Rechtsprechungsreporte Abfallrecht

von

Rechtsprechungsreport Abfallrecht Juni 2023

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

seit unserem letzten Rechtsprechungsreport Abfallrecht sind wieder zahlreiche interessante Entscheidungen zum Abfallrecht ergangen und bekannt geworden. Einige davon möchten wir Ihnen mit dem vorliegenden Rechtsprechungsreport Abfallrecht Juni 2023 vorstellen. Einen Schwerpunkt bilden dabei Entscheidungen, in denen sich die Gerichte mit der Einstufung von Stoffen und Gegenständen als Abfall beschäftigen – sowohl mit Blick auf die Frage, ob diese Stoffe und Gegenstände zu Abfall geworden sind, als auch mit Blick auf die Frage, ob sie diese Eigenschaft wieder verloren haben. Von besonderer Bedeutung für die Abfallwirtschaftspraxis ist insoweit das Urteil des EuGH in dem Verfahren „Porr Bau“. Es ist zu erwarten, dass ausgehobene Bodenmaterialien, die bislang häufig als Abfälle eingestuft worden sind, zukünftig auf der Grundlage des Urteils des EuGH zunehmend als Nebenprodukte und damit als Nicht-Abfälle angesehen werden.

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse bei der Lektüre!

1. Öllachen auf Gewässern als Abfall; Abgrenzung des Abfallrechts vom Gefahrenabwehrrecht

Bayerischer VGH, Urteil vom 20.7.2022 – 4 B 20.3009

Im vorliegenden Verfahren hatte der Bayerische VGH über einen Kostenbescheid einer Gemeinde zu entscheiden, deren Feuerwehr eine Öllache auf dem Main gesichert und abgeschöpft hatte. Da der Verursacher nicht ermittelt werden konnte, verlangte die Gemeinde auf Grundlage des Bayerischen Feuerwehrgesetzes die Kosten des Feuerwehreinsatzes von der Bundesrepublik Deutschland als Trägerin der Gewässerunterhaltungslast zurück. Hiergegen wandte sich der Bund, vertreten durch die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt.

Das Gericht stellte zunächst die Anwendbarkeit des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) fest. Die Ausnahme vom Geltungsbereich des KrWG für in Gewässer eingeleitete oder eingebrachte Stoffe gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG greife hier nicht ein, da es bei einer Gewässerverunreinigung wie hier an dem notwendigen zweckbestimmten Verhalten des Einleiters mangele. Weiterhin seien Öllachen auf Fließgewässern trotz ihrer „diffusen äußeren Gestalt“ noch als Stoffe i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG anzusehen und unterfielen damit dem dort normierten weitgefassten Abfallbegriff. Der frühere Besitzer des Öls habe die Sachherrschaft entweder freiwillig unter Wegfall jeder Zweckbestimmung aufgegeben oder eine solche Zweckbestimmung sei im Falle des unfreiwilligen Verlustes entfallen, ohne dass jeweils ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an ihre Stelle getreten sei.

Auch Öllachen auf Gewässern sind Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG. Eine Sperrwirkung hinsichtlich der Beseitigung entfaltet das Abfallrecht gegenüber einer landesrechtlichen Haftungsnorm jedoch nur, wenn es um spezifisch abfallrechtliche Pflichten geht. Bei der Beseitigung einer von dem Öl ausgehenden Gefahr – was bei Öllachen auf Gewässern der Regelfall sein dürfte – handelt es sich jedoch nicht um eine abfallrechtliche Pflicht, sodass Landesrecht anwendbar bleibt.

Weiterhin vertrat das Gericht die Auffassung, dass die abfallrechtlichen Vorschriften auch eine eingeschränkte Sperrwirkung gegenüber (landesrechtlichen) Vorschriften des Polizei- und Sicherheitsrechts entfalteten. Es verwies hier auf eine Rechtsprechung des BVerwG aus 1983, das zum damaligenAbfallbeseitigungsgesetz festgestellt habe, dass mit dessen Vorschriften der Kreis der zur Abfallbeseitigung Verpflichteten abschließend festgelegt sei und nicht durch landesrechtliche Vorschriften zur Haftung des Zustandsstörers erweitert werden könne. Diese auch heute noch gültige Rechtsprechung komme insbesondere den Eigentümern solcher Grundstücke zugute, an denen ein Betretungs-, Benutzungs- oder Fahrtrecht der Allgemeinheit bestehe – wie hier dem Bund als Eigentümer der Bundeswasserstraße Main. Grundsätzlich gelte dann allgemein ebenso wie auch in diesem Fall, dass dem Eigentümer des Grundstücks in der Regel ein Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft fehle (vgl. § 3 Abs. 9 KrWG) und er damit weder auf Grundlage des bundesrechtlichen Abfallrechts noch nach landesrechtlichen Vorschriften über die Zustandsstörerhaftung zum Zusammentragen und Bereitstellen des Abfalls verpflichtet werden könne.

Das Gericht führte dann jedoch unter Berufung auf ein weiteres Urteil des BVerwG von 1991 aus, dass diese Sperrwirkung nur soweit gelten könne, wie es sich um spezifisch abfallrechtliche Pflichten und nicht um eine anderweitige ordnungsrechtliche Verantwortlichkeit handele. Gehe es unabhängig von der Abfalleigenschaft des Stoffes um die Bekämpfung einer von dem Stoff ausgehenden konkreten Gefahr oder um die Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung, so sei hierfür allein das landesrechtliche Polizei- und Ordnungsrecht maßgeblich. Demgemäß habe der Bund daher auf Grundlage des Bayerischen Feuerwehrgesetzes auf Ersatz der Kosten des Feuerwehreinsatzes in Anspruch genommen werden können.

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2. Adressat einer Anordnung gemäß § 62 KrWG und Abfalleigenschaft von mit Teeröl imprägnierten Holzbahnschwellen

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 10.5.2022 – 2 M 28/22

Das OVG Sachsen-Anhalt hatte sich im Rahmen eines Eilverfahrens mit der Frage auseinanderzusetzen, wie mit teerölimprägnierten Holzbahnschwellen umzugehen ist, die auf dem Grundstück des Antragstellers von einem anderen Unternehmen zum Zwecke des Weiterverkaufs zwischengelagert worden waren. Die Behörde hatte dem Antragsteller aufgegeben, die Bahnschwellen zu beseitigen, nachdem das Vorgehen gegen das zwischenlagernde Unternehmen unergiebig geblieben war, und sich hierbei auf § 62 KrWG gestützt.

Ist der Abfallbesitzer gemäß § 3 Abs. 9 KrWG nicht zugleich zivilrechtlicher Eigentümer des Abfalls, benötigt er, um seinen ihn als Besitzer treffenden abfallrechtlichen Pflichten nachzukommen, keine Einwilligung des Eigentümers.

Hierzu stellte das Gericht zunächst fest, dass die Vorschrift des § 62 KrWG es der Behörde ermögliche, grundsätzlich all diejenigen Personen in Anspruch zu nehmen, die nach dem KrWG oder nach den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen abfallrechtliche Pflichten zu erfüllen haben und diesen Pflichten nicht nachkommen. Dazu zählen u.a. die Besitzer von Abfällen. Dabei sei der abfallrechtliche Besitzbegriff gemäß § 3 Abs. 9 KrWG nicht mit dem zivilrechtlichen identisch, sondern werde seiner Funktion nach, die die Praktikabilität und Effektivität des abfallrechtlichen Vollzugs umfasst, definiert. Insbesondere komme es auf einen zivilrechtlichen Besitzbegründungswillen nicht an. Das insoweit geforderte „Mindestmaß an tatsächlicher Sachherrschaft“ werde mit Blick auf die auf einem Grundstück gelagerten Abfälle bereits durch das Eigentum an dem Grundstück vermittelt, es sei denn das Grundstück wäre für die Allgemeinheit rechtlich und tatsächlich frei zugänglich. Ist der Abfallbesitzer nicht zugleich Eigentümer des Abfalls, benötige er, um seinen ihn als Besitzer treffenden abfallrechtlichen Pflichten nachzukommen, keine Einwilligung des Eigentümers. Dementsprechend sei der Antragsteller als Grundstückseigentümer auch Besitzer der Bahnschwellen, obwohl er das Grundstück einem anderen Unternehmen zum Zwecke der Zwischenlagerung zur Verfügung gestellt hat und dieses andere Unternehmen auch Eigentümer der Bahnschwellen ist.

Gerade bei handelsbeschränkten Stoffen nach der REACH-Verordnung ist der Nachweis eines konkreten und zulässigen Verwendungszweckes ganz besonders erforderlich, um die Abfalleigenschaft auszuschließen.

Bei den Bahnschwellen handelte es sich nach Ansicht des Gerichts auch um Abfall i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG. Dies folge aus der fehlenden Zweckbestimmung der Bahnschwellen, was gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG auf einen Entledigungswillen schließen lasse. Zum einen sei allein die unternehmerische Absicht, einen Stoff oder Gegenstand gewinnbringend zu verkaufen, noch keine zulässige Zweckbestimmung, da ansonsten die Zielrichtung des Abfallrechts, Umwelt und menschliche Gesundheit auch vorbeugend zu schützen, unterlaufen würde. Zum anderen habe der Antragsteller auch keinen konkreten Verwendungszweck nachgewiesen. Dies sei aber ganz besonders deswegen geboten, weil sich gemäß § 16 Abs. 1 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) aus Art. 67 i.V.m. Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (sog. REACH-Verordnung) Herstellungs- und Verwendungsbeschränkungen letztlich auch für mit Teeröl imprägnierte Holzbahnschwellen ergäben, sodass diese nicht uneingeschränkt in den Verkehr gebracht werden dürften.

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3. Abfallrechtliche Einstufung von Aushubmaterial als Abfall oder Nebenprodukt

EuGH, Urteil vom 17.11.2022 – C-238/21

In einem für die Praxis sehr bedeutsamen Urteil hat sich der EuGH zur abfallrechtlichen Einstufung von ausgehobenem Bodenmaterial als Abfall oder Nebenprodukt geäußert (siehe zu dieser Entscheidung auch unsere ausführliche Mandanteninformation von November 2022).

Im Juli 2015 wandten sich mehrere Landwirte an die Porr Bau GmbH (im Folgenden: Porr Bau) und baten darum, ihnen gegen Entgelt Bodenaushub zu liefern und diesen auf ihren Grundstücken zu verteilen. Das Aushubmaterial sollte der Bodenkultivierung bzw. der Verbesserung der landwirtschaftlichen Ertragsflächen dienen. Daraufhin wählte die Porr Bau ein geeignetes Bauvorhaben aus und entnahm dort Aushubmaterial. Bei diesem Aushub handelte es sich um unkontaminiertes Bodenmaterial der (in Österreich sog.) Qualitätsklasse A1, die nach dem anwendbaren österreichischen Recht die höchste Qualitätsklasse für Bodenaushub darstellt. Nach diesen nationalen Vorgaben ist derartig qualitatives Material für Geländeanpassungen geeignet und rechtlich zulässig. Das betreffende Bodenmaterial war Prüfverfahren unterzogen worden, sodass es unmittelbar verwendet werden konnte.

Die Porr Bau beantragte daher bei der zuständigen Behörde die Feststellung, dass das Aushubmaterial nicht als Abfall anzusehen sei. Die Behörde lehnte dies jedoch ab und vertrat außerdem die Auffassung, dass der Boden, den sie als Abfall nach § 2 Abs. 1 des österreichischen Abfallwirtschaftsgesetzes ansah, noch nicht das Ende der Abfalleigenschaft erreicht habe. Das von Porr Bau angerufene Landesverwaltungsgericht Steiermark legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Die Bautätigkeit, in deren Zuge ausgehobenes Bodenmaterial erzeugt wird, ist als Herstellungsverfahren im Sinne des Art. 5 Abs. 1 AbfRRL anzusehen.

Der EuGH stellte fest, dass ausgehobenes Bodenmaterial, das durch eine Baumaßnahme erzeugt wird und nicht wieder vor Ort eingebaut werden kann, Nebenprodukt i.S.d. Art. 5 Abs. 1 AbfRRL sein kann. Diese Vorschrift bestimmt, dass ein Stoff oder Gegenstand, der das Ergebnis eines Herstellungsverfahrens ist, dessen Hauptziel nicht die Herstellung dieses Stoffes oder Gegenstands ist, nur als Nebenprodukt und nicht als Abfall gilt, wenn a) sichergestellt ist, dass der Stoff weiter verwendet wird; b) der Stoff oder Gegenstand direkt ohne weitere Verarbeitung, die über die normalen industriellen Verfahren hinausgeht, verwendet werden kann; c) der Stoff oder Gegenstand als integraler Bestandteil eines Herstellungsprozesses erzeugt wird; und d) die weitere Verwendung rechtmäßig ist, d.h. der Stoff oder Gegenstand erfüllt alle einschlägigen Produkt-, Umwelt- und Gesundheitsschutzanforderungen für die jeweilige Verwendung und führt insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen. Diese Voraussetzungen können – so der EuGH – mit Blick auf das von der Porr Bau ausgehobene Material erfüllt sein, was aber von dem vorlegenden Gericht abschließend zu prüfen sei.

Ausgehobenes Bodenmaterial kann seine Abfalleigenschaft bereits am Ort der Baustelle durch bloße Vorbereitung zur Wiederverwendung, insbesondere durch eine die Wiederverwendung ermöglichende Bestimmung seiner Qualität, verlieren (Ausbauzeitpunkt) – und nicht erst dann, wenn es andernorts tatsächlich zu Bauzwecken verwendet wird (Wiedereinbauzeitpunkt).

Zudem hat sich der EuGH zu den Voraussetzungen geäußert, unter denen das Aushubmaterial – soweit es doch nicht als Nebenprodukt, sondern als Abfall einzustufen sein sollte – seine Abfalleigenschaft wieder verliert. Das Ende der Abfalleigenschaft ist in Art. 6 Abs. 1 AbfRRL geregelt. Demnach sind Abfälle, die ein Recyclingverfahren oder ein anderes Verwertungsverfahren durchlaufen haben, nicht mehr als Abfälle zu betrachten, wenn der betreffende Stoff oder Gegenstand für bestimmte Zwecke verwendet werden soll; ein Markt für diesen Stoff oder Gegenstand oder eine Nachfrage danach besteht; der Stoff oder Gegenstand die technischen Anforderungen für die bestimmten Zwecke erfüllt und den bestehenden Rechtsvorschriften und Normen für Erzeugnisse genügt; und die Verwendung des Stoffs oder Gegenstands insgesamt nicht zu schädlichen Umwelt- oder Gesundheitsfolgen führt. Eine Prüfung, mit der die Qualität und die Präsenz von Schadstoffen oder Verunreinigungen in Bodenaushubmaterial ermittelt wird, könne – so der EuGH – als Verfahren der Prüfung eingestuft werden, das unter den Begriff Vorbereitung zur Wiederverwendung im Sinne von Art. 3 Nr. 16 AbfRRL fällt. Bei Abfällen, die einer solchen Vorbereitung zur Wiederverwendung unterzogen wurden, könne angenommen werden, dass sie ein Verwertungsverfahren im Sinne von Art. 6 Abs. 1 AbfRRL durchlaufen haben, wenn ihre Wiederverwendung keine weitere Vorbehandlung erfordert. Eine unmittelbare Verwendung des Aushubmaterials als Substitution – sprich: sein unmittelbarer Wiedereinbau – sei für das Abfallende nicht erforderlich.

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4. Abfalleigenschaft von Gegenständen bei ungeklärter Verwendung

VG Trier, Beschluss vom 14.10.2022 – 9 L 2823/22.TR

Im vorliegenden Eilverfahren hatte sich das VG Trier mit der Frage zu beschäftigen, ob die auf dem Grundstück des Antragstellers gelagerten Gegenstände, die er gemäß einer behördlich ergangenen Anordnung zu verwerten bzw. zu beseitigen hat, Abfälle nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG sind. Es handelte sich bei den gelagerten Gegenständen um gemischten Bauschutt aus Abbrucharbeiten (inklusive Ziegelsteinen, Kaltsandstein und einen Kaminstein), einen reparationsbedürftigen und verrosteten Frachtcontainer, Silo- bzw. Tankteile, einen Baukran, mehrere nicht mehr reparaturfähige Wohnwagen, einen teilweise rostigen, löchrigen und von Pflanzen eingewachsenen Toilettenwagen, mehrere Kanister und Behältnisse, behandeltes Holz und Bruchholz laminierter Möbelstücke und einen Kühlschrank.

Das Gericht bestätigte die von der Behörde angenommene Abfalleigenschaft der Gegenstände. Dabei stellte es vor allem auf den Wegfall der Zweckbestimmung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG ab, wobei es für die Fiktion des Entledigungswillens nicht allein auf den tatsächlichen subjektiven Willen des Besitzers ankomme. Sobald eine Sache für ihren angestammten Zweck aktuell nicht mehr verwendungsfähig sei, bleibe ihre ursprüngliche Zweckbestimmung nur dann erhalten, wenn etwa eine Reparatur konkret geplant sei und in absehbarer Zeit auch realisiert wird.

So sei Bauschutt, der bei Abrissarbeiten anfällt, als Abfall zu charakterisieren, da der (Haupt-)Zweck der Handlung auf Behandlung einer Sache (nämlich den Abriss) gerichtet sei, nicht aber auf den Anfall und die Verwertung der dadurch entstehenden beweglichen Sachen. Zwar trug der Antragsteller vor, die Steine später für diverse Bauvorhaben verwenden zu wollen. Jedoch benannte er nicht ein einziges konkretes Vorhaben. Dies wäre aber – so das Gericht – auch unerheblich, da eine spätere Verwendung der Steine für Bauvorhaben eine Maßnahme der Abfallverwertung darstellen würde.

Gleiches gelte für die von dem Antragsteller vorgetragene Absicht, die Silo- bzw. Tankteile kleinzuschneiden und den Baukran zu demontieren und dann alles an einen Schrotthändler zu verkaufen. Das Gericht stellte insoweit fest, dass die ursprüngliche Zweckbestimmung entfallen sei. Für die Frage des Vorliegens einer neuen Zweckbestimmung bzw. eines neuen Verwendungszwecks sei – auch bei Sachgesamtheiten oder komplexeren Gegenständen – auf den Gegenstand als solchen und nicht auf seine individuellen Bauteile abzustellen. Eine (geplante) Demontage bzw. ein (geplantes) Ausschlachten der Gegenstände manifestiere den Entledigungswillen. Auch stelle die Demontage bzw. das Ausschlachten eine Abfallbehandlung im Sinne eines mechanischen Verfahrens zur besseren Handhabbarkeit bzw. erleichterten Verwertung von Abfällen dar. Dasselbe gelte für die Wohnwagen, deren Achsen der Antragsteller zum Bau eines transportablen Hochsitzes verwenden wollte.

Auch der den Gegenständen innenwohnende (Schrott)Wert lasse die Abfalleigenschaft nicht entfallen. Abgestellt werden könne alleine auf die Entledigung, den Entledigungswillen oder die Entledigungspflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 KrWG. Die bloße Absicht, einen Stoff oder Gegenstand gewinnbringend zu veräußern, stelle keine zulässige (neue) Zweckbestimmung dar.

Mit Blick auf den rostigen Frachtcontainer, den maroden Wohnwagen und den Toilettenwagens sah das Gericht schon keine tatsächliche Reparaturabsicht des Antragstellers, sodass auch hier die Fiktion des Entledigungswillens zur Bejahung der Abfalleigenschaft führte. Gleiches gelte für die Kanister, Behältnisse und das Holz, da diese Gegenstände vollkommen ungeordnet und ungeschützt auf unbestimmte Zeit gelagert würden.

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5. Kein Abfallende von Bauschutt durch bloße Vorsortierung, wenn die Materialien noch gebrochen werden sollen

Bayerischer VGH, Beschluss vom 29.6.2022 – 22 ZB 21.1817

In diesem Verfahren hatte das beklagte Landratsamt die Stilllegung einer Anlage zur zeitweiligen Lagerung von Abfällen, die Vorlage eines Entsorgungskonzepts sowie die Stilllegung einer Anlage zum Brechen von Natursteinen und mineralischen Abfällen verfügt. Es bestünden zwar verschiedene Baugenehmigungen. Das Zwischenlagern von Bauschutt/Abfall sowie der Betrieb einer Abfallbehandlung bzw. eines Brechers seien hiervon aber nicht umfasst.

Die Klägerin war der Auffassung, dass es sich bei den von ihr gelagerten und behandelten Stoffen nicht um Abfälle handele. Der Bauschutt werde nach dem Abbruch auf den Baustellen vorsortiert und verliere bereits dadurch seine Abfalleigenschaft. Sie übernehme sodann keinen Abfall, sondern ein Wirtschaftsgut.

Die Aussage des Gerichts, dass erst das Brechen des Bauschutts ein Verwertungsverfahren nach § 5 Abs. 1 KrWG darstelle, ist nur dann zutreffend, wenn der gebrochene Bauschutt Primärrohstoffe substituiert.

Diese Auffassung hat der Bayerische VGH zurückgewiesen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG komme es auf die Entledigung, den Entledigungswillen oder die Entledigungspflicht aus Sicht des Bauherrn und nicht auf den wirtschaftlichen Wert der Materialien oder die Verwendungsabsicht der Klägerin an. In einer Vorsortierung von Bauschutt auf einer Baustelle könne auch nicht bereits ein Verwertungsverfahren nach § 5 Abs. 1 KrWG gesehen werden, das geeignet sei, die Abfalleigenschaft zu beenden. Der Beendigung der Abfalleigenschaft allein durch die Vorsortierung stehe dabei insbesondere entgegen, dass die Klägerin den gewonnenen Bauschutt jedenfalls in der Regel wohl mit ihrer Brecheranlage bearbeitet, um ihn weiterveräußern zu können; erst darin läge dann die Verwertung.

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6. Abfallende von Betonbruch und sonstigen mineralischen Abfällen

VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 20.3.2023 – 8 L 1438/22

In einem Eilverfahren vor dem VG Gelsenkirchen ging es um eine gegen den Eigentümer eines Grundstücks ergangene und auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) gestützte Beseitigungs- und Stilllegungsanordnung der Immissionsschutzbehörde. Auf dem Grundstück lagerten ca. 5.850 t Bauschutt. Nach Auffassung der Behörde handelte es sich hierbei um Abfall, sodass es von dem Erfordernis einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 8.12.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV ausging, die jedoch nicht vorlag.

Das von dem Betreiber angerufene VG Gelsenkirchen hob die mit Blick auf die Beseitigungs- und Stilllegungsanordnung ergangene Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, da nach summarischer Prüfung von der Rechtswidrigkeit der Beseitigungs- und Stilllegungsanordnung auszugehen sei. Bei dem Bauschutt handele es sich entgegen der Auffassung der Behörde nicht um Abfall. Zwar sei der ursprüngliche Zweck des Materials entfallen und dieses daher zunächst als Abfall gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 KrWG einzustufen. Allerdings sei gemäß § 5 Abs. 1 KrWG die Abfalleigenschaft des Bauschutts wieder entfallen.

Die Entscheidung setzt eine langjährige Linie in der Rechtsprechung fort, wonach Abfälle ihre Abfalleigenschaft verlieren, wenn sie gemäß den Anforderungen der LAGA M 20 verwendet werden können und eine entsprechende Verwendung zu erwarten ist. Dabei geht das VG Gelsenkirchen sogar noch einen Schritt weiter und erachtet gewisse Abweichungen von den sich aus dem maßgeblichen Regelwerk ergebenden Anforderungen an die Probenahmen als unerheblich.

Der Bauschutt sei bereits vor der Lagerung zerkleinert worden und habe insofern ein Verwertungsverfahren durchlaufen und sei danach so beschaffen, dass er üblicherweise für bestimmte Zwecke verwendet werden kann und ein Markt für ihn oder eine Nachfrage nach ihm besteht. Es handele sich jedenfalls überwiegend um Betonbruch der Sieblinie 0/45 aus der Betonindustrie und damit um Bauschutt gemäß dem NRW-Runderlass über die Güteüberwachung von mineralischen Stoffen im Straßen- und Erdbau von 2001.

Es sei vorgesehen, die Materialien zur Errichtung eines Parkplatzes als Frost- und Tragschicht, als Polstermaterial unter Gründungskörpern und vornehmlich zur Sanierung des Grundstücks gemäß einem für verbindlich erklärten Sanierungsplan aus 2002 zu verwenden. Dass bislang keine Baugenehmigung zur Umsetzung des Sanierungsplans erteilt wurde und die Materialien jedenfalls seit Juli 2021 ungenutzt auf dem Grundstück lagern, ändere rechtlich nichts.

Es sei zudem davon auszugehen, dass die Verwendung des Bauschutts insgesamt nicht zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führen wird. Insoweit sei auf die konkrete Verwendung im Einzelfall abzustellen mit der Folge, dass es auf die Umweltauswirkungen des Endprodukts – hier der Verwendung des Materials im Zusammenhang mit der Sanierung des Geländes – ankomme. Zwar deckten die vorgelegten Analysen nicht das gesamte gelagerte Material ab, sodass dieses nicht in Gänze den Anforderungen etwa an den Eignungsnachweis und die (fortlaufende) Güteüberwachung gemäß dem Güteüberwachungs-Runderlass entsprechen mag. Den Analysen sei aber mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu entnehmen, dass die beprobten Materialien jedenfalls die Zuordnungswerte Z 1 bis Z 2 der LAGA M 20 einhalten. Soweit die den Analysen zugrunde liegenden Probenahmen möglicherweise nicht den Anforderungen der LAGA PN 98 entsprechen, änderte dies nichts an ihrem jedenfalls indiziellen Erkenntniswert im Rahmen der vorzunehmenden Prognose. Entscheidend für den hinreichend wahrscheinlichen Entfall der Abfalleigenschaft des Bauschutts sei der Umstand, dass es sich bei dem Gelände, auf dem die Stoffe gelagert werden, um ein in erheblichem Maße vorbelastetes Gelände handelt und dass gemäß dem Sanierungsplan Abfälle der Einbauklassen LAGA Z 1.2 bis Z 2 für die Sanierung verwendet werden können.

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7. KrWG-Abfallbesitzer und BImSchG-Anlagenbetreiber als Gesamtschuldner

VG Darmstadt, Beschluss vom 9.5.2022 – 6 L 2310/21

Das VG Darmstadt hatte in dem vorliegenden Fall im Rahmen des Eilrechtsschutzes zu entscheiden, ob eine abfallrechtliche Anordnung auf Beseitigung und Entsorgung von Fässern mit Altsalzen rechtmäßig ergangen ist. Die Altsalze waren bei der Behandlung von Metallen als Reststoffe angefallen, ohne dass der Zweck der Behandlung, nämlich die Härtung des Metalls, auf den Anfall gerichtet war. Die Behörde ordnete gegenüber dem Eigentümer des Grundstücks, auf welchem die Fässer mit Altsalzen lagerten, als Abfallbesitzer und auf der Grundlage des § 62 KrWG an, alle 342 gelagerten Fässer mit gefährlichen Abfällen vollständig zu räumen und einer ordnungsgemäßen Entsorgung in einer dafür zugelassenen Anlage zuzuführen. Gleichzeitig wurde jede weitere bzw. zusätzliche Annahme und Zwischenlagerung von Abfällen untersagt. Eine inhaltsgleiche Verfügung erging auch gegen den Insolvenzverwalter des metallbearbeitenden Unternehmens; dieser hatte nach der Insolvenz den Betrieb zunächst weitergeführt und dann das Anlagevermögen verkauft. Die Behörde nahm ihn sowohl nach § 20 Abs. 2 BImSchG als Anlagenbetreiber als auch nach § 62 KrWG als Abfallbesitzer in Anspruch.

Das VG Darmstadt bestätigte die Anordnung gegenüber dem Grundstückseigentümer. Bei den gelagerten Altsalzen handelte es sich um Abfälle im Sinne von § 3 Abs. 1 KrWG. Zudem waren die Altsalze ausschließlich als gefährliche Abfälle einzustufen und gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KrWG zu beseitigen. Der Grundstückseigentümer war auch Abfallbesitzer im Sinne der § 15 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 9 KrWG, da er die tatsächliche Sachherrschaft über die Abfälle innehatte.

Die Behörde kann gleichzeitig einen Abfallbesitzer (als abfallrechtlichen Störer) und einen Anlagenbetreiber (als immissionsschutzrechtlichen Störer) als Gesamtschuldner zur Beseitigung von Abfällen heranziehen, wenn insoweit eine Identität des Leistungsinteresses besteht. Es besteht kein Rangverhältnis zwischen den Vorschriften des BImSchG und des KrWG.

Die Rüge des Grundstückseigentümers, die Behörde habe ihn und den Insolvenzverwalter als Gesamtschuldner in Anspruch genommen und keine Störerauswahl getroffen, wies das Gericht zurück. Zwar habe eine Behörde bei der Anordnung nach § 62 KrWG Ermessen und insoweit auch eine Störerauswahl zu treffen, wenn abfallrechtlich mehrere Störer in Betracht kommen. In dem vorliegenden Fall sei jedoch nur der Grundstückseigentümer Abfallbesitzer. Der Insolvenzverwalter werde auf der Grundlage des BImSchG in Anspruch genommen. Der gegen ihn gerichtete Bescheid stütze sich zwar auch auf das KrWG, doch seine tatsächliche Sachherrschaft über die Fässer und damit seinen Abfallbesitz habe er durch Kündigung des Vertrages über die Anmietung der Fläche, auf dem die Fässer lagern, wieder verloren. Es sei weder ein Ausschlussverhältnis für Maßnahmen nach den Regelungen des BImSchG und des KrWG noch ein Rangverhältnis zwischen diesen zu erkennen, so dass es der Behörde freistehe, ob sie den Grundstückseigentümer neben dem Insolvenzverwalter in Anspruch nimmt oder nicht.

Darüber hinaus sei es auch nicht ermessensfehlerhaft, bei einer Identität des Leistungsinteresses mehrere Störer gesamtschuldnerisch in Anspruch zu nehmen. Vielmehr sei es sogar im Interesse der Beteiligten, wenn mehrere Pflichtige parallel herangezogen werden, da die mit erheblichen Kosten verbundenen Verpflichtungen auf diese Weise verteilt werden können. Die gleichzeitige Heranziehung wahre daher gerade den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Unter Beachtung des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr, der sowohl dem Immissionsschutzrecht als auch dem Abfallrecht als besonderem Ordnungsrecht immanent sei, sei die Behörde vorliegend auch nicht gehalten gewesen, sich auf die Heranziehung des Insolvenzverwalters zu beschränken. Vielmehr habe es der Behörde im Rahmen ihres Ermessens freigestanden, mehrere Pflichtige als Gesamtschuldner in Anspruch zu nehmen.

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8. Abfälle von bewohnten Protestcamps unterfallen Abfallüberlassungspflicht

OVG Sachsen, Beschluss vom 8.11.2022 – 5 B 195/22

Das OVG Sachsen hatte in diesem Eilrechtsschutzverfahren unter anderem über die Frage zu entschieden, ob es sich bei Abfällen, welche in Wohneinheiten eines Protestcamps anfallen, um Abfälle aus privaten Haushalten handelt. Laut Gericht unterfiel das streitgegenständliche Protestcamp „offensichtlich“ der Abfallüberlassungspflicht des § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG. Die von den Versammlungsteilnehmern errichteten baulichen Anlagen wiesen Schlafangelegenheiten, sanitäre Einrichtungen und Kochgelegenheiten auf, weshalb eine eigenständige Haushaltsführung möglich sei. Diese Anlagen würden außerdem von einem wechselnden Personenkreis als funktionales Äquivalent zur Nutzung ihrer Hauptwohnung genutzt. Die Voraussetzungen einer privaten Haushaltung sah das Gericht daher als gegeben an, womit die dort entstehenden Abfälle als Abfälle aus privaten Haushalten zu qualifizieren waren.

Nutzen und bewohnen Protestierende bauliche Anlagen in Protestcamps wie ihre privaten Haushalte, so unterfallen dort anfallende Abfälle der Abfallüberlassungspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG.

Festgestellt wurde durch das Gericht außerdem, dass es für die Erfüllung des Tatbestandes des § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG nicht darauf ankomme, ob mit dem Bewohnen des Protestcamps gleichzeitig Ziele der Meinungskundgabe im Rahmen einer Versammlung verfolgt werden. § 17 Abs. 1 Satz 1 KrWG beziehe sich vielmehr lediglich allgemein auf den Umgang mit Abfällen aus privaten Haushalten – und das unabhängig von einzelnen Grundrechten, welche im Rahmen der Haushaltsführung ausgeübt würden. Der Abfallüberlassungspflicht werde laut Gericht nicht genügt, wenn die Versammlungsteilnehmer die Abfälle an anderen Orten wie beispielsweise in ihren Hauptwohnungen entsorgen. Die Pflicht sei auf dem Grundstück zu erfüllen, auf dem die Abfälle anfallen, und zwar durch Duldung des Aufstellens von Entsorgungsbehältern und Nutzung dieser Behälter. Es sei auch kein milderes, gleich geeignetes Mittel zum Schutz von Mensch und Umwelt gegenüber den Gefahren einer nicht ordnungsgemäßen Beseitigung der Abfälle ersichtlich. Eine Anordnung, den Abfall in den Hauptwohnungen zu entsorgen, sei nicht erfolgversprechend, da die Teilnehmer des Camps durch Einrichtungen wie eine offene Kompostierung oder sonstige offene Speiseaufbewahrung bereits gezeigt hätten, dass sie dazu nicht bereit seien. Laut Gericht sei auch kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Grundgesetz (GG) anzunehmen. Die mit der Abfallüberlassung einhergehenden Kosten seien keine faktische Verhinderung der Versammlungsfreiheit, da es sich lediglich um geringe Gebührensätze handele.

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9. Zumutbarkeit des Transports eines Abfallbehälters zur Überlassung an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger

OVG Sachsen, Beschluss vom 26.7.2022 – 4 B 176/22

In einem Eilverfahren vor dem OVG Sachsen hatten sich die Antragsteller gegen eine Anordnung des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers gewehrt, den ihnen bereitgestellten Abfallcontainer zu einem Bereitstellungsplatz zu transportieren, um die Abfälle dort dem Entsorgungsträger zu überlassen.

Das Gericht entschied zunächst, dass landesrechtliche Regelungen, welche dem Entsorgungsträger die Möglichkeit einer entsprechenden Regelung durch Satzung einräumen, zulässig seien. Die Überlassungspflichten des § 17 KrWG dürften konkretisiert und spezielle Anforderungen an Ort, Zeit sowie Art und Weise der Überlassung gestellt werden, anknüpfend an die jeweiligen Verhältnisse vor Ort. Dabei werde dem Entsorgungsträger ein Organisationsermessen bezüglich des Entsorgungssystems eingeräumt, welches in den Grenzen der Verhältnismäßigkeit auch die Entscheidung über Hol- und Bringsysteme einschließe.

Nach der in diesem Verfahren einschlägigen Abfallwirtschaftssatzung muss der Abfall an der nächsten befahrbaren Straße bereitgestellt werden. Dabei sieht die Satzung vor, dass eine Straße jedenfalls dann nicht mehr befahrbar ist, wenn ihre lichte Durchfahrbreite weniger als 3,55 Meter beträgt. Zudem setzt die Befahrbarkeit nicht durchgängiger Straßen voraus, dass ein Wendeplatz von mindestens 20 Metern Durchmesser vorhanden ist. Gemessen daran sah das Gericht die Straße, an der die Antragsteller wohnen, als nicht befahrbar an, sodass sie den Abfall an der nächsten befahrbaren, von ihrer Haushaltung knapp 300 Meter entfernten Straße bereitstellen müssen.

Der Transport eines Abfallbehälters über wenige 100 Meter, um die Abholung durch den Entsorger zu ermöglichen, stellt keine Abfallbeförderung dar.

Das Verbringen des Abfalls zu dem Bereitstellungsplatz stelle entgegen der Ansicht der Vorinstanz keine verbotene Abfallbeförderung dar. Abfallbeförderer sei, so das Gericht unter Verweis auf § 2 Abs. 1 KrWG, nur derjenige, der Abfälle gewerbsmäßig befördert. Ein anderes Verständnis sei mit dem eingeräumten Organisationsermessen des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers, auch Bringsysteme regeln zu können, nicht vereinbar.

Überdies sei der Transport der Mülltonne zu dem Bereitstellungsplatz auch nicht unzumutbar. Zum einen sei dieser zusätzliche Aufwand, der durch die Lage des Grundstücks verursacht wird, unter Berücksichtigung einer angemessenen Lastenverteilung im Kreislaufwirtschaftssystem der Sphäre des Überlastungspflichtigen zuzurechnen. Zum anderen verursache das Rollen der Mülltonne keine unzumutbaren Anstrengungen, da die Straße befestigt sei. Alternativ zu der Mülltonne könnten sich die Antragsteller auch amtlich gekennzeichnete Abfallsäcke aushändigen lassen und diese dann mit dem Pkw zum Bereitstellungsplatz bringen.

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10. Entsorgungspflicht bei auf Feldweg abgestelltem Pkw ohne Kennzeichen

VG Potsdam, Beschluss vom 30.9.2022 – 14 L 811/21

In diesem Eilrechtsschutzverfahren wandte sich die Antragstellerin gegen Anordnung, welche ihr die Abholung und Verwertung eines auf einem Feldweg abgestellten Fahrzeuges auferlegte. Die Antragstellerin war die letzte Halterin des Pkw.

Das VG Potsdam stufte diese Anordnung als rechtswidrig ein, da es an einer Rechtsnorm fehle, auf deren Grundlage die Antragstellerin dazu verpflichtet werden könne. Im Bescheid stützte sich die zuständige Behörde auf § 15 Abs. 2 KrWG. Das Gericht merkte jedoch an, dass auf § 15 Abs. 2 KrWG lediglich eine Anordnung zur Beseitigung gestützt werden könne, welche gegenüber der hier angeordneten Verwertung subsidiär sei. Auch auf § 62 KrWG lasse sich der Beschied nicht stützen, da dieser der Behörde lediglich die Befugnis einräume, eine bestehende abfallrechtliche Pflicht zu konkretisieren und durchzusetzen. Eine solche Pflicht treffe die Antragstellerin laut Gericht aber nicht. Es sei vielmehr die Behörde selbst in ihrer Funktion als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger zur Verwertung verpflichtet, was sich aus § 20 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 KrWG ergebe. Der streitgegenständliche Pkw sei als Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 und 2 KrWG anzusehen, da die Antragstellerin sich seiner entledigt hatte. Dies geschah durch das Abstellen des Fahrzeugs auf einem Feldweg ohne amtliches Kennzeichen.

Die Pflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zur Entsorgung von Fahrzeugen nach § 20 Abs. 4 KrWG entfällt nicht dadurch, dass nach Ablauf der Monatsfrist der Halter ermittelt wird.

Auch die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4 KrWG erfülle das Kraftfahrzeug. Nach dieser Norm gilt die Entsorgungspflicht des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auch für Kraftfahrzeuge oder Anhänger ohne gültige amtliche Kennzeichen, wenn diese auf öffentlichen Flächen oder außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile abgestellt sind, keine Anhaltspunkte für deren Entwendung oder bestimmungsgemäße Nutzung bestehen sowie nicht innerhalb eines Monats nach einer am Fahrzeug angebrachten, deutlich sichtbaren Aufforderung entfernt worden sind. Die Entsorgungspflicht der Behörde sei auch nicht dadurch entfallen, dass die letzte Halterin – die Antragstellerin – nach Ablauf der Monatsfrist ermittelt werden konnte. Die Unkenntnis über den Pflichtigen gelte zwar als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 20 Abs. 4 KrWG. Diese Einschränkung könne jedoch nur für den Fall gelten, dass der Betroffene innerhalb der Monatsfrist bekannt wird. Ansonsten könne der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger sich seiner „Reserveverantwortung“ entziehen, indem er langwierige Ermittlungen zum Pflichtigen durchführe, so das Gericht. Dadurch würde die durch die Regelung gewollte Einschränkung des Verursacherprinzips ins Leere laufen.

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11. Vorrang des Abfallrechts gegenüber Bodenschutzrecht bei Deponiestilllegung

Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.4.2023 – 24 ZB 22.2208

Eine die Gerichte immer wieder beschäftigende Frage ist die Abgrenzung zwischen Abfallrecht und Bodenschutzrecht im Rahmen der Stilllegung einer Deponie.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) haben grundsätzlich die Vorschriften des KrWG über die Stilllegung von Deponien Vorrang gegenüber dem BBodSchG, soweit sie Einwirkungen auf den Boden regeln. § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG regelt die Stilllegung von Deponien und bestimmt, dass für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften des BBodSchG anzuwenden sind, wenn der Verdacht besteht, dass von einer endgültig stillgelegten Deponie nach § 40 Abs. 3 KrWG schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen.

Die Vorinstanz hatte ausgeführt, dass nach überwiegender Auffassung besagte Regelung als ein Rechtsfolgenverweis in das Bodenschutzrecht zu verstehen sei. Die Verweisung solle – so auch das BVerwG mit Urteil vom 7.11.2018 – jedenfalls bis zum Abschluss der Nachsorgephase lediglich den Handlungsspielraum der zuständigen Abfallbehörde erweitern und keinen Regimewechsel vom Abfall- zum Bodenschutzrecht bewirken. Erst mit der Beendigung der Nachsorge und einer auf Antrag ergehenden behördlichen Feststellungsentscheidung nach § 40 Abs. 5 KrWG werde das Regime des Abfallrechts beendet. Ab diesem Zeitpunkt unterstehe die Deponie auch im Rechtsgrund dem Bodenschutzrecht und beurteile sich die von der Bodenschutzbehörde zu treffende Störerauswahl nach § 4 Abs. 3 BBodSchG.

Vor 2001 konnte die Abfallbehörde das Ende der deponierechtlichen Nachsorgephase auch konkludent, z.B. in einem Aktenvermerk, und ohne Antrag des Deponiebetreibers feststellen.

Da aber erst 2001 eine Befugnis der Behörde zur förmlichen Feststellung der Stilllegung auf Antrag in § 36 Abs. 5 KrW-/AbfG, der Vorgängernorm des § 40 Abs. 5 KrWG, eingeführt wurde, könne bei Altfällen das Ende der Nachsorgephase auch konkludent und ohne Antrag festgestellt werden, z.B. durch Aktenvermerk. Erforderlich sei lediglich, dass die Behörde zum Ausdruck bringt, den (letzten) Betreiber aus der abfallrechtlichen Kontinuität seiner Verantwortlichkeit für die Deponie zu entlassen.

Diesen Ausführungen hat sich der Bayerische VGH vollumfänglich angeschlossen.

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12. Insolvenzverwalter als Deponiebetreiber

Bayerischer VGH, Beschluss vom 14.10.2022 – 12 B 21.2051

Der Bayerische VGH hatte zu entscheiden, ob ein Insolvenzverwalter deponierechtliche Nachsorgepflichten als Massenverbindlichkeiten im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) zu erfüllen hat.

Ein Insolvenzverwalter wird nur dann zum Deponiebetreiber, wenn er mindestens für einen kurzen Zeitraum den Deponiebetrieb aktiv weiterführt. Nur wenn er als Betreiber anzusehen ist, treffen ihn die Nachsorgepflichten des § 40 KrWG.

Rechtsgrundlage für die Pflicht zur Nachsorge nach Stilllegung einer Deponie ist § 40 Abs. 2 KrWG. Die Pflichten des § 40 KrWG treffen jedoch nach dessen Abs. 2 Satz 1 nur den (aktuellen oder letzten) Deponiebetreiber. Das Gericht stellte hierzu fest, dass ein Insolvenzverwalter nur dann Betreiber einer Deponie im Sinne von § 40 Abs. 1 und 2 KrWG sein könne, wenn er die Deponie auch tatsächlich betreibt. Dies sei jedoch nicht bereits automatisch mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall. Denn insbesondere machten die Erlangung der Sachherrschaft über die Deponie sowie die Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis allein den Insolvenzverwalter nicht zum Deponiebetreiber.

Um die Betreibereigenschaft zu bejahen, sei vielmehr ein aktives Weiterführen des Betriebes durch den Insolvenzverwalter – und sei es auch nur für eine kurze Zeit – zu verlangen. Ausschlaggebend und notwendig sei die tatsächliche Betriebsführung. Darunter sei (auch) im abfallrechtlichen Kontext regelmäßig ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung zu verstehen. Nur so könne den Insolvenzverwalter auch eine Verhaltensverantwortlichkeit treffen. Die Stellung als Betreiber der Anlage werde nur durch ein aktives betriebsgestaltendes Verhalten begründet, das darauf abzielt, die Anlage wirtschaftlich zu nutzen. Nicht ausreichend sei, dass der Insolvenzverwalter eine in der Stilllegungsphase übernommene Anlage nach Übernahme nicht umgehend stilllegt. Ebenso nehme er auch dann nicht die Betreiberstellung ein, wenn er die Anlage nach der bloßen Besitzergreifung infolge des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis sofort stilllegt. Gleiches gelte erst recht, wenn der Deponiebetrieb bereits vor Insolvenzeröffnung durch den vorherigen Betreiber und nunmehrigen Insolvenzschuldner eingestellt worden war.

Bereits fünf Monate vor dem Bayerischen VGH hatte das VG Darmstadt mit Beschluss vom 9.5.2022 entschieden, dass im Rahmen einer Anordnung nach § 20 Abs. 2 BImSchG der Insolvenzverwalter ein Abfalllager als Teil einer immissionsschutzrechtlichen Gesamtanlage weiterbetreibt, wenn er den Betrieb der Hauptanlage fortführt. Dies gelte auch, wenn und obwohl nach der Insolvenzeröffnung keine weiteren Abfälle eingelagert werden. Diese Ansicht wurde in der nächsten Instanz vom Hessischen VGH mit Beschluss vom 12.1.2023 bestätigt.

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13. Kommunale Verpackungssteuer

BVerwG, Urteil vom 24.5.2023 – 9 CN 1.22

Zur Erfüllung ihrer Aufgabe der Abfallvermeidung können sich Kommunen im Rahmen ihrer Abfallwirtschaftskonzepte (§ 21 KrWG) ordnungsrechtlicher, abgabenrechtlicher und ökonomischer Instrumente bedienen. Ein prominentes Beispiel ist die Erhebung einer kommunalen Verpackungssteuer als Verbrauchssteuer auf die Verwendung von Einwegverpackungen. Die Idee dabei ist, dass erhöhte Steuern und damit steigende Preise die Menge an verwendeten Einwegverpackungen verringern. Schon vor über 30 Jahren hat die Stadt Kassel einen solchen Versuch unternommen – damals allerdings erfolglos: Das BVerfG erklärte die 1991 in Kassel eingeführte kommunale Verpackungssteuer für verfassungswidrig, da die mit der Steuer unstreitig eintretende Lenkungswirkung einen Verstoß gegen das damals geltende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sowie gegen die damalige Verpackungsverordnung darstellte (Urteil vom 7.5.1998 – 2 BvR 1991/95 und 2 BvR 2004/95).

Seit Anfang 2022 erhebt nun die Stadt Tübingen eine für ihr Stadtgebiet geltende Verpackungssteuer. Die Steuer trifft Verkaufsstellen von Speisen und Getränken, die in Einwegverpackungen verpackt sind oder auf und mit Einweggeschirr und -besteck herausgegeben werden. Es werden Beträge von je 0,50 € für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 0,20 € für Einwegbesteck fällig. Irrelevant ist, ob die Produkte aus Kunststoff, Pappe oder Aluminium bestehen, denn die Steuer wird materialunabhängig erhoben. Maximal können 1,50 € „pro Einzelmahlzeit“ anfallen. Laut der Stadt Tübingen sind circa 440 Betriebe betroffen, die in der Regel ihre Mehrkosten direkt an die Kundschaft weitergeben.

Angelehnt an die 1998 ergangene Entscheidung des BVerfG zur Kasseler Verpackungssteuer urteilte der VHG Baden-Württemberg Ende März 2022, dass die Tübinger Verpackungssteuer gegen das Abfallrecht des Bundes verstoße und Tübingen bereits die Kompetenz zur Erhebung der Steuer fehle (Urteil vom 29.3.2022 – 2 S 3814/20, siehe hierzu die Nr. 11 unseres Rechtsprechungsreports August 2022). Gegen die Steuer geklagt hatte die Betreiberin einer McDonald’s Filiale in Tübingen. In der Entscheidung ging der VGH davon aus, dass der Stadt Tübingen nicht die Kompetenz für die Einführung der Verpackungssteuer besäße, da es an der Örtlichkeit der Steuer fehle. Auch verstoße die Steuer gegen das auf Bundesebene geltende Abfallrecht, wobei der VGH nah an der Argumentation des Urteils des BVerfG aus den 1990er Jahren blieb.

Möglicherweise ändert sich die positive Beurteilung der Tübinger Verpackungssteuersatzung schon in naher Zukunft wieder, wenn das Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) des Bundes vollumfänglich in Kraft getreten ist. Denn dann wird zumindest für einige der von der Satzung erfassten Einwegkunststoffverpackungen eine bundeseinheitliche Abgabe erhoben.

Gegen die Entscheidung hatte die Stadt Tübingen Revision eingelegt, sodass der Fall vom BVerwG entschieden werden musste. Dieses hat die kommunale Verpackungssteuer nun für zulässig erklärt und darauf hingewiesen, dass sich das Abfallrecht seit der BVerfG-Entscheidung aus dem Jahr 1998 grundlegend geändert habe. Insbesondere entstehe durch die Lenkungssteuer kein Widerspruch zu abfallrechtlichen Regelungen auf EU- und Bundesebene, da alle – und eben auch die Verpackungssteuersatzung der Stadt Tübingen – dasselbe Ziel der Abfallvermeidung verfolgten. Auch die Tübinger Ziele der Verlagerung von Entsorgungskosten und der Schaffung von Anreizen für die Verwendung von Mehrwegalternativen seien EU- und bundesrechtlich verankert. Das BVerwG begründet die generelle Zulässigkeit der kommunalen Verpackungssteuer damit, dass die Verpackungen von Take-away-Gerichten typischerweise zumeist in dem Gemeindegebiet entsorgt würden, in dem die Nahrungsmittel auch erworben würden. Es handele sich insoweit entgegen der Ansicht der Vorinstanz um eine örtliche Steuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, die die Stadt Tübingen erheben dürfe.

Das BVerwG hat die Ausgestaltung der Satzung zur Verpackungssteuer lediglich in Bezug auf zwei Aspekte gerügt. Zum einen sei die in der Satzung verankerte Obergrenze der Besteuerung „pro Einzelmahlzeit“ zu unbestimmt. Durch diese Formulierung würden Personen, die für andere mitbestellten, gegenüber denjenigen bevorzugt, die tatsächlich nur eine „Einzelmahlzeit“ für sich alleine bestellten. Zum anderen hält das BVerwG eine weitere Regelung der Satzung für rechtswidrig, nach welcher den kommunalen Aufsichtsbehörden gestattet wird, die Verkaufsstellen jederzeit und ohne zeitliche Begrenzung zu betreten. Diese zwei Mängel änderten jedoch nichts – so das Gericht – an der Rechtmäßigkeit der Satzung im Übrigen.

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Dr. Henning Blatt
Rechtsanwalt | Partner

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