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Novelle des Klimaschutzgesetzes NRW Klimaschutz-Beschluss des BVerfG zum KSG NRW

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

am 21.12.2020 hat das Kabinett der nordrhein-westfälischen Landesregierung die Novellierung des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen (KSG NRW) in der Fassung von 2013 sowie den Erlass des – bundesweit ersten – Klimaanpassungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (KlAnG NRW) beschlossen.

Nach erster Lesung am 25.03.2021 wurden der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Novelle des KSG NRW sowie der Gesetzentwurf der Landesregierung für ein KlAnG an den federführenden Ausschuss für Wirtschaft, Energie und Landesplanung, an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen überwiesen. Nach der 2. Lesung am 01.07.2021 hat der nordrhein-westfälische Landtag den Gesetzentwurf zur Novelle des KSG NRW in der Fassung der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Landesplanung und unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen von CDU und FDP verabschiedet. Gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf weist der verabschiedete Gesetzestext bei den Klimaschutzzielen erhebliche Änderungen auf, mit denen der nordrhein-westfälische Gesetzgeber auf den Klimaschutz-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 reagiert hat – so wie es auch der Bundesgesetzgeber mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes vom 18. August 2021 in Bezug auf das KSG des Bundes getan hat. Die separate Behandlung der Klimaanpassung, die 2013 noch im KSG NRW a.F. mitgeregelt wurde, in einem eigenen Gesetz findet seinen Ursprung wohl auch darin, dass die fachliche Zuständigkeit der Klimaanpassung im Umweltministerium verblieben ist, während die Zuständigkeit für den Klimaschutz nach der NRW-Landtagswahl von 2017 zum Wirtschaftsministerium gewechselt ist.

Mit dem Gesetz zur Neufassung des Klimaschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen vom 8. Juli 2021 sind unter anderem Klimaschutzziele für die Jahre 2030 und 2040 in Form von bezifferten Treibhausgasemissionen-Reduktionszielen (2030: mind. -65 %; 2040: mind. -88 %) und die Treibhausgasneutralität als Klimaschutzziel für das 2045 festgelegt worden. Die Einzelheiten stellen wir Ihnen in unserer vorliegenden Mandanteninformation dar. Das Gesetz zur Novellierung des KSG NRW ist am Tag nach seiner Verkündung, also am 16. Juli 2021 in Kraft getreten.

Gegen das KSG NRW – wie auch gegen mehrere weitere Klimaschutzgesetze anderer Bundesländer – sind Verfassungsbeschwerden erhoben worden. Diese hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 18.01.2022 –    1 BvR 1669/21, 1 BvR 1936/21 u.a. – nicht zur Entscheidung angenommen. Aus diesem Anlass lohnt es sich, einen genaueren Blick auf das geänderte KSG NRW, seine neuen Regelungen, sein Verhältnis zum KSG des Bundes und den Beschuss des BVerfG zu werfen.

Die Regelungen des neuen KlAnG NRW stellen wir Ihnen in einer gesonderten Mandanteninformation vor.

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse bei der Lektüre

Und: Bleiben Sie gesund!

1. Anlass und Ziele der Gesetzesnovelle

Ziel der Novelle des KSG NRW ist es, das KSG NRW a.F. von 2013 an die substanziellen Veränderungen der klimapolitischen Rahmenbedingungen auf nationaler und europäischer Ebene anzupassen:

Mit dem Übereinkommen von Paris aus dem Jahr 2015 hat sich die internationale Staatengemeinschaft das Ziel gesetzt, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf „deutlich unter“ 2°C zu halten und weitere Anstrengungen zu unternehmen, um den Temperaturanstieg auf 1,5° Celsius zu begrenzen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen zu erreichen und danach rasche Emissionssenkungen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts weltweit ein Gleichgewicht zwischen entstehenden Emissionen und deren Abbau herzustellen.

Die Bundesregierung hat im Ende 2019 verabschiedeten Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG) a.F. ein nationales Treibhausgas-Minderungsziel von minus 55 Prozent bis zum Jahr 2030 gegenüber dem Stand von 1990 gesetzlich verankert.

Auf Ebene der Europäischen Union hat die Kommission im europäischen „Grünen Deal“ ebenfalls eine Verschärfung des Klimaschutzziels auf -55% Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 angekündigt. Im sog. „Europäischen Klimagesetz“ vom 30. Juni 2021 sind inzwischen die Ziele der Klimaneutralität bis 2050 (Art. 2) und der Treibhausgasemissionen-Reduktion von mindestens -55 % bis 2030 (Art. 4) in der EU verbindlich vorgegeben.

Das KSG NRW von 2013 musste an viele Änderungen im volatilen Klimaschutzrecht angepasst werden: Das Übereinkommen von Paris in 2015, das KSG des Bundes in 2019, den europäischen Grünen Deal und das Europäische Klimaschutzgesetz in 2019 bzw. 2021, den Klimaschutz-Beschluss des BVerfG und die dadurch veranlassten Änderungen des KSG in 2021.

Mit seinem Klimaschutz-Beschluss vom 24. März 2021 hat das Bundesverfassungsgericht § 3 Abs. 1 Satz 2 und § 4 Abs. 1 Satz 3 KSG in Verbindung mit Anlage 2 zum KSG a.F. für mit den Grundrechten unvereinbar erklärt, soweit darin eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 fehlt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Bundesgesetzgeber verpflichtet, spätestens bis zum 31. Dezember 2022 die Fortschreibung der Minderungsziele für Zeiträume ab dem Jahr 2031 zu regeln.

Daraufhin hat der Bundesgesetzgeber mit dem Ersten Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes vom 18. August 2021 die Klimaschutzziele in § 3 KSG verschärft (für 2030 mindestens -65 % statt -55%) und ergänzt (für 2040: mindestens -88%; für 2045: Treibhausgasneutralität; nach 2050: negative Treibhausgasemissionen) sowie in § 4 KSG in Verbindung mit Anlage 2 und Anlage 3 zum KSG Regelungen zur Festlegung der jährlichen Minderungsziele und der Jahresemissionsmengen der einzelnen Sektoren geschaffen.

Eine grundlegende Überarbeitung des KSG NRW a.F. von 2013 sowie ein Austausch des zentralen Instruments des Klimaschutzplans gegen ein „Klimaschutzaudit“ war dabei bereits 2017 im Koalitionsvertrag der NRW-Landesregierung (Seite 37 f.) vereinbart worden.

2. Erweiterung der Zwecke des KSG NRW: § 1

In § 1 Abs. 1 KSG NRW („Zweck des Gesetzes“) hat der nordrhein-westfälische Gesetzgeber ergänzt, dass Gesetzeszweck nicht nur die Vorgabe von Zielen ist, sondern auch die Gewährleistung der Zielerfüllung. Dabei knüpft § 1 KSG NRW nunmehr ausdrücklich an die nationalen Klimaschutzziele (§§ 3 und 4 KSG) sowie die europäischen Zielvorgaben (Art. 2 und Art. 4 Europäisches Klimaschutzgesetz) an und verweist auf die Verpflichtung nach dem Übereinkommen von Paris, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 Grad Celsius und möglichst auf 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

In § 1 Abs. 2 KSG NRW versteht der Gesetzgeber Klimaschutz auch als Innovationstreiber, der zur Modernisierung des Wirtschaftsstandortes, zu Innovationen, zu mehr Lebensqualität und zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung beiträgt.

3. Neue Klimaschutzziele Nordrhein-Westfalen: § 3

Die NRW-Klimaschutzziele sind durch die Novelle des KSG NRW erheblich verschärft und mit den in 2021 verschärften nationalen Klimaschutzzielen des KSG des Bundes harmonisiert worden.

Bislang waren in § 3 KSG NRW a.F. von 2013 nur zwei Klimaschutzziele für Nordrhein-Westfalen normiert: Eine Reduktion der Treibhausgasemissionen bis 2020 um mindestens 25 % und bis 2050 um mindestens 80 %; Treibhausgasneutralität war bislang kein gesetzlich festgelegtes NRW-Klimaschutzziel. In ihrem Gesetzentwurf vom 11. März 2021 wollte die Landesregierung zunächst als neues Zwischenziel eine Reduktion bis 2030 um mindestens 55 % sowie als neue 2050-Ziel die Treibhausgasneutralität einführen.  

Insoweit hatte Nordrhein-Westfalen Glück, dass vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens der Klimaschutz-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 veröffentlicht wurde und man die Reaktion des Bundesgesetzgebers darauf im Ersten Gesetz zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes vom 18. August 2021 abwarten konnte. Andernfalls wären die von der Landesregierung vorgeschlagenen NRW-Klimaschutzziele nur wenige Tage nach ihrem Inkrafttreten schon wieder Makulatur gewesen.

Daraufhin wurden auf Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Energie und Landesplanung die Klimaschutzziele verschärft und ergänzt. Gemäß § 3 Abs. 1 KSG NRW gelten nunmehr folgende NRW-Klimaschutzziele:

  • Reduktion der Treibhausgasemissionen in NRW bis 2030 um mindestens 65 %;
  • Reduktion der Treibhausgasemissionen in NRW bis 2040 um mindestens 88 %;
  • Treibhausgasneutralität bis 2045.

Das entspricht des für Deutschland insgesamt geltenden nationalen Klimaschutzzielen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 KSG.

Mit der frühzeitigeren Minderung der Emissionen will der Gesetzgeber volkswirtschaftlich sinnvolle Transformationspfade begünstigen und Lock-in Effekte und strukturelle Brüche vermeiden, wozu es bei einer verzögerten Klimapolitik kommen würde.

Es werden sich aus technischen und/oder wirtschaftlichen Gründen nicht alle Treibhausgasemissionen ver-meiden lassen. Verbleibende Emissionen müssen durch natürliche und technische Senken ausgeglichen werden. Dazu wird es auch auf Technologien zur Schlie-ßung von nutzbringenden Kohlenstoff-kreisläufen ankommen.

Hinsichtlich des Ziels der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 schätzt die Landesregierung, dass diese im Wesentlichen, aber nicht vollständig durch eine Minderung der Treibhausgasemissionen zu erreichen ist. Die technologisch-wirtschaftlich nicht mehr vermeidbaren und verbleibenden Treibhausgasemissionen müssten dann durch den Abbau von Treibhausgasen aus der Atmosphäre ausgeglichen werden. Insoweit kämen die langfristige Bindung von Treibhausgasen in natürlichen Kohlenstoffsenken insbesondere in den Bereichen der Land- und Forstwirtschaft (vgl. dazu auch den neuen § 3a KSG) sowie „Direct Air Capture“-Verfahren oder weitere Verfahren in Frage, die eine Verwendung als Rohstoff in der Industrie, regional, national und global, ermöglichen. Zur Bindung von Treibhausgasen durch Wälder, Landwirtschaft und technische Verfahren wird sich auch die von der EU-Kommission Ende des letzten Jahres initiierte Mitteilung „Wiederherstellung nachhaltiger Kohlenstoffkreisläufe“ verhalten.

Erfolgreiche „Klimaschutzklagen“, die unmittelbar auf das KSG NRW gestützt werden, dürften gegen das Land NRW oder in NRW ansässige Unternehmen ausgeschossen sein, weil das KSG NRW keine subjektiven Rechte begründet.

Im neuen § 3 Abs. 3 KSG NRW ist nun ausdrücklich klargestellt worden, dass das KSG NRW keine subjektiven Rechte oder klagbare Rechtspositionen begründet. Auch das entspricht der bundegesetzlichen Regelung in § 4 Abs. 1 Satz 10 KSG. Die Landesregierung will die NRW-Klimaschutzziele vielmehr als allgemeines politisches Handlungsprogramm des Landes verstanden wissen. Damit dürften erfolgreiche Klagen gegen die Landesregierung bzw. sonst das Land Nordrhein-Westfalen, die unmittelbar auf das KSG NRW gestützt werden, ausgeschlossen sein. Auch in Nordrhein-Westfalen ansässige Unternehmen dürften durch die Vorschrift vor erfolgreichen „Klimaschutzklagen“, soweit sie unmittelbar auf das KSG NRW gestützt werden, geschützt sein. Das wird bestätigt durch ein aktuelles Urteil des OVG NRW vom 05.11.2021: Danach können sich Nachbarn eines Straßenbauvorhabens (im Fall: Umbau einer Verbindungsrampe in einem Autobahndreieck) zur Begründung ihrer Klage gegen die straßenrechtliche Zulassung des Vorhabens (im Fall: Fernstraßenrechtlicher Planfeststellungsbeschluss) nicht darauf berufen, dass das Vorhaben gegen die im KSG NRW festgelegten NRW-Klimaschutzziele verstoße, weil das KSG NRW (a.F. von 2013) keine subjektiven Rechte oder klagbare Rechtspositionen begründet.

4. Umsetzung der NRW-Klimaschutzziele durch die Landesregierung: § 4

Wie die NRW-Klimaschutzziele des § 3 KSG NRW entsprechend der neuen Gesetzeszweckbestimmung in § 1 KSG NRW, die NRW-Klimaschutzziele zu erfüllen (s.o.), erreicht werden sollen, regelt § 4 KSG NRW.

Der NRW-Gesetzgeber setzt auf den Aus-bau Erneuerbarer Energien, den Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur und den Erhalt von natürlichen und technischen Kohlenstoffspeicher.

Insofern fällt zunächst auf, dass der Gesetzgeber die rechtliche Verbindlichkeit der NRW-Klimaschutzziele zurückgenommen hat: Waren die NRW-Klimaschutzziele für die Landesregierung bislang „unmittelbar verbindlich“, wird nunmehr nur noch an die „Vorbildfunktion“ der Landesregierung appelliert (bislang § 4 Abs. 3 KSG NRW a.F.) und diese verpflichtet, ihre Handlungsmöglichkeiten zu nutzen, um die NRW-Klimaschutzziele insgesamt zu erreichen. Die Verpflichtung zur Erarbeitung eines verbindlichen Konzepts für eine klimaneutrale Landesverwaltung (bislang § 4 Abs. 3 KSG NRW a.F.) ist gestrichen worden. Inwiefern sich der Gesetzgeber dadurch eine bessere Maßnahmenumsetzung und Zielerreichung verspricht, wird in den Gesetzgebungsmaterialien nicht erläutert und ist demzufolge zweifelhaft.

Gewissermaßen im Gegenzug bzw. als Ausgleich dafür hat der Gesetzgeber in § 4 KSG NRW nunmehr bestimmte Maßnahmen ausdrücklich als grundsätzlich erforderlich hervorgehoben:

  • der weitere, verstärkte Ausbau der erneuerbaren Energien (§ 4 Abs. 2 Satz 1 KSG NRW);
  • die Nutzung von perspektivisch ausschließlich aus erneuerbaren Energien produzierten Energieträgern und Rohstoffen, wie zum Beispiel Wasserstoff, einschließlich der Förderung des Aufbaus und des Ausbaus einer solchen Infrastruktur, der Erzeugung, der Nutzung und der Verteilung von Wasserstoff sowie der diesbezüglichen Forschung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 KSG NRW;
  • der Erhalt der ober- und unterirdischen Kohlenstoffspeicherkapazitäten des Waldes (§ 4 Abs. 3 KSG NRW).

Mit der ausdrücklichen Erwähnung der Erneuerbaren Energien will der Gesetzgeber an die „Energieversorgungsstrategie Nordrhein-Westfalen“ des NRW-Wirtschafts- und Energieministeriums (MWIDE NRW) von Juli 2019 (dort das Handlungsfeld B.11 auf Seite 50 ff.) anknüpfen. Die durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien entstehende Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen soll dabei möglichst in Nordrhein-Westfalen stattfinden. Zugleich soll durch einen verstärkten Ausbaupfad bei den Erneuerbaren Energien die Abhängigkeit Nordrhein-Westfalens von Energieimporten soweit wie möglich reduziert werden – wobei NRW nach Einschätzung der Landesregierung unabhängig davon Energieimportland bleiben. Somit ist es nach Auffassung der Landesregierung erforderlich, den Auf- und Ausbau von Infrastrukturen zum Import klimaneutral erzeugter Energieträger in Nordrhein-Westfalen vorzubereiten. Insoweit sei der Import von Wasserstoff und der Aufbau der dafür erforderlichen Infrastruktur unerlässlich, um einen schnellen Markthochlauf für Wasserstoff und die damit verbundenen kurz- und mittelfristigen Treibhausgasminderungen zu unterstützen und um Wasserstoff, der mittel- bis langfristig aus erneuerbaren Energien produziert wird, in ausreichender Menge zur Verfügung stellen zu können – nicht zuletzt auch mit Blick auf den in der „Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa“ der EU-Kommission ab 2030 avisierten EU-Wasserstoffmarkt.

Im Übrigen betont der Gesetzgeber die besondere Bedeutung der Steigerung des Ressourcenschutzes, der Ressourcen- und Energieeffizienz, der Energieeinsparung sowie der Nutzung von Flexibilisierungsoptionen und der Sektorenkopplung in allen klimarelevanten Sektoren (§ 4 Abs. 4 KSG NRW).

Maßnahmen der Landesregierung sind gemäß § 4 Abs. 6 KSG NRW insbesondere in den Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude sowie Land- und Forstwirtschaft vorgesehen. Solche Maßnahmen sollen gemäß § 4 Abs. 5 KSG NRW unter Berücksichtigung von Wirtschaftlichkeit, Versorgungssicherheit, Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie Akzeptanz ausgeführt werden.

5. Klimaneutrale Landesverwaltung bis zum Jahr 2030: § 7

Das Ziel, bis zum Jahr 2030 eine klimaneutrale Landesverwaltung zu erreichen, wird wie bisher in § 7 KSG NRW fortgeschrieben. Die Landesverwaltung ist nach der Gesetzesbegründung klimaneutral, wenn sie keine Treibhausgase ausstößt oder wenn die von ihr ausgestoßenen Treibhausgase an anderer Stelle eingespart werden. Die klimaneutrale Bilanz der Landesverwaltung soll nach dem Willen des Gesetzgebers insbesondere durch eine tatsächliche Reduktion der Treibhausgasemissionen erreicht werden, das heißt durch Energieeinsparung, Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz und die Deckung des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien, wobei der Schwerpunkt auf dem Gebäudebereich liegen soll.

Wie die Erfüllung des Ziels der klimaneut-ralen Landesverwaltung bis 2030 sicher-gestellt werden soll, bleibt im Ungewissen.

Die Vorschrift des § 7 KSG NRW ist im Zuge der Novelle aber deutlich ergänzt worden. Zum einen sind die verschiedenen Bereiche der Landesverwaltung, für die dieses Zeil gilt, nun weitaus detaillierter aufgelistet worden. Die zentrale Verantwortung für die Planung und Umsetzung von konkreten Maßnahmen liegt bei den Landesministerien für ihren jeweiligen Geschäftsbereich. Zum anderen werden die Maßnahmen, die zur Steigerung der Ressourcen- und Energieeffizienz und zur Nutzung von erneuerbaren Energien zu ergreifen sind, teilweise ausdrücklich in § 7 KSG NRW vorgeschrieben. Dazu zählen:

  • Die Umstellung aller durch die Landesverwaltung genutzten Fahrzeuge, soweit technisch für den Dienstgebrauch geeignet, auf klimagerechte Antriebe bis 2030;
  • sukzessive wirtschaftliche Erschließung des ermittelten Photovoltaik-Potenzials aller geeigneten durch den Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW betriebenen Bestandsgebäude bis 2030 (bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit soll die gesamte Nutzungsdauer der PV-Anlagen betrachtet werden);
  • bei Neubauvorhaben und umfassenden Modernisierungen muss die Photovoltaik-Nutzung geprüft und in geeigneten Fällen realisiert werden;
  • die Umsetzung dieser Maßnahmen wird durch die „Geschäftsstelle Klimaneutrale Landesverwaltung“ begleitet.

Die Klimaneutrale Landesverwaltung NRW soll ein Gemeinschaftsprojekt aller Ressorts sein, bei deren Umsetzung die neue Energie- und Klimaschutzagentur – die Landesgesellschaft Energie- und Klimaschutz „NRW.Energy4Climate“ – inhaltliche Aufgaben übernehmen und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) unterstützen wird.

Wie genau die Zielerreichung sichergestellt werden soll, wird in § 7 jedoch nicht geregelt. Auch ist unklar, ob sich das Klimaschutzaudit nach § 6 (vgl. dazu sogleich) auf das Ziel der klimaneutralen Landesverwaltung in § 7 erstreckt. So bleibt die Gewährleistung der Erreichung des Ziels bis zum Jahr 2030, das sicherlich eine sehr komplexe Aufgabe ist und bei der mit den Ministerien, der Energie- und Klimaschutzagentur und dem LANUV NRW sehr viele Beteiligte zu koordinieren sind, doch ziemlich im Ungefähren.

6. Ersetzung des Klimaschutzplans durch ein Klimaschutzaudit: § 6

Anstelle des bislang in § 6 KSG NRW vorgesehenen Klimaschutzplans – der bisherige „Klimaschutzplan Nordrhein-Westfalen – Klimaschutz und Klimafolgenanpassung“ stammt von Dezember 2015 – ist mit dem novellierten § 6 KSG NRW nunmehr das Instrument eines Klimaschutzaudits eingeführt worden.

Das Klimaschutzaudit hat den Klima-schutzplan abgelöst. Ob mit dem Klima-schutzaudit die Erfüllung der NRW-Klimaschutzziele gewährleistet werden kann, ist zweifelhaft.

Das Klimaschutzaudit wird von der NRW-Landesregierung durchgeführt (Abs. 1) und dient der Planung, Umsetzung, Überprüfung und Fortentwicklung von wirksamen Strategien und Maßnahmen im Sinne von § 4 Abs. 2 bis Abs. 4 und Abs. 6 KSG NRW zur Erreichung der NRW-Klimaschutzziele nach § 3 KSG NRW sowie der Modernisierung aller klimarelevanten Sektoren (Abs. 2). Es erfasst dabei Klimaschutzstrategien und -maßnahmen (nur) der Landesregierung, überprüft diese auf Effizienz und Wirksamkeit. Zudem gibt es Hinweise zur Entwicklung und Modifikation von Maßnahmen in den klimarelevanten Sektoren Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude sowie Land- und Forstwirtschaft (Abs. 3). Die für die klimarelevanten Sektoren jeweils fachlich zuständigen Ressorts entwickeln in Eigenverantwortlichkeit die für die notwendige Treibhausgasminderung in den jeweiligen Sektoren geeigneten Strategien und Maßnahmen und setzen diese um; entsprechende Strategien und Maßnahmen werden für die Berücksichtigung im Rahmen des Klimaschutzaudits gemeldet (Abs. 4). Berichte zum Klimaschutzaudit sollen veröffentlicht werden (Abs. 5).

Eine Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Erstellung des Klimaschutzaudits ist – anders als noch bei der Erstellung des NRW-Klimaschutzplans – nicht gesetzlich vorgeschrieben. Auch ein zeitlicher Mindest-Rhythmus, innerhalb dessen das Klimaschutzaudit fortzuschreiben ist, bestimmte Mindestinhalte, eine Berücksichtigung von Maßnahmen des Bundes, der EU und anderer Fachplanungsträger und die Möglichkeit zur Verbindlicherklärung durch Rechtsver-ordnung sind für das Klimaschutzaudit – wiederum im Unterschied zum Klimaschutzplan – ebenfalls nicht mehr vorgesehen. Zudem bleibt unklar, ob sich die Klimaschutzaudit-Pflicht der Landesregierung auf das in § 7 KSG NRW normierte Ziel der klimaneutralen Landesver-waltung bis 2030 erstreckt. Ob all das dazu beitragen wird, die NRW-Klimaschutzziele zu er-reichen, darf bezweifelt werden. Dass es keine Pflicht zur Veröffentlichung des Klimaschutz-audits, sondern lediglich eine diesbezügliche Soll-Vorgabe gibt, wirkt merkwürdig aus der Zeit gefallen.

7. Ersetzung des Monitorings durch einen Aufgabenkatalog des LANUV NRW: § 8

Die bisher in § 8 KSG NRW enthaltenen Regelungen zum Monitoring sind im Zuge der Novellierung der Vorschrift durch eine Auflistung von Aufgaben des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen (LANUV NRW) ersetzt worden. Diese Landesoberbehörde nunmehr gemäß § 8 KSG NRW die Aufgaben,

  • die für die Aufgaben der öffentlichen Stellen nach dem KSG NRW relevanten Daten, insbesondere zum Ausbaustand der Erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen zu erheben und bereitzustellen und
  • die Treibhausgasemissionen in Nordrhein-Westfalen jährliche zu erfassen, zu aktualisieren und zu veröffentlichen.

Dieser Aufgabenkatalog, der sich auf eine bloße Datenerhebung und -darstellung beschränkt, dürfte wohl kaum ein adäquater Ersatz für die bisherigen Mindestinhalte des gestrichenen Monitorings in § 8 Abs. 2 KSG NRW a.F. sein.

8. Ersetzung des Sachverständigenrats durch einen wissenschaftlichen Beirat: § 9

Darüber hinaus ist der bislang in § 9 KSG NRW vorgesehene Sachverständigenrat Klimaschutz Nordrhein-Westfalen durch einen Beirat ersetzt worden, der die Klimaschutzpolitik in Nordrhein-Westfalen beratend begleiten soll und sich aus Vertreterinnen und Vertretern relevanter gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Bereiche des Landes zusammensetzt. Weitere Regelungen enthält § 9 KSG nicht mehr.

Der Gesetzgeber will dadurch wird einem größeren Kreis von Vertreterinnen und Vertretern aus relevanten gesellschaftlichen und verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen des Landes ermöglichen, sich regelmäßig mit der Landesregierung zum Thema Klimaschutz auszutauschen. Bislang war der Sachverständigenrat auf 5 Personen begrenzt. Dabei hat die Landesregierung den „Beirat KlimaAudit.NRW“ konstituiert, der in „Beirat Klimaschutz.NRW“ umbenannt und ergänzt werden soll. Durch die novellieret Regelung des § 8 KSG NRW will der Gesetzgeber das Gremium in seiner Bedeutung stärken – ohne allerdings im Gesetz zu regeln oder in der Begründung zu erläutern, worin jenseits des größeren Teilnehmerkreises die Bedeutungsstärkung genau liegen soll.

9. Klimaschutz durch andere öffentliche Stellen: § 5

Die Vorgaben dazu, wie andere öffentliche Stellen jenseits der Landesverwaltung zum Klimaschutz beitragen müssen, finden sich nach wie vor in § 5 KSG NRW. Die hier angesprochenen anderen öffentlichen Stellen sind alle öffentlichen Stellen, die nicht der Landesregierung angehören und nicht durch die klimaneutrale Landesverwaltung gemäß § 7 KSG NRW (s.o.) erfasst sind. Die Vorschrift des § 5 KSG NRW ist allerdings durch die Novelle erheblich ausgedünnt worden. So wird die Vorbildfunktion in Abs. 1 nur noch auf die Minderung der Treibhausgasemissionen bezogen und nicht mehr auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Anpassung an den Klimawandel, die Verpflichtung zur Erstellung von Klimaschutzkonzepten bzw. die Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer Rechtsverordnung über Klimaschutzkonzepte ist entfallen. Die Anpassung an den Klimawandel ist nun allerdings Regelungsgegenstand des KlAnG NRW.

Die Kommunen sind weitestgehend frei in ihren Entscheidungen, wie sie ihrer Vor-bildfunktion zur Minderung von Treib-hausgasemissionen nachzukommen be-absichtigen.

Die Regelung des § 5 Abs. 1 KSG NRW normiert nach der ausdrücklichen Regelungsintention des Gesetzgebers keine materiell-rechtliche Anforderung zur spezifischen Reduktion von Treibhausgasen, die seitens der erfassten öffentlichen Stellen bei Entscheidungen über Vorhabenzulassungen oder -planungen zu beachten wäre.

Die Gemeinden und Gemeindeverbände sowie die Hochschulen in Trägerschaft des Landes erfüllen ihre Vorbildfunktion gemäß § 5 Abs. 2 KSG NRW in eigener Verantwortung, wobei die Landesregierung sie unterstützt. Das Land lässt den Gemeinden und Gemeindeverbänden insoweit also freie Hand, auch wenn der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung den Gemeinden und Gemeindeverbändeübernehmen eine Schlüsselrolle bei der Energiewende und beim Klimaschutz zuspricht.

10. Verfassungsrechtliche Beurteilung durch das BVerfG

Verfassungsrechtlich wird das KSG NRW künftig kaum ein Zankapfel sein. Denn das BVerfG hat mit Beschluss vom 18. Januar 2022 –    1 BvR 1669/21, 1 BvR 1936/21 u.a. –  entschieden, dass Verfassungsbeschwerden von Einzelpersonen gegen Landesklimaschutzgesetze wie das KSG NRW keine Aussicht auf Erfolg haben.

Insgesamt drei Erwachsene und zwei Minderjährige hatten sich mit zwei Verfassungsbeschwerde gegen das KSG NRW gewandt und die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes geltend gemacht. Weitere Verfassungsbeschwerden wurden von anderen Beschwerdeführer*innen gegen die Klimaschutzgesetzes der Länder Baden-Württemberg, Bayern, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sowie gegen das Unterlassen der Ländern Hessen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt erhoben, einen Reduktionspfad für Treibhausgasemissionen zur Einhaltung des verbleibenden CO2-Budgets und hinreichende Instrumente zur Erreichung und Überprüfung der dafür erforderlichen Klimaschutzziele gesetzlich zu normieren. Da alle diese Verfassungsbeschwerden nach Auffassung des BVerfG keine Aussicht auf Erfolg hatten, nahm das BVerfG sie nicht zur Entscheidung an. Unterstützt wurden diese „Länderklimaklagen“ von der Deutschen Umwelthilfe.

Der Beschluss des BVerfG von Januar 2022 zu diesen Verfassungsbeschwerden ist ohne den zuvor ergangenen Klimaschutz-Beschluss vom 24. März 2021 – 1 BvR 2656/18 – in Bezug auf das KSG des Bundes nicht zu verstehen. Nach dieser Entscheidung waren die damaligen Regelungen über die deutschen Klimaschutzziele verfassungswidrig, soweit eine den grundrechtlichen Anforderungen genügende Regelung über die Fortschreibung der Minderungsziele für den Zeitraum ab 2031 bis zum Zeitpunkt der durch Art. 20a GG geforderten Klimaneutralität fehlte. Wesentliche Eckpunkte dieser Entscheidung des BVerfG waren:

  • Der Schutz des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG schließt den Schutz vor Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter durch Umweltbelastungen ein. Die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht des Staates umfasst auch die Verpflichtung, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Sie kann eine objektivrechtliche Schutzverpflichtung auch in Bezug auf künftige Generationen begründen. Allerdings stellte das BVerfG im Ergebnis keine Verletzung der Schutzpflicht fest.
  • Die Umweltschutz-Staatszielbestimmung des Art. 20a GG verpflichtet den Staat zum Klimaschutz. Zentrale Leitgröße für den klimatischen Zustand des Erdsystems insgesamt ist die mittlere Temperatur der Erde. Entsprechend zielt das Klimaschutzgebot im Kern auf die Einhaltung einer Temperaturschwelle, bei der die durch Menschen verursachte Erwärmung der Erde angehalten werden soll. Mit Blick auf das Ziel, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C zu begrenzen, stellte das BVerfG unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers keinen Verstoß gegen Art. 20a GG fest.
  • Maßgeblich für die Beurteilung des KSG a.F. als verfassungswidrig war die Verletzung des verfassungsrechtlich gebotenen „intertemporalen Freiheitsschutzes“. Denn der Gesetzgeber hatte die Emissionsminderungspflichten mit dem KSG a.F. nicht ausreichend grundrechtsschonend verteilt, weil er bis 2030 relativ hohe Emissionen zuließ – was in späteren Zeiträumen möglicherweise sehr hohe Emissionsminderungspflichten erfordert hätte, um das 1,5 bis 2°-Ziel noch zu erreichen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, bis zum Jahr 2030 die festgelegte Menge an CO-Emissionen zuzulassen, entfaltete eingriffsähnliche Vorwirkung auf die grundgesetzlich geschützte Freiheit der jüngeren und künftigen Generationen. Die Vorschriften des KSG a.F. begründeten dabei die nicht hinreichend eingedämmte Gefahr künftiger schwerwiegender Grundrechtsbeeinträchtigungen. Damit verletzten diese Vorschriften die sich aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ergebende Pflicht des Gesetzgebers, die nach Art. 20a GG verfassungsrechtlich notwendigen Reduktionen von CO2-Emissionen in grundrechtsschonender Weise über die Zeit zu verteilen.

Kurz: Für die Einhaltung des 1,5 bis 2°-Ziels steht der Welt, der EU und der Bundesrepublik Deutschland ein bestimmtes Budget an CO2-Emissionen zur Verfügung. Das Deutschland zur Verfügung stehende Budget muss gerecht über die Zeit verteilt werden, damit sich die Reduktionslasten und Freiheitsbeschränkungen gerecht auf die Generationen verteilen.

Vor diesem Hintergrund konnten die Verfassungsbeschwerden gegen das KSG NRW mit der Rüge, Grundrechte würden in ihrer die Freiheit über die Zeit sichernden Dimension („intertemporaler Freiheitsschutz“) verletzt, keinen Erfolg haben (BVerfG, Beschluss vom 18. Januar 2022 –    1 BvR 1669/21, 1 BvR 1936/21 u.a.). Denn solche Landesregelungen ziehen im Anschluss an einen geregelten Zeitraum nicht zwangsläufig eine bestimmte Emissionsreduktionslast und damit verbundene Freiheitsbeschränkungen nach sich. Daher entfalten sie nicht in gleicher Weise eine rechtlich vermittelte Grundrechtsvorwirkung, die sich verfassungsrechtlich rechtfertigen müsste. Insbesondere fehlt es an der Vorgabe einer landesspezifischen Gesamtreduktion, die die Länder mit ihren Klimaschutzgesetzen in verfassungskonformer Art und Weise gerecht und fair „über die Zeit verteilen“ müssten. Ein solches landesspezifisches CO2-Restbudget ist derzeit weder dem Grundgesetz noch dem einfachen Bundesrecht zu entnehmen. Angesichts der insoweit verfassungskonformen Regelungen des KSG des Bundes (in der 2021 novellierten Fassung) ist auch nicht ersichtlich, dass durch Landesklimaschutzgesetze grundrechtliche Pflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und aus Art. 14 Abs. 1 GG zum Schutz vor den Gefahren des Klimawandels verletzt sein könnten.

Auch soweit sich die Beschwerdeführenden auf grundrechtliche Schutzpflichten beriefen, hatten ihre Verfassungsbeschwerden keine Aussicht auf Erfolg. Insoweit verwies das BVerfG auf seinen Klimaschutz-Beschluss von März 2021: Angesichts der auf Bundesebene bereits existierenden gesetzlichen Regelung war eine Verletzung der Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und aus Art. 14 Abs. 1 GG vor den Gefahren des Klimawandels derzeit nicht feststellbar (s.o.). Es ist nicht ersichtlich, dass das Fehlen eines Landesklimaschutzgesetzes hieran etwas ändern könnte.

11. Fazit und Ausblick

Somit dürften die Regelungen des novellierten KSG NRW verfassungsrechtlich auch künftig vorläufig nicht zu beanstanden sein.  Zu begrüßen ist, dass die Klimaschutzziele des KSG NRW n.F. an die deutlich ambitionierteren Klimaschutzziele im KSG des Bundes angepasst worden sind und dass das KSG NRW n.F. nun ausdrücklich nicht nur die Zielsetzung, sondern auch auf die Zielerreichung bezweckt. Das steht freilich in einem deutlichen Kontrast – um nicht zu sagen Widerspruch – zu anderen Änderungen des KSG NRW:

  • Das KSG NRW begründet keine Ansprüche oder Rechte Dritter (vgl. Nr. 3).
  • Die Landesregierung hat nur noch eine „Vorbildfunktion“ bei der Erreichung der Klimaschutzziele (vgl. Nr. 4).
  • Die Landesregierung ist nicht mehr verpflichtet, ein verbindliches Konzept für eine klimaneutrale Landesverwaltung zu erarbeiten (vgl. Nr. 4).
  • Die Liste von Klimaschutzmaßnahmen in § 4 Abs. 2 bis Abs. 6 KSG NRW n.F. mit den dort geregelten allgemeinen Maßgaben (vgl. Nr. 4) dürfte im Ergebnis nicht mehr als ein politischer Programmsatz sein.
  • Zwar sind in § 7 inhaltliche Konkretisierungen hinsichtlich einer klimaneutralen Landesverwaltung ergänzt worden. Aber hier gilt im Grundsatz das Ressortprinzip: Jedes Ministerium schaut selber, wie sein Bereich klimaneutral werden soll. Es wird sich zeigen müssen, ob der Mangel an gesetzlich verbindlicher Koordination durch die neue Energie- und Klimaschutzagentur „NRW.Energy4Climate“ ausgeglichen werden kann (vgl. Nr. 5).
  • Es ist unklar, ob sich das Klimaschutzaudit auch auf die klimaneutrale Landesverwaltung erstreckt (vgl. Nr. 5).
  • Das Instrument des Klimaschutzplans ist abgeschafft worden (vgl. Nr. 6).
  • Beim Ersatz-Instrument des Klimaschutzaudits gilt wiederum das Ressortprinzip. Zudem gibt es keine Öffentlichkeitsbeteiligungspflicht, keine Fortschreibungspflicht, keine Mindestinhalte, keine Pflicht zur Berücksichtigung von Klimaschutzmaßnahmen der EU oder des Bundes, keine Möglichkeit zur Verbindlicherklärung durch Rechtsverordnung und keine Veröffentlichungspflicht (vgl. Nr. 6).
  • Das Monitoring durch das LANUV NRW ist gestrichen worden. Der LANUV NRW hat nun lediglich klimaschutzbezogene Aufgaben der Datenerhebung und -bereitstellung (Nr. 7).
  • Die Regelungen zur Vorbildfunktion anderer öffentlicher Stellen zur Erreichung der Klimaschutzziele sind erheblich ausgedünnt worden. Es fehlt an einer verbindlichen Koordination, insbesondere die Kommunen sind in ihren klimaschutzbezogenen Entscheidungen weitestgehend frei.

Man wird abwarten müssen, ob sich auf diese Weise die ambitionierten Klimaschutzziele des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KSG NRW und das Ziel das klimaneutralen NRW-Landesverwaltung bis 2030 erreichen lassen.

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Gregor Franßen, EMLE
Rechtsanwalt | Partner

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