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Untersuchter und bewerteter Recycling-Baustoff, der nach geltender Rechtslage eingeschränkt offen eingebaut werden kann, erreicht das Abfallende

Das hat das VG Potsdam in seinem Beschluss vom 23.06.2022 – 14 L 306/21 – entschieden. Diese und 10 weitere interessante Entscheidungen zum Abfallrecht haben wir in unserem Rechtsprechungsreport Abfallrecht von August 2022 vorgestellt, den Sie hier lesen oder auch als PDF-Datei herunterladen können.

In dem vom VG Potsdam entschiedenen Fall stritten die Immissionsschutzbehörde und der Betreiber einer Abgabestelle für Boden, Sand und Schüttgüter um die Rechtmäßigkeit einer Anordnung, mit der die Immissionsschutzbehörde den Betreiber zur Entsorgung von auf dem Betriebsgrundstück lagernden angeblichen Abfällen verpflichtet hatte. Die Behörde war der Auffassung, dass der Betreiber mehr als 100 t Abfälle lagerte, sodass das Lager eine Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 8.12.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV benötige. Da diese Genehmigung nicht vorlag, erließ die Behörde auf der Grundlage von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG eine für sofort vollziehbar erklärte Stilllegungs- und Beräumungsverfügung. Hiergegen erhob der Betreiber Widerspruch und begehrte vom Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs. Mit Erfolg.

Die Behörde ordnete u.a. ein Haufwerk von 771 m³ als Abfall ein, das der Betreiber von einem Lieferanten als zertifizierten RC-Beton bezogen hatte.

Dieses Material war beim Lieferanten durch ein Ingenieurbüro für Umweltschutztechnik beprobt und analysiert worden. Dabei hatte das Ingenieurbüro den Recyclingbeton auf der Grundlage der Brandenburgischen Technischen Richtlinien für Recycling-Baustoffe im Straßenbau, Ausgabe 2014 (BTR RC-StB 14) i. V. m. den Technischen Regeln der LAGA-Mitteilung 20 beurteilt. Der Untersuchungsbericht des Ingenieurbüros kam zu dem Ergebnis, dass der Recyclingbeton gemäß den Brandenburgischen Technischen Richtlinien der Einbauklasse 1 entspreche und gemäß der LAGA-Mitteilung 20 als Z1.1-Material zu bewerten sei. Demzufolge konnte der Recyclingbeton nach geltender Rechtslage zulässiger Weise in technische Bauwerke (z.B. Straßenbauwerken) eingeschränkt offen eingebaut werden.

Entgegen der Immissionsschutzbehörde qualifiziert das VG Potsdam diesen Recyclingbeton nicht als Abfall, weil er bereits die Voraussetzungen des Abfallendes gemäß § 5 Abs. 1 KrWG erfüllt. Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen und Bewertungen sowie der Feststellung, dass der Recyclingbeton nach geltender Rechtslage (Brandenburgische Technische Richtlinien, LAGA-Mitteilung 20) eingeschränkt offen eingebaut werden kann, bestehen nach Auffassung des VG Potsdam keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung des Recyclingbetons im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG insgesamt zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt.

Dabei erwähnt das Gericht auch die zwischenzeitlich wieder gestrichene Vorschrift des § 20 im Entwurf der Bundesregierung für eine Ersatzbaustoffverordnung von Mai 2017, wonach für Recycling-Baustoff der Materialklasse 1 (RC-1) die Abfalleigenschaft enden sollte (vorbehaltlich der Erfüllung der weiteren Voraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 KrWG). In der am 16.07.2021 verkündeten Ersatzbaustoffverordnung vom 09.07.2021 (EBV), die am 01.08.2023 in Kraft treten wird, ist diese Vorschrift zwar nicht mehr enthalten. Dennoch regelt § 1 Abs. 1 Nr. 3 EBV ausdrücklich, dass die EBV die Voraussetzungen regelt, unter denen die Verwendung der in der EBV geregelten mineralischen Ersatzbaustoffe insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG führt (das Gleiche gilt für die entsprechende Nebenprodukt-Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 KrWG). Die Entscheidung des VG Potsdam ist somit auf die künftig geltende Rechtslage nach der EBV übertragbar.

Eine weitere wichtige Feststellung des VG Potsdam ist: Die materielle Beweislast für die Tatsachen, die nach der zugrundeliegenden Ermächtigungsgrundlage (§ 20 BImSchG, § 62 KrWG etc. in Verbindung mit den §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 KrWG) Voraussetzung für den Erlass des belastenden Verwaltungsakts sind, trägt im Rahmen der Eingriffsverwaltung stets die Behörde. Demnach obliegt es der Behörde, die Schädlichkeit der Verwendung – und damit das Nicht-Erreichen des Abfallendes – im Rahmen einer Prognose darzulegen. Die behördliche Feststellung, schädliche Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt könnten nicht ausgeschlossen werden, ist unzureichend.

Link zur Entscheidung

Gregor Franßen, EMLE
Rechtsanwalt | Partner

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