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Mandanten­information zum neuen Entwurf der Bauprodukte­verordnung

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

am 30. März 2022 hat die Kommission als Teil eines Maßnahmenpaketes zum „European Green Deal“ den Entwurf einer neuen Bauprodukteverordnung (im Folgenden: BauPVO-E) veröffentlicht. Damit soll die bisherige Verordnung (EU) Nr. 305/2011 (EU-Bauprodukteverordnung, EU-BauPVO) aufgehoben und die Verordnung (EU) 2019/1020 (Marktüberwachungsverordnung, MÜV) geändert werden.

Die Revision der EU-BauPVO verfolgt dabei zwei Hauptregelungsziele. So soll der BauPVO-E entsprechend dem „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ als Teil des „European Green Deal“ künftig dazu beitragen, die Klima- und Nachhaltigkeitsziele der Europäischen Union im Bereich der Bauwirtschaft zu verwirklichen. Auch weiteren Politikzielen der Kommission, nämlich die Schaffung einer digitalen und resilienten Wirtschaft, trägt der Entwurf Rechnung. Außerdem sollen zahlreiche Regelungsdefizite, die sich im Rahmen des bereits im Jahr 2016 angestoßenen Revisionsprozesses gezeigt haben, beseitigt werden. Im Fokus stehen dabei Defizite im Zusammenhang mit harmonisierten Normen.

Im Rahmen dieser Mandanteninformation werden wesentliche Neuerungen des Entwurfes dargestellt. Mit Modifikationen des Entwurfs im Zuge des sich nun anschließenden Gesetzgebungsverfahrens ist zu rechnen. Überdies sieht der Entwurf an vielen Stellen die Konkretisierung durch delegierte Rechtsakte der Kommission vor. Eine abschließende Bewertung der Auswirkungen wird erst möglich sein, wenn diese delegierten Rechtsakte ebenfalls vorliegen. Wir werden den Fortschritt des weiteren Verfahrens jedoch auch weiterhin eng verfolgen.

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen.

Und: Bleiben Sie gesund!

Marthe-Louise Fehse und Jens Nusser

1. Regelungskontext und bisheriger Revisionsprozess

Die EU-BauPVO harmonisiert Bedingungen für die Vermarktung von Bauprodukten in der Europäischen Union, um den gemeinsamen Binnenmarkt für Bauprodukte zu stärken. Verbindliche harmonisierte Normen vereinheitlichen anzuwendende Prüfverfahren sowie die anzuwendende Fachsprache abschließend. Dabei besteht eine der Herausforderungen darin, dass Anforderungen an Bauprodukte hinsichtlich des Vertriebes auf europäischer Ebene definiert werden, die Mitgliedsstaaten jedoch für die Anforderungen an bauliche Anlagen zuständig sind. Letzteres wirkt sich dabei reflexartig auf die Vermarktung der Produkte aus.

Der Revisionsprozess, der nun zum vorliegenden Entwurf einer neuen Bauprodukteverordnung geführt hat, wurde bereits 2016 von der EU-Kommission initiiert. Angestoßen durch die sog. James Elliott-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 27. Oktober 2016 – Rs. C-613/14) hatten sich in den vergangenen Jahren Defizite im Normungsverfahren gezeigt. Der EuGH hatte entschieden, dass harmonisierte Normen, die im Anwendungsbereich der EU-BauPVO veröffentlicht wurden, als Unionsrecht einzustufen seien. Dies nahm die Kommission zum Anlass, die Vereinbarkeit der europäischen Normen vertieft mit höherrangigem Unionsrecht zu prüfen. Dabei zeigten sich Defizite bei zahlreichen europäischen Normen, die dazu führten, dass ihre Fundstellen nicht im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden konnten. Dies ist jedoch die Voraussetzung, um als harmonisierte Norm im Anwendungsbereich der EU-BauPVO verbindlich zu werden. Dies führte letztlich zu einem veralteten Normenbestand. Umstritten ist daneben, ob Mitgliedsstaaten „unvollständige“ harmonisierte Normen auf nationaler Ebene vervollständigen dürfen. Zwar hatte der EuGH im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland entschieden, dass harmonisierte Normen abschließend sind und eine nationale Nachregulierung sperren (Urt. v. 14. Oktober 2014 – Rs. C-100/13). Entgegen der herrschenden Ansicht in der Fachliteratur und der Rechtsprechung hatten insbesondere die Länder jedoch weiterhin vertreten, dass eine Nachregulierung auf nationaler Ebene zulässig sei. Aus dem Umstand, dass einige Mitgliedstaaten vermeintliche Regelungslücken in harmonisierten Normen nach wie vor durch nationale Nachregulierungen schließen und dem festgefahrenen Normungsfortschritt, folgerte die Kommission, dass das Ziel, einen gemeinsamen Binnenmarkt für Bauprodukte zu schaffen, durch die EU-BauPVO nicht erreicht ist. Zudem sah die EU-Kommission Mängel bei der Durchführung der mitgliedsstaatlich organisierten Marktüberwachung, die in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich umgesetzt wird. Dies hat zur Folge, dass Nichtkonformitäten nicht immer verfolgt werden und das Vertrauen in die Regelungen schwand. Nach Ansicht der Kommission ist auch das aktuelle Regelungskonzept der EU-BauPVO inkonsistent und ineffektiv. So unterscheidet es sich von dem Konzept des „New Legislative Framework“, was u.a. zu Missverständnissen hinsichtlich der Bedeutung des CE-Kennzeichens führte. Auch sieht die EU-BauPVO unnötige Doppelregelungen (wie z.B. die Bereitstellung von Leistungsinformationen in CE-Kennzeichnung und Leistungserklärung) vor. Unklar ist auch teilweise das Verhältnis zu sich überschneidenden Rechtsakten wie der Ökodesign-Richtlinie oder der Maschinenrichtlinie. Schließlich enthält die geltende EU-BauPVO keine Instrumente, um einen grünen, digitalen und resilienten Binnenmarkt zu gestalten.

2. Ausweitung des Anwendungsbereichs

Der Anwendungsbereich des BauPVO-E wurde im Vergleich zur EU-BauPVO in zweierlei Hinsicht erweitert: Über die Regelungstechnik und die Definition des Anwendungsbereichs.

Derzeit wird der Anwendungsbereich der EU-BauPVO praktisch durch einschlägige harmonisierte Normen oder Europäisch Technische Bewertungen (ETA) bestimmt (Art. 4 Abs. 1 EU-BauPVO). Nur in diesem Fall ist der Hersteller grundsätzlich zur Erstellung einer Leistungserklärung verpflichtet. An die Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung knüpft die EU-BauPVO weitere Herstellerpflichten (z.B. Pflicht zur CE-Kennzeichnung, etc.). Durch diese Regelungstechnik sollte die Harmonisierung des Bauprodukterechts auf europäischer Ebene schrittweise fortgeschrieben werden. Zwar übernimmt der BauPVO-E dies für die Leistungserklärung. Allerdings sieht der BauPVO-E nunmehr unabhängig von diese die Erstellung einer Konformitätserklärung vor. Die Pflicht zur Konformitätserklärung ist jedoch grundsätzlich an den in Art. 2 BauPVO-E definierten Anwendungsbereich geknüpft, welcher unabhängig von dem Vorhandensein einer harmonisierten technischen Spezifikation ist. Dies gilt jedenfalls hinsichtlich der allgemeinen Produktanforderungen in Anhang I Teil D. Hinsichtlich weiterer Produktanforderungen ist dies nur notwendig, wenn die Kommission diese nach Art. 5 Absatz 1 BauPVO-E in Durchführungsmaßnahmen konkretisiert.

Unabhängig von der Änderung der Regelungstechnik wurde auch der Anwendungsbereich selbst neu definiert. Zunächst wurde der Begriff des Bauproduktes ausgeweitet. Erfasst ist nun jeder geformte oder formlosen physische Gegenstand, jeder Bausatz oder jede Baugruppe, der/die produziert wird, um dauerhaft in ein Bauwerk oder Teile davon eingebaut zu werden (Art. 3 Abs. 1 BauPVO-E). Davon erfasst sind auch die Verpackung und die Gebrauchsanleitung dieses Gegenstandes. Neben Bauprodukten soll die Verordnung zukünftig auch für die in Art. 2 Abs. 1 BauPVO-E aufgezählten weiteren Gegenstände gelten:

  • Datensätze, die es vor Ort ermöglichen, 3D-Drucke zu erstellen;
  • Materialien, die zum 3D-Druck vor Ort verwendet werden können;
  • Bauprodukte, die auf der Baustelle hergestellt werden, um sofort in Bauwerke eingebaut zu werden, ohne dass eine gesonderte gewerbliche Handlung für das Inverkehrbringen erforderlich ist;
  • Schlüsselelemente von Bauprodukten (diese müssen als solche in der harmonisierten technischen Spezifikation bezeichnet sein);
  • Teile oder Materialien von erfassten Produkten oder Gegenständen, wenn der Hersteller dieser Teile oder Materialien dies fordert;
  • Bausätze oder Baugruppen, deren Zusammensetzung in harmonisierten technischen Spezifikationen oder europäischen Bewertungsdokumenten spezifiziert und durch diese abgedeckt ist;
  • kleine Einfamilienhäuser in Fertigbauweise, wovon Mitgliedsstaaten aber abweichen können.

Unter den Bedingungen des Art. 2 Abs.2 BauPVO-E können auch gebrauchte Bauprodukte dem Anwendungsbereich unterfallen. Die neue Verordnung soll überdies auch auf 3D-Druck-Dienstleistungen für Bauprodukte und für Gegenstände, die unter diese Verordnung fallen, anwendbar sein.

Ausgeschlossen vom Anwendungsbereich sind hingegen u.a. Aufzüge im Anwendungsbereich der Aufzugsrichtlinie, Sanitärausstattungen, Verkehrssignale und Produkte, die dazu bestimmt sind, mit Trinkwasser in Berührung zu kommen (Art. 2 Abs. 3 BauPVO-E).

3. Inhalte harmonisierter technischer Spezifikationen

Hinsichtlich der harmonisierten technischen Spezifikationen ist zunächst zu beachten, dass der BauPVO-E den Begriff der harmonisierten technischen Spezifikation neu definiert. Bisher fielen darunter harmonisierte Normen und Europäische Bewertungsdokumente. Nach Art. 3 Nr. 46 BauPVO-E fallen darunter nunmehr harmonisierte Normen sowie bestimmte delegierte Rechtsakte der Kommission. Um den zuvor skizzierten Qualitätsproblemen und Verzögerungen im Normungsprozess zu begegnen, sieht der BauPVO-E die Möglichkeit für die Kommission vor, technische, produktbezogene Anforderungen in delegierten Rechtsakten selbst zu regeln. Grundsätzlich soll die Festlegung produktbezogener Regelungen jedoch auch weiterhin in harmonisierten Normen erfolgen. Die von den europäischen Normungsorganisationen fertiggestellten Normen prüft die Kommission auf ihre Übereinstimmung mit den erteilten Normungsmandaten, der BauPVO-E sowie anderem Unionsrecht. Insbesondere, wenn sich dabei Mängel offenbaren, kann die Kommission nach Art. 34 Abs. 4 BauPVO-E die Normen durch delegierte Rechtsakte modifizieren, um sie mit geltendem Recht in Einklang zu bringen. Auch künftig besteht für Hersteller überdies die Möglichkeit ein von ihm hergestelltes Bauprodukt oder einen Gegenstand (sofern dieses bzw. dieser grundsätzlich vom Anwendungsbereich erfasst ist) selbst in das Regelungsregime der BauPVO-E „hineinzudefinieren“, indem er eine ETA beantragt. Dafür sieht Art. 35 Abs. 2 BauPVO-E nun neue Voraussetzungen vor. So darf das Produkt nicht von einer harmonisierten technischen Spezifikation erfasst sein, eine harmonisierte technische Spezifikation zur Veröffentlichung in den nächsten zwei Jahren geplant sein und kein einschlägiges EAD bereits vorhanden sein. Insbesondere die Option, dass ein Wesentliches Merkmal in der harmonisierten Norm nicht vorgesehen ist, fehlt jedoch in dem neuen Entwurf.

Ein Teil des bisherigen Regelungsansatzes der EU-BauPVO, in harmonisierten Normen v.a. Prüfverfahren zu regeln, behält auch der neue Entwurf bei. So werden die harmonisierten Normen auch zukünftig vor allem Prüfverfahren bezüglich der wesentlichen Merkmale enthalten, die zur Bewertung der Grundanforderungen an Bauwerke erforderlich sind, wie sie in Anhang I Teil BauPVO-E geregelt sind. Allerdings ist es daneben nach dem Art. 5 BauPVO-E zukünftig möglich, Produktanforderungen an Bauprodukte zu definieren. Regeln kann die EU-Kommission umweltbezogene Aspekte sowie solche der allgemeinen Produktsicherheit. Unterschieden wird dabei zwischen allgemeinen Anforderungen für alle Bauprodukte und Gegenstände, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen (Anhang I Teil D) sowie spezifischen Anforderungen, die nur zur Anwendung kommen, wenn sie zuvor im Rahmen eines delegierten Rechtsakts durch die Kommission für die Produktfamilie und Kategorien festgelegt wurden (Anhang I Teile B und C).

4. Der „harmonisierte Bereich“ – Abschließende Regelung auf europäischer Ebene

Um der Diskussion um die abschließende Wirkung zu begegnen, schärft die Kommission die entsprechenden Regelungen im BauPVO-E nach. Zunächst übernimmt der BauPVO-E die aktuelle Regelung aus Art. 8 Abs. 3 bis 5 EU-BauPVO in Artikel 16 BauPVO-E. Nach Art. 16 Abs. 6 BauPVO-E darf ein Mitgliedstaat die Bereitstellung auf dem Markt oder die Verwendung nicht untersagen oder behindern, wenn die erklärten Leistungen den Anforderungen für diese Verwendung in dem betreffenden Mitgliedstaat entsprechen. Diese Regelung entspricht wörtlich der derzeitigen Fassung des Art. 8 Abs. 4 EU-BauPVO.

Darüber hinaus definiert Art. 7 BauPVO-E erstmals den „harmonisierten Bereich“. Eine entsprechende Vorschrift in der EU-BauPVO gibt es nicht. Danach müssen die Mitgliedstaaten den harmonisierten Bereich respektieren, wenn sie nationale Regelungen erlassen möchten. Insbesondere dürfen sie zusätzlich zu den Anforderungen des harmonisierten Bereichs keine weiteren Anforderungen stellen. Art. 7 Abs. 2 BauPVO-E enthält eine nicht abschließende Liste mit Maßnahmen, welche den Mitgliedstaaten verboten sind. Hierzu zählen u.a. Informationen, Registrierungen oder andere Anforderungen, die nicht im harmonisierten Bereich vorgesehen sind.

Allerdings gibt die Kommission den Mitgliedstaaten zukünftig ein Verfahren an die Hand, welches es den Mitgliedstaaten ermöglicht, aus ihrer Sicht unvollständige harmonisierte technische Spezifikationen auf nationaler Ebene zu vervollständigen. Entsprechende Regelungen dazu trifft Art. 7 in den Absätzen 4 und 5 BauPVO-E bezüglich der Voraussetzungen und dem Verfahren. So müssen die Mitgliedsstaaten der Kommission die Nachregulierung melden, die Regelung rechtfertigen und Beweise dafür vortragen, dass noch keine ausreichende Regelung auf europäischer Ebene verfügbar ist. Die Zulässigkeit nationaler Regelungen steht jedoch unter dem Genehmigungsvorbehalt der Kommission. Durch eine Absichtserklärung, eine entsprechende Regelung innerhalb eines Jahres auf europäischer Ebene zu etablieren, kann die Kommission die nationale Regelung sperren. Auch müssen die Mitgliedstaaten ihre nationale Gesetzgebung, welche die Verwendung der harmonisierten Bauprodukte beeinträchtigt, im Single Digital Gateway registrieren, um Wirtschaftsakteuren zentral entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen.

5. Adressierte Wirtschaftsakteure

Der BauPVO-E erweitert den Kreis der verpflichteten Wirtschaftsakteure. Neben den „klassischen“ Wirtschaftsakteuren (Hersteller, Importeure, Händler und Bevollmächtigte) sind nun Pflichten für Fulfilment-Dienstleister, 3D-Druck-Dienstleister, Online-Shops, Makler, Lieferanten, Produzenten, Eigenmarkenhersteller sowie weitere Personen, die Bauprodukte herstellen, zur Wiederverwendung abbauen, wiederaufbereiten oder wiederverpacken, hinzugekommen.

6. Pflichten der Wirtschaftsakteure

1. Erstellen von Leistungserklärung und Konformitätserklärung / Umweltbezogene Anforderungen / Kennzeichnung

Der Hersteller muss auch zukünftig grundsätzlich eine Leistungserklärung erstellen und das CE-Kennzeichen anbringen. Die Erstellung einer Konformitätserklärung ist hingegen – wie oben bereits erwähnt – hingegen neu. Gänzlich neu sind auch die umweltbezogenen Anforderungen an den Hersteller in Art. 22 BauPVO-E. Danach muss der Hersteller die umweltbezogenen Anforderungen nach Maßgabe der harmonisierten technischen Spezifikationen prüfen und hierfür eine Software nutzen, welche die Kommission auf ihrer Homepage zur Verfügung stellen wird. Neu ist ebenfalls, dass der Hersteller festlegen muss, ob es sich bei dem fraglichen Produkt oder Gegenstand um ein Verbraucherprodukt handelt. Falls dies nicht der Fall sein soll, ist nach Art. 21 Abs. 5 BauPVO-E eine Kennzeichnung mit „Only for professional use“ notwendig. Darüber hinaus ist der Hersteller nach Art. 19 Abs.6 BauPVO-E verpflichtet, die Informationen aus der Leistungserklärung sowie der Konformitätserklärung in eine noch zu etablierende Produktdatenbank hochzuladen. Zur Umsetzung der Umweltziele in der Baubranche stellt Art. 22 Abs. 2 BauPVO-E erstmalig umfangreiche Umweltanforderungen an Produkte auf, die an die Regelungen für Durchführungsmaßnahmen nach der Ökodesign-Richtlinie erinnern. Beispielsweise sind Produkte grundsätzlich so zu konzipieren sind, dass ihre die Umwelt- und Klimanachhaltigkeit den Stand der Technik erreicht. Auch sind vorrangig Ausgangsmaterialien einzusetzen, die recyclingfähig sind oder bereits selbst recycelt wurden. Weiterhin sollen Bauprodukte so gestaltet werden, dass sie einfach repariert, wiederaufbereitet und aufgerüstet werden können. Schließlich müssen die Hersteller gewisse Informationspflichten erfüllen. Diese abstrakten Vorgaben kann die EU-Kommission nach Art. 22 Abs. 4 BauPVO-E in Durchführungsmaßnahmen konkretisieren oder in einen Normungsauftrag aufnehmen.

2. Pflichten weiterer Wirtschaftsakteure

Nach Artikel 27 Abs. 2 BauPVO-E müssen Fulfilment-Dienstleister, Makler, Online-Market Places und Online-Shops zukünftig bereits vor Vertragsschluss die Informationen zur Verfügung stellen, die als Etikett auf dem Produkt angebracht werden müssen; also auch die Informationen des CE-Kennzeichens. Weiterhin sind sie auch verpflichtet, Angebote nicht-konformer Bauprodukte und Gegenstände zu entfernen und ggf. die Marktüberwachungsbehörden zu informieren sowie bei Produktrückrufen o.ä. Maßnahmen zu unterstützen. Schließlich müssen Online-Marketplaces ihren Kunden eine Plattform für Beschwerden einrichten sowie einen eigenen Ansprechpartner für die Marktüberwachungsbehörden vorhalten. Wirtschaftsakteure, die gebrauchte Produkte zur Wiederverwendung deinstallieren oder wiederverwenden, müssen gemäß Art. 29 BauPVO-E Protokolle darüber abfassen und bereithalten, wo und unter welchen Bedingungen das Produkt eingesetzt wurde und wie lange es verwendet wurde.

Lieferanten und Produzenten müssen nach Art. 30 BauPVO-E Informationen über die umweltbezogene Nachhaltigkeit bereitstellen bzw. diese ermitteln lassen sowie ggf. überprüfen lassen. Auch Online-Shops außerhalb der EU werden dann in die Pflicht genommen, wenn sich ihre Online-Shops objektiv an Unionsbürger richten.

7. Vereinfachte Verfahren

Der neue BauPVO-E sieht nach wie vor die Möglichkeit vereinfachter Verfahren zur Leistungsbestimmung und – Kontrolle vor. Weitere Erleichterungen sind v.a. für gebrauchte Produkte vorgesehen. Nach den Regelungen der Art. 10 Abs. 2 und 13 Abs. 1 BauPVO-E können Mitgliedstaaten für wiederaufbereitete Bauprodukte Ausnahmen von der Pflicht, eine Leistungserklärung oder Konformitätserklärung zu erstellen, zulassen, wenn das Bauprodukt innerhalb des Mitgliedstaates verwendet wird. Darüber hinaus legt Art. 12 BauPVO-E abweichende Anforderungen an die Leistungserklärung von gebrauchten oder wiederaufbereiteten Produkten oder Überschussware fest. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die bereits vom ursprünglichen Hersteller ausgestellte Leistungserklärung wiederverwendet werden.

8. Marktüberwachung

Um die in den Mitgliedstaaten unterschiedlich aufgestellte Marktüberwachung zu vereinheitlichen, enthält der BauPVO-E auch in diesem Bereich Neuerungen. In Art. 68 Abs. 1 BauPVO-E kündigt die Kommission ein eigenes Beschwerdeportal an, in dem jede natürliche oder juristische Person Beschwerden über mögliche Nicht-Konformitäten anbringen kann. Sind diese relevant und substantiiert, leitet die Kommission sie an die betroffene nationale Marktüberwachungsbehörde weiter. Alle Mitgliedsstaaten müssen nach Art.68 BauPVO-E künftig eine nationale Marktüberwachungsbehörde bestimmen, die zentral für den für den grenzüberschreitenden Kontakt zuständig ist. Zudem müssen sie eine oder mehrere Behörden auswählen, welche Produkte sowohl rechtlich als auch technisch überprüfen können. Nach Art. 73 BauPVO-E wird die Kommission ermächtigt, die Mindestpersonalressourcen der Marktüberwachungsbehörden sowie die Mindestanzahl der Kontrollen durch delegierte Rechtsakte festzulegen.

9. Notifizierte Stellen

Mit der BauPVO-E wird sich bei gleich gebliebenem Regelungskonzept und Notifizierungsverfahren jedoch das Aufgabenfeld der notifizierten Stellen leicht verändern. So sollen diese gemäß Art. 60 BauPVO-E zukünftig auch die Leistung und Konformität der Bauprodukte bestimmen und die Kalkulation der umweltbezogenen Nachhaltigkeit des Herstellers prüfen. Dokumente und Verwaltungsentscheidungen der Arbeitsgruppe der notifizierten Stellen sind künftig als allgemeine Leitlinie zu Grunde zu legen.

10. Verhältnis zum Entwurf der Ökodesign-Verordnung

Da der BauPVO-E Teil eines ganzen Maßnahmenpaketes ist, stellen sich damit natürlich auch Fragen des Verhältnisses zu diesen neuen Rechtsakten. Das zeigt sich deutlich am Verhältnis zur neuen Ökodesign-Verordnung, welche die geltende Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG ablösen soll.

Bauprodukte fallen zwar in den Anwendungsbereich der Ökodesign-Verordnung, entsprechende Ökodesignanforderungen sollen jedoch auch weiterhin nach den Vorgaben der (neuen) Bauprodukte-Verordnung erlassen werden, weil die produktspezifischen Regelungen der Bauprodukten-Verordnung den Regelungen der Ökodesign-Verordnung grundsätzlich vorgehen. Anders soll dies nach Auffassung der Kommission jedoch im Hinblick auf energieverbrauchsrelevante Bauprodukte (Fenster, Außentüren etc.) sein. Hersteller von energieverbrauchsrelevanten Bauprodukten müssten dann also bezüglich den Ökodesign-Aspekten ihrer Produkte die Ökodesign-Verordnung in Verbindung mit ggf. bestehenden Durchführungsrechtsakten und bezüglich des spezifischen Charakters als Bauprodukt zudem auch die Anforderungen der Bauprodukte-Verordnung beachten.

11. Inkrafttreten

Die neue Verordnung soll 2025 in Kraft treten. Bei der Angabe in Art. 92 BauPVO-E, dass die derzeit geltende EU-BauPVO am 1. Januar 2045 außer Kraft tritt, handelt es sich um einen redaktionellen Fehler.

Der Textentwurf kann hier heruntergeladen werden.

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Dr. Marthe-Louise Fehse
Rechtsanwältin | Partnerin

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