Rechtsprechungsreporte Abfallrecht

von

Rechtsprechungsreport Altlasten März 2025

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir freuen uns, dass wir Ihnen pünktlich zum ITVA-Altlastensymposium 2025 unseren neuen Rechtsprechungsreport Altlastenmanagement zur Verfügung stellen können. Die aufgenommenen Entscheidungen betreffen unter anderem Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Anordnungen zur Durchführung von Detailuntersuchungen sowie die Frage der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme von Zustandsstörern. 

Wir wünschen Ihnen – wie immer – viele neue und nützliche Erkenntnisse bei der Lektüre.

Inhaltsverzeichnis

    I. Bodenschutzrecht

    1. Entscheidungen zur inhaltlichen Bestimmtheit von Untersuchungsanforderungen

    a) Anforderungen an die Bestimmtheit der Anordnung einer Detailuntersuchung

    Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 21. Juni 2023 - 24 CS 23.179

    Die Beteiligten streiten um den Sofortvollzug einer Detailuntersuchung. Die Antragstellerin ist Eigentümerin mehrerer Grundstücke, auf denen von 1947 bis 1992 eine Uhrenfabrik betrieben wurde. Bei der Uhrenproduktion wurden LHKW eingesetzt, die in erheblichen Mengen in den Untergrund gelangt sind. Diese Verunreinigungen gehen im Wesentlichen auf verschiedene Störfälle zurück. Seit 1995 nahm die Antragstellerin Bodenluft- und Grundwassersanierungsmaßnahmen sowie Sicherungsmaßnahmen vor. Im Jahr 2009 hat die Antragstellerin jedoch die Maßnahmen eingestellt. Das Grundwasser blieb auf dem Betriebsgelände und im Abstrom immer noch erheblich belastet. In der Folgezeit bestanden Unstimmigkeiten darüber, ob im Hinblick auf die verbliebenen Grundwasserverunreinigungen weitergehende Maßnahmen notwendig sind. Mit Anordnung vom 8. November 2019 verpflichtete der Antragsgegner die Antragstellerin zur Erstellung eines Untersuchungsprogramms für eine erweiterte Detailuntersuchung. Die Antragstellerin ließ daraufhin ein Untersuchungsprogramm durch die Firma M&P erstellen. Sie weigerte sich aber nach wie vor, weitergehende Maßnahmen umzusetzen. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 27. April 2022 verpflichtete das Landratsamt die Antragstellerin dazu, eine erweiterte Detailuntersuchung entsprechend dem vorgelegten Untersuchungskonzept der M&P durchzuführen. Die Antragstellerin ist gegen diesen Bescheid im Eilverfahren vorgegangen und hat vor dem Verwaltungsgericht gewonnen. Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der Antragsgegner wiederum Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erhoben.

    In den letzten Jahren gab es bereits eine Vielzahl an gerichtlichen Entscheidungen, die in ähnlich gelagerten Fällen auf die Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit von Anordnungen zur Detailuntersuchung eingegangen sind, vgl. etwa Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 22.7.2021 - M 2 S 21.2950.  Juristisch sind die Anforderungen an die Bestimmtheit von Untersuchungs- und Sanierungsanordnungen klar umrissen. Überraschenderweise erweisen sich die Bescheide in der Praxis in diesem Zusammenhang aber weiterhin als fehleranfällig.

    Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Anordnung der erweiterten Detailuntersuchung als voraussichtlich rechtswidrig. Es bestehen Zweifel, ob die Anordnung hinreichend bestimmt i.S.v. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG ist. Eine Detailuntersuchung ist gemäß § 2 Nr. 4 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) eine vertiefte Untersuchung zur abschließenden Gefährdungsabschätzung, die insbesondere der Feststellung von Menge und räumlicher Verteilung von Schadstoffen, ihrer mobilen oder mobilisierbaren Anteile, ihrer Ausbreitungsmöglichkeiten in Boden, Gewässer und Luft sowie der Möglichkeit ihrer Aufnahme durch Menschen, Tiere und Pflanzen dient. Detailuntersuchungen bilden nach § 4 Abs. 4 BBodSchV regelmäßig die Grundlage für die Entscheidung über die zu treffenden Maßnahmen. Unstreitig liegt hier eine schädliche Bodenveränderung vor, die von der Antragstellerin verursacht worden ist. Jedoch hätte das Landratsamt in der Anordnung die notwendigen Untersuchungsmaßnahmen für die Detailuntersuchung zumindest in ihren wesentlichen Zügen festlegen müssen. Sie hätte insbesondere Aussagen dazu treffen müssen, mit welchen Mitteln die Untersuchungen durchzuführen sind und auf welche Parameter (Schadstoffe bzw. Schadstoffgruppen, Wirkungspfade) hin zu untersuchen ist. Der pauschale Verweis auf das Untersuchungsprogramm der M&P genügt den Anforderungen an eine inhaltliche Bestimmtheit nicht, weil in diesem Untersuchungsprogramm verschiedene Maßnahmen dargestellt werden, mit denen eine Detailuntersuchung theoretisch stattfinden könnte. Eine klare Aussage, welche der dargestellten Maßnahmen stattzufinden hat, enthält das Untersuchungsprogramm nicht.

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    b) Unbestimmtheit der Anordnung einer Detailuntersuchung

    VG Augsburg, Urt. v. 04. September 2023 - Au 9 K 22.1567

    Die Klägerin wendet sich gegen die Verpflichtung zur Durchführung einer Detailuntersuchung. Sie betrieb über mehrere Jahrzehnte einen Militärflugplatz. Dieser verfügte über eine Flughafenfeuerwehr mit eigenen Einrichtungen und eigenem Personal. Im Rahmen der Übungen und Einsätze nutzte die Feuerwehr PFC-haltige Löschschäume. Nachdem im Grundwassermonitoring des Flughafens Nachweise von PFC festgestellt worden waren, veranlasste der Beklagte (Landratsamt) zunächst die Erstellung einer historischen Untersuchung. Der Sachverständige ermittelte potenzielle PFC-Eintragsstellen. Mit Bescheid vom 27. Juni 2022 verpflichtete der Beklagte die Klägerin zur Durchführung von Detailuntersuchungen. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erhoben. 

    Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid ist rechtswidrig, weil die Anordnung zur Durchführung der Detailuntersuchung nicht hinreichend bestimmt ist. Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Für den Adressaten muss die Regelung so vollständig und erkennbar sein, dass er sein Verhalten danach richten kann. Vorliegend lässt der Bescheid nach der Ansicht des Gerichts bereits nicht klar und unzweideutig erkennen, ob die Klägerin zur Durchführung von Detailuntersuchungsmaßnahmen und zur Vorlage eines hierfür (zunächst) zu erstellenden Untersuchungskonzepts verpflichtet werden sollte oder ob zunächst nur die Vorlage eines Untersuchungskonzepts angeordnet worden ist. Zudem muss die anordnende Behörde insbesondere eine Aussage darüber treffen, mit welchen Mitteln (z.B. Rammkernsondierungen) die Untersuchungen durchzuführen sind, auf welche Parameter (Schadstoffe bzw. Schadstoffgruppen, Wirkungspfade) hin zu untersuchen ist sowie das geforderte Untersuchungsprogramm jedenfalls in seinen Grundzügen bestimmen. Der allgemeine Hinweis auf das Merkblatt Nr. 3.8/1 des LfU war nach den gerichtlichen Ausführungen nicht ausreichend. Das Merkblatt konkretisiert zwar die Vorgaben des BBodSchG, der BBodSchV und des BayBodSchG und stellt damit eine verlässliche Orientierungshilfe dar, da es den Ablauf, das Untersuchungsverfahren und die Vorgehens- und Bewertungsweise festlegt, es trifft im Einzelfall jedoch keine Aussage über die genau durchzuführenden Untersuchungen. 

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    c) Bestimmtheit einer Detailuntersuchung

    VG Ansbach, Beschl. v. 09. November 2023 - AN 9 S 23.798

    Die Antragstellerin wendet sich in einem Eilverfahren gegen die Anordnung einer Detailuntersuchung. Die Antragstellerin ist eine Gemeinde und wird als Zustandsstörerin wegen eines LHKW-Schadens in Anspruch genommen. Am 04. Januar 2023 verpflichtete der Antragsgegner die Antragstellerin zur Erstellung und Vorlage eines Untersuchungskonzepts für eine Detailuntersuchung sowie in Ziffer 1.2. des Bescheids zur Umsetzung der in dem Untersuchungskonzept vorgesehenen Maßnahmen. Die Antragstellerin ist im Wesentlichen der Ansicht, dass eine Detailuntersuchung nicht mehr notwendig sei, weil aufgrund der bisherigen Untersuchungen bereits feststehe, dass eine Sanierung notwendig sei. Die Stufe der Gefährdungsabschätzung sei damit abgeschlossen und das Stadium der Sanierung erreicht. Zudem macht sie eine inhaltliche Unbestimmtheit der Anordnung geltend und ist der Auffassung, dass die Detailuntersuchung wegen dem Überschreiten der Opfergrenze unverhältnismäßig sei. 

    Vorliegend hätte die Behörde nach der Auffassung des Gerichts die Erstellung des Untersuchungskonzepts abwarten müssen, bevor sie die Anordnung zur Umsetzung der in dem Untersuchungskonzept definierten Maßnahmen trifft. Die Anordnung von Maßnahmen zur Umsetzung eines noch zu erstellenden Untersuchungskonzepts erweist sich aber wie das Gericht zutreffend ausgeführt hat, als inhaltlich unbestimmt. Mit Blick auf eine etwaige Notwendigkeit der Haftungsbegrenzung zugunsten einer Gemeinde ist der Vollständigkeit halber auf das Urteil des VG Darmstadt - 6 K 1717/11.DA hinzuweisen. Das VG Darmstadt hat zugunsten einer Gemeinde die Notwendigkeit einer Haftungsbegrenzung auf den Verkehrswert nach erfolgter Sanierung bejaht und dabei auf das Recht der Gemeinden zur kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) abgestellt. Die Rechtsauffassung des VG Darmstadt hat sich soweit ersichtlich, was auch die Entscheidung des VG Ansbach zeigt, nicht durchgesetzt.

    Der Antrag ist zum Teil begründet, da die Anordnung der Detailuntersuchung zumindest mit Blick auf Ziffer 1.2. der Anordnung inhaltlich unbestimmt und insoweit rechtswidrig ist. Im Übrigen erweist sich die Anordnung jedoch nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als rechtmäßig. Nach der Auffassung des Gerichts war „das Stadium der Sanierung“ noch nicht erreicht. Zwar stand vorliegend bereits fest, dass eine Sanierung erforderlich ist, unklar war aber weiterhin welchen Umfang die Sanierung (v.a. im Hinblick auf den räumlichen Umfang) haben muss. Insofern schließen sich die Erkenntnis, dass grundsätzlich saniert werden muss, und die Erforderlichkeit einer weiteren Detailuntersuchung gerade nicht aus. Die zur Haftungsbegrenzung des Zustandsstörers im Rahmen einer angeordneten Sanierung ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts führt vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis. Dies ergibt sich daraus, dass sich die Antragstellerin als Gemeinde nicht auf den Grundrechtsschutz nach Art. 14 GG berufen kann, so dass die Gemeinde keine Überschreitung der Opfergrenze wegen einer vermeintlichen Verletzung des Eigentumsschutzes argumentieren kann. Mit Blick auf Ziffer 1.2. der Anordnung ist aber von einer inhaltlichen Unbestimmtheit auszugehen. Denn Ziffer 1.2. verpflichtet die Antragstellerin pauschal zur Umsetzung der in dem Untersuchungskonzept vorgesehenen Maßnahmen. Ein Untersuchungskonzept lag aber gerade noch nicht vor, sondern war von der Antragstellerin gemäß Ziffer 1.1. der Anordnung zunächst zu erstellen. Umfang und Inhalt der mit Ziffer 1.2. angeordneten Maßnahmen stehen somit nicht fest, was letztlich zu einer inhaltlichen Unbestimmtheit führt. 

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    2. Entscheidungen zur Haftungsbegrenzung zugunsten von Zustandsstörern

    a) Belastungsgrenze für Inanspruchnahme eines Zustandsstörers

    Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urt. v. 26. September 2023 - 24 B 22.167

    Der Kläger wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Sanierungsanordnung. Der Kläger ist Eigentümer des mit einer gewerblich genutzten Halle bebauten Grundstücks. Er erwarb das Grundstück, das zuvor jahrzehntelang von verschiedenen chemischen Reinigungsbetrieben genutzt wurde, im September 1989. Das Grundstück ist mit erheblichen Kontaminationen belastet. Die in der Folge (vom Voreigentümer) eingeleitete Sanierung ist im Jahr 2005 zunächst beendet worden. Da jedoch im Jahr 2009 ein erneuter Anstieg der Schadstoffkonzentrationen festgestellt wurde, verpflichtete das Landratsamt den Kläger mit Bescheid vom 21. Mai 2012 zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen. Die Belastungsgrenze wurde auf 183.000,00 EUR festgesetzt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage. In der mündlichen Verhandlung am 22. Januar 2014 äußerte das Verwaltungsgericht Zweifel an der inhaltlichen Bestimmtheit der Anordnung, ordnete aber auf Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens an, um Einigungsgespräche zu ermöglichen. Eine einvernehmliche Beendigung des Verfahrens gelang jedoch nicht. Mit dem Änderungsbescheid vom 17. März 2015 änderte das Landratsamt den Bescheid vom 21. Mai 2012 und präzisierte insbesondere die zu erreichenden Sanierungsziele und ergänzte die Gründe. Nach der Wiederaufnahme des Verfahrens hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 16. Januar 2019 den Bescheid in der Gestalt des Änderungsbescheids auf. Gegen diese Entscheidung legte der Beklagte eine Berufung vor dem Verwaltungsgerichtshof ein. Im Kern streiten die Parteien um die Frage, ob die Inanspruchnahme des Klägers noch zumutbar war. 

    Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Beklagten zu Recht aufgehoben. Als Eigentümer ist der Kläger auch Zustandsverantwortlicher und kann als solcher grundsätzlich in Anspruch genommen werden. Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst ausgeführt, dass die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers seiner Inanspruchnahme zur Sanierung nicht entgegensteht. Ob das wirtschaftliche Unvermögen eines Störers mit Blick auf eine effektive Gefahrenabwehr eine Inanspruchnahme des Störers überhaupt entgegenstehen kann, konnte das Gericht hier offenlassen, weil im vorliegend jedenfalls kein leistungsstarker Verantwortlicher ersichtlich war, dessen Auswahl anstelle des Klägers in Betracht gekommen wäre. Die Verantwortlichkeit des Zustandsverantwortlichen ist aber grundsätzlich auf den Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung beschränkt. Dem Zustandsstörer kann grundsätzlich nur eine Inanspruchnahme bis zu der Höhe des Verkehrswerts seines Grundstücks nach erfolgter Sanierung zugemutet werden. Diese Begrenzung der Inanspruchnahme folgt gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem grundrechtlich gemäß Art. 14 GG geschützten Eigentumsrecht. Eine Inanspruchnahme über den Verkehrswert hinaus kommt in Betracht, wenn der Erwerber das Altlastenrisiko bewusst in Kauf genommen oder es fahrlässig verkannt hat. 

    Gegen dieses Urteil hat der Beklagte eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht eingelegt. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts liegt vor und wird untenstehend dargestellt. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist allein die Kenntnis des Zustandsstörers beim Grundstückserwerb über eine jahrzehntelange gefahrgeneigte Grundstücksnutzung nicht ausreichend, um eine über den Verkehrswert hinausgehende Haftung zu rechtfertigen. Dies ist eine käuferfreundliche Rechtsprechung. Fraglich ist aber, ob die Entscheidung genauso ausgefallen wäre, wenn sich dem Zustandsstörer das Vorliegen der schädlichen Bodenveränderung zum Kaufvertragsabschluss hätte aufdrängen müssen (grob fahrlässige Unkenntnis). 

    In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof zunächst geprüft, ob der Kläger bei dem Grundstückserwerb ggf. eine Untersuchungsobliegenheit verletzt hat, die ausnahmsweise eine Haftung des Klägers über den Verkehrswert hinaus rechtfertigt. Dies hat das Gericht aber abgelehnt. Allein die Kenntnis des Zustandsstörers von der jahrzehntelangen gefahrgeneigten Grundstücksnutzung durch die verschiedenen Reinigungsbetriebe reicht nach der Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs gerade nicht aus, um eine über den Verkehrswert hinausgehende Haftung als Zustandsstörer zu rechtfertigen. Zumal der Erwerber beim Grundstückskauf ohnehin keine Befugnis hat, eigenmächtig Untersuchungen für das zum Verkauf stehende Grundstück zu veranlassen. Die betragsmäßige Festlegung des Verkehrswerts als Belastungsgrenze war vorliegend unzulässig und führt zu einer Rechtswidrigkeit der Sanierungsanordnung. Nach den gerichtlichen Feststellungen liegt eine gesteigerte Ungewissheit über die Sanierungsdauer und dem Sanierungserfolg vor. Daraus resultiert wiederum eine Ungewissheit über die Höhe des Verkehrswerts nach Abschluss der Sanierung bzw. eine Ungewissheit, ob sich der Verkehrswert realisieren lässt. In einem Fall solcher Ungewissheit hätte der Beklagte die dem Kläger zumutbare Opfergrenze nicht betragsgemäß in der Sanierungsanordnung festlegen dürfen. Schließlich ist die Festlegung der Belastungsgrenze durch Bezifferung des Verkehrswerts bereits im Sanierungsbescheid in diesen Fällen für den Zustandsstörer nicht zumutbar, weil sie ihm das Risiko aufbürdet, dass die frühzeitig festgelegte Haftungsobergrenze durch den Sanierungsaufwand ausgeschöpft wird und der fiktive Verkehrswert später prognosewidrig nicht realisiert werden kann. Der Beklagte hätte deshalb im Sanierungsbescheid eine Haftungsgrundentscheidung dahingehend treffen müssen, ob er den Verkehrswert (als abstrakte Entität) zur Belastungsobergrenze machen möchte oder ob er ausnahmsweise eine Haftung hierüber hinaus begründen möchte. Die konkrete Bezifferung des Verkehrswerts hätte dann in einer gesonderten Entscheidung ergehen müssen.

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    b) Grundsätzlich ist die Haftungsobergrenze des Zustandsstörers bereits in der Sanierungsanordnung betragsmäßig festzusetzen

    BVerwG, Urt. v. 07. November 2024 - 10 C 12/23

    Gegen das eben dargestellte Urteil des bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hat der Beklagte Revision eingelegt, welche nunmehr durch das Bundesverwaltungsgericht entschieden worden ist. 

    Dieser Entscheidung ist entgegenzubringen, dass es in Fällen, in denen unklar ist, ob die angeordnete Sanierungsmaßnahme zur Erreichung des Sanierungsziels ausreichend ist oder nicht, die beitragsgemäße Festsetzung der Haftungsobergrenze in der Sanierungsanordnung ein Risiko für den Zustandsstörer dahingehend birgt, über die Opfergrenze hinaus in Anspruch genommen zu werden. Dies vor allem dann, wenn die Sanierungsmaßnahmen nach Erreichung der Haftungsgrenze ohne Erlass einer weiteren Anordnung fortgeführt werden. Dann fehlt es an der von dem Bundesverwaltungsgericht vorgebrachten Möglichkeit, die Haftungsobergrenze in einem gesonderten Bescheid erneut festzusetzen. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch Fälle, in denen von vornherein absehbar ist, dass in der betroffenen Anordnung lediglich eine Teilsanierung erfolgt. Nach dem Urteil des VGH Mannheim vom 08. März 2013 - 10 S 1190/09 muss die Haftungsgrenze bei einer angeordneten Teilsanierung nach dem Verkehrswert des teilsanierten, nicht aber des fiktiv völlig unbelasteten Grundstücks, bemessen werden. Inwieweit eine Berechnung des „teilsanierten Verkehrswert“ überhaupt möglich ist, ist wiederum eine Frage des Einzelfalles. 

    Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichtshofs und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Nach der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist die betragsgemäße Festsetzung des Verkehrswerts in der angegriffenen Sanierungsanordnung rechtmäßig erfolgt.  Der Adressat einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung hat nach § 24 Abs. 1 S. 1 BBodSchG die Kosten der angeordneten Maßnahmen zu tragen. Eine gesetzliche Regelung zur Begrenzung der Haftung besteht nicht. Jedoch beschränkt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers als Zustandsstörer. Zur Bestimmung der Grenzen der Zumutbarkeit kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Verhältnis des finanziellen Aufwands zu dem Verkehrswert des Grundstücks nach Durchführung der Sanierung als Anhaltspunkt dienen. Die Entscheidung des Zustandsstörer darüber, ob die Sanierungsanordnung hingenommen oder angefochten werden soll, kann er sinnvoll nur treffen, wenn er weiß, ob er unbegrenzt mit den Kosten belastet wird oder mit welcher Kostenbelastung er höchstens zu rechnen hat. Deshalb darf eine Entscheidung über die konkrete Höhe des Haftungsrisikos bei Erlass einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung nur ausnahmsweise unterbleiben. Nur sofern der Verwaltung die Gründe der Unzumutbarkeit einer Belastung in Höhe des Verkehrswerts im Zeitpunkt der Sanierungsanordnung nicht oder nicht vollständig bekannt sind, kann von einer betragsmäßigen Festsetzung der Haftungsobergrenze in der Sanierungsanordnung abgesehen werden. Die Sanierungsverfügung ist in diesen Fällen mit dem Vorbehalt einer gesonderten Entscheidung über die Kostentragung zu verbinden. Die Festsetzung der Haftungsobergrenze hat das Bundesverwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs als rechtmäßig bewertet. Nach der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts beruht das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs auf der unzutreffenden Annahme, die Haftungsobergrenze sei auf die Zustandsverantwortlichkeit eines Eigentümers für sein Grundstück insgesamt - und damit auch auf gegebenenfalls zukünftig noch ergehende Sanierungsanordnungen - zu beziehen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Falls mit Bezug auf ein Grundstück eine weitere Sanierungsanordnung ergeht, ist vielmehr die neuerliche Festsetzung einer auf diese Anordnung bezogenen Haftungsobergrenze auf der Grundlage der dann gegebenen Sach- und Rechtslage möglich und notwendig. Die Tatsache, dass in einem Fall eine weitere Sanierungsanordnung ergehen könnte, führt demnach nicht dazu, dass von einer betragsmäßigen Festlegung der Opfergrenze in der ersten Sanierungsanordnung abgesehen werden kann. 

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    c) Keine Begrenzung der Zustandsstörerhaftung zugunsten einer Gemeinde

    VG Gießen, Urt. v. 03. Januar 2024- 6 K 2114/22.GI

    Die Klägerin, eine Gemeinde, wendet sich gegen zwei bodenschutzrechtliche Anordnungen, mit denen sie zur Durchführung von Untersuchungen der Innenraumluft von Gebäuden und zur Aufstellung eines geologischen und hydrogeologischen Standortmodells verpflichtet wird. Die streitgegenständlichen Bodenverunreinigungen sind auf den Betrieb einer Färberei und chemischen Reinigung in Butzbach zurückzuführen. Die Klägerin ist zum Teil noch Eigentümerin der betroffenen Grundstücke. Teilweise hat sie die betroffenen Grundstücke im Jahr 2012 veräußert. Die Grundstücke werden bereits seit 2007 auf Kosten der Klägerin saniert. Bei einer durch das Regierungspräsidium Darmstadt beauftragten Bodenuntersuchung im Jahr 2021 wurden weitere LHKW-Belastungen im Boden festgestellt. Mit Bescheid vom 19. August 2022 ordnete das Regierungspräsidium Darmstadt deshalb gegenüber der Klägerin die Durchführung von Untersuchungen der Innenraumluft auf LHKW an. Zeitgleich ordnete das Regierungspräsidium Darmstadt gegenüber der Klägerin die Aufstellung eines geologischen und hydrogeologischen Standortmodells an. Die Klägerin meint, dass die Anordnungen unverhältnismäßig seien, da die zumutbare (finanzielle) Belastung der Klägerin bereits durch die von ihr vorgenommene Altlastensanierung deutlich überschritten worden sei. 

    Mit Blick auf die angeordneten Untersuchungsmaßnahmen wäre ohnehin auch fraglich gewesen, ob die für Sanierungsmaßnahmen ergangene Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts übertragbar ist. Da aber auch Untersuchungsmaßnahmen sehr kostenintensiv sein können, können diese den Verkehrswert des betroffenen Grundstücks nach erfolgter Sanierung prinzipiell übersteigen. Deshalb könnte es angezeigt sein, die für Sanierungsmaßnahmen entwickelte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Untersuchungsmaßnahmen entsprechend zu berücksichtigen. Interessant ist zudem die Frage, ob sich auch ehemalige Eigentümer auf eine Opfer- bzw. Zumutbarkeitsgrenze berufen können.  Mit Blick auf Verursacher steht jedenfalls fest, dass eine Begrenzung der Haftung auf den Verkehrswert nach erfolgter Sanierung nicht notwendig ist, vgl. etwa Verwaltungsgericht Sigmaringen, Beschluss vom 5.8.2021 - 5 K 3006/20.

    Die Klage hat weitestgehend keinen Erfolg. Rechtsgrundlage für die bodenschutzrechtlichen Anordnungen ist jeweils § 9 Abs. 2 BBodSchG. Hiernach kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4 Abs. 3, Abs. 5 und Abs. 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben, wenn auf Grund konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder einer Altlast besteht. Das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung steht nicht in Frage.  Bei den angeordneten Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung - nämlich den Innenraumluftmessungen sowie dem Aufstellen eines geologischen und hydrogeologischen Standortmodells - handelte es sich im Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide zudem um notwendige Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung. Die Klägerin ist außerdem als Grundstückseigentümerin sanierungspflichtig § 4 Abs. 3 S. 1 BBodSchG. Weiterhin handelt es sich bei der Klägerin um eine Sanierungspflichtige nach § 4 Abs. 6 S. 1 BBodSchG. Nach dieser Vorschrift ist der frühere Eigentümer eines Grundstücks zur Sanierung verpflichtet, wenn er sein Eigentum nach dem 1. März 1999 übertragen hat und die schädliche Bodenveränderung oder Altlast hierbei kannte oder kennen musste. Diese Voraussetzungen sah das Gericht vorliegend als erfüllt an. Schließlich hat die Klägerin die betroffenen Grundstücke teilweise im Jahr 2012 übertragen und kannte dabei die schädliche Bodenveränderung. Die Bescheide sind zudem verhältnismäßig. Insbesondere kann sich die Klägerin wegen der seit 2007 durchgeführten Sanierungen nicht auf eine Überschreitung der Opfergrenze berufen. Die auf der Grundlage der BVerfG-Rechtsprechung entwickelte Opfergrenze setzt finanzielle Grenzen für die Inanspruchnahme der Grundstückseigentümer bei der Sanierung ihrer Grundstücke und beruht auf das grundrechtlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht. Jedoch kann sich die Klägerin nicht auf einen Eigentumsschutz nach Art. 14 Abs. 1 GG berufen, weil sie als Gemeinde keinen Grundrechtsschutz genießt. Daraus folgt wiederum, dass es zugunsten der Gemeinde keine finanzielle Begrenzung der ihr zumutbaren Untersuchungs- und Sanierungskosten gibt.

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    3. Sonstige bodenschutzrechtliche Entscheidungen

    a) Inanspruchnahme eines Schrottplatzbetreibers als Verursacher eines durch einen Feuerwehreinsatz verursachten PFC-Schadens

    Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschl. v. 16. August 2022 - 10 S 2801/21

    Die Beteiligten streiten um die sofortige Vollziehbarkeit einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsanordnung. Die Antragstellerin betreibt eine Verwertungs- und Behandlungsanlage für Leichtschrott, Altfahrzeuge, Elektrogeräte und Altholz. Am Vormittag des 30. August 2007 kam es auf der Metallschrottlagerfläche der Antragstellerin zu einem Brand. Nachdem die Löscharbeiten der Feuerwehr erfolglos geblieben waren und der Brand außer Kontrolle geraten war, entschied sich die Feuerwehr zu einem sog. „Schaumangriff“. Dieser begann gegen 21:45 Uhr und endete etwa um 16:00 Uhr am Folgetag. Dabei kamen rund 130.000 l an Löschschäumen zum Einsatz, die per- und polyfluorierte Chemikalien (PFC) enthielten. Die Brandbekämpfung ist durch die Höhe der Schrotthalde erschwert worden, welche zum Zeitpunkt des Brandes mit 19 m deutlich über der erlaubten Höhe von 8 m lag. Aus dem „Schaumangriff“ resultierten PFC-Verunreinigungen im Boden und Grundwasser. Nach Anhörung der Antragstellerin erließ das Landratsamt die streitgegenständliche Sanierungsanordnung. Gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung ging die Antragstellerin im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht vor. Mit dem Beschluss vom 05. August 2021 hat das Verwaltungsgericht den Eilantrag der Antragstellerin abgelehnt, vgl. hierzu auch Ziffer 6. des letzten Rechtsprechungsreports. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof eingelegt. 

    Der Verwaltungsgerichtshof hat die Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestätigt und die Beschwerde der Antragstellerin abgewiesen. Insbesondere hat der Verwaltungsgerichtshof bestätigt, dass die Antragstellerin als Verursacherin des PFC-Schadens einzustufen ist. Die Antragstellerin hat bei wertender Betrachtung die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschritten und einen wesentlichen Verursachungsbeitrag gesetzt. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist von einer der Antragstellerin zuzurechnenden Verhaltensverantwortlichkeit auszugehen. Diese sah der Verwaltungsgerichtshof zum einen darin, dass die zulässige Höhe der Schrotthalde von der Antragstellerin zum Zeitpunkt des Brandes deutlich überschritten worden ist, was wiederum die Brandbekämpfung erschwert hatte. Zum anderen hatte die Antragstellerin die gemäß Nr. 3.4 Anhang 2 Eigenkontrollverordnung vorgeschriebenen Dichtheitsprüfungen für die Abwasserkanäle unterlassen. Hiernach hat die Antragstellerin einen wesentlichen Verursachungsbeitrag für die Entstehung des PFC-Schadens gesetzt und konnte als Verursacherin (sowie als Zustandsstörerin) in Anspruch genommen werden.

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    b) Notwendigkeit einer bodenschutzrechtlichen Duldungsanordnung gegenüber dem Grundstücksnutzer

    VG Cottbus, Urt. v. 28. Februar 2023 - 3 K 590/19

    Die Klägerin wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Duldungsanordnung bezüglich ihres Betriebsgeländes. Sie ist nicht Eigentümerin des betroffenen Grundstücks, sondern nutzt dieses als Pächterin. Das Grundstück ist im Kataster über altlastverdächtige Flächen und Altlasten der beklagten Gemeinde erfasst. Seit dem 1. Januar 2013 betreibt die Klägerin einen Schrotthandel auf dem Grundstück. Dabei findet seit 2016 auch eine Lagerung und Behandlung von Altfahrzeugen statt. Nach vorheriger Anhörung verpflichtete der Beklagte die Klägerin den vom Beklagten beauftragten Personen freien Zugang für die Durchführung orientierender Untersuchungen zu gewähren, auf den Flächen die geplanten Feldarbeiten für die Entnahme von Bodenproben zu dulden, die Errichtung und Beprobung von drei Grundwassermessstellen zu gewähren und ggf. Bau- und Leitungspläne zur Verfügung zu stellen. Gegen diesen Bescheid wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage. Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine bodenschutzrechtliche Duldungsanordnung nicht vorliegen würden. Es fehle an Anhaltspunkten für eine etwaige Gefahr. Zudem sei sie lediglich Nutzerin des Grundstücks und gegenüber der Eigentümerin nicht berechtigt, Substanzeingriffe in das Grundeigentum vornehmen zu lassen bzw. zu dulden.

    Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Rechtsgrundlage der Duldungsanordnung ist § 9 Abs. 1 S. 1 BBodSchG i. V. m. § 31 Abs. 3 S. 1 des Brandenburgischen Abfall- und Bodenschutzgesetz (BbgAbfBodG). Liegen der zuständigen Behörde Anhaltspunkte dafür vor, dass eine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt, so soll sie gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 BBodSchG zur Ermittlung des Sachverhalts die geeigneten Maßnahmen ergreifen. Gemäß § 31 Abs. 3 S. 1 BbgAbfBodG sind Eigentümer und Betreiber von Anlagen sowie der Grundstückseigentümer und Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück wiederum verpflichtet, den zuständigen Behörden und deren Beauftragten zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem BBodSchG den Zutritt zu Grundstücken zu gewähren, das Betreten von Geschäfts- oder Betriebsgrundstücken und -räumen während der üblichen Geschäfts- oder Betriebszeiten und die Vornahme von Ermittlungen, insbesondere die Entnahme von Proben zu gestatten und die Einrichtung von Messstellen zu dulden. Mit Blick auf den für die Duldungsanordnung notwendigen Gefahrenverdacht führt das Gericht zunächst aus, dass allein der Umgang mit umweltgefährdenden Stoffen (auch über Jahre hinweg) nicht ausreichend ist, um einen Anfangsverdacht zu begründen. Für den Anfangsverdacht genügen aber schon Indizien, die über bloße Vermutungen hinausgehen. Vorliegend ist auf dem betroffenen Grundstück über einen langen Zeitraum mit Schadstoffen umgegangen worden. Die Betriebs- bzw. Verfahrensweise ließ mit Blick auf die Lagerung und Behandlung der Altfahrzeuge nicht unerhebliche Einträge von Schadstoffen in den Boden vermuten. Deshalb lag nach den gerichtlichen Feststellungen ein Anfangsverdacht für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung vor. Als Inhaberin der tatsächlichen Gewalt über Grundstück war die Klägerin außerdem die richtige Adressatin der Duldungsanordnung. Der Umstand, dass ein entsprechender Duldungsbescheid noch nicht gegenüber der Grundstückseigentümerin erlassen worden ist, steht einer Inanspruchnahme der Klägerin nicht entgegen. 

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    c) Einstufung eines Fahrzeughalters als Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung

    VG Neustadt, Urt. v. 26. Mai 2023 - 4 K 661/22.NW

    Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Kostenbescheids, mit dem der Beklagte die Zahlung von 8.917,28 € für eine Bodensanierung verlangt. Am Abend des 11. Dezember 2019 meldete die Polizei dem Beklagten, dass sich die Ölwanne des klägerischen Fahrzeuges an einer Metallstange zur Befestigung eines Sonnenschirms, die aus dem Boden ragte, aufgerissen hatte. Das Grundstück steht im Eigentum der Stadt Dahn. Am 12. Dezember 2019 wandte sich der Beklagte telefonisch an den Kläger und ordnete diesem gegenüber an, dass ein Bodenaushub mit gutachterlicher Begleitung zu veranlassen sei. Der Kläger und dessen Versicherung teilten dem Beklagten sodann mit, dass der Beklagte die Sanierung veranlassen solle. Die Versicherung werde die Kosten dann erstatten. Daraufhin nahm der Beklagte die Sanierung durch einen Bodenaushub vor. Mit Bescheid vom 14. Dezember 2020 forderte der Beklagte vom Kläger die Erstattung der Sanierungskosten. Der Kläger hat gegen den Kostenbescheid Klage eingereicht. Er ist im Wesentlichen der Ansicht, dass er nicht als Störer Betracht komme. Verantwortlich sei der Grundstückseigentümer, weil die Gefahr nicht von seinem Fahrzeug, sondern von der Metallstange im Boden ausgegangen sei. Diese Gefahrenquelle habe somit die Stadt Dahn gesetzt und unterhalten.

    Interessant ist im Zusammenhang mit den Verkehrssicherungspflichten, welche gesetzlich nicht definiert werden, die Frage, ob deren Verletzung bzw. Unterlassung zu einer bodenschutzrechtlichen Verursacherhaftung führen können. Sowohl die hier dargestellte Entscheidung des Verwaltungsgerichts als auch etwa die Entscheidung des OLG München - 3 U 3659/14 gehen tendenziell in die Richtung, eine Einstufung als Verursacher wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zu bejahen. Insoweit muss aber zwingend berücksichtigt und im Einzelfall geprüft werden, ob und inwieweit die jeweilige Verkehrssicherungspflichtverletzung überhaupt mit Blick auf den vorhandenen Boden- oder Grundwasserschaden einen wesentlichen Verursachungsbeitrag geleistet hat.  

    Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Entgegen der Ansicht des Klägers, war er der Verursacher der streitgegenständlichen Bodenverunreinigung. Das aus der Ölwanne des Fahrzeugs ausgelaufene Öl verunreinigte zumindest teilweise die obere Bodenschicht. Demnach lag eine schädliche Bodenveränderung im Sinne des BBodSchG vor. Unabhängig davon, ob dem Kläger ein Verschulden vorgeworfen werden kann oder nicht, ist er als Verursacher einzustufen. Schließlich hat sich vorliegend mit dem Aufreißen der Ölwanne die Betriebsgefahr des Fahrzeugs verwirklicht, die in der Risikosphäre des Klägers als Fahrzeughalter liegt. Hinzu kommt, dass der Kläger selbst der Fahrer war, als solcher über den Schirmständer gefahren ist und so die Ursache für das Aufreißen der Ölwanne und Auslaufen des Öls tatsächlich gesetzt hat. Neben dem Kläger kam als mögliche Adressatin des Kostenbescheids auch die Stadt Dahn als Grundstückseigentümerin in Betracht. Der Beklagte hat nach den Ausführungen des Gerichts die Störerauswahl jedoch ordnungsgemäß vorgenommen. Insbesondere hat die Stadt Dahn als Grundstückseigentümerin keine Verkehrssicherungspflichten verletzt. Schließlich befuhr der Kläger keinen offiziellen Parkplatz und war nicht berechtigt, sein Fahrzeug auf dem Grundstück zu parken. Die Stadt musste das betroffene Grundstück daher nicht gegen das unbefugte Befahren durch den Kläger sichern. 

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    d) Sanierung einer von den Besatzungskräften verursachten Altlasten nach deren Abzug

    VG Trier, Urt. v. 15. Januar 2024 - 9 K 1531/23.TR

    Die Klägerin (BImA) begehrt die Aufhebung eines Kostenbescheides, welcher auf einem Schaden an einer Treibstoffpipeline beruht. Im Gebiet des Beklagten (Landkreis) befindet sich eine ehemalige militärische Anlage in der Form eines Tanklagers, das in den Jahren 1954/1955 von den französischen Streitkräften errichtet worden ist. Im Jahre 1992 wurde das gesamte Tanklager von den französischen Streitkräften aufgegeben und am 30. März 1992 an die Bundesrepublik Deutschland übergeben. Am 5. September 2018 führte die Firma A GmbH & Co.KG auf Grund vertraglicher Vereinbarungen mit der Firma B GmbH Erdarbeiten zum Verlegen von Stromkabeln eines geplanten Windparks aus. Dabei kam es zu einer Beschädigung der zum Tanklager gehörenden Pipeline. Infolge der Beschädigung trat eine unbekannte Menge eines Treibstoff-Wasser-Gemisches in die Umwelt aus. Der Beklagte leitete am Unfalltag selbst mehrere Sofortmaßnahmen ein. Die Kosten der vorgenommenen Arbeiten, für welche der Beklagte aufkam, beliefen sich auf 583.313,72 €. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Februar 2021 machte der Beklagte diese Kosten gegenüber der Klägerin geltend. Der Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die Klägerin als Störerin die Kosten für die Beseitigung des Schadens tragen müsse. 

    Das Verwaltungsgericht Trier hat mit Blick auf die Überschreitung der Gefahrenschwelle, welche notwendig für die Begründung einer Verursacherhaftung ist, nur geringe Anforderungen gesetzt. Selbst wenn man dem Gericht dahingehend folgt, dass die Klägerin wegen § 2 Abs. 1, Abs. 2 BImAG zu Stilllegung der Fernleitung verpflichtet war, stellt sich weiterhin die Frage, ob bereits die unterlassene Stilllegung mit Blick auf den Schaden die Gefahrenschwelle überschritten hat oder tatsächlich einen wesentlichen Verursachungsbeitrag gesetzt hat. Dies gilt hier vor allem deshalb, da der Schaden letztlich unmittelbar durch einen Dritten verursacht worden ist und die Klägerin nicht damit rechnen musste, dass das mit den Erdarbeiten betraute Unternehmen im Zuge der Erdarbeiten die Fernleitung beschädigt. 

    Die Anfechtungsklage der Klägerin hat keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Kostenbescheid ist nach der Auffassung des Gerichts sowohl in rechtlicher als auch in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden. Durch die Beschädigung der Pipeline entstand eine schädliche Bodenveränderung. Zudem liegen die Voraussetzungen für eine Verantwortlichkeit der Klägerin zur Sanierung des eingetretenen Schadens vor. Vorliegend kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zumindest als (Mit-)Verursacherin der schädlichen Bodenveränderung einzustufen ist, weil sie die ihr obliegende Pflicht zur Stilllegung der Pipeline nicht erfüllt hat. Nach den gerichtlichen Ausführungen waren die Bundesvermögensämter zur Sanierung von Altlasten verpflichtet. In Erfüllung dieser Aufgabe zeigte das Bundesvermögensamt Trier am 23. Juni 1992 die Stilllegung gegenüber dem Beklagten an und bat um Mitteilung der zur Stilllegung erforderlichen Maßnahmen. Nach der Ansicht des Gerichts sind die Aufgaben der Bundesvermögensämter wiederum wegen § 2 Abs. 1 und 2 BImAG auf die Klägerin übergegangen. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben sieht § 2 Abs. 2 S. 1 BImAG vor, dass der Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 2005 das Eigentum an sämtlichen Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und beschränkten dinglichen Rechten, welche zum Geschäftsbereich der Bundesrepublik Deutschland gehören, übertragen wird. Dementsprechend ist die auf das Havariegrundstück eingetragene Dienstbarkeit für das Verlegen, den Betrieb und die Unterhaltung einer Ölfernleitung mit Betriebszubehör auf die Klägerin übergegangen. Da es die Klägerin unterlassen hat, die streitgegenständliche Fernleitung ordnungsgemäß stillzulegen, hat das Gericht im Ergebnis eine der Klägerin zurechenbaren und wesentlichen Verursachungsbeitrag angenommen. 

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    e) Voraussetzungen für eine Verursacherhaftung bei Einschaltung von Subunternehmen

    VG Trier, Urt. v. 15. Januar 2024 - 9 K 1598/23.TR

    Die Klägerin begehrt die Aufhebung eines Kostenbescheides, welcher auf einem Schaden an einer Treibstoffpipeline beruht. Mit Blick auf den Sachverhalt diese Entscheidung kann weitestgehend auf die obige Ziffer I.6. verwiesen werden. Am 5. September 2018 führte die Firma A GmbH & Co.KG auf Grund vertraglicher Vereinbarungen mit der Klägerin, der B GmbH, Erdarbeiten zum Verlegen von Stromkabeln eines geplanten Windparks aus. Die Klägerin war wiederum Auftragnehmerin eines Windparkprojekts und schaltete für die Erdarbeiten die A GmbH & Co.KG als Subunternehmerin ein.  Im Verlauf der Arbeiten ist die zum Tanklager gehörende Pipeline beschädigt worden, weshalb wiederum eine schädliche Bodenveränderung entstanden ist. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 22. Februar 2021 machte der Beklagte die Kosten für die von ihm vorgenommenen Maßnahmen (583.313,72 €) gegenüber der Klägerin geltend. Der Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die Klägerin als Störerin ausgleichspflichtig sei.

    Diese Entscheidung verdeutlicht, dass sich der Auftraggeber nicht zwangsläufig das Verhalten des Auftragnehmers zurechnen lassen muss. Notwendig ist vielmehr eine einzelfallabhängige Prüfung, in der unter anderem zu beurteilen ist, ob zwischen dem Auftraggeber und Auftragnehmer ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis kann sich etwa aus vertraglichen Regelungen ergeben, die den Subunternehmer einer Kontrolle und Weisung durch den Auftraggeber unterwerfen. Nach den Ausführungen des Gerichts reicht aber der Abschluss eines standardmäßigen Werkvertrages tendenziell nicht für die Annahme eines Abhängigkeitsverhältnisses aus.  

    Die zulässige Klage hat keinen Erfolg, denn der angefochtene Kostenbescheid des Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für eine Verantwortlichkeit der Klägerin zur Sanierung des eingetretenen Schadens lagen vor. Sie ist insbesondere Verursacherin der schädlichen Bodenveränderung. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG ist der Verursacher jeder, der an der Bodenkontamination - zumindest als Teilverantwortlicher - mitgewirkt hat. Bei Würdigung der tatsächlichen Umstände des vorliegenden Falles ist die Klägerin Verursacherin, weil ihr das Verhalten der von ihr beauftragten A GmbH & Co.KG, deren Mitarbeiter die Pipeline beschädigt hatten, zuzurechnen ist. Nach der gerichtlichen Rechtsauffassung war die A GmbH & Co.KG Verrichtungsgehilfin der Klägerin. Zwar stellt § 4 BBodSchG eine abschließende Regelung der ordnungsrechtlichen Verantwortlichkeit für Bodenveränderungen dar, jedoch wird in dieser Vorschrift nicht die Frage der polizeirechtlichen Zusatzverantwortlichkeit des Geschäftsherrn für den Verrichtungsgehilfen geregelt. Nach der Ansicht des Gerichts ist insoweit wegen einer möglichst effektiven Gefahrenabwehr auf die entsprechenden Grundsätze des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts zurückzugreifen. Verrichtungsgehilfe ist derjenige, der mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn weisungsabhängig in dessen Interessenkreis tätig wird. Die Rechtsprechung fordert im Polizei- und Ordnungsrecht allgemeinhin ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn, hier der Klägerin, und dem Verrichtungsgehilfen (hier der A GmbH & Co.KG). Vorliegend hat das Gericht wegen der konkreten vertraglichen Vereinbarungen das notwendige Abhängigkeitsverhältnis angenommen, da die A GmbH & Co.KG der Kontrolle und den Weisungen der Klägerin unterlag. In der Konsequenz musste sich die Klägerin die Beschädigung der Pipeline durch Mitarbeiter der A GmbH & Co.KG zurechnen. 

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    f) Voraussetzungen für die Annahme einer Haftung des Auftraggebers als Verursacher für im Rahmen von Abbrucharbeiten ausgelaufenes Heizöl

    Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 10. April 2024 - 2 Bs 22/24

    Der Antragsteller wendet sich gegen für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zur Durchführung einer Detailuntersuchung. Der Antragsteller pachtete bei einem Kleingartenverein eine 240 m2 große Parzelle. Er unterwarf sich in dem Pachtvertrag der Auflage, die alte Laube und Nebengebäude auf der Parzelle abzureißen. Der Handwerker M. führte auf der Parzelle die entsprechenden Abrißarbeiten aus. Unklar ist aber, ob der Handwerker insoweit für den Antragsteller tätig war oder noch für seinen ehemaligen Arbeitgeber. Eigentümerin des betroffenen Grundstücks ist die Antragsgegnerin (Gemeinde). Am 16. März 2023 wurde auf dem Bullenhuser Kanal ein zerrissener Ölfilm festgestellt. Als Ursache wurde angenommen, dass aus der Böschung im Uferbereich der von dem Antragsteller gepachteten Parzelle Heizöl in das Wasser gesickert war. Auf der Parzelle befanden sich drei auf dem Boden liegende Heizöltanks. Der Antragsteller sprach am 30. Juni 2023 mit sofortiger Wirkung eine außerordentliche Kündigung seines Pachtvertrages aus. Der Kleingartenverein widersprach der außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 5. Juli 2023 und erklärte allenfalls die Bereitschaft, eine ordentliche Kündigung zum Ablauf des 30. November 2023, zu akzeptieren. Eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin nahm am 26. Oktober 2023 bei einem Ortstermin die Parzelle in Augenschein und stellte fest, dass am ehemaligen Standort der Heizöltanks „deutlicher Heizölgeruch wahrnehmbar“ sei. Die Antragsgegnerin ordnete nach vorheriger Anhörung des Antragstellers mit Bescheid vom 27. November 2023 ihm gegenüber an, bis zum 29. Dezember 2023 eine Detailuntersuchung durchführen zu lassen. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller zunächst ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Hamburg geführt, welches er verloren hatte. Über die Beschwerde des Antragstellers hat nunmehr das Oberverwaltungsgericht entschieden. 

    Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Im Kern hat das Oberverwaltungsgericht in Abweichung von dem Verwaltungsgericht festgestellt, dass der Antragsteller weder als Verursacher noch als Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die betroffene Parzelle in Anspruch genommen werden kann. Feststeht, dass der Antragsteller den Ölschaden nicht selbst herbeigeführt hat. Insbesondere hat der Antragsteller durch die Beauftragung des Abbruchs der Laube und Nebengebäude nicht die für eine Verursacherhaftung relevante Gefahrenschwelle für die Verursachung des Ölschadens überschritten. Dass der beauftragte Handwerker die Heizöltanks ggf. weisungswidrig ausgebaut und dabei eine schädliche Bodenveränderung verursacht haben könnte, ist dem Antragsteller nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht zurechenbar. Eine Zurechnung des Verhaltens des Handwerkers an den Antragsteller wäre schließlich allenfalls möglich, wenn der Handwerker als Verrichtungsgehilfe des Antragstellers agiert hätte. Hierfür wäre wiederum ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Handwerker und dem Antragsteller notwendig. Jedoch konnte das Gericht mit Blick auf die Tätigkeiten des Handwerkers M gerade kein Abhängigkeitsverhältnis feststellen, weil unklar ist, in wessen Auftrag der Handwerker M. tätig war. Der Antragsteller ist nach den gerichtlichen Ausführungen auch nicht als Inhaber der tatsächlichen Gewalt einzustufen. Der Begriff des Inhabers der tatsächlichen Gewalt ist nach öffentlich-rechtlichen Maßstäben zu bestimmen und nicht deckungsgleich mit dem zivilrechtlichen Besitz. Entscheidend ist, dass der Betreffende auf das Grundstück tatsächlich unmittelbar einwirken kann, ohne dass er sich hierfür der Hilfe anderer bedienen muss. Nach diesen Maßstäben war der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der bodenschutzrechtlichen Anordnung vom 27. November 2023 nicht mehr Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Parzelle einzustufen, weil in seiner fristlosen, sofortigen Kündigung des Pachtvertrages mit Schreiben vom 30. Juni 2023 die Aufgabe der tatsächlichen Gewalt über die Parzelle liegt. Da es nach § 4 Abs. 3 S. 1 Var. 4 BBodSchG nur auf die faktische Inhaberschaft der tatsächlichen Gewalt ankommt, ist es unerheblich, ob die Kündigung des Pachtvertrages wegen arglistiger Täuschung des Antragstellers über das Vorhandensein der Heizöltanks auf der gepachteten Parzelle rechtswirksam ist oder ob dem Kleingartenverein gegen den Antragsteller noch unerfüllte schuldrechtliche Ansprüche aus dem Pachtverhältnis zustehen. Auch eine Haftung als „ehemaliger Inhaber der tatsächlichen Gewalt“ scheidet aus, da sich der insoweit relevante § 4 Abs. 3 S. 4 Halbs. 2 BBodSchG nur auf den Fall der Eigentumsaufgabe bezieht. Für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf den Fall der Aufgabe der tatsächlichen Sachherrschaft ist keine Regelungslücke ersichtlich, weil der zuständigen Behörde in diesem Fall jedenfalls der Rückgriff auf den Grundstückseigentümer erhalten bleibt.

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    g) Anwendbarkeit des BBodSchG bei physischer Veränderung des Bodens durch Anlegen von Stollen und den Abbau von Bodenschätzen

    VG Neustadt, Beschluss vom 02. Juli 2024 - 4 L 601/24.NW

    Die Antragstellerin wendet sich in einem Eilverfahren gegen die Anordnung von Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen. Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines Bergwerks, welches am 23. Januar 1953 stillgelegt worden ist. In dem Bergwerk der Antragstellerin befinden sich Hohlräume und nicht ausreichend mit Festgestein überdeckte Gänge des tiefen Stollens M. Daraus resultiert wiederum eine fehlende Standsicherheit des Bodens. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin auf der Grundlage des BBodSchG als Zustandsstörerin zur Durchführung von Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen verpflichtet. Die Antragstellerin meint im Wesentlichen, dass das BBodSchG nicht anwendbar sei. Zum anderen sei sie keine Störerin.

    Diese Entscheidung steht im Einklang mit dem Urteil des VG Freiburg vom 14.11.2002 - 6 K 1763/01. Das VG Freiburg hatte entschieden, dass ein durch Naturereignisse ausgelöster Erdrutsch (Starkregen und Schneeschmelze) eine schädliche Bodenveränderung ist, die dem BBodSchG unterliegt.

    Der Eilantrag hat keinen Erfolgt. Nach den Ausführungen des VG Neustadt war das BBodSchG im vorliegenden Fall anwendbar. Die Tatsache, dass die Ursache für die „schädlichen Bodenveränderungen“ nicht etwa in der Einbringung chemischer oder anderer Stoffe in den Boden, sondern in der physischen Veränderung des Bodens durch das Anlegen von Stollen und den Abbau von Bodenschätzen lag, hindert die Anwendbarkeit des BBodSchG nicht. Schließlich ist das BBodSchG nach der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch für physische Veränderungen anwendbar, welche die Bodenfunktion (hier Tragfunktion) beeinträchtigen. Vorliegend haben die von der Antragstellerin errichteten Hohlräume bzw. Gänge die Bodenfunktion beeinträchtigt („Standsicherheit der Tagesoberfläche“). Die Antragstellerin konnte zudem gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 BBodSchG in Anspruch genommen werden, weil sie als Eigentümerin des Bergwerks als Zustandsstörerin einzustufen ist. Im Übrigen stellte sich nach der Auffassung des Gerichts eine Inanspruchnahme der Antragstellerin anstelle der Grundstückseigentümer auch nicht als ermessensfehlerhaft dar. Schließlich wäre eine Inanspruchnahme der Eigentümer der einzelnen oberirdischen Grundstücke anstelle der Antragsstellerin zur Gefahrenbeseitigung nicht gleich geeignet. Nach der Ansicht des VG Neustadt sprach vielmehr Überwiegendes dafür, dass die Grundstückseigentümer überhaupt nicht als taugliche Störer in Betracht kommen, da diese keinerlei Einwirkungsmöglichkeit auf die Gefahrenquelle haben. 

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    h) Haftung für einen bodenschutzrechtlichen Kostenbescheid bei Unternehmensfortführung gemäß § 25 Abs. 1 HGB

    Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschl. v. 19. August 2024 - 2 B 21/24

    Die Antragstellerin wendet sich gegen einen für sofort vollziehbar erklärten Kostenbescheid des Antragsgegners, mit dem dieser Kosten in Zusammenhang mit einer Grundwasserverunreinigung geltend macht. Der Antragsgegner hat im Grundwasser sehr stark erhöhte Chrom VI-Werte festgestellt. Nach Ausschluss potenzieller anderer Störer stand fest, dass der Grundwasserschaden auf den Betrieb der A GmbH & Co. KG zurückzuführen ist, welche sogenannte Hartverchromungen durchgeführt hat. Nachdem sich die A GmbH & Co. KG weigerte, Untersuchungsmaßnahmen vornehmen zu lassen, ordnete der Antragsgegner die Durchführung einer Detailuntersuchung an. Den Verpflichtungen aus der Anordnung hat die A GmbH & Co. KG nicht erfüllt. Deshalb hat der Antragsgegner die Detailuntersuchung im Wege der sog. Ersatzvornahme auf eigene Kosten durchgeführt. Danach ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH & Co. KG eröffnet worden. Mit „Unternehmenskaufvertrag aus einem Insolvenzverfahren - Asset Deal“ vom 02. Juli 2021 übertrug der Insolvenzverwalter der A GmbH & Co. KG der Antragstellerin verschiedene Vermögensgegenstände und vermietete die Räumlichkeiten des bisherigen Betriebes mit Außenfläche und Zufahrt an die Antragstellerin. Die Antragstellerin führte den Betrieb unter der bisherigen Telefon- und E-Mailkontakte nebst der Domain der A GmbH & Co. KG fort. Mit Leistungsbescheid forderte der Antragsgegner die Antragstellerin zur Erstattung der Ersatzvornahme in Höhe von 165.837,39 Euro auf. Dieser Kostenbescheid ist von dem Antragsgegner zudem wegen der drohenden Zahlungsunfähigkeit für sofort vollziehbar erklärt worden. Die Antragstellerin unterlag im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes. Daraufhin erhob die Antragstellerin Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht. Sie ist im Wesentlichen der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine sofortige Vollziehbarkeit des Kostenbescheids nicht vorliegen. Zudem hätte der Antragsgegner die A GmbH & Co. KG und nicht die Antragstellerin in Anspruch nehmen müssen.

    Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zu Recht abgelehnt. Zunächst hat das Oberverwaltungsgericht bestätigt, dass es sich bei den geltend gemachten Kosten der Ersatzvornahme nicht um öffentliche Abgaben oder Kosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO handelt. Die für die Detailuntersuchung veranlagten Kosten sind deshalb nicht schon kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Jedoch hat der Antragsgegner vorliegend eine sofortige Vollziehung des Kostenbescheids (rechtmäßig) erklärt. So hat der Antragsgegner schlüssig ausgeführt, weshalb mit Blick auf eine Vollstreckung des Kostenbescheids ein Zuwarten auf eine endgültige Gerichtsentscheidung im Hauptsacheverfahren nicht hinnehmbar ist, weil eine Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin droht. Im Übrigen ist die Antragstellerin auch wegen der handelsrechtlichen Haftungsregelung des § 25 Abs. 1 HGB zur Zahlung der Kosten der Detailuntersuchung verpflichtet. Gemäß dieser Vorschrift haftet, wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, für alle im Betrieb des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers. Nach den Feststellungen des Gerichts hat die Antragstellerin den Betrieb A GmbH & Co. KG in diesem Sinne fortgeführt. 

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    i) Auslegung einer Altlastenfreistellung nach Umweltrahmengesetz

    Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 14. November 2024 - 4 A 465/19

    Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte aus einem Altlastenfreistellungsbescheid zur Freistellung von der Kostenlast für die Beseitigung von Schäden an einem Entwässerungsstollen im Bereich eines ehemaligen Bergwerks verpflichtet ist. Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin eines früheren bergwerkstreibenden Volkseigenen Betriebs (VEB). Das damalige Regierungspräsidium Chemnitz erließ am 27. April 1999 einen Bescheid zur Altlastenfreistellung nach Artikel 1 § 4 Umweltrahmengesetz (URaG). Die von der Freistellung erfassten Grundstücke werden in dem Bescheid jeweils genannt. Alle Grundstücke stehen im Eigentum der Klägerin. Die Klägerin hat am 30. Dezember 2014 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass von dem Freistellungsbescheid auch Arbeiten am Mundloch des Stollens wie auch am Stollen selbst erfasst seien. Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 19. März 2019 der Klage stattgegeben.  Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht. 

    Die Berufung ist begründet. Die Klägerin hat aus dem Freistellungsbescheid keinen Anspruch gegen den Beklagten auf eine Freistellung von der Kostenlast für die vorgebrachten Arbeiten an dem sog. Mundloch und dem Stollen. Nach der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts handelt es sich insoweit um bergrechtliche Verpflichtungen, welche gegenüber der Klägerin bereits vor dem Zeitpunkt des Erlasses des Freistellungsbescheids bestanden. Zudem spricht der Wortlaut des Freistellungsbescheids gegen die „Aufnahme“ der Arbeiten in den Freistellungsumfang. So knüpft die Freistellung an die Nutzung konkreter Flurstücke, also übertägiger Flächen, und nicht an den Bergwerksbetrieb an. Der Bergwerkbetrieb erstreckt sich zudem auf Grundstücke/Flächen, die nicht in dem Freistellungsbetrieb genannt werden. Ferner spricht der Zweck einer Freistellung nach Art. 1 § 4 Abs. 3 URaG gegen das von der Klägerin präferierte weitreichende Verständnis des Freistellungsbescheides: Zweck des Umweltrahmengesetzes war die Beseitigung von Investitionshemmnissen in den neuen Bundesländern. Der Antrag auf Freistellung wurde von der Klägerin am 25. Oktober 1990 gestellt und am 8. Januar 1992 auf Anforderung des Beigeladenen konkretisiert. Die bergrechtlichen Verpflichtungen der Klägerin resultieren aber wiederum aus dem Rahmenabschlussbetriebsplan vom 15. Oktober 1990. Diese zeitliche Abfolge spricht dagegen, dass mit der Freistellung durch den Bescheid vom 27. April 1999 ein Investitionshemmnis beseitigt werden sollte, welches in der Erfüllung bergrechtlicher Folgepflichten für untertägige Anlagen liegt. Denn diese Pflichten oblagen der Klägerin nach den gerichtlichen Feststellungen schon lange vor dem Erlass des Freistellungsbescheides. 

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    II. Kampfmittelrecht

    1. Kostentragungspflicht bei Entsorgung chemischer Kampfstoffe durch einen Privaten

    VG Berlin, Urt. v. 30. November 2023 – VG 1 K 444/21

    Der Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundstücken, welche sie erworben hatte, um Wohnhäuser zu errichten. Im Rahmen von Bauarbeiten stellte sich heraus, dass der Boden mit chemischen Kampfstoffen kontaminiert war. Diese sind auf Tätigkeiten der Q zurückzuführen, welche mit dem Reichsfiskus (Heer) 1939 einen Kooperationsvertrag hinsichtlich der Erforschung und Entwicklung chemischer Kampfstoffe abgeschlossen hatte. Das LKA lehnte eine (weitere) Erkundung, Verpackung und Entsorgung dieser Kampfstoffe ab. Die Klägerin gab daraufhin selbst alle dafür notwendigen Arbeiten in Auftrag. Die Klägerin forderte den Beklagten (wohl das Bundesland) zur Kostenübernahme auf. Die Klägerin erhob daraufhin Klage und macht gegen den Beklagten Kosten für den Transport und die Entsorgung der chemischen Kampfstoffe geltend.

    Wie ausgeführt, hat das Gericht damit explizit offengelassen, ob sich etwas anderes ergeben würde, wenn der Anwendungsbereich der Kampfmittelverordnung Berlin eröffnet wäre. Damit verhält es sich nicht zu dem Fall, in dem ein Grundstückseigentümer proaktiv – ohne vorherige Anordnung der zuständigen Behörden – Beseitigungsmaßnahmen z.B. in Bezug auf Blindgänger durchführt und sodann eine Kostenübernahme verlangt. Mit Blick auf § 5 Abs. 3 Kampfmittelverordnung Berlin ließe sich insoweit argumentieren, dass nur für die Bergung eine Verantwortlichkeit des Eigentümers bestehe. Die Durchführung von Beseitigungsmaßnahmen ließe sich in diesem Sinne als Geschäftsführung für das Land Berlin einordnen, deren Kosten zu erstatten wären. Gleichwohl: Spezielle Kostenerstattungsregelungen für entsprechende Fälle bestehen soweit ersichtlich nicht.

    Das Gericht wies die Klage als unbegründet ab. Dabei versagte das Gericht einen Anspruch aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag. Es fehlt nach der Ansicht des Gerichts insoweit an einer Geschäftsführung der Klägerin für den Beklagten. In diesem Kontext prüfte das Gericht unter verschiedensten Anknüpfungspunkten, ob eine Verantwortlichkeit des Beklagten für die vorgenommenen Transport- und Entsorgungstätigkeiten vorgelegen hat – und verneinte dies jeweils: Der Beklagte ist zwar zuständig, Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren. Allerdings sind Polizei und Ordnungsbehörden grundsätzlich nur verpflichtet tätig zu werden, wenn der Störer die Gefahr nicht bereits selbst beseitigt. Hingegen ist die Klägerin sowohl Handlungs- als auch Zustandsstörerin. Auch folge keine primäre Verantwortung des Beklagten aus einer speziellen Rechtsgrundlage. In diesem Zusammenhang ließ das Gericht explizit offen, ob eine solche Verpflichtung insb. zur Beseitigung aus der Kampfmittelverordnung Berlin folgen könne. Deren Anwendungsbereich hielt das Gericht für nicht eröffnet, da es sich bei den in Rede stehenden Chemikalien zwar um Kampfstoffe, nicht aber um Kampfmittel handelt. Weiter führte das Gericht an, dass sich keine primäre Verpflichtung des Beklagten daraus ergibt, dass der Beklagte in anderen Fällen für von ihm vorgenommene Entsorgungen von Kampfmitteln keine Erstattungsansprüche gegen die jeweiligen Grundstückseigentümer geltend macht. Demnach folgt nach der Ansicht des Gerichts aus einer entsprechende Staatspraxis in Verbindung mit dem Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG keine Verpflichtung des Beklagten die Kosten für die von der Klägerin eigenständig veranlassten Maßnahmen zu übernehmen. Auch beschäftigte sich das Gericht mit dem Art. 120 Abs. 1 GG. Es bekräftigte insoweit, dass es sich um eine Regelung handelt, die als unmittelbare Anspruchsgrundlage allein zwischen Bund und Ländern Wirkungen entfaltet. Ansprüche Dritter gegen die öffentliche Hand können durch Art. 120 Abs. 1 GG nicht begründet werden, da diese Regelung ausschließlich eine Kostenverteilung im Verhältnis zwischen Bund und Lander definiert. 

    2. Widerruf der Eintragung als geeignetes Unternehmen zur Kampfmittelräumung

    Oberverwaltungsgericht Bremen, Beschl. v. 04. Dezember 2023 - 1 B 279/23

    Die Antragstellerin begehrt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Widerruf ihrer Eintragung als geeignetes Unternehmen zur Kampfmittelräumung. Die Antragstellerin wurde im Jahr 2019 in Bremen als geeignetes Unternehmen zur Sondierung von Verdachtsflächen und Freilegen von Kampfmitteln oder Verdachtsobjekten registriert. Nach Anhörung der Antragstellerin widerrief die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22.05.2023 die Eintragung der Antragstellerin nach  § 5 Abs. 5 S. 1 des Gesetzes zur Verhütung von Schäden durch Kampfmittel (KmSchVG) . Zur Begründung nahm sie auf mangelhafte Ausführungen auf insgesamt acht Räumstellen Bezug. Die Antragstellerin besitze nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit und die notwendigen Kenntnisse für eine ordnungsgemäße Erfüllung der in § 5 Abs. 1 S. 1 KmSchVG benannten Tätigkeiten. Die Antragstellerin hat am 01.06.2023 einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Den Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15.09.2023 abgelehnt. Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde.

    Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg. Die Rechtsgrundlage des Widerrufs liegt in § 5 Abs. 5 S. 3 KmSchVG. Hiernach ist die Eintragung von der zuständigen Behörde zu widerrufen, soweit die Voraussetzungen der Eintragung nicht mehr vorliegen, insbesondere bei unsachgemäßem Umgang mit Kampfmitteln oder bei Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften sowie Weisungen oder Auflagen der zuständigen Behörde. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts lagen die Voraussetzungen für einen Widerruf vor. So musste die Antragsgegnerin zum Beispiel davon ausgehen, dass die Antragstellerin im Rahmen einer Räumung eine Stabbrandbombe übersehen hatte. In diesem Zusammenhang ist der Einwand der Antragstellerin, es sei keine vollständige Stabbrandbombe, sondern „nur“ ein Teil hiervon aufgefunden worden, unerheblich. Schließlich können auch Teile von Gegenständen militärischer Herkunft Kampfmittel im Sinne des § 1 Abs. 2 KmSchVG darstellen. Die Antragstellerin hat zudem selbst eingeräumt, dass das aufgefundene Teil groß genug gewesen sei, um aufgefunden werden zu müssen. Die Antragstellerin hat keinerlei Anhaltspunkte für die von ihr aufgestellte Behauptung, dass unbekannte Dritte das aufgefundene Teil der Stabbrandbombe mit Schädigungsabsicht auf den Sondierflächen im A-Park platziert hätten, vorgebracht. Darüber hinaus hat das Gericht im Einklang mit den Ausführungen der Antragsgegnerin verschiedene Dokumentationsfehler festgestellt, die entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht nur als „Flüchtigkeitsfehler“ einzustufen sind. In diesem Zusammenhang hat das Gericht festgestellt, dass an die Zuverlässigkeit eines im Bereich der Kampfmittelräumung tätigen Unternehmens hohe Anforderungen zu stellen sind. Insoweit kommen allgemeine Grundsätze des Gefahrenabwehrrechts zum Tragen, wonach umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen sind, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist. Hiernach hat das Gericht in einer Gesamtschau der vorgeworfenen Fehler eine Unzuverlässigkeit der Antragstellerin im Eilverfahren bestätigt.

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    3. Kein Anspruch auf Kostenerstattung für Kampfmittelsondierung und Kampfmittelräumung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland

    VG Köln, Urt. v. 14. März 2024 - 8 K 5875/21

    Der Kläger begehrt von der Bundesrepublik Deutschland (Beklagten) Erstattung von Kosten, die ihm für Kampfmittelsondierungen und Kampfmittelräumungen entstanden sind. Der Kläger schloss am 27. Juni 2007 einen notariellen Kaufvertrag mit der Beklagten, vertreten durch die Bundeswehrverwaltung, zum Erwerb von Grundstücken. Es handelt sich um eine Fläche, die ehemals als militärischer Übungsplatz genutzt worden ist. Die Eintragung des Klägers als Eigentümer erfolgte am 5. November 2009. Der Kläger ließ im Jahr 2018 ein Gutachten zur Kampfmittelbelastung des erworbenen Grundstücks erstellen. Ergebnis des Gutachtens war die Empfehlung einer Kampfmittelräumung nach Stand der Technik ohne Einschränkung der Arbeitstiefe auf der Fläche durchzuführen. Der Kläger ließ in der Folge Kampfmittel sondieren und beseitigen. Der Kläger begehrt hierfür Ersatz der Sondierungs- und Beseitigungskosten in Höhe von 1.895.772,30 Euro von der Beklagten. 

    Diese Entscheidung steht im Einklang mit der oben behandelten Entscheidung des VG Berlin – VG 1 K 444/21. 

    Der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist vorliegend eröffnet, da der Kläger sein Zahlungsbegehren vordringlich auf eine sog. öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag stützt. Die als allgemeine Leistungsklage zulässige Klage ist aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf Erstattung der von ihm geltend gemachten Sondierungs- und Beseitigungskosten. Bei einer Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Geschäftsführer wie ein Beauftragter nach § 670 BGB  Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn die Übernahme der Geschäftsführung (hier Kampfmittelsondierung und Kampfmittelbeseitigung) dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn (hier der Beklagten) entspricht. Der Kläger kann keine Ansprüche nach den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag verlangen, weil die Kampfmittelsondierung und Kampfmittelbeseitigung zum einen nicht im Pflichtenkreis der Beklagten lag. Demnach hat der Kläger kein „Geschäft der Beklagten“ geführt, als er die Kampfmittelsondierung und Kampfmittelbeseitigung durchführen ließ. Zudem erfolgte die Geschäftsbesorgung nicht im mutmaßlichen Willen und Interesse der Beklagten und dieses entgegenstehende Interesse war auch mangels öffentlichen Interesses nicht unbeachtlich. Es handelt sich schon nicht um ein Geschäft der Beklagten, da diese nach den öffentlichen Zuständigkeitsregelungen nicht für die seitens des Klägers durchgeführten Sondierungs- und Bergungsmaßnahmen zuständig war. Mangels Zuständigkeit der Beklagten für die vorgenommenen Maßnahmen kann der Kläger jedenfalls von dieser keine Kostenerstattung für die veranlassten Untersuchungen und Bergungen verlangen. Die Kampfmittelbeseitigung ist mangels anderweitiger gesetzlicher Vorgaben Bestandteil des allgemeinen Polizei- und vor allem Ordnungsrechts, nach welchem Gefahren - vorliegend in Form von Kampfmitteln - für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von den zuständigen (Sicherheits-)Behörden abzuwehren bzw. zu beseitigen sind. Die Beklagte war daher mit Blick auf die auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Kampfmittel nicht zuständig für deren Untersuchung und Beseitigung. Eine Zuständigkeit der Beklagten folgt zudem nicht aus Art. 120 Abs. 1 S. 1 GG. Diese Vorschrift trifft ausschließlich eine Regelung zur Kostenverteilung im Verhältnis zwischen Bund und Länger und trifft darüber hinaus gerade keine Regelung darüber, welche Behörde für Kampfmittelsondierungen und Bergungen zuständig ist. Außerdem ist die Kampfmittelsondierung und Kampfmittelbeseitigung vorliegend nicht im Interesse der Beklagten erfolgt. Schließlich hat der Kläger durch sein eigenmächtiges Handeln den behördlichen Ermessensspielraum gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 BayLStVG untergraben. Infolge der großflächigen Sondierung und Beseitigung des maßgeblichen Geländes ohne vorherige sicherheitsbehördliche Anordnung hat der Kläger Kosten durch die Beauftragung privater Unternehmen produziert, die er nunmehr von staatlichen Stellen ersetzt verlangt. Gründe für eine derartige Dringlichkeit der Aufgabenerledigung gerade durch den Kläger als Privatrechtssubjekt anstelle des Abwartens eines behördlichen Tätigwerdens waren mangels unmittelbarer Gefahr und notstandsähnlicher Situation nicht ersichtlich.

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    III. Zivilrechtliche Haftung

    Zum Begriff der Anlage im Sinne von § 89 Abs. 2 WHG

    BGH, Urt. v. 16. Januar 2024 - VI ZR 385/22

    Die Parteien streiten um einen geltend gemachten Schadensersatzanspruch aufgrund einer Heizöllieferung. Die Beklagte, welche den Schadensersatzanspruch gegenüber der Klägerin im Wege eine Widerklage geltend gemacht hatte, ist Miteigentümerin eines Hausgrundstücks. Sie bestellte bei der Klägerin Heizöl. Die Klägerin beauftragte mit der Lieferung einen Spediteur. Der Spediteur lieferte der Beklagten das Heizöl am 1. Juli 2019. Das Hausgrundstück der Beklagten verfügt über einen Erdtank. Der Zugang zum Erdtank führt über einen Domschacht, in dem sich neben dem Füllstutzen für den Erdtank ein weiterer, "blinder" Füllstutzen befindet, der zu einem im Jahr 2007 entfernten Tank im Haus führte. Die Beklagte wies den Fahrer bei Anlieferung des Öls darauf hin, dass von den zwei im Domschacht vorhandenen Einfüllstutzen einer "blind" ist und daher nicht zur Befüllung des Erdtanks zu verwenden ist. Der Fahrer schloss den Ölschlauch an den falschen Einfüllstutzen an und pumpte 2.926 l Heizöl in den Keller. Es kam in der Folge zu Verunreinigungen des Erdreichs und am Gebäude. Die Beklagte verlangt von der Klägerin (Auftraggeberin des Spediteurs), dem Kfz-Haftpflichtversicherer des Spediteurs und dem Fahrer des Spediteurs Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 25.060,01 €. Die Parteien streiten unter anderem darüber, ob der von der Beklagten geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen einer der Beklagten zuzurechnenden Gefährdungshaftung als „Anlagenbetreiberin“ zu kürzen ist. Dies hatte das Oberlandesgericht bestätigt und den Schadensersatzanspruch der Höhe nach um 50 % gekürzt. Gegen diese Entscheidung hat die Beklagte Revision vor dem BGH eingelegt.

    Der BGH ist in diesem Fall insbesondere auf den „Anlagenbegriff“ des § 89 Abs. 2 WHG eingegangen. Eine Kernfrage war, ob die Beklagte mit Blick auf die Restanlagen („blinder“ Einfüllstutzen sowie Rohrleitung zum entfernten Tank) als Anlagenbetreiberin im Sinne der genannten Vorschrift anzusehen ist. Im Gegensatz zu dem Oberlandesgericht hat der BGH eine Anspruchsminderung des geltend gemachten Schadensersatzanspruches abgelehnt. Insbesondere ist der Schadensersatzanspruch der Beklagten nicht wegen § 89 Abs. 2 WHG zu kürzen, da sie keine „Anlagenbetreiberin“ im Sinne dieser Vorschrift war. Gemäß § 89 Abs. 2 WHG greift die Gefährdungshaftung für Betreiber nur für solche Anlagen ein, die bestimmt sind, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzuleiten. Der Begriff der Anlage ist weit gefasst. Nach der Rechtsprechung des BGH kann der Anlagenbetreiber auch für eine funktionslose, also nicht mehr betriebene Öltankanlage, die noch Öl enthält und damit für ihre Umwelt gefährlich ist, haften. Bei stillgelegten und/oder teilweise demontierten Anlagen ist aber in jedem Einzelfall zu prüfen, ob diese aufgrund ihrer weiter bestehenden oder weggefallenen bzw. erneuerten Bestimmung in diesem Sinn noch gefährlich sind, etwa weil sie weiterhin wassergefährdende Stoffe enthalten. Im Streitfall dienten bis zum Entfernen des Öltanks im Keller dieser und die zu ihm führende Rohrleitung nebst Einfüllstutzen als Anlage zum Transport und zur Lagerung von Heizöl als wassergefährdendem Stoff. Jedoch ist der im Keller befindliche Öltank 2007 entfernt worden. Der übrig gebliebene Einfüllstutzen und das mit diesem verbundene Rohrstück dienten seit dem Entfernen des Tanks objektiv nicht mehr dem Befüllen eines Heizöltanks und sind daher nicht mehr zum Transport von Heizöl bestimmt. Eine Gefahr für ein Gewässer resultierte aus dieser Restanlage ebenfalls nicht mehr. Im vorliegenden Fall ist die Gefahr ausschließlich durch die weisungswidrige Befüllung entstanden, welche der Beklagten aber nicht vorgeworfen werden kann.

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    Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB

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