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Mandanteninformation - Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

im Juni 2023 wurde die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (Verordnung (EU) 2023/1115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt und ihre Ausfuhr aus der Union sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 995/2010) im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Verordnung sieht umfangreiche neue Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vor, die u.a. Hersteller, Importeure und Händler von Erzeugnissen, die relevante Rohstoffe wie Kautschuk oder Holz enthalten, adressieren. Die Verordnung gilt grundsätzlich und für die meisten Marktteilnehmer ab dem 30. Dezember 2024.

Die Verordnung zielt darauf ab, die weltweite Entwaldung und Waldschädigung einzudämmen und den Beitrag der Europäischen Union zu Treibhausgasen und den Verlust der Biodiversität zu verringern. Der Gesetzgeber verspricht sich eine Reduktion der durch den Konsum und die Produktion der fraglichen Erzeugnisse verursachten CO2-Emissionen in die Atmosphäre von mindestens 31,9 Mio. Tonnen pro Jahr. Um dieses Ziel zu erreichen, greift die Verordnung sowohl auf typische Regelungselemente des Produktrechts als auch auf typische Regelungselemente der Lieferkettencompliance zurück. Das Ergebnis ist eine Verordnung mit weitreichenden Sorgfaltspflichten, deren Nichtbeachtung zugleich über ein Vertriebsverbot verhältnismäßig streng sanktioniert wird.

Das gesamte Produktrechtsteam wünscht Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen.

Herzliche Grüße

Ihr Franßen & Nusser Produktrechtsteam

I. Marktteilnehmer und Händler von relevanten Rohstoffen und Erzeugnissen als Adressaten

Inhalt der Verordnung ist die Regulierung des Inverkehrbringens und Bereitstellens auf dem Markt von sog. relevanten Rohstoffen und relevanten Erzeugnissen. Relevante Rohstoffe sind Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalme, Kautschuk, Soja und Holz. Relevante Rohstoffe sind Erzeugnisse, die in Anhang I der Verordnung aufgeführt sind und die relevante Rohstoffe enthalten, mit diesen gefüttert wurden oder unter deren Verwendung hergestellt wurden. Erfasst sind beispielsweise Holzwerkstoffe oder Holzmöbel, Kleidung und Bekleidungszubehör aus Weichkautschuk, Luftschläuche aus Kautschuk oder sonstige Erzeugnisse aus Weich- oder Hartkautschuk.

Die Verordnung adressiert Marktteilnehmer und Händler. Marktteilnehmer ist jede natürliche oder juristische Person, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringt oder aus dem Unionsmarkt ausführt (Art. 2 Nr. 15 der Verordnung). Hierunter fallen u.a. Hersteller und Importeure relevanter Erzeugnisse. Händler ist jede Person in der Lieferkette, mit Ausnahme des Marktteilnehmers, die im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt bereitstellt (Art. 2 Nr. 17 der Verordnung), d.h. Wirtschaftsakteure, die dem Importeur oder dem Hersteller in der Lieferkette nachgelagert sind. Bereitstellen ist die Abgabe eines relevanten Rohstoffes oder eines relevanten Produkts auf dem Markt der europäischen Union im Rahmen einer Geschäftstätigkeit zum Vertrieb oder zur Verwendung. Inverkehrbringen ist jeweils die erstmalige Bereitstellung auf dem Markt der Union. Diese Definitionen stammen aus dem New Legislative Framework und sind daher an die bekannten Definitionen aus dem Produktsicherheitsrecht angelehnt. Die Kategorie des Marktteilnehmers sieht das europäische Produktrecht sonst nicht vor. Der Unterschied hier ist, dass auch solche Unternehmen erfasst werden, die relevante Erzeugnisse aus der Union ausführen. Der Export von Produkten ist im europäischen Produktrecht sonst nicht geregelt. Hat ein Marktteilnehmer seinen Sitz außerhalb der EU und vertreibt er seine Produkte direkt in der EU, gilt derjenige Wirtschaftsakteur als Marktteilnehmer, der dieses in der EU auf dem Markt bereitstellt (Art. 7 der Verordnung).

Es wird weiter differenziert, zwischen Marktteilnehmern die KMU („KMU-Marktteilnehmer“) sind und zwischen Marktteilnehmern, die keine KMU sind („nicht-KMU-Marktteilnehmer“). KMU sind Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen im Sinne der Richtlinie 2013/34/EU. Kleinstunternehmen sind danach Unternehmen, die weniger als zehn Mitarbeitende und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Mio. EUR haben. Kleine Unternehmen sind Unternehmen, die weniger als 50 Mitarbeitende und einen Jahresumsatz oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 10 Mio. EUR haben. Mittlere Unternehmen sind Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeitende und einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. EUR oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. EUR haben. Auch bei Händlern wird zwischen „KMU-Händlern“ und „nicht-KMU-Händlern“ unterschieden.

Entgegen dem Wortlaut erfassen die Definitionen nicht nur juristische Personen im engeren Sinne (z.B. GmbH und Aktiengesellschaften), sondern auch sonstige rechtsfähige Personengesellschaften (KG, OHG, GbR), wie Art. 2 Nr. 20 der Verordnung klarstellt.

II. Pflichten der Marktteilnehmer

Die Pflichten der Marktteilnehmer sind in Art. 4 der Verordnung zusammengefasst, wobei Art. 4 Abs. 1 der Verordnung vor allem auf das in Art. 3 der Verordnung normierte Vertriebsverbot sowie die in Art. 8 der Verordnung zusammengefassten Sorgfaltspflichten verweist.

1. Vertriebsverbot als Eckpfeiler der Verordnung

Als „Eckpfeiler“ der Verordnung verbietet Art. 3 grundsätzlich das Bereitstellen der in den Anwendungsbereich fallenden Rohstoffe und Erzeugnisse auf dem Markt der Union. Das Verbot besteht ausnahmsweise nicht, wenn die Rohstoffe und Produkte die folgenden (kumulativen) Voraussetzungen erfüllen: (1.) Sie sind entwaldungsfrei; (2.) sie sind gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt und (3.) für sie liegt eine Sorgfaltserklärung vor. Ausreichend für ein Vertriebs- und Ausfuhrverbot ist bereits, dass die relevanten Erzeugnisse, dass ein nicht vernachlässigbares Risiko dahingehend besteht, dass die relevanten Erzeugnisse nichtkonform sind und/oder der Marktteilnehmer nicht in der Lage war, den Sorgfaltspflichten zu erfüllen (Art. 4 Abs. 4 der Verordnung). Ein nicht vernachlässigbares Risiko bezeichnet das Risikoniveau, das bei relevanten Rohstoffen und relevanten Erzeugnissen vorliegt, wenn bei diesen aufgrund einer vollständigen Bewertung der produktspezifischen und der allgemeinen Informationen sowie ggf. der Anwendung geeigneter Risikominderungsmaßnahmen kein Anlass zur Besorgnis darüber besteht, dass sie nicht entwaldungsfrei sind oder nicht nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt wurden (Art. 2 Nr. 26 der Verordnung).

Entwaldungsfrei sind die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse, wenn sie u.a. relevante Rohstoffe enthalten, die auf Flächen produziert wurden, die nach dem 31. Dezember 2020 nicht entwaldet wurden und falls die Erzeugnisse Holz enthalten, dass Holz aus einem Wald geschlagen wurde, ohne dass es dort nach dem 31. Dezember 2020 zu Waldschädigung gekommen ist. Ein Wald ist eine Fläche von mehr als 0,5 Hektar mit Bäumen, die höher als fünf Meter sind und einen Überschirmungsgrad von mehr als 10 % aufweisen oder mit Bäumen, die in der Lage sind, diese Schwellenwerte an Ort und Stelle zu erreichen, ausgenommen landwirtschaftliche Plantagen und Flächen, die überwiegend landwirtschaftlich oder städtisch genutzt werden (Art. 2 Nr. 4 der Verordnung). Entwaldung ist die Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftlich genutzte Fläche (Art. 2 Nr. 3 der Verordnung).

Die Sorgfaltserklärung muss der Marktteilnehmer an die zuständigen Behörden übermitteln, bevor er die Rohstoffe oder Erzeugnisse auf dem Unionsmarkt in den Verkehr bringt (Art 4 Abs. 2 der Verordnung). Hierfür soll ein spezielles Informationssystem etabliert werden (Art. 33 der Verordnung). Mit der Erklärung bestätigt der Marktteilnehmer, dass er eine Sorgfaltsprüfung vorgenommen und kein oder lediglich ein vernachlässigbares Risiko festgestellt wurde. Die Erklärung muss außerdem die in Anhang II der Verordnung näher konkretisierten Informationen enthalten und soll elektronisch und übertragbar sein. Hierzu gehören neben den Identifikations- und Kontaktdaten des Marktteilnehmers, u.a. das Herstellungsland sowie die Geolokalisierungskoordinaten (Längen- und Breitengrad).

Voraussetzung für die Abgabe der Sorgfaltserklärung ist, dass der Marktteilnehmer nach Durchführung seiner Sorgfaltspflichten zu dem Schluss kommt, dass das relevante Erzeugnis nicht dem Vertriebsverbot des Art. 3 der Verordnung unterliegt.

2. Die einzelnen Sorgfaltspflichten

Die Sorgfaltspflichten fasst Art. 8 der Verordnung zusammen. Danach muss der Marktteilnehmer Informationen, Daten und Unterlagen sammeln, diese einer Risikobewertung unterziehen sowie ggf. Maßnahmen zur Risikominderung treffen. Die Durchführung der Sorgfaltspflichten dient dem Nachweis, dass die relevanten Erzeugnisse den Anforderungen des Art. 3 der Verordnung entsprechen. Von den Sorgfaltspflichten ausgenommen sind Rohstoffe und Produkte, die anderenfalls als Abfall entsorgt worden wären. Ausdrücklich nicht ausgenommen sind jedoch Nebenprodukte im abfallrechtlichen Sinne.

a) Informationssammlung

Marktteilnehmer müssen Informationen, Unterlagen und Daten sammeln, aus denen hervorgeht, dass die relevanten Rohstoffe und Erzeugnisse nicht gegen das in Art. 3 der Verordnung genannten Verbot verstoßen. Die Informationen, die der Marktteilnehmer sammeln muss, sind in Art. 9 Abs. 1 der Verordnung aufgeführt. Hierzu zählen beispielsweise eine Beschreibung einschließlich des Handelsnamens des relevanten Erzeugnisses, die Angabe der Menge, des Erzeugerlandes, die Koordinaten der Geolokalisierung, die Kontaktdaten der Lieferanten, Informationen über die Kriterien der Entwaldungsfreiheit, Informationen zur Einhaltung der Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes. Die Beschreibung des relevanten Erzeugnisses enthält auch eine Liste mit relevanten Erzeugnissen und relevanten Rohstoffen, die in dem relevanten Erzeugnis enthalten sind. Wie die Menge anzugeben ist, regelt Art. 9 Abs. 1 lit. b der Verordnung im Detail (Maßeinheiten, Stückzahl, etc.). Bei der Angabe des Erzeugerlandes müssen ggf. Landesteile genannt werden. Nicht ausreichend ist, die genannten Informationen und Daten lediglich zu sammeln, erforderlich ist vielmehr, dass für die Informationen jeweils Nachweise hinterlegt werden. Diese Dokumentation muss fünf Jahre nach dem Inverkehrbringen aufbewahrt werden und auf Verlangen den zuständigen Behörden vorgelegt werden.

b) Risikobewertung und Risikominderung

Auf Grundlage der gesammelten Informationen müssen die Marktteilnehmer eine Risikobewertung durchführen und Maßnahmen zur Risikominimierung ergreifen.

Im Rahmen der Risikobewertung muss das Risiko einer Nichtkonformität analysiert werden. Bei der Risikobewertung müssen bestimmte Kriterien berücksichtigt werden, welche Art. 10 Abs. 2 der Verordnung auflistet. Dazu zählen beispielsweise die Komplexität der Lieferkette, Die Präsenz von Wäldern im Herkunftsland bzw. dem Herkunftslandesteil, die Quelle und Zuverlässigkeit der gesammelten Informationen, Häufigkeit der Entwaldung im Erzeugerland, Erfahrungen aus der Lieferkette, die Präsenz von indigenen Völkern im Erzeugerland sowie der Schlussfolgerungen einer bei der Kommission einzurichtenden Sachverständigengruppe. Die Risikobewertung muss durch den Marktteilnehmer mindestens jährlich überprüft werden sowie dokumentiert werden. 

Ein Kriterium ist die Risikozuordnung des Erzeugerlandes bzw. dem betreffenden Landesteil nach dem nach Art. 29 der Verordnung zu etablierenden „Benchmarking-System“. Hierzu soll die EU-Kommission eine Liste erarbeiten, die in Form eines delegierten Rechtsakts veröffentlicht wird, wobei vorgesehen ist, dass zunächst alle Herkunftsländer als Länder mit normalem Risiko eingestuft werden und die Kommission anschließend Abweichungen hiervon festlegt. Das Verfahren wird in Art. 29 der Verordnung beschrieben. Es sieht ein dreistufiges System zur Bewertung von Ländern oder Landesteilen vor, wonach eine Zuordnung zu geringen, normalen und hohen Risiken stattfinden soll. Bei der Risikoermittlung soll die EU-Kommission u.a. Kriterien wie das Ausmaß der Entwaldung und Waldschädigung, Erzeugungstrends bei relevanten Rohstoffen und Erzeugnissen oder die Beteiligung an internationalen Abkommen über die Entwaldung berücksichtigen. Bei der Risikobewertung tritt die EU-Kommission mit den Erzeugerländern in einen Dialog ein und bezieht die von den Erzeugerländern übermittelten Informationen in die Bewertung ein. Im Rahmen dessen sollen auch Partnerschaften und Kooperationen mit den Erzeugerländern forciert werden.

Da ein Erzeugnis, dessen Risikobewertung ein mehr als nur vernachlässigbares Risiko der Nichtkonformität ergeben hat, nicht in den Verkehr bzw. ausgeführt werden dürfen, muss der Marktteil-nehmer auch Maßnahmen zur Risikominderung treffen, wenn er die Erzeugnisse in den Verkehr bringen will. Dazu kann der Marktteilnehmer z.B. zusätzliche Informationen, Daten oder Unterlagen anfordern oder unabhängige Audits durchführen (Art. 11 Abs. 1 der Verordnung). Allerdings zielen diese Maßnahmen in erster Linie auf die Risikominimierung durch die Schaffung einer ausreichenden Datenlage ab. Die Ursachen für eine feststehende Nichtkonformität eines relevanten Erzeugnisses lassen sich hierdurch regelmäßig nicht beseitigen. Zur Risikominderung muss der Marktteilnehmer über verhältnismäßige Strategien und Verfahren verfügen, über die er das Risiko der Nichtkonformität wirksam steuern kann. Hierzu zählt u.a. die Einführung von Modellverfahren, die Benennung eines Compliance-Beauftragten auf Führungsebene sowie die Überprüfung der Maßnahmen durch eine unabhängige Prüfstelle bei nicht-KMU-Marktteilnehmern. Auch dieses System muss einmal jährlich überprüft und ggf. schon früher aktualisiert werden, wenn dies erforderlich wird.

c) Sorgfaltspflichtenregelung

Der betroffene Marktteilnehmer muss zudem ein unternehmensspezifisches Compliance-System einführen, welches Maßnahmen und Verfahren beschreibt, durch welche die Sorgfaltspflichten in die Praxis umgesetzt werden, die sog. Sorgfaltspflichtregelung (Art. 12 Abs. 1 und Abs. 2 der Verordnung). Hierzu zählt beispielsweise die Benennung von Zuständigkeiten im Unternehmen oder die Einführung spezifischer Prozesse, welche z.B. die Prüfung des Vertriebsverbots des Art. 3 der Verordnung sicherstellen. Auch die Sorgfaltsregelung muss mindestens jährlich aktualisiert werden. Sofern neue Erkenntnisse vorliegen, welche Auswirkungen auf die Effektivität der Sorgfaltsregelung haben, muss sie ggf. schon früher angepasst werden. Die Umsetzung der Sorgfaltspflichten im eingerichteten Compliance-System und seine Aktualisierung müssen dokumentiert werden. Die Dokumentation muss fünf Jahre aufbewahrt werden.

Marktteilnehmer, die keine KMU (einschließlich Kleinstunternehmen und natürliche Personen) sind, unterliegen einer jährlichen Berichtspflicht über die Sorgfaltsregelung. Der Bericht muss (auch im Internet) öffentlich zugänglich sein (Art. 12 Abs. 3 der Verordnung). Art. 12 Abs. 4 der Verordnung listet auf, welche Informationen zu dem relevanten Rohstoff selbst in dem Bericht aufgeführt werden müssen. Hierzu zählen u.a. allgemeine Informationen zur Identifikation des relevanten Rohstoffs, das Ergebnis der Risikobewertung, die ergriffenen Maßnahmen zur Risikominderung, eine Erläuterung der verwendeten Informationen sowie ggf. eine Beschreibung des Prozesses zur Konsultation indigener Völker.

Art. 12 Abs. 3 der Verordnung legt bereits an, dass Berichtpflichten mehrerer Unionsrechtsakte, welche Sorgfaltspflichten in der Lieferkette adressieren, in einem einzigen Bericht behandelt werden dürfen. Perspektivisch umfasst dies die Berichtspflicht nach der geplanten Sorgfaltspflichtenrichtlinie der EU, die sich derzeit noch im Gesetzgebungsverfahren befindet. Nicht umfasst hiervon ist die Berichterstattung nach dem LkSG, da es sich hierbei nicht um einen Rechtsakt der Union, sondern um einen nationalen Rechtsakt handelt.

d) Sonstige Informationspflichten

In der Lieferkette sind die Marktteilnehmer verpflichtet, den nachgelagerten Marktteilnehmern und den Händlern die Informationen zur Verfügung zu stellen, welche nachweisen, dass sie ihre Sorgfaltspflicht erfüllt haben und dass die Erzeugnisse konform sind. Hierzu zählt auch die Mitteilung der Referenznummer der jeweiligen Sorgfaltserklärung. Erlangt ein Marktteilnehmer Kenntnis darüber, dass ein von ihm in den Verkehr gebrachtes relevantes Erzeugnis möglicherweise nicht den Anforderungen der Verordnung entspricht, muss er dies unverzüglich der zuständigen Behörde sowie dem nachgelagerten Marktteilnehmer bzw. Händler mitteilen (Art. 4 Abs. 4 der Verordnung).

e) Dokumentationspflicht

Über die bereits genannten spezifischen Pflichten zur Dokumentation und Aufbewahrung hinaus, müssen sämtliche Nachweise, welche die Durchführung der Sorgfaltspflichten belegen, gesammelt und mindestens fünf Jahre aufbewahrt werden. Es empfiehlt sich hierzu sowohl ein allgemeines Dossier sowie produktspezifische Dossiers anzulegen, damit die Informationen den Behörden im Falle eines Marktüberwachungsverfahrens schnell zur Verfügung gestellt werden können. Durch die Aufspaltung der produktspezifischen Informationen wird sichergestellt, den Behörden im Bedarfsfall nur die verfahrensgegenständlichen Unterlagen vorlegen zu müssen, da eine Auswahl getroffen werden kann.

3. Vereinfachte Sorgfaltspflichten bei geringem Risiko

Vereinfachte Sorgfaltspflichten sollen gelten, wenn der Marktteilnehmer die Herkunft aus Erzeugerländern mit geringen Risiken nachweisen kann (Art. 13 der Verordnung). Diese Risikoeinstufung ergibt sich aus dem bereits oben unter Abschnitt II. 2. lit. b) angesprochenen Benchmarking-System.

4. Erleichterung der Sorgfaltspflichten bei Weitergabe in der Lieferkette

Werden relevante Erzeugnisse in anderen relevanten Erzeugnissen verarbeitet, müssen die Sorgfaltspflichten u.U. durch den verarbeitenden Marktteilnehmer nicht erneut durchgeführt werden. Dies setzt zunächst voraus, dass ein anderer Marktteilnehmer die Sorgfaltspflichten für das enthaltene relevante Erzeugnis bereits erfüllt hat. Weitere Bedingungen definieren Art. 4 Abs. 8 und Abs. 9 der Verordnung. KMU-Marktteilnehmer müssen auf Verlangen der Behörden die Referenznummer der Sorgfaltserklärung des enthaltenen oder verarbeiteten relevanten Erzeugnisses vorlegen. Nicht-KMU-Marktteilnehmer müssen sich vergewissern, dass der vorherige Marktteilnehmer die Sorgfaltspflichten erfüllt hat. Sie müssen außerdem eine eigene Sorgfaltserklärung vorlegen, in der sie auf die Referenznummer der bereits bestehenden Sorgfaltserklärung verweisen dürfen. Diese Erleichterungen entbinden die betroffenen Marktteilnehmer jedoch nicht von der Verantwortung, die Voraussetzungen für das Inverkehrbringen selbst zu prüfen.

III. Pflichten der Händler

Händler, die keine KMU sind, werden wie nicht-KMU-Marktteilnehmer behandelt und müssen insbesondere das Vertriebsverbot, die Sorgfaltspflichten und die Pflicht zur Erstellung und Übermittlung der Sorgfaltserklärung daher ebenso erfüllen. Für KMU-Händler definiert Art. 5 der Verordnung hingegen abweichende Pflichten. KMU-Händler müssen Informationen über die Lieferanten (Name, eingetragene Handelsmarke, Anschrift, E-Mailadresse und ggf. Internetadresse) und die entsprechenden Daten der Belieferten sammeln. Außerdem müssen sie die Referenznummern der Sorgfaltserklärungen speichern. Diese Informationen müssen sie mindestens fünf Jahre nach der Bereitstellung auf dem Markt aufbewahren. Sie sind überdies verpflichtet, die zuständigen nationalen Behörden sowie die Händler, die sie beliefert haben, unverzüglich zu informieren, falls sie den begründeten Verdacht haben, dass die gehandelten Erzeugnisse nicht den Anforderungen der Verordnung entsprechen.

IV. Marktüberwachung und Sanktionen

Zur Kontrolle der Marktteilnehmer und Händler soll eine Marktüberwachung etabliert werden. Hier nimmt die Verordnung Anleihen aus dem europäischen Produktrecht. Die Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten, Behörden für die Kontrolle der Marktteilnehmer und Händler zu etablieren. Welche Behörde in Deutschland hierfür eingesetzt werden wird, wird sich erst aus dem nationalen Umsetzungsgesetz ergeben. Vorgesehen sind sowohl Kontrollen im Sinne der präventiven als auch der reaktiven Marktüberwachung. Zur Durchführung der präventiven Marktüberwachung sollen die nationalen Behörden risikobasierte Kontrollpläne aufstellen. Außerdem erhalten die Behörden Befugnisse, um Marktüberwachungsmaßnahmen zu ergreifen. Hierzu gehören Maßnahmen wie die Anordnung der Rücknahme oder des Rückrufs vom Markt, die Anordnung formelle Verstöße zu beheben und weitere Korrekturmaßnahmen. Flankiert werden die Kontrollen der Marktüberwachungsbehörden durch Kontrollen der Zollbehörden bei der Einfuhr der betroffenen Produkte und Rohstoffe.

Neben der initiativ behördlichen Kontrolle sieht die Verordnung überdies einen Anzeigekanal für Dritte (Unternehmen oder Privatpersonen) vor. Art. 30 der Verordnung sieht dabei ausdrücklich vor, dass den Dritten die Möglichkeit gegeben werden muss, die Reaktion der Behörde in einem Rechtsmittelverfahren überprüfen zu lassen.

Neben den Marktüberwachungsmaßnahmen sind außerdem Sanktionen für Verstöße vorgesehen. Art. 25 der Verordnung gibt dabei den Rahmen vor, während die Ausgestaltung individuell durch die Mitgliedstaaten vorgenommen wird. Wie diese Rahmen in Deutschland ausgestaltet werden wird, ist noch nicht bekannt. Neben Geldbußen, die sich bei wiederholten Verstößen schrittweise erhöhen sollen und mindestens den wirtschaftlichen Gewinn abschöpfen sollen, ist u.a. auch der Ausschluss von öffentlichen Vergabeverfahren sowie ein vorübergehendes Handelsverbot bei schwerwiegenden oder wiederholten Verstößen vorgesehen. Die Kommission muss von den Mitgliedstaaten über derartigen Sanktionen informiert werden. Diese veröffentlicht die Sanktion und den Grund für die Verhängung der Sanktion unter Nennung des Namens des Marktteilnehmers auf ihrer Website (Art. 25 Abs. 3 der Verordnung).

V. Inkrafttreten und Übergangsbestimmungen

Die Verordnung ist bereits im Ende Juni 2023 in Kraft getreten. Nach ihrem Inkrafttreten haben die Marktteilnehmer und Händler bis zum 30. Dezember 2024 Zeit, um die Sorgfaltspflichten umzusetzen. Sofern es sich bei den Marktteilnehmern oder Händlern um Kleinstunternehmen bzw. kleine Unternehmen handelt, gelten die entsprechenden Vorschriften erst ab dem 30. Juni 2025. Eine Rückausnahme gilt, soweit diese Marktteilnehmer bereits jetzt von der Holzhandelsverordnung betroffen sind. Als Stichtag für die Bestimmung, ob es sich bei dem Marktteilnehmer um ein Kleinstunternehmen oder kleines Unternehmen handelt, ist der 31. Dezember 2020 bestimmt. Die neue Verordnung soll die Holzhandelsverordnung (Verordnung (EU) 995/2010) ersetzen.

VI. Vorbereitungsmaßnahmen

Jedes Unternehmen sollte zunächst seine Betroffenheit prüfen. Anhang I der Verordnung enthält eine Liste relevanter Erzeugnisse, welche einen guten Ausgangspunkt für diese Prüfung darstellt. Ist von einer Betroffenheit anzunehmen, sollte rechtzeitig mit der Umsetzung begonnen werden. Insbesondere für die Informationsbeschaffung und Risikoanalyse sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, da teilweise sehr detaillierte Informationen entlang der Lieferkette ermittelt werden müssen. Zudem sollten frühzeitig Zuständigkeiten im Unternehmen benannt werden, um bereits die Vorbereitungsmaßnahmen angemessen koordinieren zu können. Die Informationsweitergabe in der Lieferkette setzt überdies vertragliche Vereinbarungen über die Weitergabe und die Verlässlichkeit der vom Lieferanten bereitgestellten Informationen voraus. Dies ist einerseits erforderlich, um die Schadensrisiken im Falle eines angeordneten Rückrufs oder Verkaufsstopps in der Lieferkette zu verteilen und andererseits, um die eigenen Sorgfaltspflichten erfüllen zu können. Aus diesem Grund sollten Lieferantenrahmenverträge aufgrund ihrer längeren Laufzeiten frühzeitig angepasst werden. Es ist außerdem hilfreich zu prüfen, inwieweit Prozesse, die der Umsetzung beispielsweise des LkSG dienen, zusammengefasst werden können. Wird beispielsweise der Code of Conduct anlässlich der Umsetzung des LkSG überarbeitet, ist es sinnvoll, notwendige Änderungen aufgrund des Verordnungsvorschlags über entwaldungsfreie Lieferketten bereits jetzt zu berücksichtigen. 

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Dr. Marthe-Louise Fehse
Rechtsanwältin | Partnerin

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