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Mandanteninformation - Net Zero Industry Act

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„Der Weltmarkt für wichtige Serientechnologien für saubere Energie
wird bis 2030 ein Volumen von rund 650 Mrd. USD pro Jahr erreichen
— mehr als das Dreifache von heute.“

(Erwägungsgrund 19, Net Zero Industry Act)

Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

erklärtes Ziel der Europäischen Union ist und bleibt es, bis 2050 klimaneutral zu sein und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken. Das Ziel der Klimaneutralität ist im europäischen Klimagesetz festgelegt und wird durch den Green Deal und das Legislativpaket Fit for 55 bekräftigt und operationalisiert. Die Wettbewerbsfähigkeit wiederum ist ein Hauptfokus der 2020 erstmals vorgestellten Europäischen Industriestrategie und wird u.a. auch durch den REPowerEU Plan unterstrichen.  

Die Verordnung (EU) 2024/1735 vom 13. Juni 2024 zur Schaffung eines Rahmens für Maßnahmen zur Stärkung des europäischen Ökosystems der Fertigung von Netto-Null-Technologien (Net Zero Industry Act (NZIA) oder auch Netto-Null-Technologien-Verordnung) spielt als konkretes Umsetzungsinstrument eine Schlüsselrolle für die Erreichung von Klimaneutralität und gleichzeitiger Wettbewerbsfähigkeit. Sie wurde als solche auch als Reaktion auf den amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) geschaffen. Für deutsche Unternehmen ist der Net Zero Industry Act von Relevanz, da er ihnen Zugang zu beschleunigten Genehmigungsverfahren, finanziellen Förderungen und neuen Marktchancen in den Bereichen der erneuerbaren Energien, Wasserstofftechnologien und klimafreundlichen Innovationen bieten soll. 

Nachfolgend stellen wir die wesentlichen Inhalte des Net Zero Industry Act dar und geben Ihnen unsere Einschätzung. 

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen!

1. Wesentliche Inhalte des Net Zero Industry Act

a) Festlegung von Netto-Null-Technologien und Ausbau der Fertigungskapazitäten

Artikel 4 der Verordnung listet die Netto-Null-Technologien auf, die in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. 

Netto-Null-Technologien gemäß Net Zero Industry Act

  • Solartechnologien, einschließlich photovoltaische, thermoelektrische und thermische Solartechnologien,
  • Technologien für Onshore-Windkraft und erneuerbare Offshore-Energie,
  • Batterie- und Energiespeichertechnologien,
  • Wärmepumpen und Technologien für geothermische Energie,
  • Wasserstofftechnologien, einschließlich Elektrolyseure und Brennstoffzellen,
  • Technologien für nachhaltiges Biogas und Biomethan,
  • Technologien zur Abscheidung und Speicherung von CO2,
  • Stromnetztechnologien, einschließlich elektrischer Ladetechnologien für den Verkehr und Technologien zur Digitalisierung des Netzes,
  • Technologien für Kernspaltungsenergie, einschließlich Technologien für den Kernbrennstoffkreislauf,
  • Technologien für nachhaltige alternative Kraftstoffe,
  • Wasserkrafttechnologien,
  • Technologien für erneuerbare Energie, die nicht unter die vorstehenden Kategorien fallen,
  • energiesystembezogene Energieeffizienztechnologien, einschließlich Wärmenetztechnologien,
  • Technologien für erneuerbare Kraftstoffe nicht biogenen Ursprungs,
  • biotechnologische Klimaschutz- und Energielösungen,
  • transformative industrielle Technologien für die Dekarbonisierung, die nicht unter die vorstehenden Kategorien fallen,
  • Technologien zum Transport und zur Nutzung von CO2,
  • Windantriebs- und Elektroantriebstechnologien für den Verkehr,
  • Nukleartechnologien, die nicht unter die vorstehenden Kategorien fallen. 

Artikel 5 des Net Zero Industry Act definiert einen allgemeinen jährlichen Richtwert für die Fertigungskapazität für Netto-Null-Technologien bis 2030 von mindestens 40 % des jährlichen Bedarfs der Union in Bezug auf die Netto-Null-Technologien. Bis zum Jahr 2040 sollen 15 % der Weltproduktion der entsprechenden Technologien in der EU erreicht werden.

b) Straffere Genehmigungsverfahren

Um Verwaltungs- und Genehmigungsverfahren für Projekte zur Fertigung von Netto-Null-Technologien zu beschleunigen, benennen die Mitgliedsstaaten bis Ende 2024 Behörden als zentrale Kontaktstellen zur Erleichterung und Koordinierung solcher Verfahren (Art. 6 NZIA). Informationen über diese Verfahren sollen durch die Mitgliedstaaten online zentral und leicht zugänglich gemacht werden (Art. 7 NZIA). Zudem werden Fristen für die Dauer der Genehmigungsverfahren von 12 Monaten (Bau oder Ausweitung von Projekten mit jährlicher Fertigungskapazität < 1 GW) bzw. 18 Monaten (Fertigungskapazität ≥ 1 GW oder keine Messung in GW) festgelegt. Die Frist kann nur in definierten Ausnahmefällen verlängert werden und gilt exklusive der Dauer einer etwaig erforderlichen Umweltverträglichkeitsprüfung (Art. 9 NZIA).

c) Strategische Projekte

Strategischen Projekten kann auf Antrag ein vorrangiger Status eingeräumt werden (Art. 15 NZIA). Auswahlkriterium für derartige Projekte ist wahlweise ein Beitrag zur technologischen und industriellen Widerstandsfähigkeit der Union, positive Auswirkungen auf die Lieferkette der innereuropäischen Netto-Null-Industrie oder die Verwirklichung der Energie- und Klimaziele einschließlich umfassender Effizienz und geringem CO2-Ausstoß (Art. 13 NZIA). Die Dauer der Genehmigungsverfahren für strategische Projekte ist nochmal stärker limitiert, mit 9 (Fertigungskapazität < 1 GW), 12 Monaten (Fertigungskapazität ≥ 1 GW oder keine Messung in GW) oder 18 Monaten für CO2-Speicherstätten (Art. 16 NZIA). Zudem können die Mitgliedsstaaten bestimmte Gebiete als Beschleunigungstäler für Netto-Null-Technologien ausweisen (Art. 17 NZIA).

d) CO2-Injektionskapazität

Bis 2030 muss in CO2-Speicherstätten EU-weit eine jährliche Injektionskapazität von mindestens 50 Mio. Tonnen CO2 erreicht werden (Art. 20 NZIA). Zur Verwirklichung dieses Ziels sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, der Kommission Bericht zu erstatten und Anstrengungen für den Aufbau der CO2-Transportinfrastruktur zu unternehmen (Artt. 21, 22 NZIA). Bis Mitte 2027 führt die Kommission zudem eine Bewertung des Marktes für abgeschiedenes CO2 durch (Art. 24 NZIA). 

e) Vorgaben für die Vergabe öffentlicher Aufträge u.a.

U.a. um die Nachfrage nach nachhaltigen und widerstandsfähigen Netto-Null-Technologien zu fördern, wenden öffentliche Auftraggeber bei Vergabeverfahren verbindliche Mindestanforderungen an die ökologische Nachhaltigkeit an, wenn Netto-Null-Technologien Teil der Aufträge sind (Art. 25 NZIA). Die Mindestanforderungen sind noch durch die Kommission in einem Durchführungsrechtsakt zu konkretisieren. Der NZIA trifft darüber hinaus auch Vorgaben für EE-Auktionen und andere Formen der öffentlichen Intervention (z.B. Förderprogramme zum Kauf von Endprodukten mit Netto-Null-Technologien), die erst ab dem 30.12.2025 gelten. 

Die Vorgaben zur Vergabe öffentlicher Aufträge gelten bis zum 30.06.2026 nur für Aufträge zentraler Beschaffungsstellen und Aufträge, deren Wert 25 Mio. Euro oder mehr beträgt.

f) Arbeitsmarkt und Qualifizierung

Zur Verbesserung der Kompetenzen und zur Schaffung und Sicherung von hochqualifizierten Arbeitsplätzen werden europäische Akademien für eine Netto-Null-Industrie geschaffen (Art. 30 NZIA). Die mithilfe einer Startfinanzierung der Kommission eingerichteten Organisationen oder Konsortien sollen Lern- und Ausbildungsmaterialien entwickeln und Bildungsanbieter bei der Nutzung unterstützen. 

g) Unterstützung von Innovationen

Durch die Einrichtung von Reallaboren für Netto-Null-Technologien (Art. 33 NZIA), die Koordinierung von Forschungs- und Innovationstätigkeiten durch die Lenkungsgruppe für den Strategieplan für Energietechnologie (SET-Plan, Artt. 35 ff.) sowie durch die Nutzung der vorkommerziellen Auftragsvergabe und der Vergabe öffentlicher Aufträge für innovative Lösungen sollen Innovationen im Bereich der Netto-Null-Technologien verstärkte Unterstützung erhalten.

h) Governance

Die Verordnung sieht die Einrichtung einer neuen Plattform für ein Netto-Null-Europa (Art. 38 NZIA), die einerseits die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten bei Ihren Maßnahmen im Rahmen der Verordnung und andererseits Projektträger bei der Finanzierung von Projekten berät und unterstützt, sowie einer wissenschaftlichen Beratungsgruppe für den Regelungsaufwand der Netto-Null-Industrien vor (Art. 40 NZIA). 

2. Unsere Einschätzung

Der Net-Zero Industry Act ist ein wichtiger Schritt, um Europas Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen und gleichzeitig die Abhängigkeit von Drittstaaten, insbesondere in Schlüsseltechnologien, zu verringern. Er setzt Impulse zur Stärkung der heimischen Produktion in Bereichen wie erneuerbare Energien, Wasserstoff und Energiespeicherung, und trägt so zur technologischen Souveränität Europas bei. Die beschleunigten Genehmigungsverfahren und finanziellen Anreize sind ein positives Signal für Unternehmen, die in klimafreundliche Technologien investieren wollen oder in diesem Bereich tätig sind. Zu diesen Unternehmen zählen auch solche, die im Bereich der Rohstoffgewinnung, -aufbereitung oder des Recyclings tätig sind.

Allerdings sind Bedenken hinsichtlich der Finanzierung und der Umsetzung auf nationaler Ebene anzumelden, da insbesondere kleinere Länder und Unternehmen möglicherweise nicht in gleichem Maße profitieren. Auch der globale Wettbewerb, insbesondere mit den USA und China, bleibt eine Herausforderung. Gerade im Vergleich zum amerikanischen Inflation Reduction Act ist der Net Zero Industry Act wohl zu schwach finanziell ausgestattet. Einige Instrumente des Net-Zero Industry Act erscheinen zu bürokratisch ausgestaltet (z.B. die Regelungen zu strategischen Projekten), bei anderen Instrumenten erscheint die Sicherstellung der praktischen Umsetzung auf mitgliedstaatlicher Ebene zu ungewiss (z.B. die Regelungen zu Fachkräften und Reallaboren).

Insgesamt bietet der Net-Zero Industry Act eine Grundlage, erfordert aber klare Nachbesserungen hinsichtlich der praktischen Umsetzbarkeit und Durchführung und – ungeachtet des Gesetzes über Kritische Rohstoffe (Critical Raw Materials Act, CRMA) – bei der Sicherstellung der Versorgung mit (nicht kritischen) Rohstoffen. 

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Mirjam Büsch
Rechtsanwältin | Associate

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