Mandanteninformation - Critical Raw Materials Act
Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,
Windturbinen, Sonnenkollektoren, Elektrofahrzeuge, Flugzeuge, Smartphones, Halbleiter – die Liste der Gegenstände, für deren Herstellung kritische Rohstoffe benötigt werden, ist lang und geht noch viel weiter.
Derzeit ist die EU bei bestimmten kritischen Rohstoffen ausschließlich von einem einzigen Staat abhängig: So stammen beispielsweise 97 % des benötigten Magnesiums aus China, die Türkei liefert 98 % des Borbedarfs der EU und Südafrika deckt 71 % des EU-Bedarfs an Platin. Zudem wird die weltweite Nachfrage nach kritischen Rohstoffen in den kommenden Jahren weiterhin deutlich ansteigen: Laut einem Report der OECD von 2019 soll sich die globale Nachfrage nach metallischen Rohstoffen bis 2060 verdoppeln.
Reglungen zur Sicherung der Versorgung des EU-Binnenmarktes mit kritischen Rohstoffen wurden daher auf EU-Ebene als dringend erforderlich erachtet und mit der Verordnung (EU) 2024/1252 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.04.2024 zur Schaffung eines Rahmens zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen ist Anfang Mai 2024 der Critical Raw Materials Act (CRMA) der EU im Amtsblatt veröffentlicht worden und Ende Mai 2024 in Kraft getreten. Die regulatorischen Schwerpunkte des CRMA liegen dabei nicht nur auf der Diversifizierung der Herkunftsländer, der Verbesserung der Resilienz der Lieferketten und der strategischen Bevorratung, sondern auch auf dem Recycling von Rohstoffen.
Näheres zu den wichtigsten Aspekten des CRMA lesen Sie in der folgenden Mandanteninformation. Und für noch ausführlichere Informationen zum CRMA steht auf der Homepage des THINKTANK Industrielle Ressourcenstrategien die Broschüre „Critical Raw Materials Act – Chancen und Risiken für die Deutsche Wirtschaft“ zum Download zur Verfügung.
Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen!
I. Critical Raw Materials Act (CRMA): Ziele und Richtwerte
Mit dem Critical Raw Materials Act (CRMA), also dem Kritische-Rohstoffe-Gesetz, will die EU die Bewirtschaftung der kritischen Rohstoffe regulieren, die für den digitalen und grünen Wandel sowie für strategische Schlüsseltechnologien in den Bereichen Verteidigung, Luft- und Raumfahrt benötigt werden. Das Ziel des CRMA ist die Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts, indem der Zugang der Union zu einer sicheren, krisenfesten und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen sichergestellt wird, unter anderem durch die Förderung von Effizienz und Kreislauffähigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
1. Kritische und strategische Rohstoffe
Um den CRMA richtig verstehen und anwenden zu können, ist die Unterscheidung zwischen kritischen Rohstoffen und strategischen Rohstoffen entscheidend.
Folgende 19 Stoffe/Stoffgruppen sind strategische Rohstoffe:
Aluminium |
Aluminiumoxid |
Bauxit |
Bismut |
Bor (metallurgische Qualität) |
Kobalt |
Kupfer |
Gallium |
Germanium |
Lithium |
Magnesiummetall |
Mangan |
Grafit |
Nickel |
Metalle der Platingruppe |
Seltenerdmetalle für Magnete |
Siliciummetall |
Titanmetall |
Wolfram |
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2. Stärkung der Wertschöpfungskette für Rohstoffe-Zielvorgaben
Grundlegend für den CRMA ist, dass die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette für strategische Rohstoffe stärken sollen. Um die Stärkung der Wertschöpfungskette zu erreichen, macht der CRMA folgende Zielvorgaben zur Erhöhung der Gesamtkapazitäten der EU für jeden einzelnen strategischen Rohstoff bis 2030:
- Gewinnungskapazität: mindestens 10 % des jährlichen Verbrauchs an strategischen Rohstoffen in der EU, soweit die Reserven der EU dies zulassen
- Verarbeitungskapazität (auch alle Zwischenverarbeitungsschritte): Erzeugung von mindestens 40 % des jährlichen Verbrauchs strategischer Rohstoffe in der EU
- Recyclingkapazität (auch alle Zwischenschritte): Erzeugung von mindestens 25 % des Jahresverbrauchs strategischer Rohstoffe in der EU (Diesen Richtwert muss die EU-Kommission bis zum 01.01.2027 mittels delegiertem Rechtsakte durch stoffspezifische Richtwerte, ausgedrückt als Anteil der in den relevanten Abfallströmen verfügbaren strategischen Rohstoffe, ersetzen.)
Diversifizierung der Einfuhren für jeden einzelnen strategischen Rohstoff in die EU: auf jeder relevanten Verarbeitungsstufen der EU Einfuhren aus mehreren Drittländern, höchstens 65 % des Jahresverbrauchs der EU aus einem einzigen Drittland.
II. Strategische Projekte
Die Erhöhung der Gesamtkapazitäten zur Erreichung der verschiedenen Richtwerte soll vor allem dadurch realisiert werden, dass bestimmte Rohstoffprojekte auf Antrag des Projektträgers von der EU-Kommission als sog. „strategische Projekte“ anerkannt werden. Ein Rohstoffprojekt ist dabei jede geplante Einrichtung oder geplante wesentliche Erweiterung oder Umnutzung einer bestehenden Einrichtung, die in den Bereichen Gewinnung, Verarbeitung oder Recycling von kritischen Rohstoffen tätig ist. Eine Rohstoffprojekt kann aber nur dann ein strategisches Projekt sein, wenn es sich auf strategische Rohstoffe bezieht. Auch muss das Projekt unter anderem einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der Versorgung der EU mit strategischen Rohstoffen leisten, nachhaltig und technisch durchführbar sein. Anerkannte strategische Projekte erhalten einen Prioritätsstatus, der in mehrfacher Hinsicht mit Privilegierungen verbunden ist.
Der Träger eines anerkannten strategischen Projekts unterfällt Berichts- und Mitteilungspflichten gegenüber der EU-Kommission und der lokalen Bevölkerung.
III. Risikovorsorge von Unternehmen
Nach den Vorgaben des CRMA haben die Mitgliedstaaten bis Mai 2025 diejenigen großen Unternehmen (mit > 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von > 150 Mio. EUR im letzten Geschäftsjahr) in ihrem Hoheitsgebiet zu ermitteln, die strategische Rohstoffe für die Herstellung folgender Produkte verwenden:
Antriebsmotoren
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Ausrüstung für additive Fertigung |
Ausrüstung für Datenübertragung/ -speicherung |
Ausrüstung für Erzeugung/Nutzung von Wasserstoff |
Ausrüstung für Erzeugung von erneuerbarer Energie |
Batterien für Energiespeicherung/ Elektromobilität |
Chips (fortgeschritten) |
Drohnen |
Luftfahrzeuge |
mobile elektronische Geräte |
Raketenwerfer |
Robotik |
Satelliten |
Wärmepumpen |
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Diese großen Unternehmen haben alle drei Jahre eine Risikobewertung ihrer Lieferkette für strategische Rohstoffe durchzuführen. Stellt ein großes Unternehmen bei der Risikobewertung eine erhebliche Anfälligkeit für Versorgungsunterbrechungen fest, so unternimmt das große Unternehmen Anstrengungen zur Verringerung dieser Anfälligkeit.
IV. Dauermagneten – neue Pflichten für Inverkehrbringer
Bestimmte Produkte, die Dauermagnete enthalten (können), unterfallen nach dem CRMA Kennzeichnungs- und Informationspflichten und der Pflicht zum Einsatz von Rezyklaten. Die Pflichten richten sich an diejenigen natürlichen oder juristischen Personen, die die folgenden Produkte (Ausgenommen sind Produkte, die in erster Linie für Verteidigungs- oder Raumfahrtanwendungen ausgelegt sind.) in Verkehr bringen. Dabei meint das Inverkehrbringen im Sinne des CRMA die erstmalige Bereitstellung eines Produkts auf dem Unionsmarkt.
Elektromotoren (auch in Produkten) |
Geschirrspüler |
Industrieroboter |
Kfz und leichte Verkehrsmittel |
Kühlgeneratoren |
Magnetresonanztomographen (MRT) |
Mikrowellengeräte |
Staubsauger |
Wärmepumpen |
Waschautomaten |
Wäschetrockner |
Windenergiegeneratoren |
1. Kennzeichnungspflicht ab 2029
Die Verantwortlichen müssen die von ihnen in Verkehr gebrachten Produkte mit einem deutlich sicht- und lesbaren und unverwischbaren Etikett versehen, auf angegeben ist, ob das Produkt einen oder mehrere Dauermagnete enthält oder nicht. Enthält das Produkt mindestens einen Dauermagnet muss angegeben werden, ob dieser zum Typ Neodym-Eisen-Bor, Samarium-Kobalt, Aluminium-Nickel-Kobalt oder Ferrit gehört. Der verantwortliche Inverkehrbringer muss dafür sorgen, dass die Informationen vollständig, aktuell und korrekt sind und während eines Zeitraums verfügbar bleiben, der mindestens der typischen Lebensdauer des Produkts zuzüglich 10 Jahren entspricht – auch nach einer Insolvenz, Liquidation oder Einstellung der Tätigkeit.
Die EU-Kommission wird innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten des CRMA das Format der Kennzeichnung durch einen Durchführungsrechtsakt festlegen. Die Kennzeichnungspflicht gilt 2 Jahre nach Inkrafttreten dieses Durchführungsrechtsakts. Für MRT, Kfz und leichte Verkehrsmittel gilt die Kennzeichnungspflicht erst 5 Jahre nach Inkrafttreten des CRMA. Soweit für Produkte nach anderen EU-Vorschriften ein Produktpass erforderlich ist, können die erforderlichen Informationen in den Produktpass integriert werden.
2. Informationspflicht zu Post-Consumer-Rezyklaten spätestens ab 2027
Übersteigt das Gesamtgewicht aller Dauermagnete der Typen Neodym-Eisen-Bor, Samarium-Kobalt oder Aluminium-Nickel-Kobalt 0,2 kg, muss der Inverkehrbringer den jeweilige Anteil an Neodym, Dysprosium, Praseodym, Terbium, Bor, Samarium, Nickel und Kobalt, der aus Verbraucherabfall (Post-Consumer-Rezyklate, PCR) verwertet wurde, auf einer frei zugänglichen Website öffentlich zugänglich machen. Mindestvorgaben zum Einsatz von PCR muss die EU-Kommission bis zum 31.12.2031 in delegierten Rechtsakten festsetzen.
Die Informationspflicht gilt entweder 3 Jahre nach Inkrafttreten des CRMA oder 2 Jahre nach Inkrafttreten des (von der EU-Kommission noch zu erlassenden) delegierten Rechtsakts mit den Berechnungsvorgaben, je nachdem, welcher Zeitpunkt der spätere ist. Für MRT, Kfz und leichte Verkehrsmittel gilt die Informationspflicht 5 Jahre nach Inkrafttreten des delegierten Rechtsakts.
V. Weitere Regelungen
Neben den gennannten Regelungen zu strategischen Projekten, zur Risikovorsorge von Unternehmen und zu neuen Pflichten rund um Dauermagneten, enthält der CRMA Vorgaben zur Schaffung nationaler Explorationsprogramme und Kreislaufwirtschaftsprogramme, zur Überwachung von Versorgungsrisiken, zur Schaffung und Überwachung von strategischen Vorräten, zur gemeinsamen Beschaffung, zu mineralischen Abfällen, zu Zertifizierungen und zur Berechnung und Ausweisung des ökologischen Fußabdrucks.
VI. Vorteile und Chancen
Der CRMA stellt eine dringend benötigte Reaktion auf die sich wandelnden geopolitischen und globalwirtschaftlichen Entwicklungen dar. Mit ehrgeizigen Zielen strebt der CRMA an, die Sicherung kritischer Rohstoffe zu gewährleisten und die EU unabhängiger zu machen. Folgende Vorteile bringt der CRMA mit sich:
- Einführung einer einheitlichen Behördenzuständigkeit für strategische Rohstoffprojekte, die eine effizientere Koordination und Genehmigung ermöglicht.
- Verfahrensbeschleunigung und (umweltrechtliche) Privilegien für strategischer Projekte.
- Schaffung eines Systems für Abnahmevereinbarungen, zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Finanzierung und Einführung eines gemeinsamen Beschaffungssystems für strategische Projekte, das durch gebündelte Nachfrage einen günstigeren und sicheren Bezug kritischer Rohstoffe ermöglicht.
- Förderung der Kreislaufwirtschaft durch Ansätze wie „design for recycling“ und herstellereigene Systeme für Rücknahme, Wiederverwendung und Recycling von Produkten, um den Lebenszyklus von Produkten nachhaltiger zu gestalten und die Abhängigkeit von endlichen Rohstoffen zu verringern.
VII. Nachteile und Risiken
Der CRMA weckt aber auch Zweifel hinsichtlich der Zielerreichung und der Umsetzung:
- Die als unrealistisch wahrgenommenen Ziele des Gesetzes könnten schwer erreichbar sein.
- Es ist fraglich, ob die Listen der kritischen und strategischen Rohstoffe ausreichend sind.
- Die erhebliche Privilegierung strategischer Projekte könnte die Versorgungssicherheit für nicht-strategische kritische Rohstoffe beeinträchtigen und zu Verzögerungen bei anderen Projekten führen.
- Die Umsetzung des CRMA hängt stark von den Mitgliedstaaten ab, die ergänzende nationale Gesetzgebung benötigen, was Unsicherheiten schafft.
- Die Harmonisierung mit bestehenden Richtlinien wie der WEEE-Richtlinie, Ökodesign-Verordnung und Batterie-Verordnung ist im Detail nicht immer klar und könnte zu Rechtsunsicherheiten führen. Beispielsweise gibt es Diskrepanzen zwischen der Batterie-Verordnung und den CRMA-Zielen: In der im August 2023 in Kraft getretenen BattVO hat die EU für Industrie-, Elektrofahrzeug- und Starterbatterien einen verbindlichen Mindest-Rezyklatanteil für Lithium von 6 % ab 2031 und von 12 % ab 2036 festgelegt. Auch wenn diese Vorgabe nur bestimmte Batterien betrifft, fällt die große Diskrepanz zu dem CRMA-Ziel auf, in der EU bis 2030 eine Recyclingkapazität von mind. 25 % zu erreichen.
- Auch fehlen klare verbindliche Regelungen und Instrumente zur Finanzierung von strategischen Projekten und Forschung und Entwicklung.
Schließlich ist fraglich, ob es nicht wichtiger oder zumindest ebenso wichtig wäre, die allgemeinen rechtliche und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Projekte im Bereich strategischer und kritischer Rohstoffe wie Energiepreise, Digitalisierung und Infrastruktur, zu verbessern, um die notwendigen Voraussetzungen dafür zu schaffen, die mit dem CRMA gesteckten Ziele effektiv zu erreichen.