Rechtsprechungsreporte Abfallrecht

von

Rechtsprechungsreport Abfallrecht August 2022

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1. Anwendbarkeit des Abfallrechts auf Klärschlammtransporte

BVerwG, Urteil vom 23.6.2022 – 7 C 3.21

Das BVerwG befasste sich mit der Frage, ob der Transport von Klärschlämmen durch ein Saug- und Pumpfahrzeug von einer betrieblichen Abwasserbehandlungsanlage zu einer kommunalen Kläranlage dem Abfallrecht oder dem Wasserrecht unterfällt.

Die Entscheidung der Vorinstanz wurde im Schrifttum insbesondere deswegen kritisiert, weil sie die europarechtlichen Vorgaben gänzlich unbeachtet ließ (z.B. Blatt, AbfallR 2021, 212). Dieses Versäumnis war gerade in Anbetracht der umfassenden Überprägung des deutschen Abfallrechts durch das Europarecht völlig unverständlich.

Die Vorinstanz erachtete die Regelungen des Wasserrechts für anwendbar (vgl. unseren Rechtsprechungsreport Abfallrecht Januar 2022, Nr. 1). Die Anwendbarkeit des Abfallrechts werde durch § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG ausgeschlossen. Die betriebliche Abwasserbehandlungsanlage sei eine Abwasseranlage i.S. dieser Norm, und die Entnahme der Schlämme führe nicht zu einem Abschluss der Abwasserbeseitigung. Zudem stelle das Saug- und Pumpfahrzeug selbst eine Abwasseranlage i.S. dieser Norm dar – auch dann, wenn man für die Bestimmung des Begriffs der Abwasseranlage in § 2 Abs. 2 Nr. 9 KrWG allein auf die in § 54 Abs. 2 WHG enthaltene Definition des Begriffs „Abwasserbeseitigung“ abstellen wollte.

Diese Rechtsansicht wurde vom BVerwG unter Hinweis auf europarechtliche Vorgaben zurückgewiesen. Bei den Klärschlämmen handele es sich um Abwässer i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Buchst. a) der Abfallrahmenrichtlinie. Nach dieser Norm sind Abwässer aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie nur ausgeschlossen, soweit sie bereits von anderen gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften abgedeckt sind. Solche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften würden aber für den Transport von Klärschlamm auf der Straße nicht existieren. Es bleibe daher bei der Anwendbarkeit des Abfallrechts.

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2. Abfalleinstufung bei komplexen Gegenständen

Sächsisches OVG, Urteil vom 21.12.2021 – 4 A 887/19

Die Einstufung von komplexen Gegenständen als Abfall im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG war Gegenstand einer Entscheidung des Sächsischen OVG. Dort ging es um eine gegen eine Grundstückseigentümerin gerichtete Anordnung zur Entsorgung diverser, auf ihrem Grundstück gelagerter Gegenstände. Hierbei handelte es sich u.a. um „ca. 18 stark beschädigte Wohncontainer mit Resten der Dämmung und einer zerstörten Bitumen-Dacheindeckung“. Diese „Wohncontainer“ waren tatsächlich Modulrahmen („Grundgerüste“) für Container mit fest verbundenen, erheblich beschädigten Verkleidungselementen (Decken, Boden, Wände). Die Container bildeten ursprünglich ein im Baukastensystem zusammengesetztes Bürogebäude. Die Eigentümerin hatte zuvor bereits ca. 100 Grundgerüste verkauft; diese fanden nachfolgend eine Verwendung zum Bau von bspw. Gartenhäusern, Pferdeboxen und Carports.

Die gegen die Entsorgungsanordnung für die übrigen Grundgerüste gerichtete Klage wies das OVG ab. Nach seiner Auffassung sei ein Entledigungswille der Grundstückseigentümerin gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KrWG zu vermuten, sodass die Grundgerüste als Abfall einzustufen und zu entsorgen seien. Diese Norm bestimmt, dass der Wille zur Entledigung im Sinne des § 3 Abs. 1 KrWG hinsichtlich solcher Stoffe oder Gegenstände anzunehmen ist, deren ursprüngliche Zweckbestimmung entfällt oder aufgegeben wird, ohne dass ein neuer Verwendungszweck unmittelbar an deren Stelle tritt. Für die Beurteilung der Zweckbestimmung ist die Auffassung des Erzeugers oder Besitzers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zugrunde zu legen, § 3 Abs. 3 Satz 2 KrWG.

Das Gericht hat erkannt, dass eine Verwendung der Grundgerüste zu einem Ende der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs. 1 KrWG führen kann. Bei den streitgegenständlichen 18 Grundgerüsten war es hierzu im maßgeblichen Zeitpunkt aber noch nicht gekommen.

Hierbei sei auf die Sache als Gesamtheit und nicht auf ihre demontierbaren und gegebenenfalls funktionsfähigen Bestandteile oder Elemente abzustellen. Das OVG erläuterte, dass diese Betrachtungsweise aus der Funktion der Verkehrsanschauung als objektives Korrektiv folge. Eine Prüfung jedes einzelnen Bestandteils bei komplexen Gegenständen führe zu einem erheblichen Aufwand und stelle eine zeitintensive Vorgehensweise dar. Es bestünde dann während dieser Prüfung Rechtsunsicherheit bezüglich der Abfalleigenschaft der betroffenen Gegenstände. Diese Ungewissheit sei mit den Zielen des Abfallrechts unvereinbar, da sie Missbrauchsgefahren begründen und eine effektive Verwertung und Beseitigung von Abfällen vereiteln könne.

Im vorliegenden Fall bildeten die Grundgerüste eine feste Verbindung mit den Verkleidungselementen und seien folglich Bestandteile der Container. Die ursprüngliche Zweckbestimmung der Container, d.h. die Nutzung für einen geschützten Aufenthalt von Menschen für Büroarbeiten, sei aufgrund der Beschädigung der Verkleidungselemente entfallen. Es sei auch kein unmittelbar neuer Verwendungszweck der Container an die Stelle ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung getreten. Das „Ausschlachten“ der Container und das anschließende Nutzen der Bestandteile sei kein abfallrechtlich zulässiger Verwendungszweck. Vielmehr handele es sich dabei um ein Recycling i.S.d. § 3 Abs. 25 KrWG.

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3. Bestimmtheit einer Entsorgungsanordnung; Abfalleinstufung von Recycling-Baustoffen

VG Potsdam, Beschluss vom 23.6.2022 – VG 14 L 306/21

In einem Eilverfahren vor dem VG Potsdam stritten die Immissionsschutzbehörde und der Betreiber einer Annahmestelle für Boden, Gartenabfälle, Grünschnitt, Laub und Holz und einer Abgabestelle für Boden, Sand und Schüttgüter um die Rechtmäßigkeit einer Anordnung zur Entsorgung von auf dem Betriebsgrundstück lagernden Materialien. Die Behörde war der Auffassung, dass es sich bei diesen Materialien um Abfälle in einem Umfang von mehr als 100 t handelt, sodass das Lager eine Genehmigung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV und Nr. 8.12.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV benötige. Da diese Genehmigung nicht vorlag, erließ die Behörde auf der Grundlage von § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG eine für sofort vollziehbar erklärte Stilllegungs- und Beräumungsverfügung. Hiergegen erhob der Betreiber Widerspruch und begehrte vom Gericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.

Das Gericht gab dem Betreiber recht. Die Stilllegungs- und Beräumungsverfügung erweise sich voraussichtlich in dem Widerspruchsverfahren als rechtswidrig. So sei die Verfügung schon nicht hinreichend klar bestimmt. Da sich die Anlage aus diversen Haufwerken zusammensetze, wäre es erforderlich gewesen, den Standort der Haufwerke textlich zu beschreiben oder durch Beifügung eines entsprechenden Lageplans zum Bescheid erkennbar zu machen. Auch der Inhalt der Haufwerke sei nicht eindeutig bestimmt, sodass eine Identifikation des Regelungsinhalts der Verfügung auch nicht aufgrund der Aufzählung der Stoffe möglich sei. Das gelte ungeachtet der Tatsache, dass offenbar für den Betreiber Klarheit darüber bestehe, auf welche Haufwerke die Verfügung bezogen ist. Einer zwangsweisen Durchsetzung sei die Ordnungsverfügung unter diesen Umständen nämlich nicht zugänglich.

Das VG Potsdam geht davon aus, dass ein Recycling-Material kein Abfall mehr ist, sofern es die sich aus den einschlägigen Regelwerken (Technische Richtlinien; LAGA M 20) ergebenden Anforderungen an Aufbereitung und Herstellung des Materials erfüllt. Überträgt man diese Ansicht auf die ab dem 1.8.2023 geltende Ersatzbaustoffverordnung, so ist das Abfallende erreicht, sobald die Materialien den Herstellungsprozess in einer güteüberwachten Aufbereitungsanlage (§§ 4–13 EBV) durchlaufen haben.

Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 BImSchG voraussichtlich nicht vor. Die Einordnung der am Betriebsstandort lagernden Stoffe als Abfall begegne erheblichen Bedenken. Hierbei handele es sich größtenteils um Recycling-Baustoffe. Es obliege der Behörde, die Schädlichkeit der Verwendung der Recycling-Baustoffe – und damit das Nicht-Erreichen des Endes der Abfalleigenschaft gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG – im Rahmen einer Prognose darzulegen. Tatsächlich habe die Behörde aber lediglich nicht ausschließen können, dass die Verwendung der Materialien insgesamt zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt führe.

In der Sache erachtete das Gericht schädliche Auswirkungen einer Verwendung der streitbetroffenen Recycling-Baustoffe als nicht ersichtlich. Ausweislich der von dem Betreiber vorgelegten Unterlagen hatte er das Material bei einem Lieferanten bezogen, wo es zuvor von einem Ingenieurbüro beprobt worden war. Demnach handelte es sich um Material der Einbauklasse 1 gemäß den Brandenburgischen Technischen Richtlinien für Recycling-Baustoffe im Straßenbau bzw. um Z1.1-Material gemäß den Technischen Regeln der LAGA M 20. Da das Material dem Prüfbericht zufolge die Anforderungen an die Aufbereitung und Herstellung von Recycling-Baustoffen für den Einsatz im Tiefbau erfüllt, bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verwendung im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 4 KrWG insgesamt zu schädlichen Auswirkungen auf Mensch oder Umwelt führt.

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4. Abfallbegriff in der Laiensphäre

BGH, Urteil vom 7.4.2022 – I ZR 212/20

Gegenstand des Verfahrens zwischen der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V. als Klägerin und einem Paket- und Expressdienstleister als Beklagte waren von der Beklagten verwendete AGB. Der BGH setzte sich unter anderem mit der Frage der Wirksamkeit einer AGB-Klausel auseinander, welche einen Beförderungsausschluss für „Abfälle i.S.d. KrWG“ ohne weitere Erläuterung enthielt.

Der BGH führt aus, dass zwar ein Verweis auf andere Rechtsnormen grundsätzlich in AGB nicht unüblich sei und aufgrund dessen nicht unmittelbar auf eine Unwirksamkeit der Klausel geschlossen werden dürfe. Hier führe der Verweis in das Kreislaufwirtschaftsgesetz allerdings dazu, dass mehr verschleiert als offengelegt werde und der Kunde daher in der Wahrnehmung seiner Rechte eingeschränkt werde. Die verwendete Klausel sei intransparent und gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.

Der BGH teilt nicht mit, wie eine gegenüber Verbrauchern rechtssichere Übernahme des abfallrechtlichen Abfallbegriffs in die AGB hätte erfolgen können. Eine schlichte Wiedergabe der Begriffsbestimmungen in § 3 Abs. 1 bis 4 KrWG dürfte für den rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Verbraucher ebenfalls undurchsichtig sein. Die Gestaltung entsprechender AGB bleibt damit eine Herausforderung.

Grund für diese Annahme sei bereits die Verwendung der Abkürzung „KrWG“. Diese sei für einen rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Verbraucher nicht verständlich. Zudem werde pauschal auf das gesamte Gesetz verwiesen und nicht auf die einschlägige Begriffsbestimmungsnorm des § 3 Abs. 1 KrWG. Das Gesetz enthalte 72 Vorschriften und mehrere Anlagen, weshalb dieser Verweis unzureichend sei.

Der BGH stellte darüber hinaus fest, dass auch ein konkreter Verweis auf § 3 Abs. 1 KrWG nicht ausreichend gewesen wäre, um die Unwirksamkeit der Klausel zu vermeiden. Die Verwendung des Wortes „Abfall“ genüge dem Transparenzgebot ebenfalls nicht. Laut Duden verstehe man in der Alltagssprache unter Abfall den „Rest, der bei der Zubereitung oder Herstellung von etwas entsteht“ oder auch den „unbrauchbaren Überrest“. Hiervon habe sich der abfallrechtliche Begriff des Abfalls deutlich entfernt. Insbesondere erfasse das KrWG nicht nur unbrauchbare Überreste, sondern eben auch solche Stoffe und Gegenstände, die einer (Wieder-)Verwertung und einer erneuten Ingebrauchnahme zugänglich sind.

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5. Heranziehung des Abfallbesitzers für die Abfallentsorgung

BVerwG, Beschluss vom 28.4.2022 – 7 B 17.21

Die Klägerin ist die Eigentümerin eines Grundstücks und wendet sich gegen eine abfallrechtliche Anordnung des Beklagten. Sie hatte das Grundstück an eine GmbH verpachtet, die auf dem Grundstück eine Anlage zur Behandlung nichtgefährlicher Abfälle zum Zwecke der Herstellung von Ersatzbrennstoffen betrieb. Die GmbH wurde insolvent. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte der Insolvenz­verwalter den Betrieb nicht fort, zeigte die Stilllegung der Anlage an und gab die auf dem Grundstück lagernden Abfälle aus der Insolvenzmasse frei. Die Abfallbehörde gab daraufhin der Eigentümerin mit einem Bescheid auf, die auf dem ehemaligen Betriebsgrundstück der insolventen GmbH lagernden Abfälle zu beräumen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Der hiergegen erhobene Widerspruch der Klägerin, wonach die Abfallbehörde Mitarbeiter der GmbH als weitere Abfallbesitzer und somit abfallrechtlich Entsorgungspflichtige hätte in Betracht ziehen müssen, blieb ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht gab der Klage statt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung der Abfallbehörde wies das OVG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 9.6.2021 die Klage ab (vgl. unseren Rechtsprechungsreport Abfallrecht Januar 2022, Nr. 6). Die Abfallbehörde sei nicht verpflichtet gewesen, den Geschäftsführer, den Betriebsleiter bzw. den Abfallbeauftragten der Insolvenzschuldnerin als Störer in Betracht zu ziehen. Die Beschwerde der Grundstückseigentümerin gegen die Nichtzulassung der Revision zum BVerwG durch das OVG Berlin-Brandenburg wies das BVerwG nun zurück.

In seiner Begründung äußerte sich das BVerwG zum Begriff des Abfallbesitzers nach § 3 Abs. 9 KrWG als Entsorgungspflichtiger. Besitzer von Abfällen ist danach jede natürliche oder juristische Person, die die tatsächliche Sachherrschaft über Abfälle hat. Im maßgeblichen Zeitpunkt der (letzten) Behördenentscheidung hatten Mitarbeiter der GmbH jedoch keine solche Sachherrschaft über die auf dem Grundstück vorhandenen Abfälle. Denn die GmbH, für die sie tätig waren, befand sich in diesem Zeitpunkt bereits in Insolvenz, und der Insolvenzverwalter führte den Betrieb nicht fort, sondern zeigte die Stilllegung der Anlage an.

Die Frage, ob die Mitarbeiter der GmbH vor deren Insolvenz Besitzer waren (das OVG Berlin-Brandenburg verneinte diese Frage), ließ das BVerwG offen. Denn die Voraussetzungen für die Heranziehung eines früheren Abfallbesitzers nach § 22 Satz 2 KrWG lagen nicht vor. Danach bleibt die Verantwortlichkeit des bisherigen Abfallbesitzers bis zum endgültigen und ordnungsgemäßen Abschluss der Entsorgung bestehen, wenn er einen Dritten mit der Erfüllung seiner Beseitigungspflichten beauftragt. In dem zu entscheidenden Fall hatten aber die Mitarbeiter der GmbH keinen Dritten mit der Entsorgung der auf dem Grundstück lagernden Abfälle beauftragt: Es gab insoweit keinen zivilrechtlichen Vertrag, durch den ein Dritter als Auftragnehmer des Entsorgungspflichtigen (hier: die Mitarbeiter der GmbH) mit der Abfallentsorgung beauftragt worden wäre.

Die von der Klägerin als grundsätzlich aufgeworfene Frage, wer bei juristischen Personen Abfallbesitzer ist, beantwortete das BVerwG ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens: Der öffentlich-rechtliche Besitzbegriff des Abfallrechts setze zwar die tatsächliche Sachherrschaft voraus, kenne aber – ebenso wie der zivilrechtliche Besitzbegriff des § 854 Abs. 1 BGB – die Rechtsfigur des sog. Organbesitzes. Danach ist im Verhältnis zwischen einer juristischen Person und der für sie handelnden natürlichen Personen allein die juristische Person Besitzerin. Ein Eigenbesitz der natürlichen Personen wird dadurch ausgeschlossen.

Abschließend weist das BVerwG darauf hin, dass dies (nur) in denjenigen Fällen gilt, in denen es vorrangig um das Gebot der umweltgerechten Entsorgung von Abfällen nach dem KrWG geht. Geht es hingegen um die Abwehr konkreter Gefahren, würden sich Maßnahmen und Verantwortlichkeiten nach dem Ordnungsrecht der Länder richten. Danach könne auch eine Person, die keinen Besitz am Abfall hat, in die Position eines Abfallbesitzers und die damit verbundene Pflichtenstellung hineingezwungen werden.

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6. Veröffentlichung von Umweltinspektionsberichten

VG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2021 – 3 L 396/21

Das VG Düsseldorf untersagte einer Bezirksregierung in diesem vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Veröffentlichung eines Umweltinspektionsberichts auf ihrer Homepage. Die Antragstellerin machte einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch erfolgreich glaubhaft. Grund dafür sei die mangelnde Richtigkeit und Unmissverständlichkeit des Umweltinspektionsberichts hinsichtlich der darin aufgenommenen Mangelbeanstandungen.

Das VG weist darauf hin, dass durch den Beschluss zusammenhanglos gewordene Passagen des Umweltinspektionsberichtes nicht alleinstehend veröffentlicht werden dürfen, da diese ebenfalls nicht den Anforderungen an eine verständliche Darstellung erfüllen. Auch die Veröffentlichung eines teilweise geschwärzten Berichts sei unzulässig, da dieser ebenfalls nicht hinreichend klar sei und zu Spekulationen führen könne. Insgesamt könne eine Teilveröffentlichung eines Umweltinspektionsberichts kein realitätsgerechtes Bild von der immissionsschutzrechtlichen Rechtmäßigkeit eines Anlagenbetriebs vermitteln.

Gemäß § 52a Abs. 5 Satz 3 BImSchG ist der Umweltinspektionsbericht der Öffentlichkeit nach der Vor-Ort-Besichtigung nach den Vorschriften über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Die Veröffentlichung des Umweltinspektionsberichts stelle einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und in die Berufsfreiheit der Anlagenbetreiber aus Art. 12 Abs. 1 GG dar. Dieser Eingriff könne verfassungsrechtlich nur gerechtfertigt sein, wenn die Behörde ihre Aufklärungs-, Auskunfts-, Löschungs- und Ergänzungspflichten erfüllt. Zudem müsse der Bericht der Richtigkeitsgewähr gerecht werden, welche aus dem Rechtsstaatsprinzip folge. Voraussetzung sei daher u.a. die Richtigkeit der in dem Bericht enthaltenen wettbewerbsrelevanten Informationen. Die Behörde müsse außerdem vor Veröffentlichung die Richtigkeit der enthaltenen Informationen überprüfen und diesbezügliche Zweifel kenntlich machen. Folglich habe die Behörde die Pflicht, Beanstandungen dergestalt zu dokumentieren, dass der Betreiber diese selbst im Rahmen seiner Beteiligung nach § 52a Abs. 5 Satz 2 BImSchG nachprüfen kann.

Vor diesem Hintergrund erachtete das VG Düsseldorf u.a. folgende Formulierung im Umweltinspektionsbericht als unzulässig: „Der Output der Konditionierungsanlage darf gemäß Genehmigungsbescheid […] nur auf Deponien gebracht werden; ca. 105.000 t von insgesamt ca. 107.000 t der behandelten Abfälle wurde in 2019 nicht auf Deponien gebracht.” Es sei zwar zutreffend, dass lediglich 2.000 t auf Deponien verbracht wurden. Dies sei auch ein Mangel, da die Genehmigung eine Abgabe des Materials an Deponien als Deponiebaustoff erfordere. Die Aussage stelle jedoch keine für die Öffentlichkeit hinreichend verständliche Formulierung dar, da die Wortwahl zu Missverständnissen und Fehlvorstellungen führen könne. Die Antragstellerin vertreibe das konditionierte Material als Deponiebaustoff und verbringe dieses nicht als Abfall zur Beseitigung auf Deponien. Die im Umweltinspektionsbericht gewählte Formulierung führe allerdings bei Laien zu der Annahme, dass das von der Antragstellerin konditionierte Material sich nicht als Deponiebaustoff eigne, sondern auf Deponien als Abfall beseitigt werde. Damit seien die Anforderungen an die hinreichende Verständlichkeit nicht eingehalten und dürfe die Beanstandung nicht veröffentlicht werden.

Das Gericht erachtete zudem die folgende Aussage des Umweltinspektionsberichts als unzulässig: „Eine betriebsinterne Dokumentation darüber, dass die Kriterien des § 5 Abs. 1 KrWG geprüft wurden, bevor ehemals Abfälle als Produkt abgegeben wurden, konnte nicht vorgelegt werden; es ist nicht ersichtlich, ob die als Produkte abgegebenen Stoffe die in § 5 Abs. 1 KrWG beschriebenen Voraussetzungen erfüllen. Das Register für nicht nachweispflichtige Abfälle ist deshalb nicht vollständig (§ 24 (5) NachwV).“ Aus dem Umstand, dass die Antragstellerin den Entfall der Abfalleigenschaft nicht durch Vorlage der Dokumentation einer erneuten Prüfung des Materials belegen konnte, lasse sich nicht schließen, dass die Abfalleigenschaft der Stoffe tatsächlich fortbestand. Mithin sei die von der Bezirksregierung gezogene Schlussfolgerung der mangelnden Vollständigkeit des Registers unzulässig.

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7. Aufstellung einer Gewerbeabfalltonne

VG Dresden, Urteil vom 3.3.2022 – 3 K 2219/18

Die Gewerbeabfallverordnung regelt in ihrem § 7 Abs. 1, dass Erzeuger und Besitzer von gewerblichen Siedlungsabfällen, die nicht verwertet werden, diese dem zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG zu überlassen haben. Hierfür haben sie Abfallbehälter des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu nutzen, § 7 Abs. 2 GewAbfV.

In einem Verfahren vor dem VG Dresden verteidigte die Abfallbehörde ihre gegen den Betreiber eines Senioren- und Pflegeheimes ergangene Anordnung, die Aufstellung einer Restmülltonne des zuständigen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers zu dulden. Das Gericht wies die gegen die Anordnung erhobene Klage des Heimbetreibers ab.

Bei den von dem Heimbetreiber erzeugten Abfällen handele es sich um gewerbliche Siedlungsabfälle i.S.v. § 2 Nr. 1 Buchst. a) sowie b) GewAbfV, d.h. um Siedlungsabfälle aus anderen Herkunftsbereichen als privaten Haushaltungen, die aufgeführt sind in Kapitel 20 der Anlage der Abfallverzeichnis-Verordnung, sowie um weitere nicht in Kapitel 20 der Anlage der Abfallverzeichnis-Verordnung aufgeführte gewerbliche und industrielle Abfälle, die nach Art, Zusammensetzung, Schadstoffgehalt und Reaktionsverhalten Abfällen aus privaten Haushaltungen vergleichbar sind. Diese Abfälle werden einerseits dem Abfallschlüssel 18 01 04 AVV – „Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden (z.B. Wund- und Gipsverbände, Wäsche, Einwegkleidung, Windeln)“ und andererseits dem Abfallschlüssel 20 03 01 AVV – „gemischte Siedlungsabfälle“ zugeordnet.

Um der Pflicht zur Überlassung von gewerblichen Siedlungsabfällen an den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu entgehen, genügt nicht die bloße Erklärung, es erfolge in vollem Umfang eine stoffliche oder energetische Verwertung der Abfälle. Eine solche Erklärung ist zu inhaltsarm und deshalb unzureichend. Es muss spätestens im Zeitpunkt der Überlassung des Abfalls an ein privates Entsorgungsunternehmen ein bestimmter Weg zur Verwertung hinreichend konkret sichergestellt sein.

Allerdings erachtete es das Gericht lediglich mit Blick auf die Abfälle mit dem Abfallschlüssel 18 01 04 AVV als erwiesen, dass diese Abfälle (energetisch) verwertet werden. Hierzu hatte es den Geschäftsführer der beauftragten Entsorgungsfirma angehört. Dieser hatte erläutert, dass die Abfälle mit dem Abfallschlüssel 18 01 04 AVV bei dem Heimbetreiber eingesammelt und letztlich in einer Verbrennungsanlage verbrannt würden.

Mit Blick auf die Abfälle mit dem Abfallschlüssel 20 03 01 AVV hingegen sei ein solcher Nachweis nicht gelungen. Der Geschäftsführer der Entsorgungsfirma habe angegeben, dass eine Durchsicht des angelieferten Materials im Hinblick auf seine „Sortierfähigkeit“ erfolge. Im Ergebnis werde das Material dann entweder ebenfalls der Verbrennungsanlage zugeführt oder auf entsprechende Sortieranlagen verteilt. Wie dort mit anfallendem Abfall zur Verwertung oder zur Beseitigung verfahren werde, sei ihm nicht bekannt. Folglich bliebe es – so das Gericht – insoweit bei der in § 7 Abs. 2 GewAbfV enthaltenen gesetzlichen Vermutung, dass bei jedem Erzeuger und Besitzer gewerblicher Siedlungsabfälle auch bei sorgfältiger Abfalltrennung nicht nur Abfälle zur Verwertung, sondern zwangsläufig auch Abfälle zur Beseitigung anfallen. Zwar könne diese Vermutung im Einzelfall widerlegt werden durch den Nachweis, dass bei einem Erzeuger oder Besitzer keine Beseitigungsabfälle anfallen. Diese Vermutung sei aber vorliegend nicht nur nicht widerlegt, sondern sogar bestätigt worden.

Den damit bei dem Heimbetreiber anfallenden Abfall zur Beseitigung habe der Heimbetreiber folglich dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen und hierfür einen von dem Entsorgungsträger ihm bereitgestellten Abfallbehälter zu nutzen.

8. Rechtsschutz gegen die Erweiterung einer Deponie

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.12.2021 – 20 B 1690/21

Der Betreiber eines Kalkstein-Tagebaus (Steinbruch „Grube Osterholz“) verfügte über eine Plangenehmigung für eine als Deponie zugelassene Abraumhalde (Halde Oetelshofen in Wuppertal und Haan). Er stellte einen Planfeststellungsantrag für die Erweiterung dieser Abraumhalde um eine zusätzliche Deponiefläche von knapp 7 ha mit ca. 2,2 Mio. m3 Ablagerungsvolumen einschließlich Rodung einer Teilfläche des Waldgebietes Osterholz. Den daraufhin erteilten Planfeststellungsbeschluss, mit dem die Deponieerweiterung zugelassen wurde, erklärte die Abfallbehörde für sofort vollziehbar. Der Eigentümer eines Grundstücks in der Nähe der Halde klagte gegen den Planfeststellungsbeschluss und beantragte im Eilverfahren, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen. In der 1. Instanz lehnte das VG Düsseldorf den Antrag ab, die dagegen eingelegte Beschwerde des Nachbarn wies das OVG NRW mit den folgenden tragenden Gründen zurück:

Das OVG NRW bestätigt seine langjährige Rechtsprechung, dass sich Individualkläger, die nicht enteignend betroffen sind, nicht auf objektive Rechtsverstöße berufen können, sondern auf die Darlegung der Verletzung eigener Rechte angewiesen sind. Der Einwand von Klägern gegen Vorhabenzulassungen, das Vorhaben sei mit den Erfordernissen des Klimaschutzes nicht vereinbar, wird künftig wohl zu einem neuen „Standard“ werden. Umso wichtiger ist es für Vorhabenträger, im Verfahren der Vorhabenzulassung darzulegen, dass sich das Vorhaben nicht nachteilig auf das Klima auswirkt – und darauf zu achten, dass die Vorhabenzulassung insofern gut begründet ist.

Da der Nachbar nicht enteignungsrechtlich betroffen sei, habe er keinen Anspruch auf vollumfängliche gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses, sondern nur in Bezug auf seine eigenen Rechte und Belange und die seinen Belangen gegenübergestellten für das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange und gleichgerichteten Belange des Tagebaubetreibers. Der Nachbar könne daher nicht eine Verletzung von Natur- und Artenschutzrecht, des Bundeswaldgesetzes, von Forstrecht, von Planungsrecht, des UVPG und des Klimaschutzgesetzes (KSG) geltend machen. Das sei mit EU-Recht, Art. 9 der Aarhus-Konvention und Art. 47 der Grundrechte-Charta vereinbar, die alle nicht verlangen, dass Individualkläger Verstöße gegen Umweltrecht unabhängig von einer Verletzung eigener Rechte geltend machen können.

Angesichts der bestandskräftigen Zulassung für den weiteren Kalkstein-Abbau, bei dem unweigerlich weiteres ablagerungsbedürftiges Abraum-Material anfällt, sei der Einwand des Nachbarn, es fehle am erforderlichen Bedarf für die Deponieerweiterung, unplausibel. Der Nachbar habe nicht substantiiert darlegen können, dass der Kalkstein-Abbau tatsächlich nicht fortgeführt werde.

Mit Blick auf die zugelassene Rodung der Waldfläche könne sich der Nachbar nicht darauf berufen, das Vorhaben trage zum Klimawandel bei, weil seine eigenen Rechte insoweit nicht betroffen seien. § 4 Abs. 1 Satz 7 KSG 2019 und § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG 2021 regelten, dass Vorschriften des KSG keine subjektiven einklagbaren Rechte begründen. Die vom BVerfG in seinem Klimaschutz-Beschluss vom 24.3.2021 festgestellte Pflicht des Staates, das Leben und die körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) sowie das Eigentum (Art. 14 GG) vor den Folgen des Klimawandels zu schützen, richte sich an den Gesetzgeber, der ein geeignetes Schutzkonzept zu erstellen und umzusetzen hat. Zwar beinhalten die genannten Grundrechte auch einen Abwehranspruch gegenüber Beeinträchtigungen durch staatliche Maßnahmen, die zum Klimawandel beitragen. Die Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss zu den Umweltauswirkungen auf Luft und Klima und zu den Einwendungen bzgl. der Schutzgüter Flächen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft zeigten jedoch, dass sich das Vorhaben weder auf das Regional- bzw. Kleinklima noch auf das globale Klima auswirke. Der mögliche Beitrag des Vorhabens zum Ausstoß von Treibhausgasen sei so gering, dass dieser Aspekt hinter anderen Belangen zurücktreten könne. Daher seien insoweit nachteilige Auswirkungen des Vorhabens auf die Grundrechte des Nachbarn auszuschließen.

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9. Umstellung der Verpackungssammlung von Säcken auf Tonnen

VG Schleswig, Beschluss vom 1.11.2021 – 6 B 28/21

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren entschied das VG Schleswig über die Anordnung einer Abfallbehörde, mit der sie einem dualen System aufgegeben hatte, statt der bisherigen Sammlung der Verpackungsabfälle von den privaten Haushalten durch Müllsäcke nunmehr die Sammlung der Verpackungsabfälle mittels Müllgroßbehälter durchzuführen. Eine Sammlung der Verpackungsabfälle in Müllgroßbehältern sei – so die Abfallbehörde – zur Steigerung der Sammelmengen sowie aus Aspekten einer umweltverträglichen Abfallsammlung notwendig. Insbesondere würde eine Sammlung der Verpackungsabfälle in Müllgroßbehältern Abfall-Verwehungen sowie Tierverbisse verhindern und damit eine umweltverträgliche Abfallsammlung gewährleisten. Gegen diese für sofort vollziehbar erklärte Anordnung erhob das duale System Widerspruch und begehrte gerichtlichen Eilrechtsschutz. Nach Ansicht des dualen Systems ist eine Sammlung des Verpackungsabfalls in Müllgroßbehältern nicht notwendig. Außerdem seien die bei einer Befolgung der Anordnung für das duale System eintretenden finanziellen Belastungen nicht zumutbar.

Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Anordnung ist § 22 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VerpackG. Hiernach kann ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber den dualen Systemen die Art und Größe der Sammelbehälter für die Sammlung von Verpackungsabfällen festlegen. Voraussetzung ist jedoch, dass dies die Effektivität der Abfallsammlung sowie die Umweltverträglichkeit der Abfallsammlung steigert. Außerdem muss die Befolgung der Anordnung für die dualen Systeme technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar sein.

Es ist bemerkenswert, dass das VG Schleswig die Frage der Umweltverträglichkeit der Abfallsammlung i.S.v. § 22 Abs. 2 VerpackG auch anhand etwaiger CO2-Emissionen bewertet. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Bewertungskriterium in Rechtsprechung und Literatur Anerkennung finden wird.

Das VG Schleswig gab dem Antrag des dualen Systems statt und stellte die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Anordnung wieder her. Die Erfolgsaussichten eines Hauptsacheverfahrens seien als offen zu bewerten. So sei es zwar plausibel, dass es bei einer Sammlung der Verpackungsabfälle mittels Tonne aufgrund des erhöhten Entsorgungskomforts (durch leichteres Befüllen und fehlendes Zerreißen der Säcke gerade bei großen, sperrigen Verpackungen) zu einer Steigerung der Sammelmengen kommen wird. Ebenso überzeugend seien die Darlegungen zur Umweltverträglichkeit, nach denen mit der Einführung einer Sammlung mittels Tonnen die bisher bestehende Problematik im Hinblick auf Verwehungen, Tierverbiss und zerrissene Säcke deutlich reduziert werden könnte. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass eine Abholung der befüllten Müllgroßbehälter im Vergleich zu der Abholung von befüllten Müllsäcken zu längeren Fahrzeugeinsätzen und damit auch zu einer längeren Behinderung des übrigen Fahrzeugverkehrs führen würde. Eine Sammlung der Verpackungsabfälle in Müllgroßbehältern würde daher im Vergleich zu der Sammlung der Verpackungsabfälle in Müllsäcken zu einer Erhöhung der CO2-Emissionen führen. Aus diesem Grund stelle sich die Sammlung der Verpackungsabfälle in Müllgroßbehältern – so das Gericht – nicht per se als umweltverträglicher dar. Unabhängig davon würde eine Befolgung der Anordnung zu erheblichen finanziellen Belastungen für das duale System führen, die bei einem Obsiegen in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr reversibel wären. Dies gelte insbesondere für die Anschaffung von geeigneten Mülltonnen und Müllfahrzeugen durch das duale System.

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10. Sicherheitsleistungen dualer Systeme

OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.1.2022 – OVG 11 S 70/21

Verschiedene Rechtsfragen betreffend die Anordnung einer Sicherheitsleistung nach § 18 Abs. 4 VerpackG in seiner von 2017 bis 2021 gültigen Fassung waren Gegenstand eines Verfahrens vor dem OVG Berlin-Brandenburg. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde verlangen, dass ein duales System eine angemessene, insolvenzfeste Sicherheit für den Fall leistet, dass das System oder die von ihm beauftragten Dritten seine verpackungsrechtlichen Pflichten nicht, nicht vollständig oder nicht ordnungsgemäß erfüllen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern oder den zuständigen Behörden dadurch zusätzliche Kosten oder finanzielle Verluste entstehen.

Zum einen wertete das Gericht eine solche Anordnung nicht als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, sodass für dessen gerichtliche Überprüfung als maßgeblicher Zeitpunkt nicht auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, sondern auf den Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides abzustellen sei. Damit widersprach das Gericht einer Entscheidung des Bayerischen VGH aus 2020. Dieser war der Auffassung, dass die Festsetzung einer Sicherheitsleistung der regelmäßigen Überprüfung und gegebenenfalls Änderung durch die Festsetzungsbehörde bedürfe und damit einen Dauerverwaltungsakt darstelle. Das OVG hingegen sah in der Anordnung lediglich eine Forderung nach einer einmaligen Handlung. Werde die jeweilige Handlung vorgenommen, sei die Pflicht abschließend erfüllt.

Die Feststellung des OVG Berlin-Brandenburg, die Anordnung einer Sicherheitsleistung durch ein duales System gemäß § 18 Abs. 4 VerpackG sei kein Dauerverwaltungsakt, gilt nicht nur für die Norm in ihrer von 2017 bis 2021 gültigen Fassung, sondern auch für die Norm in ihrer aktuell geltenden Fassung.

Das OVG befasste sich zum anderen mit der Frage der Rechtmäßigkeit des § 18 Abs. 4 VerpackG in seiner von 2017 bis 2021 gültigen Fassung. Der Bayerische VGH hatte in der genannten Entscheidung aus 2020 erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift geäußert, da diese zu unbestimmt sei. Sie gab nämlich (im Gegensatz zur heutigen Fassung) nicht an, wann die Festsetzung einer Sicherheitsleistung angemessen war. Die Norm habe daher gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot und die Wesentlichkeitstheorie verstoßen.

Auch dieser Auffassung setzte sich das OVG entgegen. Die Ermächtigung zur Anordnung einer Sicherheitsleistung sei durch deren Bezug zu den Pflichten der Systeme bzw. ihrer Nichterfüllung und damit zu den der öffentlichen Hand möglicherweise entstehenden finanziellen Nachteilen inhaltlich begrenzt und hinreichend konkretisiert. Auch ergebe sich bei anderen vergleichbaren gesetzlichen Regelungen zu Anforderungen von Sicherheitsleistungen (bspw. § 18 Abs. 6 Satz 3, § 36 Abs. 3 KrWG, § 18 Abs. 1 und 4 DepV sowie § 12 Abs. 1 Satz 2, § 17 Abs. 4a Satz 1 BImSchG) die inhaltliche Reichweite der behördlichen Befugnisse aus dem Bezug zu dem jeweiligen Sicherungszweck, ohne dass diese Gesetze Zweifeln über die Verfassungsmäßigkeit unterlägen. Damit hat sich das OVG Berlin-Brandenburg inhaltlich zwei Entscheidungen des OVG Nordrhein-Westfalen und des VGH Baden-Württemberg aus 2021 angeschlossen.

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11. Kommunale Verpackungssteuer

VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 29.3.2022 – 2 S 3814/20

In einem Normenkontrollverfahren erklärte der VGH Baden-Württemberg die Satzung der Stadt Tübingen über die Erhebung einer Verpackungssteuer (Verpackungssteuersatzung) für unwirksam.

Die Antragstellerin ist Inhaberin eines Schnellrestaurants in Tübingen. Sie verkauft Speisen und Getränke sowohl für den Verzehr im Restaurant als auch zum Mitnehmen der Produkte und zum Verzehr außerhalb des Restaurants. Um eine Mitnahme der Speisen und Getränke zu ermöglichen, werden diese in Einwegverpackungen verpackt. Auf der Grundlage der Verpackungssteuersatzung erhebt die Stadt Tübingen u.a. auf Einwegverpackungen eine Steuer, sofern Speisen und Getränke in den Einwegverpackungen als mitnehmbare Gerichte oder Getränke verkauft werden. Der Steuersatz pro Einzelmahlzeit wird auf maximal 1,50 Euro begrenzt. Ziel der Verpackungssteuersatzung ist es, Einnahmen zum städtischen Haushalt zu generieren sowie die zunehmende Vermüllung des Stadtbilds durch im öffentlichen Raum entsorgte Einwegverpackungen zu verringern und einen Anreiz zur Verwendung von Mehrwegverpackungen zu setzen.

Der Antrag war erfolgreich. Nach Auffassung des VGH Baden-Württemberg handelt es sich bei der streitgegenständlichen Verpackungssteuer nicht um eine örtliche Verbrauchsteuer i.S.v. Art. 105 Abs. 2a GG i.V.m. § 9 Abs. 4 KAG. Die in den Einwegverpackungen für „Essen to Go“ enthaltenen Speisen und Getränke würden nicht zwingenderweise in Tübingen verzehrt. Die streitgegenständliche Verpackungssteuersatzung der Stadt Tübingen erfasse auch Einwegverpackungen für Speisen und Getränke, die typischerweise nicht nur innerorts, sondern gerade auch außerhalb von Tübingen verbraucht werden.

Darüber hinaus stehe die Verpackungssteuer in ihrer Ausgestaltung in Widerspruch zum Abfallrecht des Bundes. Sie verfolge neben dem Finanzierungszweck auch einen Lenkungszweck. Die Verwendung von Einwegverpackungen solle teurer werden, was wiederum zu einer verstärkten Verwendung von umweltfreundlicheren Mehrwegverpackungen führen solle. Die Stadt Tübingen sei aber nicht befugt, einen derartigen Lenkungszweck mittels einer Verpackungssteuer einzuführen. Insbesondere habe der Bundesgesetzgeber abschließend im VerpackG und KrWG darüber entschieden, mit welchen rechtlichen Instrumenten die Ziele der Abfallvermeidung und Abfallverwertung verwirklicht werden sollen. Insbesondere enthalte das VerpackG keine Ermächtigungsgrundlage der Gemeinden, mit denen diese berechtigt wären, zusätzliche steuerliche Belastungen für die gewerblichen Verwender von Einwegverpackungen einzuführen. Die Verpackungssteuer widerspreche zudem der Regelungskonzeption des VerpackG. Demnach sollen sich die gesetzlichen Verpflichtungen der verantwortlichen Wirtschaftsakteure im Kern auf eine Systembeteiligung und die damit verbundenen finanziellen Belastungen beschränken. Eine Belastung durch weitergehende Steuern sehe das VerpackG nicht vor. Auch die in § 6 Abs. 1 KrWG aufgestellte „Abfallhierarchie“, wonach der Vermeidung von Verpackungsabfällen erste Priorität zukommt, begründe keine Berechtigung der Gemeinden, die Ziele der Abfallvermeidung eigenständig durch die Erhebung von Steuern zu verfolgen.

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Dr. Henning Blatt
Rechtsanwalt | Partner

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