Rechtsprechungsreporte Abfallrecht

von

Rechtsprechungsreport Abfallrecht Juni 2024

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

seit unserem letzten Rechtsprechungsreport Abfallrecht sind wieder zahlreiche interessante Entscheidungen zum Abfallrecht ergangen und bekannt geworden. Hieraus haben wir zwölf Entscheidungen ausgewählt, die wir Ihnen mit dem vorliegenden Rechtsprechungsreport Abfallrecht Juni 2024 vorstellen möchten. Unter diesen zwölf Entscheidungen finden Sie z.B. ein Urteil des VG München, in dem es zu einer Durchbrechung der sog. abfallrechtlichen Ewigkeitshaftung gekommen ist. Und das OVG Nordrhein-Westfalen hat sich ausführlich zu den abfallrechtlichen Konsequenzen aus den weitreichenden Verwendungsbeschränkungen für asbesthaltige Materialien geäußert.

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse bei der Lektüre!

Und wenn Sie Anregungen oder sonstige Hinweise zu unserem Rechtsprechungsreport haben, freuen wir uns über Ihre Nachricht.

Ihr Franßen & Nusser Umweltrechtsteam

1. Abfallrechtliche Einordnung von Erdaushub

Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.9.2023 – 12 ZB 22.1814

Nach der Begriffsbestimmung des § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind Abfälle alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss. In einem Verfahren vor dem BayVGH ging die zuständige Abfallbehörde davon aus, dass es sich bei einer Ablagerung von 290.000 m³ Erdaushub um Abfälle handele, da eine Wiederverwendung des Materials nicht gewährleistet sei. Die Ablagerung sei eine Deponie, die allerdings nicht planfestgestellt sei (§ 35 Abs. 2 KrWG) und daher von der Grundstückseigentümerin beseitigt werden müsse.

Die entsprechende Beseitigungsanordnung hatte jedoch vor Gericht keinen Bestand. Die Grundstückseigentümerin habe sich des Erdaushubs nicht entledigt (§ 3 Abs. 2 KrWG), sondern lagere ihn auf ihrem Grundstück, um ihn dort gemäß einer Planung der Bauplanungsbehörde aus 2014 für eine Geländemodellierung zu verwenden, sobald der entsprechende Bebauungsplan aufgestellt ist. Daher fehle auch ein Entledigungswille (§ 3 Abs. 3 KrWG). Der neue Verwendungszweck für den Erdaushub sei jeweils unmittelbar im Anschluss an den Aushub an die Stelle des bisherigen Verwendungszwecks getreten. Diese neue Zweckbestimmung sei auch nicht etwa entfallen. Angesichts des Volumens des Gesamtvorhabens sei durchaus noch von einem überschaubaren Zeitraum bis zur Zweckverwirklichung auszugehen. Schließlich bestehe auch keine Entledigungspflicht (§ 3 Abs. 4 KrWG), da die Abfallbehörde eine Umweltgefahr nicht nachgewiesen habe.

Die für die Praxis sehr bedeutsame Porr-Entscheidung des EuGH haben wir in einer ausführlichen Mandanteninformation von November 2022 aufbereitet.

Ergänzend stellte der BayVGH unter Hinweis auf die Porr-Entscheidung des EuGH fest, dass der Erdaushub auch schon dann nicht unter den Abfallbegriff falle, wenn man ihn als Nebenprodukt (§ 4 Abs. 1 KrWG) der entsprechenden vorhergehenden Baumaßnahmen erachten würde. Denn insoweit sei davon auszugehen, dass die Weiterverwendung des Erdaushubs mit den Bauträgern abgestimmt war.

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2. Abfallrechtliche Einordnung von asbesthaltigem Recyclingmaterial

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.4.2024 – 20 A 726/20

Die abfallrechtlichen Pflichten zur Verwertung (§ 7 Abs. 2 Satz 1 KrWG) und Beseitigung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG) gelten zunächst für den einzelnen Stoff oder Gegenstand, der die Voraussetzungen des Abfallbegriffs (§ 3 Abs. 1 KrWG) erfüllt. Allerdings stellen sich Entsorgungsfragen regelmäßig nicht mit Blick auf nur einen einzelnen Stoff oder Gegenstand, sondern mit Blick auf mehrere Stoffe oder Gegenstände, d.h. mit Blick auf Sachgesamtheiten, die z.B. in Haufwerken oder Behältnissen zusammengefasst sein können. Zur Beurteilung der Frage, ob diese Sachgesamtheiten aus gefährlichen oder nicht gefährlichen Abfällen bestehen und ob sie verwertet oder beseitigt werden müssen, ist in der Regel die jeweilige Sachgesamtheit zu betrachten. Von diesem Grundsatz ist jedoch das OVG NRW bei der Prüfung einer Anordnung zur Entsorgung von asbesthaltigem Recyclingmaterial abgewichen.

Einem Bauunternehmer war aufgegeben worden, eine von ihm auf einer Baustelleneinrichtungsfläche aufgebrachte Schotterung wieder aufzunehmen und zu entsorgen. Diese Schotterung bestand aus Recyclingmaterial, das Asbestzementbruchstücke mit einem Anteil von bis zu 15 % Asbest enthielt, und der Anteil der Asbestzementbruchstücke im Recyclingmaterial lag bei unter 0,1 %; folglich lag der Asbestanteil am gesamten Recyclingmaterial bei weniger als 0,03 %. Der Bauunternehmer war der Auffassung, dass es sich bei dem Recyclingmaterial nicht um gefährlichen Abfall handelt, da der Asbestanteil unter der sich aus Anhang III der Abfallrahmenrichtlinie für die gefahrenrelevante Eigenschaft HP 7 „karzinogen“ ergebenden Konzentrationsgrenze von 0,1 % blieb. Mit dem Aufbringen der Schotterung habe er daher das Recyclingmaterial ordnungsgemäß und schadlos verwertet.

Das Gericht sah dies anders. Das Recyclingmaterial stelle ein Abfallgemisch dar, das nicht von vornherein als solches angefallen, sondern durch Vermischung von asbestfreien mit asbestbelasteten Abfällen entstanden sei. Bei den Asbestzementbruchstücken handele es sich um gefährliche Abfälle, da in ihnen Asbest in einem Anteil von 15 % enthalten sei, was besagte Konzentrationsgrenze von 0,1 % deutlich überschreite. Diese gefährlichen Abfälle seien mit den übrigen, nicht gefährlichen Bestandteilen des Recyclingschotters unter Verstoß gegen das Vermischungsverbot des § 9a Abs. 1 KrWG vermischt worden. Auch die Annahme, dass die Vermischung ausnahmsweise nach § 9a Abs. 2 KrWG zulässig war, komme nicht in Betracht. Denn dies setze voraus, dass bei der Vermischung die Anforderungen an eine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung nach § 7 Abs. 3 KrWG eingehalten werden. Die Ordnungsgemäßheit sei aber bereits deswegen zu verneinen, weil zum einen gemäß § 16 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Nr. 1 Abs. 2 GefStoffV die Gewinnung, Aufbereitung, Weiterverarbeitung und Wiederverwendung von natürlich vorkommenden mineralischen Rohstoffen und daraus hergestellten Gemischen und Erzeugnissen, die Asbest mit einem Massengehalt von mehr als 0,1 % enthalten, verboten sei und weil zum anderen gemäß § 16 Abs. 1 GefStoffV i.V.m. Art. 67 Abs. 1 und Eintrag 6 Nr. 1 Satz 1 des Anhangs XVII der REACH-Verordnung jedwedes Inverkehrbringen von Asbestfasern verboten sei, ohne dass es auf eine bestimmte Konzentration oder einen bestimmten Massengehalt an Asbest ankomme. Die Schadlosigkeit sei zu verneinen, weil durch die Vermischung der asbestbelasteten Abfälle mit dem übrigen Recyclingmaterial eine Schadstoffanreicherung im Wertstoffkreislauf bewirkt worden sei.

Folglich ging das OVG NRW davon aus, dass das Aufschottern des Recyclingmaterials gerade keine ordnungsgemäße und schadlose Verwertung darstellte. Vielmehr müssten die unzulässig vermischten Abfälle grundsätzlich getrennt werden (§ 9a Abs. 3 KrWG). Es sei aber nicht dargelegt, dass eine Trennung der asbesthaltigen Abfälle von den übrigen Abfällen technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar ist. Da die asbesthaltigen Abfälle aufgrund vorstehend benannter Verbote keiner Verwertung zugeführt werden dürfen und folglich beseitigt werden müssen, sei im Ergebnis das gesamte Abfallgemisch als Abfall zur Beseitigung einzustufen.

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3. Einordnung von Materialien als gefährliche Abfälle und als Gefahrstoffe

VG Trier, Urteil vom 16.10.2023 – 9 K 207/23.TR

In dem Verfahren vor dem VG Trier begehrte die Klägerin von der Bergbehörde die Zulassung eines Sonderbetriebsplans zum Versatz von Gleisschotter in ihrem Bergwerk. Dieser Abfall war in Italien mit dem Europäischen Abfallverzeichnisschlüssel 17 05 07* (Gleisschotter, der gefährliche Stoffe enthält) versehen worden, und eine anderweite Einstufung durch deutsche Behörden war nicht erfolgt. Das Gericht bestätigte die ablehnende Ansicht der Bergbehörde, dass der begehrten Zulassung des Betriebsplans Vorschriften der GefStoffV entgegenstünden.

Zunächst führte das Gericht aus, dass die in Italien vorgenommene abfallrechtliche Einstufung des Gleisschotters maßgeblich sei. Diese Einstufung als gefährlicher Abfall sei zwar zunächst nur hinsichtlich des Verfahrens der noch ausstehenden, von Italien nach Deutschland erfolgenden Verbringung des Abfalls gemäß Abfallverbringungsverordnung maßgeblich und entfalte keine materiell-rechtliche Wirkung. Es sei den deutschen zuständigen Behörden daher unbenommen, eine anderweitige Einstufung vorzunehmen. Solange und soweit eine anderweitige Einstufung indes nicht erfolgt ist, müsse die Einstufung der italienischen Behörden als maßgeblich betrachtet werden.

Darauf aufbauend stellte das VG Trier fest, dass es sich bei dem Gleisschotter um einen Gefahrstoff i.S.d. GefStoffV handele. Dies ergebe sich aus einer Gesamtschau der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV), der CLP-Verordnung sowie der GefStoffV. Gemäß Ziffer 1.1 der Anlage zu § 2 Abs. 1 AVV ist ein gefährlicher Stoff i.S.d. AVV ein Stoff, der als gefährlich eingestuft ist, da er die Kriterien gemäß Anhang I Teil 2 bis 5 der CLP-Verordnung erfüllt (d.h. der Stoff weist bestimmte physikalische Gefahren, Gesundheitsgefahren, Umweltgefahren oder weitere Gefahren auf). Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 GefStoffV sind Gefahrstoffe i.S.d. GefStoffV Stoffe, Gemische und bestimmte Erzeugnisse, die den in Anhang I der CLP-Verordnung dargelegten Kriterien entsprechen. Dies bedeute, das gefährliche Stoffe i.S.d. AVV immer auch Gefahrstoffe i.S.d. GefStoffV sind (umgekehrt gelte dies aber nur eingeschränkt). Folglich stelle der Gleisschotter einen Gefahrstoff dar. Da jedoch die vor dem Beginn des beabsichtigten Versatzes erforderliche Gefährdungsbeurteilung gemäß § 7 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 GefStoffV nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei, lägen die Voraussetzungen für die Zulassung des Sonderbetriebsplans nicht vor.

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4. Bestimmtheit einer Entsorgungsanordnung

VG Köln, Urteil vom 22.12.2023 – 9 K 7567/18

In dem Verfahren vor dem VG Köln wehrte sich die Klägerin gegen eine Ordnungsverfügung, nach der sie auf ihrem Grundstück im Freien unter Witterungseinfluss abgelagerte Stoffe und Gegenstände zu entsorgen hatte. Dabei waren die Stoffe und Gegenstände durch den Klammerzusatz „(alte Türen, Fenster, Welleternitplatten, sperrmüllartige Gegenstände, Holzverkleidungen, Plastikteile, Metallteile)“ näher spezifiziert. Zudem wurde ihr aufgegeben, Nachweise über die ordnungsgemäße Entsorgung vorzulegen. Diese Nachweise waren durch den Klammerzusatz „(Wiegescheine etc.)“ spezifiziert.

Die Klägerin erachtete beide Anordnungen als zu unbestimmt. Doch das Gericht ließ diesen Einwand nicht gelten. Ein Verwaltungsakt sei dann hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG NRW, wenn der Inhalt der getroffenen Regelung aus dem Entscheidungssatz im Zusammenhang mit den Gründen und den sonstigen bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umständen für den Adressaten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Bei einem Vorgehen gegen unerlaubte Abfallentsorgung von Sachgesamtheiten sei die Abfallbehörde zwar gehalten, möglichst klar und eindeutig zu umschreiben, welche Gegenstände sie entsorgt wissen will. Es sei aus Gründen der Effektivität der Gefahrenabwehr, der Praktikabilität des Verwaltungsvollzuges und der Handhabbarkeit des Abfallrechts aber nicht von ihr zu verlangen, dass sie jede einzelne bewegliche Sache gleichsam inventarisiert und der Verfügung listenmäßig beifügt. Im Falle eines erheblichen Umfangs der von der Ordnungsverfügung umfassten Gegenstände sei es daher bereits ausreichend, die Anordnung zur Entsorgung der Abfälle etwa unter Benennung einer größeren Zahl von Beispielen zu treffen. Im vorliegenden Fall seien die in dem Klammerzusatz abschließend aufgelisteten Stoffe und Gegenstände hinreichend konkret umschrieben, teilweise auch in Verbindung mit den der Verfügung beiliegenden Fotoaufnahmen.

Auch die Anordnung zur Vorlage von Nachweisen über die ordnungsgemäße Entsorgung war nach Auffassung des VG Köln hinreichend bestimmt. Der Klägerin werde insofern lediglich aufgegeben, dem Beklagten die Erfüllung der Entsorgungspflicht nachzuweisen. Auf welchem Wege sie dieser Pflicht nachkommt, bleibe ihr überlassen. Von dem Beklagten sei jedenfalls nicht zu verlangen, vorab abschließend zu definieren, welche Nachweise einer ordnungsgemäßen Entsorgung vorzulegen sind. Dementsprechend sei der Klammerzusatz hier auch lediglich beispielhaft zu verstehen, wie sich aus dem „etc.“ ergebe. Als weitere Beispiele seien Fotoaufnahmen der Entsorgung in einer Abfallbeseitigungsanlage oder die Rechnung eines Abfallunternehmens zu nennen. Die grundsätzliche Eignung solcher Nachweise dränge sich nach dem Wortlaut der Verfügung auf.

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5. Anforderungen an die Darlegung des Endes der Abfalleigenschaft

Bayerischer VGH, Beschluss vom 25.9.2023 – 12 ZB 23.207

In diesem Verfahren vor dem BayVGH stritten die Parteien um die Rechtmäßigkeit einer Anordnung, mit der dem Kläger aufgegeben worden war, Bau- und Ziegelschutt zu beseitigen bzw. die ordnungsgemäße Entsorgung zu veranlassen und einen Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung vorzulegen.

Entgegen der ausdrücklichen Feststellung des BayVGH war der Leitfaden „Anforderungen an die Verwertung von Recycling-Baustoffen in technischen Bauwerken“ zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr in Kraft.

Streitig war zunächst, ob der Behörde oder dem Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür obliegt, dass es sich bei dem Bau- und Ziegelschutt noch um Abfälle i.S.v. § 3 Abs. 1 KrWG handelte oder dass das Material bereits gemäß § 5 Abs. 1 KrWG das Ende der Abfalleigenschaft erreicht hatte. Zwar trage, so der BayVGH, die materielle Beweislast für diejenigen Tatsachen, die nach der zugrundeliegenden Norm Voraussetzungen für die durch den Verwaltungsakt angeordneten Rechtsfolgen sind – wie etwa das Fortbestehen der Abfalleigenschaft –, im Rahmen der Eingriffsverwaltung stets die Behörde. Allerdings sei hier der Bau- und Ziegelschutt originär als Abfall zu qualifizieren gewesen und habe der Kläger die Vorgaben des Leitfadens „Anforderungen an die Verwertung von Recycling-Baustoffen in technischen Bauwerken“ nicht eingehalten. Daher habe dem Kläger die Darlegung oblegen, dass das Material nunmehr ein Verwertungsverfahren i.S.v. § 5 Abs. 1 KrWG durchlaufen habe.

Des Weiteren äußerte sich das Gericht zu der von der Behörde geforderten Vorlage von Nachweisen der ordnungsgemäßen Entsorgung des Materials. Jenseits eines förmlichen Nachweisverfahrens für gefährliche Abfälle eröffne §§ 62, 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrWG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 NachwV der zuständigen Abfallbehörde die Möglichkeit, einen nichtförmlichen Nachweis über die ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen zu verlangen. Aus dem Sinn und Zweck des geforderten nichtförmlichen Nachweises sei zu folgern, dass der Nachweis geeignet sein muss, die ordnungsgemäße Entsorgung des Materials zu belegen. Dass dem Kläger insoweit eine Fülle von Möglichkeiten offenstehe, mache den Verwaltungsakt nicht unbestimmt, sondern eröffne ihm vielmehr eine breite Palette von Nachweismöglichkeiten außerhalb eines formalisierten Verfahrens.

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6. Reichweite der Entsorgungsverantwortung von Abfallerzeuger und Abfallbesitzer

VG München, Urteil vom 30.3.2023 – M 17 K 18.1564

Das KrWG verpflichtet Abfallerzeuger und Abfallbesitzer zur Entsorgung der Abfälle, d.h. zu ihrer Verwertung und nachrangig zu ihrer Beseitigung (§§ 7 Abs. 2, 15 Abs. 1 KrWG). Zwar können sich Abfallerzeuger und -besitzer zur Erfüllung dieser Pflichten Dritter bedienen (§ 22 Satz 1 KrWG), doch werden sie dadurch von ihren Entsorgungspflichten erst dann frei, wenn die Entsorgung endgültig und ordnungsgemäß abgeschlossen ist (§ 22 Satz 2 KrWG). Diese sog. Ewigkeitshaftung war Grundlage einer behördlichen Inanspruchnahme eines Unternehmens für die Entsorgung von gefährlichen Abfällen, die aus der Sanierung eines Grundstücks dieses Unternehmens stammen sollen und die ein von dem Unternehmen beauftragter Dritter seit 2010 in zwei Haufwerken auf seinem Betriebsgelände lagert.

Allerdings hatte diese Entsorgungsverfügung vor dem VG München keinen Bestand. Das Gericht sah es schon nicht als erwiesen an, dass es sich bei den Abfällen aus den in Rede stehenden Haufwerken tatsächlich um solche aus der Sanierungsmaßnahme des Unternehmens handelt. Unter anderem seien die Materialien nicht gemäß den Vorgaben der LAGA PN 98 beprobt worden, sodass keine ausreichenden Kenntnisse über die chemische Zusammensetzung bzw. die Schadstoffbelastung der Abfälle, die eine Zuordnung zu dem Sanierungsvorhaben ermöglicht hätten, vorlägen.

Die Entsorgungsverfügung scheiterte aber auch daran, dass die beiden Haufwerke jeweils Abfallgemische enthalten, die aus der Vermischung von gefährlichen Abfällen mit unterschiedlichen Abfallschlüsseln entstanden sind. Hierin erkannte das VG München einen Verstoß gegen das Vermischungsverbot des § 9a Abs. 1 KrWG. Daher fragte sich das Gericht, ob bereits durch diese Vermischung und die damit erfolgte Abfallzweiterzeugung (§ 3 Abs. 8 Nr. 2 KrWG) die Verantwortlichkeit des in Anspruch genommenen Unternehmens entfallen sein könnte. Denn auch wenn grundsätzlich im Falle einer Abfallzweiterzeugung die Verantwortlichkeit eines Abfallersterzeugers (§ 3 Abs. 8 Nr. 1 KrWG) und früheren Abfallbesitzers (§ 3 Abs. 9 KrWG) fortbesteht, dürfte jedenfalls in Härtefällen wie etwa einem rechtswidrigen Handeln eines beauftragten Dritten außerhalb des Herrschaftsbereichs des Abfallersterzeugers etwas anderes gelten. Diese Frage konnte das Gericht allerdings offenlassen. Denn nach seiner Auffassung lagen jedenfalls die Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme gemäß der sog. Transportcontainer-Entscheidung des BVerwG nicht vor. Hiernach bleibt ein zur Entsorgung Verpflichteter im Falle einer Vermischung von Abfällen bei einem mit der Entsorgung beauftragten Dritten mit Abfällen gleicher Art weiterhin für einen Anteil an der Gesamtmenge des vermischten Abfalls verantwortlich. Eine Vermischung von Abfällen gleicher Art ist aber nach Auffassung des VG München nur anzunehmen, solange die Abfallkategorie unverändert bleibt, und dies soll bei gefährlichen Abfällen bereits dann nicht mehr der Fall sein, wenn Abfälle mit unterschiedlichen Abfallschlüsseln vermischt werden. Zudem wurde das Unternehmen nicht nur auf einen entsprechenden Anteil an dem entstandenen Gemisch in Anspruch genommen, sondern auf die Gesamtmenge der beiden Haufwerke.

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7. Entsorgungsverantwortung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers

Sächsisches OVG, Urteil vom 16.2.2024 – 4 A 112/22

Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) verlangte von einem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger Ersatz von Aufwendungen für die Beseitigung von Abfall, der auf einem im Eigentum der BImA stehenden, öffentlich zugänglichen Waldgrundstück von Dritten abgelegt worden war. Mit diesem Verlangen hatte sie vor dem SächsOVG Erfolg. Das Gericht sprach der BImA die Entsorgungskosten als Aufwendungsersatz aus einer öffentlich-rechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag in analoger Anwendung der §§ 677 ff. BGB zu. Denn sie habe mit der Entsorgung ein Geschäft des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers besorgt.

Die BImA sei nicht Abfallbesitzerin der Abfälle nach § 3 Abs. 9 KrWG gewesen. Zwar habe grundsätzlich ein Grundstückseigentümer die tatsächliche Sachherrschaft über die auf seinem Grundstück befindlichen Abfälle. Eine Abweichung von diesem Grundsatz sei aber gerechtfertigt, wenn an dem Grundstück nicht ein solches Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft besteht, das es ermöglicht, die Abfälle auf dem Grundstück dem Inhaber der Sachherrschaft zuzurechnen. Dieses erforderliche Mindestmaß fehle, wenn das Grundstück für die Allgemeinheit tatsächlich und rechtlich frei zugänglich ist, sodass der Eigentümer die Fläche nicht dem Zugriff und Zutritt Dritter entziehen kann. Diese wertende Einschränkung des Abfallbesitzes greife lediglich dann nicht, wenn ein Träger öffentlicher Verwaltung durch eine eigene Entscheidung oder kraft gesetzlicher Verpflichtung ein in seinem Verwaltungsvermögen stehendes Grundstück dem Gemeingebrauch widmet oder allgemeine Betretensrechte eröffnet. Bei dem streitgegenständlichen Grundstück handelte es sich um ein Waldgrundstück, für das nach den forstrechtlichen Bestimmungen ein allgemeines Betretungsrecht besteht. Zugleich handelte es sich nicht um Verwaltungsvermögen, d.h. um einen Gegenstand, der als Grundlage für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient; vielmehr war das Grundstück Teil des Fiskalvermögens des Bundes, das im Gegensatz zum Verwaltungsvermögen diejenigen Eigentumsgegenstände umfasst, die keinem öffentlichen Zweck gewidmet sind, sondern dem Gemeinwesen nur mittelbar über ihre Erträge dienen.

Folglich war die BImA keine Abfallbesitzerin der auf ihrem Waldgrundstück von Dritten abgelagerten Abfälle und damit auch nicht zur Abfallentsorgung verpflichtet. Besteht aber kein Abfallbesitz, ist als Auffangverantwortung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 KrWG der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger in seinem Gebiet zum Einsammeln und Entsorgen des wilden Mülls verpflichtet. Da er auf Aufforderung durch die BImA seine Zuständigkeit in Abrede gestellt hatte, konnte die BImA die Entsorgung selbst vornehmen und von dem Entsorgungsträger Ersatz ihrer Aufwendungen verlangen.

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8. Zwangsanschluss eines Grundstücks an die öffentliche Abfallentsorgung

VG Frankfurt (Oder), Urteil vom 29.9.2023 – 5 K 1181/20

Das VG Frankfurt (Oder) hat sich mit der Frage befasst, ob und unter welchen Umständen ein Grundstückseigentümer zur Nutzung der öffentlichen Gewerbeabfallentsorgung verpflichtet werden kann. Die Entscheidung erging gegen einen Kläger, der in seinem Wohnhaus, das er gemeinsam mit seiner Familie bewohnt, gleichzeitig verschiedene medienbezogene Tätigkeiten (u.a. Journalismus und Fotografie) ausübt. Diese Tätigkeiten sind teils freiberuflicher, teils gewerblicher Natur. Der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger schloss das Grundstück an die öffentliche Abfallentsorgung an mit der Begründung, das Grundstück werde zu freiberuflichen Zwecken genutzt und es fielen hausmüllähnliche Gewerbeabfälle an.

Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Das Gericht bestätigte die Auffassung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, dass das Grundstück als Gewerbegrundstück im Sinne der einschlägigen Abfallentsorgungssatzung i.V.m. § 7 Abs. 1 GewAbfV einzuordnen sei und damit einem Anschlusszwang unterliege. Den Einwand des Klägers, der bei seiner Tätigkeit anfallende Abfall sei so gering, dass eine Entsorgung zusammen mit dem Haushaltsabfall ausreichend sei, ließ es nicht gelten. Die Abfallentsorgungssatzung begründe eine Fiktion, dass ein Gewerbetreibender überlassungspflichtige Abfälle erzeugt. Dies stehe im Einklang mit § 7 Abs. 1 GewAbfV, der eine widerlegliche Vermutung dafür begründe, dass bei jedem Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen zwangsläufig Abfälle zur Beseitigung anfallen, auch wenn sie die in der Gewerbeabfallverordnung geregelten Anforderungen an die Getrennthaltung bestimmter Abfälle einhalten.

Diese Vermutung habe der Kläger auch nicht widerlegt. Um den Zwangsanschluss abzuwenden, hätte er die Verwertung aller bei ihm anfallenden Abfälle nachweisen müssen. Entsprechende Nachweise habe er aber nicht vorgelegt. Zudem widerspreche es der Lebenserfahrung, dass der Kläger im Rahmen seiner journalistischen Tätigkeit keinerlei herkömmliche Schreibarbeiten ausführt und ausschließlich mit dem Computer arbeitet. Es müssen daher auch insoweit Beseitigungsabfälle (etwa verbrauchte Kugelschreiberminen, Tintenpatronen, abgenutzte Bleistifte, gebrauchte Papiertaschentücher etc.) anfallen. Zwar sei nicht zu bezweifeln, dass im Rahmen der journalistischen Tätigkeit des Klägers tatsächlich nur sehr wenig Beseitigungsabfall verursacht wird, doch komme es darauf bei der Verwirklichung der Anschlussverpflichtung nicht an.

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9. Festlegung der Örtlichkeit zur Bereitstellung eines Abfallbehälters

VG Magdeburg, Urteil vom 23.8.2023 – 9 A 115/21 MD

Vor dem VG Magdeburg stand die Rechtmäßigkeit einer Anordnung eines Stellplatzes für die Bereitstellung eines Abfallbehälters zur Abholung durch die Müllabfuhr in Streit. Der Kläger war unter Beifügung einer bildlichen Anlage aufgefordert worden, die aus seinem privaten Haushalt stammenden Abfälle an einem Stellplatz an der nächsten nach dem Grundstück des Klägers folgenden Einmündung bereitzustellen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Grundstück des Klägers zum Zwecke des Einsammelns des Abfalls nur angefahren werden könne, wenn das Sammelfahrzeug den ca. 188 m langen Weg zum Grundstück des Klägers rückwärtsfährt. Für die im Gebrauch befindlichen Sammelfahrzeuge bestehe eine geeignete Wendemöglichkeit am, vor bzw. unmittelbar nach dem Grundstück nicht, weshalb ein ausnahmsloses Vorwärtsfahren nicht möglich sei.

Nach der Vorgabe des § 9 Abs. 5 Halbsatz 1 StVO muss jedoch beim Rückwärtsfahren eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sein; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen. Einen solchen Einweiser erachtete das Gericht im vorliegenden Fall als erforderlich. Aufgrund des Bewuchses am Fahrbahnrand könnte der Fahrzeugführer allerdings seine Aufmerksamkeit jedenfalls nicht uneingeschränkt dem Einweiser widmen, da er fahrzeugführende Tätigkeiten in einem erhöhten Maße durchführen müsste, um Anstreifvorgänge zu vermeiden. Auch der Einweiser könnte aufgrund des seitlichen Bewuchses sowie des unebenen Geländes seine volle Aufmerksamkeit nicht seiner eigentlichen Tätigkeit widmen, sondern hätte ständig auch Sorge um seine eigene Unversehrtheit zu tragen. Daher könnte bei einem rückwärtigen An- bzw. Abfahren zum oder vom klägerischen Grundstück eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gerade nicht ausgeschlossen werden.

Auch unfallverhütungsrechtliche Vorschriften stünden dem Anfahren des klägerischen Grundstücks entgegen. Der zuständige Unfallversicherungsträger gehe unter Berücksichtigung der vom Spitzenverband der gesetzlichen Unfallversicherungsträger aufgestellten Regeln (DGUV Regel 114-601 „Branche Abfallwirtschaft“, Teil I: Abfallsammlung, Kapitel 3.8) davon aus, dass ein Rückwärtsfahren grundsätzlich zu vermeiden sei; erst wenn dies gar nicht abwendbar sein sollte, sei dieses hinzunehmen. Aber auch dann dürfe die Strecke nicht länger als 150 m sein.

Das Gericht führte weiter aus, dass die Anordnung auch ermessensfehlerfrei ergangen sei. Zwar sei die vom Kläger zu überwindende Entfernung von 188 m an der oberen Grenze dessen belegen, was in der Rechtsprechung bislang als zumutbar angesehen worden ist (80 bis 215 m). Jedoch sei die Strecke, die der Kläger mit einem gefüllten 120-l-Gefäß zurücklegen muss, um 1,5° geneigt und wiesen die Fahrspuren keine ersichtlichen Schäden auf, was das Verbringen der zu rollenden Abfallgefäße an den Stellplatz erheblich erleichtere. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass das Grundstück sich in einer von der Ortslage entfernten Lage im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB befinde, sodass der Grundstückseigentümer damit rechnen musste, dass von ihm zu gegebener Zeit mehr an Eigenleistung abverlangt wird, als von einem Eigentümer, dessen Grundstück in der bebauten Ortslage belegen ist.

Eine Berücksichtigung individueller Umstände ist nach Auffassung des VG Magdeburg regelmäßig nicht möglich. Gegebenenfalls auftretende persönliche Schwierigkeiten bei der Überlassung – etwa die physische Konstitution – fielen nicht in den Verantwortlichkeitsbereich des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers. Auch sei der Entsorgungsträger nicht verpflichtet, wendigere Entsorgungsfahrzeuge anzuschaffen und einzusetzen; entscheidend sei die Befahrbarkeit der Zuwegung mit den derzeit in diesem Entsorgungsbereich üblichen Fahrzeugen. Soweit ein Grundstück in der Vergangenheit stets rückwärts angefahren worden sein sollte, begründe dies für den Bürger kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend, dass der Entsorgungsträger auch weiterhin an dieser rechtswidrigen Verwaltungspraxis festhält.

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10. Kein Vollüberprüfungsanspruch eines privaten Klägers gegen den Planfeststellungsbeschluss
für die Erweiterung einer Deponie

OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1.6.2023 – 20 D 377/21.AK

Die Bereitstellung erforderlicher Deponiekapazitäten ist eine maßgebliche Voraussetzung für die Gewährleistung von Entsorgungssicherheit, wird aber regelmäßig von Trägern öffentlicher und privater Belange zu verhindern versucht. In einem Verfahren vor dem OVG NRW wandten sich die in der Nähe einer Deponie wohnenden Kläger gegen einen Planfeststellungsbeschluss zur Erweiterung und Erhöhung der Deponie für die Ablagerung von Abfällen der Deponieklassen I, II und III.

Hierzu stellte das OVG NRW insbesondere fest, dass die Kläger keinen Anspruch auf vollständige gerichtliche Überprüfung des auf § 35 Abs. 2 KrWG gestützten Planfeststellungsbeschlusses haben. Denn einen solchen Vollüberprüfungsanspruch haben vorbehaltlich der Ursächlichkeit des jeweils in Rede stehenden Fehlers für die Eigentumsbetroffenheit wegen Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG nur diejenigen, die von einem Planfeststellungsbeschluss mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen werden. Zu diesem Personenkreis gehörten die Kläger aber nicht. In Ermangelung eines Vollüberprüfungsanspruchs können die Kläger insbesondere nicht mit Erfolg rügen, bei der Planung seien Belange des Landschafts-, des Arten- oder des Naturschutzes nicht angemessen berücksichtigt worden.

Dementsprechend blieb es allein bei der Überprüfung des Planfeststellungsverfahrens anhand von § 4 UmwRG (vorliegend in der Fassung vom 23.8.2017 anwendbar). Der Planfeststellungsbeschluss leidet laut OVG NRW jedoch an keinem Verfahrensfehler, den die Kläger hätten rügen können und der zur Aufhebung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses geführt hätte. Denn es lagen keine Verfahrensfehler im Sinne von § 4 Abs. 1 UmwRG oder sonstige Verfahrensfehler nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO vor. Weder war die Umweltverträglichkeitsprüfung fehlerhaft noch lag ein Verstoß gegen verfahrensrechtliche Bekanntmachungsvorgaben vor. Jedenfalls haben die Kläger keinen Aufhebungsanspruch gemäß § 4 Abs. 3 Satz 2 UmwRG wegen etwaiger Fehler im Sinne von § 4 Abs. 1 UmwRG, da ein etwaiger Verfahrensfehler ihnen nicht die Möglichkeit der gesetzlich vorgesehenen Beteiligung am Entscheidungsprozess genommen hat.

Der Regionalplan Ruhr ist am 28.2.2024 in Kraft getreten.

Auch materiell-rechtlich verstieß der Planfeststellungsbeschluss laut dem OVG NRW nicht gegen zwingende Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Kläger dienen:

  • Mangels geltender Regionalplanung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung konnte ein Verstoß des Planfeststellungsbeschlusses gegen den Entwurf des Regionalplans Ruhr nicht geltend gemacht werden.
  • Auf einen Verstoß gegen § 36 Abs. 1 Nr. 1 KrWG können sich die Kläger nicht berufen, da diese Regelung allein dem Schutz öffentlicher Belange und nicht dem Schutz von Rechten und Belangen Einzelner dient.
  • Ebenso wenig können die Kläger sich auf eine Verletzung von § 15 Abs. 2 KrWG berufen, weil auch diese Regelung insgesamt dem Schutz des Allgemeinwohls und damit ausschließlich dem Schutz öffentlicher Belange, nicht jedoch dem Schutz von Rechten und Belangen Einzelner dient.

Daneben wies der Planfeststellungsbeschluss laut dem OVG NRW auch keinen erheblichen Abwägungsmangel zum Nachteil der Kläger auf, der zur Aufhebung oder zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses geführt hätte.

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11. Erweiterung des Abfallartenkatalogs einer Deponie

OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27.6.2023 – 2 K 40/22

In diesem Verfahren vor dem OVG Sachsen-Anhalt wehrte sich die Betreiberin einer Abfalldeponie gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Erweiterung ihres Abfallartenkatalogs. Konkret beantragte sie für die Abfallart „kohlenteerhaltige Bitumengemische“ (ASN 17 03 01*) die Erhöhung der zugelassenen Konzentration an polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK). Dabei solle die Ablagerung dieser Abfallart in zwei Monopoldern erfolgen, und die entstehenden Sickerwässer sollen gesondert extern verwertet werden, sodass keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf Schutzgüter des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) zu befürchten seien. Dem Antrag sei daher im Wege einer Plangenehmigung (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG) stattzugeben.

Die beklagte Genehmigungsbehörde hatte den Antrag mit Verweis auf die durch landesrechtliche Verwaltungsvorschriften einzuhaltenden, von der LAGA empfohlenen Obergrenzen abgelehnt. Der Widerspruchsbescheid hob den Ablehnungsbescheid auf, jedoch begründet mit einer unzulässigen Verfahrenswahl der Beklagten: Aufgrund der zu erwartenden erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen sei ein Planfeststellungsverfahren (§ 35 Abs. 2 KrWG) notwendig, um zu prüfen, ob die beabsichtigte Änderung tatsächlich zu diesen Auswirkungen führen werde.

Das OVG gab der Deponiebetreiberin recht und verpflichtete den Beklagten zur Neubescheidung des Antrags. Dazu stellte es zunächst fest, dass die Zulässigkeit der beantragten Änderung in einem Plangenehmigungsverfahren geprüft werden könne (mithin kein Planfeststellungsverfahren notwendig sei), weil die Änderung keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf ein UVPG-Schutzgut haben könne. Die Möglichkeit derartiger nachteiliger Auswirkungen sei anhand einer Prognose einzelfallbezogen zu prüfen. Für die Beantwortung der Vorab-Frage nach der Verfahrenswahl (Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren) reiche aufgrund der zu diesem Zeitpunkt begrenzten Erkenntnismittel eine summarische Prüfung aus. Umgekehrt sei es einem Antragsteller aber nicht verwehrt, zu diesem Zeitpunkt schon ein Schutzkonzept vorzulegen, aus dem sich ergibt, dass die Änderung keine erheblichen negativen Umweltauswirkungen haben kann.

Bei der streitgegenständlichen Abfallart „kohlenteerhaltige Bitumengemische“ (ASN 17 03 01*) handele es sich zwar – wie aus der Kennzeichnung mit einem Sternchen ersichtlich – um eine gefährliche Abfallart im Sinne des § 48 KrWG. Die Deponiebetreiberin trage aber den besonderen Entsorgungs- und Überwachungsanforderungen dadurch Rechnung, dass sie den teerhaltigen Straßenaufbruch mit dem erhöhten PAK-Wert unter Einhaltung besonderer Schutzvorkehrungen lagern und das Deponiesickerwasser in spezieller Weise aufbereiten und entsorgen werde.

Auch die landesrechtlichen Verwaltungsvorschriften stünden der Durchführung eines Plangenehmigungsverfahrens nicht entgegen. Diese enthielten Vorgaben ergänzender Zuordnungswerte als Kriterien für die Zulassung einer Änderung, nicht jedoch für die Frage, ob eine wesentliche Änderung erhebliche negative Umweltauswirkungen haben kann. Zudem handele es sich bei den Verwaltungsvorschriften um innerbehördliches Recht ohne Außenwirkung. Sofern die Unvereinbarkeit mit einem einschlägigen Runderlass ein Indiz für mögliche negative Umweltauswirkungen sei, könne dieses Indiz durch die besonderen Umstände des Einzelfalls – wie hier die Schutzvorkehrungen der Deponiebetreiberin – entkräftet werden.

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12. Abberufung als Betriebsbeauftragter für Abfall

BAG, Urteil vom 18.10.2023 – 5 AZR 68/23

Vor dem Bundesarbeitsgericht stritten sich ein Mitarbeiter und sein Arbeitgeber über die Wirksamkeit der Abberufung des Mitarbeiters als Betriebsbeauftragter für Abfall.

Als Grundverhältnis kommt insbesondere auch ein Dienstvertrag zur Bestellung eines externen Abfallbeauftragten in Betracht.

Das Gericht war anders als die Vorinstanz der Auffassung, dass die Abberufung eines Betriebsbeauftragten der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die Abberufung sei als actus contrarius zur Bestellung anzusehen. Unter „Bestellung“ i.S.v. § 60 Abs. 3 KrWG i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 1 BImSchG sei die konkrete Zuweisung der Aufgaben eines Abfallbeauftragten i.S.v. § 59 KrWG im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses zu verstehen. Die Bestellung sei von dem zwischen Anlagenbetreiber und Abfallbeauftragten bestehenden Grundverhältnis zu unterscheiden. Ist dieses Grundverhältnis ein Arbeitsverhältnis, bedürfe die Bestellung zur wirksamen Aufgabenwahrnehmung einer entsprechenden arbeitsvertraglichen Verpflichtung des Abfallbeauftragten. Regelmäßig werde der Arbeitsvertrag nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen um die mit diesem Amt verbundenen Aufgaben erweitert.

Für die Abberufung des Abfallbeauftragten stelle das Kreislaufwirtschaftsgesetz keine spezifischen Anforderungen auf. Gleichwohl sei die Abberufung eines Abfallbeauftragten nicht vollkommen „frei“ möglich. Vielmehr seien – wie bei der Bestellung – auch die sich aus dem Vertragsrecht ergebenden Anforderungen des Grundverhältnisses zu beachten, soweit es sich dabei um ein Arbeitsverhältnis handelt. Da sich die einseitige Abberufung des Abfallbeauftragten als eine einseitige Leistungsbestimmung des Arbeitgebers darstelle, müsse die Abberufungsentscheidung des Arbeitgebers nach billigem Ermessen i.S.d. § 315 BGB getroffen werden. § 315 Abs. 1 BGB sei eine Auslegungsregel, die greife, wenn die Parteien keinen anderen engeren oder weiteren Bestimmungsmaßstab vereinbart haben. Beruht die Leistungsbestimmung auf einer unternehmerischen Entscheidung, komme dieser ein besonderes Gewicht zu, ohne dass das unternehmerische Konzept auf seine Zweckmäßigkeit zu überprüfen wäre. Der Arbeitnehmer könne allerdings einwenden, die Berufung auf eine unternehmerische Entscheidung sei rechtsmissbräuchlich oder die Entscheidung sei willkürlich, z.B. lediglich „vorgeschoben“.

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Dr. Henning Blatt
Rechtsanwalt | Partner

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