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Novelle des Bundes-Immissionsschutzgesetzes: Beschleunigte Genehmigungsverfahren und Windenergie im Fokus

Mit Veröffentlichung des Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz, zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungsverfahren und zur Umsetzung von EU-Recht im Bundesgesetzblatt am 08.07.2024 erfolgte eine Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).

Mit der Novelle wird das BImSchG durch weitreichende Änderungen im Bereich der Genehmigungsverfahren und zur Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (§§ 10, 16 BImSchG) reformiert. Dabei wird vor allem der Windenergie besondere Bedeutung zugeschrieben. Zudem hat der Gesetzgeber mit einer Änderung des § 3 Abs. 2 BImSchG erstmalig das Klima als Schutzgut in das Bundesimmissionsschutzgesetz aufgenommen.

Neufassung des § 10 BImSchG – Digitalisierung und Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens

Durch die Neufassung des § 10 BImSchG wird die Verfahrensdurchführung (endlich) digitalisiert. Zwar besteht die Wahlmöglichkeit zwischen einer schriftlichen oder einer elektronischen Antragstellung, jedoch kann die Genehmigungsbehörde stets (auch) einen elektronischen Antrag verlangen; zudem kann die Behörde die elektronische Antragstellung erzwingen, indem sie einen Zugang für die elektronische Antragstellung eröffnet. Neu ist die Verpflichtung der zuständigen Behörde, das Vorhaben auf ihrer Internetseite bekannt zu machen. Die sich anschließende Genehmigungsentscheidung muss ebenfalls auf der Internetseite zugänglich gemacht werden. Zudem erfolgt die Auslegung der Antragsunterlagen grundsätzlich auf einer Behörden-Internetseite, und es wurde die Möglichkeit eines Erörterungstermins in Form einer Onlinekonsultation oder durch eine Video- oder Telefonkonferenz geschaffen (§ 10 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 6 BImSchG).

Das Genehmigungsverfahren wird nach der Novelle insgesamt zügiger erfolgen. Um eine Straffung zu erreichen, sind im Wesentlichen folgende Änderungen vorgenommen worden:

  • Die Genehmigungsbehörde muss die Antragsunterlagen ausnahmslos innerhalb 1 Monats auf Vollständigkeit prüfen. Fachliche Einwände und Nachfragen stehen der Vollständigkeit der Antragsunterlagen nicht entgegen, sofern die betreffende Unterlage eine fachliche Prüfung überhaupt ermöglicht (vgl. § 7 Abs. 1 der 9. BImSchV).
  • Eingegangene Stellungnahmen der zu beteiligenden Behörden hat die Genehmigungsbehörde unverzüglich an den Antragsteller weiterzuleiten.
  • Für alle Vorhaben (nicht nur solche im Bereich der Erneuerbaren Energien) wurde die Stellungnahmefrist für die Fachbehörden auf 1 Monat gekürzt, die nur einmalig um maximal 1 Monat verlängert werden kann (außer Vorhaben im Bereich der Erneuerbaren Energien). 
  • Sofern eine Fachbehörde innerhalb eines Monats keine Stellungnahme abgibt, kann die Genehmigungsbehörde entweder zu Lasten der zu beteiligenden Fachbehörde zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen ein Sachverständigengutachten einholen oder selbst fachlich Stellung nehmen.
  • Schließlich kann die Genehmigungsbehörde die gesetzlichen Bearbeitungsfristen von drei bzw. sieben Monaten bis zur Entscheidung künftig einmalig um bis zu drei Monate verlängern; eine weitere Verlängerung ist nur noch auf Antrag oder mit Zustimmung des Antragstellers möglich.

Zulassung des vorzeitigen Beginns erleichtert

Voraussetzung für die Zulassung des vorzeitigen Beginns war es bislang, dass der Antragsteller im Rahmen einer positiven Prognose damit gerechnet werden kann, dass die begehrte BImSchG-Genehmigung erteilt wird. Mit der BImSchG-Novelle ist diese Prognoseentscheidung nun auf Antrag des Antragstellers entbehrlich, wenn die Erteilung einer Genehmigung für eine Anlage auf einem bereits bestehenden Standort oder die Erteilung einer Änderungsgenehmigung beantragt ist (§ 8a Abs. 1 Satz 2 BImSchG). Dabei dürfen aber die relevanten Vorschriften des BImschG oder sonstige für die beantragten vorläufigen Maßnahmen relevante öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der vorzeitigen Zulassung nicht entgegenstehen (§ 8a Abs. 1 Satz 3 BImSchG).

Projektmanager

Mit einem neuen § 2b in der 9. BImSchV ist der Einsatz eines Projektmanagers nun gesetzlich festgeschrieben. Die Genehmigungsbehörde soll künftig in jeder Stufe des Genehmigungsverfahrens einen Dritten als Projektmanager, der als Verwaltungshelfer beschäftigt werden kann, auf Antrag oder mit Zustimmung des Vorhabenträgers und auf dessen Kosten mit der Vorbereitung und Durchführung von Verfahrensschritten beauftragen. Zu den Verfahrensschritten gehören:

  1. Die Erstellung von Verfahrensleitplänen unter Bestimmung von Verfahrensabschnitten und Zwischenterminen,
  2. die Fristenkontrolle,
  3. die Koordinierung von erforderlichen Sachverständigengutachten,
  4. das Qualitätsmanagement der Anträge und Unterlagen der Vorhabenträger,
  5. die erste Auswertung der eingereichten Stellungnahmen,
  6. die organisatorische Vorbereitung eines Erörterungstermins,
  7. die Leitung des Erörterungstermins,
  8. den Entwurf der Niederschrift,
  9. den Entwurf der Entscheidung sowie
  10. die Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen.

Trotz des Einsatzes eines Projektmanagers bleibt es dabei, dass allein die Genehmigungsbehörde über den Antrag entscheidet (§ 2b Abs. 2 9. BImSchV).

Erleichterungen für Windenergieanlagen 

Neben den Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung führt die Novelle Erleichterungen für Windenergieanlagen (WEA) und Elektrolyseure für Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ein. So wird künftig auf einen Erörterungstermin verzichtet, wenn der Vorhabenträger diesen nicht beantragt und die Genehmigungsbehörde nicht im Einzelfall die Durchführung für geboten hält (§ 16 Abs. 1 Nr. 5 der 9. BImSchV, § 16b Abs. 5 BImSchG). Auch der Prüfungsumfang in Vorbescheidsverfahren speziell für Windenergieanlagen wird deutlich reduziert, denn für die Erteilung des Vorbescheids sind künftig weder eine vorläufige positive Gesamtbeurteilung des Vorhabens noch eine vorläufige UVP im Hinblick auf das Gesamtvorhaben nötig (§ 9 Abs. 1a BImSchG).

Des Weiteren wurde die Definition des Repowerings in § 16b Abs. 2 BImSchG neu gefasst und erweitert: Das Repowering umfasst den vollständigen oder teilweisen Austausch von Anlagen oder Betriebssystemen und -geräten zum Austausch von Kapazität oder zur Steigerung der Effizienz oder der Kapazität der Anlage – nunmehr unabhängig vom Umfang der baulichen Größenunterschiede, der Leistungssteigerungen oder der Veränderungen der Anlagenanzahl im Verhältnis zur Bestandsanlage. Im Falle eines vollständigen Austauschs der bestehenden Anlage muss die neue Anlage innerhalb von 48 Monaten (bisher 24 Monate) nach Rückbau der Bestandsanlage errichtet werden und muss der Abstand zwischen der Bestandsanlage und der Neuanlage höchstens das Fünffache der Gesamthöhe (bisher das Zweifache) der Neuanlage betragen. Diese Erweiterungen des Repowering-Begriffs ermöglichen, dass mehr Windenergieanlagen mittels Änderungsgenehmigung und mit dem modifizierten Prüfungsumfang des § 16b Abs. 1 Satz 1 BImSchG zugelassen werden können. Eine Betreiberidentität zwischen Altanlagen- und Neuanlagen-Betreiber ist nicht mehr erforderlich (§ 16b Abs. 10 BImSchG).

Wird der Standort der Anlage um nicht mehr als 8 Meter geändert, die Gesamthöhe um nicht mehr als 20 Meter erhöht und der Rotordurchlauf um nicht mehr als 8 Meter verringert, sind ausschließlich Standsicherheit sowie die schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche und nachteilige Auswirkungen durch Turbulenzen nachzuweisen und zu prüfen (§ 16b Abs. 7 Satz 3 BImSchG). In diesem Fall und wenn die Leistung oder der Ertrag einer Windenergieanlage an Land ohne bauliche Veränderungen oder ohne den Austausch von Teilen und ohne eine Änderung der genehmigten Betriebszeiten erhöht wird, gilt die Genehmigung nach Ablauf von 6 Wochen einschließlich der Nebenbestimmungen als antragsgemäß geändert, sofern die Behörde nicht zuvor über den Antrag entscheidet oder der Antragsteller einer Erörterungstermin beantragt (§ 16b Abs. 9 BImSchG).

Fazit

Die Neuerungen des BImSchG und der 9. BImSchV sind vor dem Hintergrund der dringend nötigen Digitalisierung zu begrüßen. Ob die Versuche, das allgemeine Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, erfolgreich sein werden, wird erst die Verwaltungspraxis zeigen.

Die Reduzierung des Prüfungsumfangs für mehr Erneuerbare-Energien-Vorhaben dürfte deren Genehmigungsverfahren aller Voraussicht nach beschleunigen. Insbesondere die neuen Regelungen zum Repowering lassen auf einen zügigeren Ausbau von erneuerbaren Energien hoffen.

Gregor Franßen, EMLE
Rechtsanwalt | Partner

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