen Spezifikationen gefasst. 

    Trotz der Möglichkeit der Kommission durch Durchführungsrechtsakte technische Spezifikationen selbst zu erlassen oder bereits bestehende in Form von delegierten Rechtsakten zu korrigieren, sollen die harmonisierten technischen Spezifikationen vorrangig in Form von harmonisierten Normen durch die europäischen Normungsorganisationen erarbeitet werden. Ausschließlich im Ausnahmefall soll auf den Erlass von Durchführungsrechtsakten zurückgegriffen werden. Hiermit möchte die EU-BauPVO den skizzierten Praxisproblemen, insbesondere den Verzögerungen im Normungsprozess entgegenwirken und der Kommission ein Mittel an die Hand geben, dem schnell voranschreitenden technischen Fortschritt im Bausektor effektiv zu begegnen. 

    Art. 4 EU-BauPVO beschäftigt sich mit dem Verfahren zur Erarbeitung von den harmonisierten technischen Spezifikationen. Das dort beschriebene Verfahren ähnelt dem Verfahren des Acquis-Prozesses und knüpft an die dort etablierten Strukturen an. Das zuvor als „CPR Steering Group“ eingesetzte Gremium wird umbenannt und ersetzt durch die sog. „Sachverständigengruppe zum Acquis im Bereich der Bauprodukteverordnung“ (im Folgenden: Sachverständigengruppe). Sie setzt sich zusammen aus Experten der Mitgliedstaaten, Experten der europäischen Normungsorganisationen sowie weiterer Interessenvertreter. Diese Sachverständigengruppe nimmt im gesamten Normungsprozess eine beratende Tätigkeit ein, um so sicherzustellen, dass die erarbeiteten Normen an den aktuellen Regelungsbedarf der Mitgliedstaaten angepasst sind. Nach Anhörung der Sachverständigengruppe wird ein Arbeitsplan für die Ausarbeitung der harmonisierten technischen Spezifikationen durch die Kommission erarbeitet. In diesem wird festgelegt, für welche Produktfamilien (Anhang VII) die harmonisierten technischen Spezifikationen erarbeitet werden sollen und es werden einzelne Produktanforderungen und allgemeine Produktinformationen sowie Gebrauchsanweisungen und Sicherheitsinformationen festgelegt. Der erste Arbeitsplan für die Jahre 2026 bis 2029 muss durch die Kommission spätestens am 8. Januar 2026 vorgelegt werden. 

    Nach Erstellung des Arbeitsplans, müssen die Mitgliedstaaten der Kommission und der Sachverständigengruppe die wesentlichen Merkmale mitteilen, die sie für eine Produktfamilie oder -kategorie benötigen. Hierzu gehören sowohl Bewertungsmethoden als auch Schwellenwerte oder Leistungsklassen. Auf Grundlage dessen ermittelt die Kommission dann die technischen Aspekte, die für die Ausarbeitung von Normungsaufträgen erforderlich sind. Diese erarbeiteten wesentlichen Merkmale und die Liste der vorab festgelegten wesentlichen Umweltmerkmale bilden dann die Grundlage für die Normungsaufträge.

    Die Kommission möchte – um eine effektive Durchsetzung der EU-BauPVO zu gewährleisten und den Normungsprozess zu vereinfachen – Leitlinien für die Anwendung der EU-BauPVO veröffentlichen. Eine solche Hilfestellung hatte bei der Verordnung (EU) 305/2011 gefehlt, was häufig zu Fehlern im Normungsprozess führte und schlussendlich einer Veröffentlichung der erarbeiteten Normen im EU-Amtsblatt entgegenstand. Diesem Normungsstopp soll durch die Leitlinien entgegengewirkt werden. Ein entsprechender Entwurf der Leitlinien liegt jedoch noch nicht vor.

    b) Abschließende Wirkung harmonisierter technischer Spezifikationen

    Bereits seit dem Inkrafttreten der BauPRL ist die Reichweite der harmonisierten Zone und die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten umstritten. Auch die Verordnung (EU) 305/2011 löste diesen Konflikt nicht. Stattdessen war immer wieder die abschließende Wirkung der harmonisierten Normen bzw. die Antwort auf die Frage, inwieweit die Mitgliedstaaten zusätzliche nationale Anforderungen an harmonisierte Bauprodukte festlegen dürfen streitig. Die EU-BauPVO versucht dieser Streitigkeit nun entgegenzuwirken. Art. 11 Abs. 1 EU-BauPVO legt fest, dass die harmonisierte Zone alle Produkte umfasst, die Gegenstand harmonisierter technischer Spezifikationen sind. Dabei wird davon ausgegangen, dass harmonisierte technische Spezifikationen im Hinblick auf die Festlegung aller wesentlichen Merkmale und Bewertungsmethoden, aller Produktanforderungen und der anwendbaren Bewertungs- und Überprüfungssysteme abschließend ist. Darüber hinaus legt Art. 11 Abs. 2 EU-BauPVO fest, dass die Mitgliedstaaten die harmonisierte Zone in ihren nationalen Vorschriften achten müssen und die Bereitstellung von Produkten, die darunterfallen, auf dem Markt weder untersagen noch behindern dürfen. Hält es ein Mitgliedstaat aus zwingenden Gründen der Gesundheit und Sicherheit von Menschen oder des Schutzes der Umwelt und um unmittelbarem Regelungsbedarf Rechnung zu tragen, für erforderlich, Maßnahmen zu ergreifen, die für Produkte innerhalb der harmonisierten Zone in Bezug auf Merkmale gelten, die nicht in harmonisierten technischen Spezifikationen festgelegt sind, so sieht der Art. 11 Abs. 5 EU-BauPVO ein spezifisches Antragsverfahren hierfür vor. Unklar bleibt jedoch weiterhin, inwieweit Mitgliedstaaten produktmittelbare Anforderungen an Produkte stellen dürfen, wenn diese nicht von den harmonisierten technischen Spezifikationen erfasst sind.

    Art. 11 Abs. 2 EU-BauPVO legt zwar fest, dass verwendungsbezogene Anforderungen der Mitgliedstaaten an Bauprodukte nicht im Widerspruch zu harmonisierten technischen Spezifikationen stehen dürfen, es wird jedoch nicht deutlich, ob es den Mitgliedstaaten erlaubt ist, zusätzliche verwendungsbezogene Anforderungen zu stellen, die nicht in den harmonisierten technischen Spezifikationen festgelegt sind. Die Entstehungsgeschichte und Systematik des Art. 11 EU-BauPVO ergibt jedoch, dass auch die eben genannten zusätzlichen verwendungsbezogenen Anforderungen durch die Mitgliedstaaten nicht zulässig sind. Das beschriebene Antragsverfahren in Art. 11 EU-BauPVO würde leerlaufen, wenn sich dieses nur auf produktunmittelbare Anforderungen beziehen würde. Auch das Ziel einer größtmöglichen Harmonisierung der Anforderungen an Bauprodukte könnte nicht erreicht werden, denn de facto macht es keinen Unterschied, ob es sich um produktunmittelbare Anforderungen oder um solche, die nur mittelbar an ein Bauprodukt gestellt werden handelt. Darüber hinaus verbietet Art. 11 Abs. 2 EU-BauPVO jegliche Behinderung der Bereitstellung harmonisierter Bauprodukte. Eine solche Behinderung liegt auch dann vor, wenn neben den Bestimmungen auf EU-Ebene noch weitere nationale Anforderungen erfüllt werden müssen. Daraus folgt, dass das nationale Bauordnungsrecht zwar Anforderungen an die Verwendung von Bauprodukten stellen darf, nicht jedoch solche verwendungsbezogenen Anforderungen, die sich mittelbar auf das Produkt auswirken und so über die harmonisierten technischen Spezifikationen hinausgehende, produktbezogene Anforderungen darstellen. Darüber hinaus dürfen jedoch auf nationaler Ebene verwendungsbezogene Mindestanforderungen gestellt werden. Sonstige zusätzliche nationale Anforderungen sind den Mitgliedstaaten nur im Rahmen des in Art. 11 EU-BauPVO genannten Antragsverfahrens gestattet. 

    4. Europäische Bewertungsdokumente

    Wie bereits erwähnt, gehören die Europäischen Bewertungsdokumenten begrifflich nicht mehr zu den harmonisierten technischen Spezifikationen und sind somit auch nicht Teil der harmonisierten Zone. Dennoch bilden sie weiterhin die Grundlage für die Ausstellung einer Europäischen Technischen Bewertung. Produkte, für die eine solche Europäische Technische Bewertung ausgestellt wurde, können ein CE-Kennzeichen erhalten, sodass es dem Hersteller weiterhin möglich ist, sein Bauprodukt freiwillig dem Regelungsregime der EU-BauPVO zu unterwerfen. Voraussetzungen für die Erarbeitung solcher Europäischen Bewertungsdokumente legt die EU-BauPVO in den Art. 31 ff. fest. 

    Unter der Verordnung (EU) 305/2011 kam es aufgrund der bereits beschriebenen Probleme im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Fundstellen harmonisierter Normen zunehmend zu der Beantragung von Europäisch Technischen Bewertungen bzw. Europäischen Bewertungsdokumenten. 

    5. Leistungs- und Konformitätserklärung

    Voraussetzung für das Inverkehrbringen eines Bauprodukts, welches unter eine harmonisierte technische Spezifikation fällt, ist die Erstellung einer Leistungs- und Konformitätserklärung. Bereits die Verordnung (EU) 305/2011 setzte die Erstellung einer Leistungserklärung voraus. Die Leistungserklärung gibt auch weiterhin die Leistung in Bezug auf die bauwerksbezogenen wesentlichen Merkmale wieder. Hinzu kommt die Erklärung in Bezug auf die sog. wesentlichen Umweltmerkmale. Auch diese wesentlichen Umweltmerkmale fallen nach der EU-BauPVO unter den Begriff des wesentlichen Merkmals. 

    Darüber hinaus ist die zusätzliche Erstellung einer Konformitätserklärung neu. Grund hierfür ist, dass gem. Art. 7 Abs. 1 EU-BauPVO nunmehr auch Produktanforderungen an Bauprodukte festgelegt werden können. Bisher enthielten die harmonisierten Normen lediglich Prüfverfahren, welche Grundlage für die Leistungserklärung waren. Fällt ein Bauprodukt jedoch unter eine harmonisierte technische Spezifikation gemäß Art. 7 EU-BauPVO ist nun zusätzlich zu prüfen, ob das jeweilige Produkt den geltenden Produktanforderungen entspricht und ergänzend zu der Leistungserklärung auch eine Konformitätserklärung zu erstellen. Produktanforderungen gemäß Anhang III EU-BauPVO kann die Kommission für eine Produktfamilie oder Produktkategorie durch delegierte Rechtsakte festlegen (Art. 7 Abs. 1 EU-BauPVO), wenn das Produkt bereits von einer harmonisierten Leistungsnorm oder einem diese ersetzenden Durchführungsrechtsakt gemäß Art. 6 Abs. 1 EU-BauPVO erfasst ist. Mit der Erstellung der Konformitätserklärung übernimmt der Hersteller die Verantwortung für die Konformität des Produktes mit den geltenden Produktanforderungen (Art. 13 Abs. 2 EU-BauPVO).

    6. CE-Kennzeichen

    Gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-BauPVO wird an ein Produkt, für welches eine Leistungs- und Konformitätserklärung erstellt wurde, das CE-Kennzeichen angebracht. Hiermit erklärt der Hersteller die Verantwortung für die Konformität des Produkts mit seiner erklärten Leistung und – nunmehr auch – mit etwaigen geltenden Produktanforderungen (Art. 13 Abs. 2 EU-BauPVO). Die CE-Kennzeichnung für Bauprodukte, die unter eine harmonisierte technische Spezifikation fallen ist aufgrund der Abhängigkeit der CE-Kennzeichnung von der Erstellung einer Leistungs- und Konformitätserklärung Pflicht. Dies galt auch schon unter der Verordnung (EU) 305/2011.

    7. Umweltanforderungen

    Gänzlich neu ist die Einführung von umfangreichen Umweltanforderungen an Bauprodukte. Diese neuen Umweltverpflichtungen wurden im Rahmen der Verfolgung der Umweltziele, einschließlich der Bekämpfung des Klimawandels und des Übergangs zu einer Kreislaufwirtschaft eingeführt (Erwägungsgrund Nr. 7). Bereits die Verordnung (EU) 305/2011 nahm in Anhang I Umweltschutzaspekte in die Grundanforderungen an Bauwerke mit auf. Die EU-BauPVO knüpft hieran an und legt die bereits oben unter 5. angesprochenen wesentlichen Umweltmerkmale fest, welche bei der Ausarbeitung von Normungsaufträgen zwingend beachtet werden müssen. Hierzu zählen Merkmale wie die Auswirkungen auf den Klimawandel, Ozonabbau, Versauerung photochemische Ozonbildung und weitere Merkmale zählen. Die Umweltleistung soll dabei gem. Art. 15 Abs. 2 EU-BauPVO mithilfe einer Software berechnet werden, die auf der Website der Kommission kostenlos zur Verfügung gestellt wird. Bisher ist eine solche Software nicht verfügbar, sodass abzuwarten bleibt, inwiefern sie die Berechnung der Umweltleistung eines Produkts tatsächlich vereinfacht. Die verschiedenen Umweltmerkmale werden jedoch stufenweise bis zum 9. Januar 2032 verbindlich, wobei die Auswirkungen auf den Klimawandel bereits ab dem 8. Januar 2026 gelten.

    8. Der Digitale Produktpass

    Ein weiteres Kernstück der EU-BauPVO ist die Einführung eines digitalen Produktpasses (DPP) für Bauprodukte (Art. 75ff. BauPVO). Ähnlich zu dem bereits bestehenden Produktpasssystem in der Ökodesign-Verordnung (Verordnung (EU) 2024/1781), soll der DPP umfassende Informationen zum jeweiligen Bauprodukt enthalten und von allen Wirtschaftsteilnehmern entlang der Lieferkette gescannt werden können (beispielsweise über einen QR-Code). So soll die Verfügbarkeit von Produktinformationen verbessert werden und somit gleichzeitig einen transparenten Umgang mit eben diesen Informationen im Interesse der Produktsicherheit, des Schutzes der Umwelt und der menschlichen Gesundheit erreicht werden. Der DPP soll die Bauprodukte über ihrem gesamten Lebenszyklus begleiten und auch bei etwaiger Insolvenz, Liquidation oder Einstellung der Tätigkeit des Wirtschaftsteilnehmers weiterhin zugänglich sein (Art. 78 e) EU-BauPVO). So ist es dem einzelnen Verbraucher möglich, sich zuverlässig über das jeweilige Bauprodukt zu informieren und umweltfreundliche Entscheidungen zu treffen.

    Es gilt noch zu klären, in welchem Verhältnis der DPP zu der bereits bestehenden ÖKOBAUDAT steht. Diese Baustoffdatenbank wird in Deutschland bereits auf freiwilliger Basis benutzt und enthält bereits diverse Informationen zur Ökobilanz von Bauprodukten. 

    9. Marktüberwachung

    Um die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich aufgestellte Marktüberwachung zu vereinheitlichen, enthält die EU-BauPVO auch in diesem Bereich Neuerungen. Gemäß Art. 63 EU-BauPVO führt die Kommission ein Beschwerdeportal ein. Unabhängig von den Tätigkeiten der Marktüberwachungsbehörde und den Verpflichtungen der einzelnen Wirtschaftsteilnehmer, können dort natürliche oder juristische Personen Beschwerden oder Berichte über mögliche Nichtkonformitäten mit der EU-BauPVO melden. Das Portal wird dabei von der Kommission eingerichtet und betreut. Hiermit soll eine Kontrolle der Konformität von Bauprodukten durch Jedermann ermöglicht werden und dadurch eine effektivere Marktüberwachung erreicht werden.

    Art. 64 EU-BauPVO legt fest, dass Mitgliedstaaten unter ihren Marktüberwachungsbehörden eine oder mehrere Behörden benennen, die über die für die technische und rechtliche Bewertung von Produkten notwendige besonderen Kenntnisse verfügen. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten künftig eine nationale Marktüberwachungsbehörde bestimmen, die zentral für den grenzüberschreitenden Kontakt zuständig ist (zentrales Verbindungsbüro).

    10. Notifizierte Stellen

    In der EU-BauPVO erweitert sich – bei gleich gebliebenen Regelungskonzept und Notifizierungsverfahren – das Aufgabenfeld der notifizierten Stellen. Fortan bestimmen diese auch die Leistung und Konformität eines Bauprodukts und prüfen die Kalkulation der umweltbezogenen Nachhaltigkeit des Herstellers (Art. 55 EU-BauPVO).

    Darüber hinaus kann fortan auch die Kommission die Kompetenz von notifizierten Stellen untersuchen (Art. 54 EU-BauPVO). Stellt sie dabei Mängel fest, so setzt sie den jeweiligen Mitgliedstaat in Kenntnis, welcher die erforderlichen Korrekturmaßnahmen zu treffen hat. Unter der Verordnung (EU) 305/2011 war dies noch nicht möglich. In der Vergangenheit wurde immer wieder Kritik an den unterschiedlichen Kompetenzniveaus der notifizierten Stellen in den Mitgliedstaaten geäußert.

    11. Vereinfachtes Verfahren

    Nach wie vor gibt es die Möglichkeit, zur Leistungsbestimmung und -kontrolle von Bauprodukten, ein vereinfachtes Verfahren anzuwenden (Art. 59ff. EU-BauPVO). Art. 59 EU-BauPVO legt dabei fest, wann der Hersteller die Typprüfung oder die Typberechnung durch einen spezifischen Abschnitt der technischen Dokumentation ersetzen kann. Die Anwendung von vereinfachten Verfahren ist außerdem für Kleinstunternehmen und nicht in Serie hergestellten Sonderanfertigungen möglich (Art. 60 und 61 EU-BauPVO).

    12. Verhältnis zu anderen europäischen Rechtsakten

    Da die EU-BauPVO Teil eines ganzen Maßnahmenpaketes ist, stellen sich damit auch Fragen des Verhältnisses zu anderen europäischen Rechtsakten, insbesondere zu den Produktrechtsakten. Die EU-BauPVO beschäftigt sich hiermit im Art. 12.

    Da die harmonisierten technischen Spezifikationen auch umweltbezogene Produkteigenschaften enthalten können, ist beispielsweise eine parallele Einschlägigkeit der EU-BauPVO und der Ökodesign-Verordnung denkbar. Bauprodukte können somit auch in den Anwendungsbereich der Ökodesign-Verordnung fallen, Art. 12 Abs. 2 EU-BauPVO sieht hier jedoch im Kollisionsfall den Vorrang der EU-BauPVO vor. Die Ökodesign-Verordnung soll dagegen nur im Ausnahmefall vorrangig als Regelungsrahmen dienen.

    Die bei der Umsetzung der EU-BauPVO gesammelten umweltbezogenen Daten sollen außerdem bei der Umsetzung anderer europäischer Rechtsakte wie der Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie (EPBD), der Taxonomie-Verordnung und der Energieeffizienzrichtlinie (EED) behilflich sein. Im Rahmen der von der Kommission entwickelten sog. „level(s) methodology“ sollen die jeweiligen Rechtsakte ineinandergreifen und sich gegenseitig unterstützen. Ziel ist es, durch die im Rahmen der EU-BauPVO erlangten umweltbezogenen Daten im Bausektor gleichzeitig zu einer effektiven Anwendung der EPBD; EED und Taxonomie-Verordnung beizutragen. 

    Enthält die EU-BauPVO keine speziellen Regelungen zum Verhältnis zu anderen europäischen Rechtsakten so kommt Art. 12 Abs. 1 EU-BauPVO zur Anwendung. Dieser besagt, dass, sofern ein Aspekt der Gesundheit, Sicherheit von Menschen oder des Schutzes der Umwelt in Bezug auf Produkte doppelt geregelt ist, die Kommission durch delegierte Rechtsakte festlegen kann, dass die Anforderungen des anderen Rechtsakts auch die Anforderungen der EU-BauPVO erfüllen. Es gilt mithin ein grundsätzlicher Vorrang der EU-BauPVO.

    13. Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

    Die EU-BauPVO ist am 7. Januar 2025 in Kraft getreten. Geltung erlangt sie grundsätzlich zwölf Monate danach, also am 8. Januar 2026. Hiervon sind gemäß Art. 96 EU-BauPVO jedoch einige Artikel ausgenommen, welche unmittelbar ab Inkrafttreten gelten. Diese haben Vorbereitungstätigkeiten zum Gegenstand, die abgeschlossen sein müssen, wenn die Pflichten für die Wirtschaftsakteure ab Anfang 2026 eingreifen. Hierzu gehören: Artikel 1 bis 4 (Gegenstand und Ziele, Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen und Arbeitsplan und vorbereitende Schritte für die Ausarbeitung harmonisierter technischer Spezifikationen), der Artikel 5 Absätze 1 bis 7 (harmonisierte Normen zur Festlegung wesentlicher Merkmale für Leistung), der Artikel 7 Absatz 1 (delegierte Rechtsakte zur Festlegung von Produktanforderungen), die Artikel 9 und 10 (Allgemeine Produktinformationen, Gebrauchsanweisungen, Sicherheitsinformationen und Bewertungs- und Überprüfungssysteme), der Artikel 12 Unterabsatz 1 (Verhältnis zu anderem Unionsrecht), der Artikel 16 Absatz 3 (Recht der Kommission von der europäischen Normungsorganisation Leitlinien einzufordern, um die Interoperabilität der Leistungs- und Konformitätserklärung in einem vom Menschen lesbaren und maschinenlesbaren Format sicherzustellen), der Artikel 37 Absatz 4 (Durchführungsrechtsakte zur Festlegung des Formats der Europäischen Technischen Bewertung), die Artikel 63 (Beschwerdeportal), 89 (delegierte Rechtsakte) und 90 (Ausschussverfahren) und die Anhänge I (grundlegende Anforderungen an Bauwerke), II (vorab festgelegte wesentliche Umweltmerkmale), III (Produktanforderungen), IV (allgemeine Produktinformationen, Gebrauchsanweisungen und Sicherheitsinformationen), IX (Bewertungs- und Überprüfungssysteme) und X (wesentliche Merkmale horizontaler Art).

    Nach der Verordnung (EU) 305/2011 benannte Produktinformationsstellen für das Bauwesen sowie Technische Bewertungsstellen und notifizierte Stellen gelten als auch nach der EU-BauPVO benannt bzw. notifiziert, Art. 95 Abs. 1 und 2 EU-BauPVO. 

    Bereits erteilte Europäische Bewertungsdokumente bleiben bis zum 9. Januar 2031 gültig, sofern sie nicht aus anderen Gründen abgelaufen sind, Art. 95 Abs.4 EU-BauPVO. Europäische Technische Bewertungen, die gemäß Europäischen Bewertungsdokumenten erstellt wurden, deren Fundstelle zum 8. Januar 2026 jedoch nicht im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlich wurde, werden als Anträge auf eine Europäische Technische Bewertung gemäß der EU-BauPVO behandelt. 

    Gemäß der Verordnung (EU) 305/2011 bereits erteilte Bescheinigungen oder Prüfberichte verlieren nicht an Bedeutung und können als technische Grundlage für den Nachweis der Konformität eines Produktes mit der EU-BauPVO herangezogen werden, Art. 95 Abs. 7 EU-BauPVO. Eine solche Anerkennung ist unter den in Art. 62 EU-BauPVO aufgelisteten Bedingungen möglich.

    Wichtig ist dabei, dass die Pflichten der Wirtschaftsteilnehmer nach der neuen EU-BauPVO erst sukzessive eingreifen, sofern harmonisierte technische Spezifikationen für das jeweilige Produkt verbindlich gemacht wurden und eine weitere Übergangsfrist von regelmäßig einem Jahr abgelaufen ist (Art. 95 Abs. 9 EU-BauPVO) oder eine neue Europäisch Technische Bewertung aufgrund eines Europäischen Bewertungsdokuments nach der neuen EU-BauPVO ausgestellt wurde. Andernfalls gelten die Pflichten der Wirtschaftsakteure nach Maßgabe der Verordnung (EU) 305/2011 bis spätestens zum 8. Januar 2040 fort. 

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    Dr. Marthe-Louise Fehse
    Rechtsanwältin | Partnerin

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