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Neue EU-Normungsstrategie

Die Europäische Kommission hat in einer Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen Anfang Februar 2022 eine neue EU-Normungsstrategie („EU-Strategie für Normung – Globale Normen zur Unterstützung eines resilienten, grünen und digitalen EU-Binnenmarktes festlegen“) vorgelegt. Das Dokument identifiziert die technische Normung als wichtiges strategisches Instrument, um die europäische Wirtschaft widerstandsfähiger, grüner und digitaler zu gestalten. Die Ziele der Strategie belegen dabei die enorme wirtschaftliche und politische Bedeutung technischer Normen

Die Kommission stellt die Strategie auf drei Säulen, die jeweils durch ein Maßnahmenpaket flankiert werden: Der Normungsbedarf in Bezug auf eine resiliente, grüne und digitale Wirtschaft soll besser ermittelt und zügiger umgesetzt werden; der Normungsprozess soll transparenter, offener und inklusiver gestaltet werden und die internationale Bedeutung europäischer Normen soll verbessert werden.

Ermittlung des Normungsbedarfs und zügige Umsetzung

Europäische technische Normen sollen als Hebel für die Umsetzung der politischen Ziele der Europäischen Union eingesetzt werden. Eine besondere Bedeutung soll dem insbesondere im Bereich der klimaneutralen Wirtschaft und der Digitalisierung zukommen. Um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden und die Führungsrolle der EU in grünen und digitalen Technologien zu unterstreichen, wird in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Normen u.a. in den Bereichen des Recyclings kritischer Rohstoffe, des CO2-armen Zements, der Zertifizierung von Chips und der Interoperabilität von Daten, benötigt werden. Um den Bedarf zu decken, wird die Kommission sehr zügig Normungsaufträge in diesen Bereichen erteilen. Die Kommission wird zudem ein Expertenforum bestehend aus Vertretern der Mitgliedstaaten, Normungsorganisationen, Industrie und Zivilgesellschaft einsetzen, welches vor dem Hintergrund der Resilienz, Digitalisierung und des Green Deal den künftigen Normungsbedarf ermittelt sowie im operativen Bereich unterstützt. Mithilfe dieses Expertenforums sollen auch bestehende Normen überprüft und weiterentwickelt werden. Auf technischer Ebene wird zudem ein EU-Exzellenzentrum für Normen eingerichtet, um das vorhandene Fachwissen der Kommission oder der EU-Agenturen besser zu nutzen. Zudem soll die Kooperation zwischen der Kommission und den europäischen Normungsorganisationen verbessert werden, um eine schnellere Veröffentlichung der fertiggestellten Normen im EU-Amtsblatt zu ermöglichen.

Offener, transparenter und inklusiver Normungsprozess

Technische Normen müssen zur Ermöglichung des Green Deal sowie zur Digitalisierung auch ökologische und soziale Aspekte umfassen. Die Kommission äußert sich in diesem Zusammenhang besorgt über die aktuellen Entscheidungsprozesse in den europäischen Normungsorganisationen, da – so die Kommission – nicht proportionale Stimmrechte bestimmten Unternehmensinteressen zugutekommen. Die Kommission wird daher über die Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 Bedingungen für die Bearbeitung europäischer Normungsaufträge stellen. Einen Vorschlag für die Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1025/2012 hat die Kommission bereits vorgelegt. Nach diesem Vorschlag soll zunächst Art. 10 Verordnung (EU) Nr. 1052/2012 dahingehend geändert werden, dass bestimmte Entscheidungen (z.B. die Annahme, Ablehnung und Ausführung von Normungsaufträgen) nur von Vertretern der nationalen Normungsorganisationen im zuständigen Entscheidungsgremium dieser Organisation getroffen werden können. Insbesondere soll der Prozess z.B. durch freien Zugang zu den Normentwürfen, Anwendung von Sondertarifen etc. KMU-freundlicher gestaltet werden. Die europäischen Normungsorganisationen sollen daher bis Ende 2022 Vorschläge zur Änderung ihrer Governance Principles vorlegen. In diesem Zusammenhang unterstreicht die Kommission jedoch die Möglichkeit, technische Spezifikationen in Form von Durchführungsrechtsakten selbst zu regeln. Das hierzu erforderliche Fachwissen soll dann durch das neu zu schaffende EU-Exzellenzzentrum für Normen bereitgestellt werden.

Internationale Bedeutung europäischer Normen stärken

Die Bedeutung europäischer Normen soll international verbessert werden, um den europäischen politischen Zielen auch weltweit mehr Raum zu geben. In vielen sensiblen Bereichen führen andere Regionen der Welt die Ausschussarbeit in den internationalen Normungsorganisationen an, was – so die Kommission – z.T. zur Unvereinbarkeit technischer Lösungen mit den politischen Werten der EU führe. Als Beispiele hierfür nennt die Kommission Lithiumbatterien, die Gesichtserkennung oder ein freies, offenes und zugängliches Internet. Dazu soll insbesondere die Arbeit der Einzelakteure (z.B. einzelner Mitgliedstaaten) auf europäischer Ebene besser koordiniert werden. Diese Aufgabe soll insbesondere das neu zu schaffende EU-Exzellenzzentrum für Normung übernehmen. Außerdem sollen wichtige Partnerregionen, wie Afrika, Lateinamerika und die Karibik besser in die Normungsprozesse eingebunden werden, um ihnen die Übernahme der internationalen Normen zu erleichtern.

Dr. Marthe-Louise Fehse
Rechtsanwältin | Partnerin

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