von

Mandanteninformation: Aktuelle Entwicklungen im Produktrecht

Artikel als PDF herunterladen


Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir hoffen, Sie sind alle gut in das neue Jahr gestartet. Auch im Jahr 2024 entstehen wegen einer Vielzahl neuer Entwicklungen im regulatorischen Bereich große Herausforderungen für die Wirtschaft. Zudem befinden sich einige der in den Vorjahren in Kraft getretenen Rechtsakte in der „heißen“ Umsetzungsphase.

Mit der vorliegenden Mandanteninformation möchten wir Ihnen einen Überblick über neue, relevante Regelungen und Gesetzesvorhaben sowie weitere Initiativen im Bereich des Produktrechts und der Lieferketten-Compliance geben. Zu vielen Themen haben wir bereits vertiefende Mandanteninformationen verfasst bzw. werden diese im Laufe der nächsten Wochen noch erarbeiten und Ihnen dann wie gewohnt zur Verfügung stellen. Wir haben versucht, möglichst viele Themen zu adressieren, erheben dabei aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen,

Ihr Produktrechtsteam

A. Material Compliance / Stoffrecht

1. Neues Mikroplastikverbot in Nr. 78 Anhang XVII REACH-Verordnung

Der EU-Gesetzgeber hat am 25. September 2023 die Verordnung 2023/2055 erlassen, die das Inverkehrbringen von Stoffen und Gemischen verbietet, denen absichtlich Mikroplastik zugesetzt wurde und die dieses Mikroplastik bei ihrer Verwendung freisetzen (zu unserem Blogbeitrag geht es hier). Das Verbot von Mikroplastik wurde umgesetzt durch Ergänzung des Eintrages 78 „Synthetische Polymermikropartikel“ im Anhang XVII der REACH-Verordnung.

Hinweis: Mikroplastik ist ein Phänomen, das in den letzten Jahren auch in der Rechtsprechung enorm an Aufmerksamkeit und Wichtigkeit gewonnen hat. Bereits im März 2023 haben wir einen passenden Rechtsprechungsreport erstellt, der sich hier findet.

Das Verbot greift von vornherein nur für Polymere, die unter die Mikroplastik-Definition gemäß Spalte 1 des Eintrages 78 fallen. U.a. werden natürliche, biologisch abbaubare oder lösliche Polymere nicht erfasst. Eine wichtige Regelung findet sich in Abs. 6 der Spalte 2 des Eintrages 78. Hierdurch werden für verschiedene Verwendungen besondere Übergangszeiträume geschaffen. Im Ergebnis wird das Mikroplastikverbot damit insgesamt als zeitlich gestuftes Verbot ausgestaltet. Für jene Verwendungen, für die keine besonderen Übergangszeiträume angeordnet sind, greift das Verbot seit dem Inkrafttreten der Verordnung, also seit dem 17. Oktober 2023. Hierunter fallen zum Beispiel Produkte, die Mikroperlen enthalten oder – teils – loser, isoliert verkaufter Glitzer (sog. Glitzerverbot).

2. Aktuelle Entwicklungen zu dem PFAS-Beschränkungsvorschlag

Am 13. Januar 2023 reichten die Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, die Niederlande, Norwegen und Schweden einen Vorschlag zu Beschränkung von Per- und Polyfluoralkylstoffen (PFAS) bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) ein. Die vorgeschlagene Beschränkung zielt darauf ab, die von der Verwendung von PFAS ausgehenden Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt anzugehen. Der Beschränkungsvorschlag betrifft rund 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS). Damit zielt die vorgeschlagene REACH-Regulierung nicht auf einzelne Stoffe, sondern ein ganze Stoffgruppe ab.

Hinweise: Neben dem genannten Beschränkungsvorschlag läuft ein Verfahren für eine EU-weite Beschränkung von PFAS in Feuerlöschschäumen. SEAC und RAC sprachen sich in ihren Stellungnahmen für eine PFAS-Beschränkung in Feuerlöschschäumen aus (näher in unserer Meldung aus dem Juli 2023). Wir begleiten den PFAS-Beschränkungsvorschlag wie die gesamte Entwicklung der PFAS-Regulierung sehr eng und haben eine Website eingerichtet, auf der Sie sich über aktuelle Entwicklungen, Handlungsfelder, Regelungen und Rechtsprechung bezüglich PFAS informieren können.

Am 22. März 2023 startete die Konsultation (Have your say) zum Beschränkungsvorschlag. Im Rahmen des Have your say, das am 25. September 2023 endete, wurden insgesamt 5600 Kommentare von mehr als 4400 Organisationen eingereicht. Im Nachgang an das Have your say ist im Oktober die Stellungnahme des „Forum for Exchange of Information on Enforcement“ (sog. Enforcement Forum) bezüglich der Durchsetzbarkeit der geplanten Reglementierung erschienen. Das Enforcement Forum wies dabei auf eine Reihe von praktischen Herausforderungen hin (Näheres findet sich hier).

What’s next? Die nächsten Schritte sind nun die Stellungnahmen des Ausschusses für Risikobewertung (RAC) und des Ausschusses für sozioökonomische Analyse (SEAC) hinsichtlich des PFAS-Beschränkungsvorschlags. Nach Fertigstellung werden die Stellungnahmen an die Europäische Kommission weitergeleitet. Diese entscheidet sodann gemeinsam mit den Mitgliedstaaten über eine mögliche Beschränkung.

3. TSCA – Neue Berichtspflichten in Bezug auf PFAS und Asbest in den USA

Die U.S. Environmental Protection Agency (EPA) hat am 11. Oktober 2023 auf Grundlage von Section 8(a)(7) TSCA die Toxic Substances Control Act Reporting and Recordkeeping Requirements for Perfluoroalkyl and Polyfluoroalkyl Substances, at 88 Fed. Reg. 70516 (October 11, 2023) erlassen. Diese US-amerikanische Regelung ist am 13. November 2023 in Kraft getreten und stellt eine Berichtspflicht in Bezug auf PFAS auf. Die EPA will hierdurch Quellen und Mengen der in den Vereinigten Staaten hergestellten und in die Vereinigten Staaten importierten PFAS besser erfassen können.

Verpflichtet werden Akteure, die zwischen dem 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2022 zu kommerziellen Zwecken PFAS hergestellt haben. Hinzuweisen ist darauf, dass der Begriff der kommerziellen Herstellung (gemäß dem Ziel der Regelung) auch den Import in die USA erfasst. Auch die zufällige Herstellung (Nebenprodukte/Verunreinigungen) wird erfasst. Dabei ist seitens des Herstellers in Bezug auf jedes hergestellte PFAS ein Bericht (für jedes Jahr, in dem dieses PFAS hergestellt wurde) anzulegen. Die Frist zur Übermittlung der Daten beläuft sich auf 18 Monate (24 Monate für Kleinunternehmen) nach Inkrafttreten, d.h. die Frist läuft bis zum 8. Mai 2025 (bzw. 10. November 2025).

Außerdem hatte die EPA bereits im Juli 2023 ebenfalls auf der Grundlage des TSCA eine Berichtspflicht in Bezug auf Asbest und asbesthaltige Artikel veröffentlicht. Die Vorschrift verlangt von Akteuren, die in den letzten vier Jahren Asbest und asbesthaltige Artikel hergestellt, importiert oder verarbeitet haben, bestimmte Informationen zu melden.

4. Änderung des Chemikaliengesetzes zur systematischen Erfassung von Vergiftungsfällen

Am 24. November 2023 wurde das Chemikaliengesetz (ChemG) novelliert. Umgesetzt wurden insbesondere Vorgaben verschiedener europäischer Vorschriften, die eine systematische Erfassung von Vergiftungsfällen vorsehen. Eingeführt wird über die §§ 16g ff. ChemG ein Vergiftungsregister beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), welches nunmehr zentral Vergiftungen in Deutschland erfassen und auswerten soll. Ziel ist es, einen besseren Überblick über das Vergiftungsgeschehen in Deutschland zu erhalten und den Melde- und Informationspflichten gegenüber der EU besser gerecht werden zu können.

Mit der Neufassung des § 16 f ChemG wurde dieser um konkrete Informationen ergänzt, die im Rahmen eines Eintrags in der SCIP-Datenbank der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) anzugeben sind. SCIP steht für „substances of concern in products“ und betrifft Erzeugnisse, die „substances of very high concern” (SVHC) enthalten. Zu beachten ist, dass die in § 16 f ChemG festgelegten Informationen weit über die in Art. 33 REACH geforderten Angaben hinausgehen. Ein unterlassener oder nur unvollständiger Eintrag stellt nunmehr zudem eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldbuße von bis zu 10 000 EUR belegt werden kann.Angepasst wurden auch die Vorschriften des Chemikaliengesetzes über die Gute Laborpraxis (GLP). Durch Änderung der §§ 19a ff. ChemG wird klargestellt, dass das BfR als GLP-Bundesstelle beim Vollzug der Vorschriften über die GLP der EU und der OECD in Deutschland die zentrale Rolle einnimmt. Gesetzlich festgehalten wurde zudem, dass Einrichtungen eine Prüfung nur dann offiziell als GLP-konform bezeichnen dürfen, wenn eine entsprechende amtliche Bescheinigung vorliegt.

5. RoHS – Stillstand hins. der Entscheidung über die Verlängerung der RoHS-Ausnahmen für Blei

In unserer Mandanteninformation vom Februar 2023 hatten wir bereits über den aktuellen Stand hins. der Entscheidung der EU-Kommission über eine mögliche Verlängerung der RoHS-Ausnahmen für Blei berichtet. Die in Anhang III, Ziffer 6(a), 6(a)-I, 6(b), 6(b)-I, 6(b)-II, 6(c), 7(a), 7(c)-I und 7(c)-II RoHS geregelten Ausnahmen, für die entsprechende Verlängerungsanträge gestellt worden sind, gelten nach wie vor, da die EU-Kommission weiterhin noch keine Entscheidung über die Verlängerungsanträge getroffen hat. Schließlich bleiben bestehende RoHS-Ausnahmen gemäß Art. 5 Abs. 5 RoHS-Richtlinie so lange gültig, bis die EU-Kommission über den Antrag auf Erneuerung entschieden hat. Wann die EU-Kommission eine Entscheidung fällt, lässt sich aktuell schwer beurteilen. Insoweit sollten Wirtschaftsakteure, die von den Ausnahmen für Blei profitieren, die weiteren Entwicklungen beobachten. Ein genereller Überblick über die Gültigkeit der RoHS-Ausnahmen und dem Stand laufender Verlängerungsanträge lässt sich über eine von der EU-Kommission gepflegte Excel-Tabelle verschaffen.

B. Produktumweltrecht

1. Inkrafttreten der EU-Batterieverordnung

Am 17. August 2023 ist die Verordnung (EU) 2023/1542 (EU-BattVO) in Kraft getreten und wird zum 18. August 2025 die aktuell noch geltende Richtlinie 2006/66/EG (Batterierichtlinie) ersetzen. Die EU-BattVO stellt in der produktrechtlichen Gesetzgebung der Europäischen Union ein Novum dar, da die Verordnung drei eigenständige Regelungsbereiche in einem Gesetzgebungsakt zusammenfasst. So stellt die EU-BattVO zum einen erstmals wesentliche Produktanforderungen sowie eine CE-Kennzeichnungspflicht für Batterien auf und ist insoweit als CE-Rechtsakt einzustufen. Zum anderen werden in der EU-BattVO erstmals Sorgfaltspflichten in der Lieferkette geregelt, mit denen die im Zusammenhang mit der Produktion von bestimmten Batterien bestehenden umwelt- und menschenrechtlichen Risiken minimiert werden sollen. Die Vorgaben der EU-BattVO gehen in diesem Zusammenhang sogar weiter als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. So sieht Art. 48 Abs. 2 EU-BattVO etwa eine Überprüfung der eingerichteten Strategien zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten durch eine notifizierte Stelle vor (Auditpflicht). Im Übrigen sind die EPR-Pflichten betreffend Altbatterien ebenfalls Gegenstand der EU-BattVO. Die EPR-Pflichten beziehen sich auf die abfallrechtliche Produktverantwortung und ergeben sich derzeit noch aus der Batterierichtlinie bzw. den nationalen Batteriegesetzen der Mitgliedsstaaten. Die EPR-Pflichten beinhalten allgemeinhin insbesondere Registrierungs-, Rücknahme,- Melde- und Informationspflichten.

Weitergehende Informationen zu der neuen EU-BattVO finden Sie in unserer ausführlichen Mandanteninformation. Viele Praxisfragen stellen sich u.a. im Hinblick auf die in Art. 11 EU-BattVO aufgestellten Anforderungen an eine Entfern- und Austauschbarkeit von Gerätebatterien, LMT-Batterien (z.B. für E-Bikes) sowie einzelne LMT-Batteriezellen. In diesem Zusammenhang möchten wir Sie darüber informieren, dass die EU-Kommission zwischenzeitlich die finale Version des JRC-Reports veröffentlicht hat. In diesem Dokument werden zu ausgewählten Anforderungen des Art. 11 EU-BattVO praxisrelevante Auslegungshinweise gegeben. Es lässt sich bereits jetzt absehen, dass die EU-BattVO vor allem für Hersteller, Importeure und Händler von Batterien zu einem weitreichenden Handlungsbedarf führen wird.

Die in Kapitel VIII der EU-BattVO geregelten EPR-Pflichten entsprechen inhaltlich weitestgehend den bereits in der Batterierichtlinie geregelten EPR-Pflichten, so dass an dieser Stelle keine umfangreichen Änderungen in den nationalen Batteriegesetzen der Mitgliedsstaaten zu erwarten sind. Jedoch führt die EU-BattVO u.a. neue Batteriekategorien ein, weshalb zum 18. August 2025 ggf. die Vornahme von Umregistrierungen in den nationalen Batterieregistern (z.B. bei der Stiftung ear) erforderlich sein wird. Die EU-BattVO sieht für die verschiedenen Regelungsbereiche und batteriespezifischen Anforderungen unterschiedliche Übergangsfristen vor. So werden die EPR-Pflichten nach Kapitel VIII der EU-BattVO zum 18. August 2025 gelten. Ab dem 18. August 2025 sind zugleich die neuen Sorgfaltspflichten nach Kapitel VII der EU-BattVO zu erfüllen. Die Pflicht zur Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens und einer CE-Kennzeichnung gelten wiederum bereits ab dem 18. August 2024. In diesem Zusammenhang ist aber festzuhalten, dass viele der wesentlichen Batterieanforderungen nicht unmittelbar zu dem 18. August 2024 gelten werden, sondern einer Konkretisierung durch delegierte Rechtsakte bedürfen, deren Ausarbeitung noch einige Jahre in Anspruch nehmen kann, siehe z.B. Art. 9 EU-BattVO hinsichtlich der Anforderungen an die Leistung und Haltbarkeit von Allzweck-Gerätebatterien.

2. Entwurf einer EU-Verpackungsverordnung nach Vorbild der EU-Batterieverordnung

Da nahezu jedes Produkt in mindestens einer Verpackung enthalten ist, wird die EU-VerpackVO zu einem sehr weitreichenden Umsetzungsbedarf für die Wirtschaft führen. Festzuhalten ist dabei, dass inhaltliche Änderungen des Verordnungsentwurfes im laufenden Gesetzgebungsverfahren nicht auszuschließen sind. Hier sollten die weiteren Entwicklungen beobachtet werden. 

Bereits am 30. November 2022 hatte die EU-Kommission den Entwurf einer EU-Verpackungsverordnung (EU-VerpackVO) veröffentlicht. Die neue EU-VerpackVO soll die Richtlinie 94/62/EG vollständig ersetzen und wird erstmals spezifische Anforderungen für Verpackungen aufstellen, deren Einhaltung durch den „Verpackungserzeuger“ im Rahmen eines Konformitätsbewertungsverfahrens sicherzustellen sind. Die EU-Verpackungsverordnung kombiniert damit die in der Richtlinie 94/62/EG bzw. in den nationalen Verpackungsgesetzen geregelten verpackungsrechtlichen EPR-Pflichten (insb. Registrierungs-, Melde-, Informations- und Rücknahmepflichten) mit CE-Pflichten für Verpackungen und folgt dem Vorbild der neuen EU-Batterieverordnung. Bemerkenswert ist aber, dass der Verordnungsentwurf zwar auch als CE-Rechtsakt für Verpackungen angelegt ist, jedoch bislang keine CE-Kennzeichnungspflicht für Verpackungen vorsieht. Die EU-Kommission hat dies in dem Verordnungsentwurf damit begründet, dass eine CE-Kennzeichnung für Verpackungen zu Missverständnissen hinsichtlich des Bezugspunktes der CE-Kennzeichnung führen könnte, weil sich die CE-Kennzeichnung auf einer Verpackung aus der Perspektive eines Dritten auch auf das in der Verpackung befindliche Produkt beziehen könnte. Derzeit finden Verhandlungen über den Verordnungsentwurf im Trilog-Verfahren statt, deren Abschluss voraussichtlich noch einige Zeit beanspruchen wird. Mit einer Geltung der EU-Verpackungsverordnung ist daher nach unserer Einschätzung frühestens im 3. oder 4. Quartal des Jahres 2025 zu rechnen.

3. Ökodesign-Verordnung (ESPR) auf der Zielgeraden

Die Europäische Kommission, der Rat und das Parlament haben Anfang Dezember 2023 ihre Verhandlungen über die geplante Ökodesign-Verordnung beendet und eine Einigung erzielt. Nun wurde der vorläufige Text der Verordnung veröffentlicht. Die neue Verordnung wird die bisher geltende Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG ablösen. Der Anwendungsbereich wird dabei grundsätzlich wesentlich erweitert. Bisher waren nur energieverbrauchsrelevante Produkte von der Ökodesign-Richtlinie erfasst, nunmehr sollen Produkte generell reguliert werden können. Nach wie vor wird Voraussetzung für konkrete Leistungs- und Informationsanforderungen aber das Vorhandensein von - in der Regel - produktgruppenspezifischen Durchführungsrechtsakten sein. Bestehende Durchführungsrechtsakte gelten dabei fort.

Wie auch bei der Richtlinie von 2009, ist es Ziel der Verordnung, dass Produkte energie- und ressourceneffizient gestaltet werden. Darüber hinaus sollen Produkte in Zukunft aber vermehrt u.a. hinsichtlich ihrer Haltbarkeit, Zuverlässigkeit, Wiederverwendbarkeit, Nachrüstbarkeit und Reparierbarkeit verbessert werden. Unter anderem um Verbraucher und Unternehmen bei ihren Kaufentscheidungen zu unterstützen, ist geplant, einen digitalen Produktpass einzuführen, der Informationen über ökologische Nachhaltigkeit von Produkten enthält. Geeinigt haben sich die Institutionen ferner über ein Verbot der Vernichtung von Textilien und Schuhen. Dieses Verbot soll mit der Zeit auf weitere Produktgruppen ausgeweitet werden. Mit einem Inkrafttreten der Ökodesign-Verordnung ist ebenfalls gegen Ende des 2. Quartals 2024 zu rechnen.

C. Produktsicherheitsrecht

1. Einführung einer EU-Produktsicherheitsverordnung und Novellierung des ProdSG

Die Pflicht zur Produktkennzeichnung der „elektronischen Adresse“ bezog sich zunächst auf die „E-Mail-Adresse“. Durch die Verordnung (EU) 2023/90191 ist der Ausdruck „E-Mail-Adresse“ in der EU-ProdSVO jedoch durchgehend durch den Ausdruck „elektronische Adresse“ ersetzt worden.

Die neue EU-Produktsicherheitsverordnung (EU-ProdSVO) wird die Richtlinie 2001/95/EG mit Geltung zum 13. Dezember 2024 ersetzen und einen neuen Rechtsrahmen für die Bereitstellung von Verbraucherprodukten auf dem Unionsmarkt aufstellen. Dabei sieht die EU-ProdSVO verschiedene Neuerungen vor, die insbesondere die Bereitstellung von nicht-harmonisierten Verbraucherprodukten betreffen und in der Praxis zu einen nicht unerheblichen Umsetzungsaufwand führen werden. Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa die Pflicht zur Produktkennzeichnung der „elektronischen Adresse“ (z.B.: E-Mail oder Website) des Herstellers/Importeurs oder beispielsweise die neue Pflicht zur Gewährleistung barrierefreier Beschwerdemöglichkeiten für Verbraucher durch den Hersteller.

Für weitergehende Informationen zu der neuen EU-ProdSVO möchten wir Sie auf unsere ausführliche Mandanteninformationen vom 26. März 2023 verweisen.

Zwar bedarf es für eine Geltung der EU-ProdSVO keine Umsetzung durch nationale Gesetze, jedoch ist vor dem Hintergrund der neuen EU-Verordnung auch mit Anpassungen im deutschen Produktsicherheitsgesetz zu rechnen. So hat die Bundesregierung am 25. Oktober 2023 einen Entwurf zur Anpassung des Produktsicherheitsgesetzes an die EU-ProdSVO veröffentlicht. Gegenstand des Gesetzentwurfes ist unter anderem die Einführung von neuen Bußgeldtatbeständen im Hinblick auf die Verletzung von Pflichten der neuen EU-ProdSVO.

2. Neue EU-Maschinen-Verordnung

Bereits am 29. Juni 2023 ist die neue EU-Maschinenverordnung (EU-MaschVO) im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden und in der Folge am 19. Juli 2023 in Kraft getreten. Geltung erlangt die EU-MaschVO jedoch erst zum 14. Januar 2027 und wird zu diesem Zeitpunkt die zwischenzeitlich veraltete Richtlinie 2006/42/EG ersetzen. Mit der neuen Verordnung verfolgt der Unionsgesetzgeber insbesondere das Ziel, die grundlegenden Sicherheitsanforderungen für Maschinen an die neuen technologischen Entwicklungen anzupassen. Die Neuerungen in den grundlegenden Sicherheitsanforderungen für Maschinen gemäß Anhang III der EU-MaschVO betreffen vor allem Anforderungen im Hinblick auf die Verwendung von Software und KI in Maschinen. Außerdem sieht die EU-MaschVO erstmals die Möglichkeit der Bereitstellung elektronischer Gebrauchsanleitungen für B2B-Maschinen sowie die Aufstellung von konkreten Pflichten für Importeure, Händler und Bevollmächtigte nach dem Vorbild des „New Legislative Framework“ vor. Maschinen, die vor dem 14. Januar 2027 noch nach Maßgabe der Richtlinie 2006/42/EG auf dem Unionsmarkt in den Verkehr gebracht worden sind, dürfen nach dem 14. Januar 2027 noch abverkauft werden. Für alle anderen Maschinen gilt, dass diese ab dem 14. Januar 2027 den Anforderungen der neuen EU-MaschVO genügen müssen, siehe Art. 52 Abs. 1 EU-MaschVO.

3. Einführung „Common Charger“ für bestimmte Funkanlagen

Im Oktober 2023 hat das Bundeskabinett einer Änderung des Funkanlagengesetzes zugestimmt. Danach soll für Smartphones und bestimmte andere Geräte, die mit einem Kabel aufgeladen werden können, USB-C der Standard werden. Im Grundsatz werden die Anforderungen bereits ab dem 28. Dezember 2024 gelten (z.B. für Smartphones). Für Notebooks soll dieser neue Ladestandard hingegen aber erst ab 2026 gelten. Damit setzt der Bundesgesetzgeber die Richtlinie (EU) 2022/2380 zur Änderung der Richtlinie 2014/53/EU über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt (Funkanlagenrichtlinie bzw. RED) in Deutschland um. Schon vor der Änderung sah die Funkanlagenrichtlinie die Möglichkeit vor, im Wege von delegierten Rechtsakten Kategorien und Klassen von Funkanlagen festzulegen, die so konstruiert sein müssen, dass sie mit einheitlichen Ladegeräten kompatibel sind. Zunächst erfolgte die Vereinheitlichung auf freiwilliger Basis der Industrie, was zu einer Reduzierung der Vielzahl von Ladegeräten von 30 auf nur noch drei Typen geführt hat. Da dies nach Ansicht der Kommission aber nicht ausreichend sei, wurde die Vereinheitlichung in Verbindung mit Anhang Ia der Funkanlagenrichtlinie nunmehr verbindlich festgelegt und ist EU-weit umzusetzen.

4. EU-BauPVO auf der Zielgeraden

Die EU-Kommission hatte im März 2022 den Entwurf einer neuen EU-BauPVO vorgelegt (siehe dazu ausführlich unsere Mandanteninformation vom 30.04.2022). Am 14. Dezember 2023 wurden die „politischen“ Trilogverhandlungen abgeschlossen. Im Vergleich zum Kommissionsentwurf wurde hinsichtlich des Anwendungsbereichs das bisherige Regelungskonzept übernommen, d.h. Produkte fallen de facto in den Anwendungsbereich, wenn es eine harmonisierte technische Spezifikation für das betreffende Produkt gibt. Auch die ursprünglich sehr weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten der Kommission wurden zu Gunsten der europäischen Normungsorganisationen reduziert. Neben den Grundlagen für die Leistungsermittlung in Bezug auf die Grundanforderungen an Bauwerke sollen in den harmonisierten technischen Spezifikationen – wie bereits im Kommissionsentwurf vorgesehen – auch Produktanforderungen gestellt werden können. Letzte offene Punkte waren u.a. die Regelungen zum Vergaberecht sowie das Verhältnis zur neuen Ökodesign-VO. Die letzten Einigungen müssen nun noch eingearbeitet und der Text konsolidiert werden. Die neue Verordnung soll im April 2024 vom Parlament verabschiedet werden.

5. BREXIT – Aktueller Stand

Das Department of Business and Trade (DBT) hat stellvertretend für die britische Regierung im August 2023 verkündet, dass es auch über das Jahr 2024 hinaus für bestimmte Produktgruppen bzw. Regelungsbereiche das CE-Kennzeichen akzeptieren möchte. Dies gilt u.a. für Maschinen, Funkanlagen, Elektro- und Elektronikgeräte (v.a. im Hinblick auf die elektromagnetische Verträglichkeit, Niederspannung), Druckgeräte oder Aufzüge (die vollständige Liste kann hier eingesehen werden). Einige Rechtsakte bzw. Rechtsbereiche sind hiervon jedoch nicht erfasst (z.B. Bauprodukte, Medizinprodukte und In-vitro-Diagnostika). Hier ist zu beachten, dass es sich jedoch lediglich um eine Pressemitteilung handelt, die ggf. noch in nationales Recht umgesetzt werden muss.

D. Aktuelle Entwicklungen aus dem KI-, Daten- und IT-Sicherheitsrecht

1. Neue Entwicklungen betreffend der KI-Verordnung

Die EU hat sich im Dezember in den Trilog Verhandlungen politisch auf die KI-Verordnung geeinigt. Ein finaler Text zur Einigung liegt noch nicht vor, hieran wird wohl voraussichtlich noch bis zum 9. Februar gearbeitet werden. Danach folgen noch weitere Schritte im Gesetzgebungsverfahren der EU, so dass mit einem Inkrafttreten der KI-Verordnung (oder AI Act) Q 2 2024 zu rechnen ist. Damit hat die EU das weltweit erste Gesetz zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz (KI) auf den Weg gebracht. Die in der KI-Verordnung verwendete Definition basiert auf der revidierten OECD-Definition. Diese ist zum einen zwar weit gefasst, aber so präzisiert, dass eine Unterscheidung zwischen einfachen Softwaresystemen und KI-Anwendungen möglich sein sollte. Die Verpflichtungen aus der KI-Verordnung richten sich in erster Linie an die Hersteller von KI. Insoweit hat die KI-Verordnung Anleihen aus dem Produktsicherheitsrecht genommen. Auch Nutzer und Importeure von KI treffen jedoch Pflichten beim Verwenden von KI. Neben grundsätzlich verbotener KI, werden Anforderungen an den Einsatz von Hochrisiko-KI und Generativer KI gesetzt. Bei Hochrisiko-KI ist zukünftig eine Risikofolgenabschätzung für den Einsatz solcher Systeme vorab erforderlich, und zwar für den Hersteller ebenso wie für den Verwender.

2. Neues vom Cyberresiliance Act

Ein weiterer europäischer Rechtsakt, auf den sich die EU im Trilogverfahren Ende letzten Jahres politisch geeinigt hat, ist der sogenannte Cyberresiliance-Act (CRA). Bei dieser Verordnung geht es um IT-Sicherheitsrechtliche Vorgaben für vernetzte Produkte. Hierzu liegt mittlerweile eine vorläufige konsolidierte Fassung des geeinigten Textesvor, so dass auch hier in Q2 mit Inkrafttreten des CRA zu rechnen sein dürfte. Bei dem CRA handelt es sich um eine EU-Verordnung, so dass er nach einer Übergangszeit von 36 Monaten von den Adressaten des CRA direkt anzuwenden sein wird. Der CRA verpflichtet die Hersteller von IoT Produkten (soweit sich nicht bereits von bestimmten Sonderregelungen erfasst sind) IT-Sicherheit für Software- und Hardware im IoT Ökosysten über die gesamte Lebensdauer des IoT Produktes zu gewährleisten. Weitere Verpflichtungen gelten für Importeure und Distributoren. IT-Sicherheitsrechtliche Anforderungen werden bereits in Entwurf, Planung, Entwicklung und Produktion zu berücksichtigen sein („Security by Design“). Auch die Lieferkette wird in diese Anforderungen einbezogen. Nach dem Markteintritt muss der Hersteller mit Support und Security Updates für fortlaufende IT-Sicherheit des IoT Produktes sorgen. Für den Markteintritt wird zukünftig die CE-Kennzeichnung auch die Konformität des Produktes mit den IT-Sicherheitsanforderungen des CRA attestieren. Hier folgt der Cyberresiliance Act dem New Legislative Framework. Sonderregelungen gelten für Hochrikiso-KI-Systeme in Sinne der KI-Verordnung und Open Source Software.

3. NIS2-Richtlinie und das NIS2UmsuCG

Die sogenannte NIS2 Richtline NIS2 (EU 2022/2555) trat bereits Anfang 2023 in der EU in Kraft, sie muss allerdings noch in nationales Recht umgesetzt werden. Das noch im Entwurfsstadium befindliche NIS2UmsuCG wird voraussichtlich im Oktober 2024 in Kraft treten.

Die Änderungen der NIS2 Richtlinie, die Anforderungen an die Netzwerk- und Informationssicherheit an Unternehmen und öffentliche Stellen aufstellt, hat einen wesentlich erweiterten Anwendungsbereich zur NIS1 Richtlinie. Während bisher nur Unternehmen und öffentliche Stellen, die den sogenannten kritischen Infrastrukturen zuzurechnen waren, verpflichtet wurden, zählen nun auch „wesentliche“ und „wichtige“ Einrichtungen zu den Adressaten dieser IT-Sicherheitsregulierung. Nach Schätzung des BITKOM erhöht sich die Zahl betroffener Unternehmen von ca. 5.700 auf ca. 29.000. Vielen Unternehmen ist noch gar nicht bewusst, dass sie zukünftig den erhöhten IT-Sicherheitsanforderungen der NIS2 Richtlinie und dem noch im Entwurf befindlichen NIS2UmsuCG unterfallen.unterfallen. In den Bereichen Produktion, Gesundheit und Abfallwirtschaft hat sich der Anwendungsbereich wesentlich erweitert.

Zu den für die betroffenen Unternehmen relevanten Pflichten aus der NIS2 Richtlinie gehörten insbesondere die Errichtung eines IT-Sicherheitsmanagementsystems (ISMS) und fristgebundene Meldepflichten für IT-Sicherheitsvorfälle. Zudem weist die NIS2 Richtlinie der Unternehmensleitung nter der Überschrift Governance die Verantwortlichkeit und die Haftung für die IT-Sicherheit den Leitungsorganen von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zu. Diese sind für die Errichtung, die Billigung der Maßnahmen für das ISMS, und die Überwachung der Umsetzung der Maßnahmen des ISMS verantwortlich. In das ISMS ist auch die IT-Sicherheit in der Lieferkette mit einzubeziehen. Ferner werden die Leitungsorgane verpflichtet, selbst an Schulungen zur IT-Sicherheit teilzunehmen sowie ihre Mitarbeiter hierin zukünftig zu schulen. Der Bußgeldrahmen der NIS2 Richtlinie wurde erheblich erweitert und kann bei wesentlichen Einrichtungen zu Bußgeldern bis zu EUR 10 Mio. oder mit einem Höchstbetrag von mindestens 2 % des gesamten weltweiten Jahresumsatzes und bei wichtigen Einrichtungen bis zu EUR 7 Mio. oder mit einem Höchstbetrag von mindestens 1,4 % des weltweiten Jahresumsatzes betragen.

4. Inkrafttreten des Data Acts

Ein weiteres Europäisches Gesetz von großer Relevanz für Hersteller, Diensteanbietern verbundener Dienste im IoT Ökosystem und Anbieter nachgelagerter Dienstleistungen von IoT Produkten ist der Data Act (Datenverordnung 2023/2854). Diese Verordnung ist am 11. Januar 2024 in Kraft getreten und ist nach einer Übergangsfrist von 20 Monaten ab dem 12. September 2025 direkt anwendbares Recht. Der Data Act gibt Nutzern von IoT ein Recht auf Zugang auf die durch die Verwendung der IoT erzeugten Daten. Dieses Recht auf Zugang ist für den Nutzer kostenfrei und hat dieser gegenüber allen Herstellern, die IoT Produkte auf dem europäischen Markt anbieten. Der Zugang zu den Daten muss nicht nur dem Nutzer, sondern auch Dritten, die der Nutzer bestimmt hat, gewährt werden. Für diesen Zugang kann der Hersteller bzw. der Dateninhaber eine faire, angemessene und nichtdiskriminierende Vergütung verlangen. Diese „FRAND“ Bedingungen sind aus der Lizenzierung Standardessenzieller Patente entlehnt. Die angemessene Vergütung in diesem Sinne soll bei KMU und gemeinnützigen Forschungseinrichtungen im Wesentlichen die Kosten für die Übertragung und die Generierung der Daten verlangt werden. Darüber hinaus führt der Data Act eine Klauselkontrolle für missbräuchliche Vertragsklauseln für die Datenweitergabe zwischen Unternehmen also im B2B Bereich ein. Schließlich erlegt der Data Act dem Dateninhaber im Fall „außergewöhnlicher Notwendigkeit“ die Pflicht auf, von IoT Produkten erzeugte Daten an die öffentliche Hand herauszugeben.

E. ESG - Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten in der Lieferkette (inkl. Zoll)

1. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)

Seit dem 1. Januar 2024 sind vom Anwendungsbereich des LkSG auch alle Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitenden im Inland umfasst (zu den Pflichten nach dem LkSG vgl. unsere Mandanteninformation vom 17.03.2022).

Ende 2023 wurde auf ministerieller Ebene angekündigt, dass die Berichtspflicht nach § 10 Abs. 2 LkSG weiter ausgesetzt werden soll, um über die CS3D (siehe unten) mit der CSRD harmonisiert zu werden. Rechtssicher bestätigt ist diese Ankündigung allerdings bisher nicht. Zudem ist zu betonen, dass dennoch alle anderen Sorgfaltspflichten (Einrichten eines, Risikomanagements, Durchführung regelmäßige und anlassbezogener Risikoanalysen, Ableitung und Umsetzung von Präventions- und Abhilfemaßnahmen, Beschwerdeverfahren und Dokumentationspflichten) auch weiterhin gelten. Die Einhaltung dieser Sorgfaltspflichten wird im Jahr 2024 gegenüber dem vergangenen Jahr noch verstärkt seitens des BAFA kontrolliert werden.

Zudem hat das BAFA im Jahr 2023 weitere Handreichungen veröffentlicht, die „Handreichung zur Anwendung des LkSG auf die Kredit- und Versicherungswirtschaft“ und die „Handreichung zur Zusammenarbeit in der Lieferkette“. Gerade die letzte Handreichung sorgte und sorgt dabei in der Praxis für weitreichende rechtliche Diskussionen.

2. CS3D – „Europäisches Lieferkettengesetz“

Der Entwurf der Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D), die gerne auch etwas irreführend als Europäisches Lieferkettengesetz bezeichnet wird, befindet sich auf der Zielgeraden. Am 13. Dezember haben Rat, Europäisches Parlament und Kommission ihre Trilogverhandlungen zu der Richtlinie erfolgreich abgeschlossen. Die Bestätigung des Kompromisstextes von Parlament und den EU-Staaten ist in der Regel reine Formsache und wird voraussichtlich Ende März 2024 erfolgen. Die Richtlinie geht auf einen Entwurf der Kommission zurück, die diesen bereits im Februar 2022 veröffentlicht hatte.

Die Richtlinie ist weitreichender als das bisherige deutsche LkSG, welches in Umsetzung der Richtlinie im Jahr 2025 angepasst werden dürfte. Aufgrund der CS3D werden mehr Unternehmen in die Pflicht gezogen und es werden teilweise noch höhere Anforderungen an diese gestellt. Grundsätzlich wird die CS3D für große Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigen und einem weltweiten Nettoumsatz von über 150 Millionen EUR gelten. Für Unternehmen, die in bestimmten Risikosektoren tätig sind, wird die CS3D aber bereits ab 250 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von 40 Millionen EUR gelten. Auch Unternehmen, die ihren Sitz nicht in der EU haben, fallen unter bestimmten Voraussetzungen in den Geltungsbereich der Richtlinie. Auch die Haftung der Unternehmen für Verstöße gegen Sorgfaltspflichten verschärft sich. Ihnen können nach der Richtlinie nicht mehr nur behördliche Sanktionen bzw. Bußgelder auferlegt werden, sie können unter bestimmten Voraussetzungen vielmehr auch zivilrechtlich in Anspruch genommen werden.

Mit einer Veröffentlichung der CS3D im EU-Amtsblatt und einem Inkrafttreten ist Ende des 2. Quartals 2024 zu rechnen.

3. Entwurf der Green Claims Richtlinie

Die EU-Kommission hat Anfang 2023 einen Entwurf für eine Green Claims Richtlinie veröffentlicht. Damit verfolgt sie das Ziel, „Greenwashing“ zu bekämpfen. Festgelegt werden sollen gemeinsame Kriterien gegen Grünfärberei und irreführende Umweltaussagen (Green Claims). Die Richtlinie steht in engem Zusammenhang mit den Vorschriften zu unlauteren Geschäftspraktiken, die diese Problematik zwar bereits heute adressieren. Derzeit sind die rechtlichen Anforderungen an Umweltaussagen jedoch noch sehr unklar definiert. Für Verbraucher*innen ist es oft unersichtlich, welche Unternehmen den Auswirkungen auf Klima und Umwelt tatsächlich Beachtung schenken und welche lediglich damit werben. Die Green Claims Richtlinie soll nunmehr Klarheit darüber schaffen, wann eine Umweltaussage irreführend ist. Nach der Richtlinie sollen Unternehmen verpflichtet werden, umweltbezogene Aussagen nur dann zu tätigen, wenn diese belegt werden können, ihre Green Claims also auf wissenschaftlichen Standards fußen. Vorgesehen sind zudem Regelungen zu Umweltzeichen. Öffentliche Kennzeichnungssysteme sollen zukünftig nur noch dann zulässig sein, wenn sie auf EU-Ebene entwickelt wurden, private Kennzeichen müssen vorab genehmigt werden.

Gelten soll die Richtlinie für alle Unternehmen, die nicht KMU (unter 10 Mitarbeitenden und 2 Mio. Euro Umsatz oder Bilanzsumme) sind. Bis die Richtlinie in Kraft tritt, wird es allerdings noch dauern. Voraussichtlich wird der europäische Gesetzgebungsprozess nicht vor Sommer 2024 beendet sein. Nach Verabschiedung der Richtlinie hätten die Mitgliedsstaaten zudem 18 Monate Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. Erst danach sind deutsche Unternehmen verpflichtet.

4. Critical Raw Materials Act (CRMA): EU-Verordnung über kritische Rohstoffe

Aufgrund des großen politischen Handlungsdruck ging es schnell: Nachdem die Kommission im März 2023 ihren Entwurf für die „CRMA“ genannte Verordnung vorgelegt hatte, erzielten Rat und Parlament noch vor Weihnachten einen Kompromiss, dem das Parlament bereits zugestimmt hat. Die Zustimmung des Rates ist kurzfristig zu erwarten, dann wird der CRMA im EU-Amtsblatt verkündet werden.

Durch den CRMA werden insgesamt 34 kritische Rohstoffe reguliert, von denen 17 als strategische Rohstoffe besonders hervorgehoben werden. Mit dem CRMA will die EU die Sicherheit der Versorgung des Binnenmarktes mit kritischen/strategischen Rohstoffen verbessern und insbesondere die Abhängigkeiten von einzelnen Importeuren verringern.

Bis 2030 sollen für jeden einzelnen strategischen Rohstoff 10 % des EU-Jahresverbrauchs durch Gewinnungskapazitäten in der EU gedeckt werden, 40 % durch Verarbeitungskapazitäten in der EU und 25 % durch Recyclingkapazitäten in der EU. Projekte, die einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der Versorgung der EU mit strategischen Rohstoffen leisten, können als strategische Projekte anerkannt werden, für die eine Reihe von Privilegierungen mit Blick auf behördliche Zulassungen gelten.

Große Unternehmen (> 500 Beschäftigte und > 51 Mio. € Umsatz), die strategische Rohstoffe für die Herstellung verschiedener Produkte verwenden, werden zur Risikovorsorge verpflichtet. Unternehmen, die Produkte von 13 verschiedenen Kategorien Inverkehrbringen, müssen ihre Produkte in Bezug auf die Verwendung von Dauermagneten kennzeichnen; innerhalb der nächsten 3 Jahre können noch Verpflichtungen zu einem Mindest-Rezyklatanteil hinzukommen.

5. Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) in Kraft getreten

Im Juni 2023 wurde die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (Verordnung (EU) 2023/1115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt und ihre Ausfuhr aus der Union sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 995/2010) im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Verordnung sieht umfangreiche neue Sorgfaltspflichten in der Lieferkette vor, die u.a. Hersteller, Importeure und Händler von Erzeugnissen, die relevante Rohstoffe wie Kautschuk oder Holz enthalten, adressieren. Die Verordnung gilt grundsätzlich und für die meisten Marktteilnehmer ab dem 30. Dezember 2024.

Die Verordnung zielt darauf ab, die weltweite Entwaldung und Waldschädigung einzudämmen und den Beitrag der Europäischen Union zu Treibhausgasen und den Verlust der Biodiversität zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, greift die Verordnung sowohl auf typische Regelungselemente des Produktrechts als auch auf typische Regelungselemente der Lieferkettencompliance zurück. Das Ergebnis ist eine Verordnung mit weitreichenden Sorgfaltspflichten, deren Nichtbeachtung zugleich über ein Vertriebsverbot streng sanktioniert wird.

In unserer Mandanteninformation vom 21. Juli 2023 können Sie weitere Informationen über die Verordnung (EU) 2023/1115 erhalten.

Eine besondere Herausforderung für die betroffenen Unternehmen dürfte die kurzfristige Informationsbeschaffung über die Entwaldungsfreiheit relevanter Rohstoffe darstellen. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig die Betroffenheit zu prüfen und ggf. mit der Informationsbeschaffung zu beginnen.

6. Nachhaltigkeitsberichterstattung - CSRD

Bereits Ende 2022 wurde die CSRD 2022/2464/EU veröffentlicht. Der Geltungsbereich für die Nachhaltigkeitsberichtserstattung wurde durch diese massiv ausgeweitet. Erfasst werde nun nicht nur kapitalmarktorientierte Unternehmen, sondern auch sog. „Große Unternehmen“. Durch die delegierte Richtlinie 2023/2775 wurden zuletzt die Schwellenwerte zur Bestimmung der Unternehmensgröße angepasst. “Groß“ ist ein Unternehmen danach, wenn es zwei der folgenden drei Kriterien erfüllt: Bilanzsumme > 25 Millionen Euro, Umsatzerlöse > 50 Millionen Euro und mehr als 250 Mitarbeiter. Sehr viele Unternehmen werden daher nun erstmals mit dem Lagebericht 2026 für das Jahr 2025 berichtspflichtig. Die Berichterstattung selbst ist nach den Vorgaben der seitens der EFRAM erarbeiteten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) vorzunehmen. Die ersten 12 Berichtsstandards (ESRS = der EFRAM) wurden im Wege einer Delegierten Verordnung vom 31.7.2023 (bekannt gemacht im EU-Amtsblatt vom 22. Dezember 2023) erlassen, vgl. Delegierte Verordnung (EU) 2023/2772. Die umfangreichen Standards finden sich in Anhang I der Verordnung und werden somit unmittelbar geltendes europäisches Recht. Ein zweites Set an ESR-Standards (dann als sektorspezifische Standards) soll bis Mitte 2024 folgen.

Gerade Unternehmen, die für das Jahr 2025 erstmalig berichtspflichtig werden und bislang nicht auf freiwilliger Basis Nachhaltigkeitsberichte verfasst haben, sollten so schnell wie möglich mit den Vorbereitungen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung beginnen. Erster Schritt ist hier die Prüfung der Doppelten Wesentlichkeit zu Identifizierung der berichtspflichtigen Bereiche. Die CSRD muss noch in nationales Recht umgesetzt werden, was durch aller Voraussicht nach durch die Novellierung des Handelsgesetzbuches (HGB) im Laufe des Jahres erfolgen wird.

7. Entwicklungen zur Taxonomie-Verordnung

Eng verbunden mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung sind die Pflichten nach der Taxonomie-Verordnung 2020/852/EU vom 18. Juni 2020. Die Geltungsbereiche beider Rechtsakte sind durch Verweis in Art. 1 Abs. 2 lit c) Taxonomie-Verordnung auf die Richtlinie 2013/34/EU, welche wiederum durch die CSRD abgeändert wurde, insoweit gleichgeschaltet. Dies bedeutet, dass Unternehmen, die unter die CSRD fallen gleichzeitig unter den Geltungsbereich der Taxonomie-Verordnung fallen. Auch die Taxonomie-Verordnung enthält Berichtspflichten (vgl. Art. 8 Taxonomie). Nicht-Finanzunternehmen haben dabei erstens anzugeben, welcher Anteil ihrer Umsatzerlöse mit Produkten oder Dienstleistungen erzielt wird, die mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden sind, die nach Maßgabe der Taxonomie-Verordnung als wirtschaftlich nachhaltig einzustufen sind. Zweitens haben sie insbesondere den Anteil ihrer Investitionsausgaben anzugeben, der mit Wirtschaftstätigkeiten verbunden ist, die als ökologisch nachhaltig einzustufen sind. Diese Berichtspflichten sind gleichzeitig Gegenstand der Nachhaltigkeitsberichterstattung und der Nachhaltigkeitsprüfung.

Im Laufe der letzten Jahre wurden eine ganze Reihe von Rechtsakten erlassen, welche die Anforderungen der Taxonomieverordnung konkretisieren und zu beachten sind. In chronologischer Reihenfolge sind dies insbesondere:

  • Delegierte Verordnung (EU) 2021/2139 zur Festlegung technischer Bewertungskriterien in Bezug auf die Umweltziele 1 und 2 (Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel)
  • Delegierte Verordnung (EU) 2021/2178 zur Festlegung des Inhalts und der Darstellung der Informationen die in Bezug auf ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten offenzulegen sind und zur Festlegung;
  • Delegierte Verordnung (EU) 2022/1214 zur Änderung der Verordnungen 2021/2139/EU und 2021/2178/EU
  • Delegierte Verordnung (EU) 2023/2485 zur Ergänzung der Verordnung 2021/2139 durch Festlegung zusätzlicher technischer Bewertungskriterien der Umweltziele 1 und 2
  • Delegierte Verordnung (EU) 2023/2486 zur Festlegung technischer Bewertungskriterien in Bezug auf die Umweltziele 3 bis 6 (nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung und Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme)

8. Einigung über Richtlinie zur Gebäudeenergieeffizienz im Trilogverfahren

Am 7. Dezember 2023 konnte im Trilogverfahren eine Einigung über den wesentlichen Inhalt der neuen Richtlinie zur Gebäudeenergieeffizienz erfolgen. Für ein Inkrafttreten der Richtlinie im Jahr 2024 stehen daher nur noch die Abstimmung im EU-Parlament sowie eine Veröffentlichung im EU-Amtsblatt aus. Die Richtlinie wird insbesondere Anforderungen an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden und die Verringerung der Treibhausgasemissionen von Gebäuden aufstellen. Dabei richten sich die Vorgaben der Richtlinie sowohl an Neubauten (vgl. Art. 7) als auch an den Bestand (Art. 8). Alle Neubauten müssen spätestens zum 1. Januar 2030 „Nullemissionsgebäude“ gemäß Artikel 9b der Richtlinie sein. Im Hinblick auf den Bestand besteht eine Sanierungspflicht grundsätzlich nur, wenn diese ohnehin einer größeren Renovierung unterzogen werden. Für Nicht-Wohngebäude besteht hingegen unter anderem die Vorgabe, dass die 16 Prozent der am schlechtesten sanierten Objekte bis 2033 renoviert werden müssen, siehe Art. 9. Die neue Richtlinie wird zu einem noch zu bestimmenden Zeitpunkt die Richtlinie 2010/31/EU ersetzen.

9. Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2023/956 (CBAM-VO)

Am 16. Mai 2023 wurde die Verordnung (EU) 2023/956 (CBAM-VO) zur Schaffung eines CO2-Grenzausgleichssystems im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Die Umsetzung erfolgt stufenweise, zunächst in einer Übergangsphase seit Oktober 2023. Ab 1. Januar 2026 ist die Verordnung vollständig anzuwenden.

Die Verordnung gilt für die Wirtschaftsakteure, welche die in Anhang I der Verordnung gelisteten Waren (CBAM-Waren) mit Ursprung in einem Drittland in das Zollgebiet der Union einführen. Die CBAM-VO gilt zudem auch dann für die in Anhang I gelisteten CBAM-Waren, wenn diese nach der Be- und Verarbeitung in der zollrechtlichen aktiven Veredelung eingeführt werden. Unter Anhang I fallen beispielsweise Eisen und Stahl oder Aluminium und eine Vielzahl weiterer Produkte deren Erzeugung besonders energieintensiv ist.

In der derzeitigen Übergangsphase gelten lediglich Dokumentations- und Berichtspflichten, die auch durch die CBAM-Durchführungsverordnung 2023/1773 vom 15. September 2023 (CBAM-DVO) konkretisiert werden. Die Pflicht zur Einreichung eines „CBAM-Berichts“ gilt für jeden Einführer oder indirekten Zollvertreter, der CBAM-Waren in einem bestimmten Quartal eines Kalenderjahres eingeführt hat. Hierüber muss er der Kommission spätestens einen Monat nach Quartalsende einen Bericht mit Informationen zu den in dem jeweiligen Quartal eingeführten Waren übermitteln. Welche Angaben dieser CBAM-Bericht enthalten muss, regelt Art. 35 Abs. 2 CBAM-VO.

Ab dem 01. Januar 2026 verpflichtet die CBAM-VO bei Einfuhr bestimmter Waren (Anhang I) zum Kauf von CBAM-Zertifikaten bei der zuständigen CBAM-Behörde. Mit den Zertifikaten sollen die in den Waren eingebetteten sog. „grauen Emissionen“ gedeckt werden (vgl. Art. 22 CBAM-VO).

10. Weitreichende Kauf- und Einfuhrverbote im Rahmen der europäischen Russlandsanktionen

Die EU hat in Abstimmung mit den USA, Großbritannien und weiteren Partnerländern in Reaktion auf den russischen Angriffskrieg ein umfangreiches Sanktionsprogramm gegen Russland erarbeitet.

Die Sanktionen umfassen insbesondere Exportrestriktionen, Maßnahmen mit Bezug auf den Finanzsektor sowie Listungen von Personen und Entitäten. Listungen haben grundsätzlich Einreisesperren, Einfriergebote in Bezug auf Vermögenswerte und ein umfassendes Bereitstellungsverbot zur Folge. Die (in Deutschland unmittelbar wirksame) Verordnung Nr. 833/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Handlungen Russlands, die die Lage in der Ukraine destabilisieren, stellt den wichtigsten EU-Rechtsakt im Zusammenhang mit den Russland-Sanktionen dar. Sie wurde bereits als Reaktion der russischen Annexion 2014 der Krim erlassen und hat in der Folge zahlreiche Änderungen und Ergänzungen erfahren. Infolge des russischen Überfalls auf die Ukraine am 24. Februar 2022 wurde sie 2022 und 2023 schrittweise erheblich verschärft. Die letzte Änderung erfolgte durch das 12. Sanktionspaket am 18. Dezember 2023 (Stand Januar 2024).

Die Sanktionen beziehen sich insgesamt auf unterschiedlichste Branchen und Produkte. Unternehmen sind – u.a. wegen der Strafbewehrung der Nichtbeachtung und hoher Bußgelder – gut beraten, auch in Bezug auf ihre Handels- und Lieferbeziehungen zu prüfen, ob diese möglicherweise in den Geltungsbereich der weitreichenden Sanktionsprogramme fallen könnten.

Exemplarisch sei etwa auf die Einfuhrverbote für Eisen- und Stahlerzeugnisse (nach Anhang XVII) sowie für Rohöl und Erdölerzeugnisse (Anhang XXV) der Verordnung Nr. 833/2014 hingewiesen. Das Einfuhrverbot in Bezug auf Eisen- und Stahlerzeugnisse bezieht sich auf die sehr zahlreichen in Anhang XVII genannten Güter (u.a. Bleche, Bänder, Stäbe, Draht, Profile, Flacherzeugnisse, Gewebe, Ketten, Schrauben, Nägel, Nadeln usw.). Auch ist der weitreichende Umfang der Verbotsregelung zu beachten: Nicht nur das unmittelbare Einführen und Kaufen ist verboten, auch das mittelbare Einführen und Kaufen ist erfasst.

11. Vorschlag einer umfassenden Reform des EU-Zollrechts

Im Rahmen der produktrechtlichen Beratung ergeben sich häufig Fragestellungen, die dem Bereich des Zollrechts zuzuordnen sind. In diesen Fällen binden wir eine Partnerkanzlei mit zollrechtlicher Expertise ein.

Am 17. Mai 2023 hat die EU-Kommission den Vorschlag für eine umfassende Reform des EU-Zollrechts veröffentlicht. In einem „Gesamtpaket“ sollen verschiedene Zollregulierungen der EU novelliert oder gar durch neue Rechtsakte ersetzt werden. So soll etwa die Verordnung (EU) 952/2013 (Zollkodex) durch einen neuen EU-Zollkodex ersetzt werden. Vorgesehen sind unter anderem die Einrichtung einer EU-Zollbehörde, einer EU-Zolldatenplattform, die Erweiterung der zollrechtlichen Eingriffsbefugnisse im Hinblick auf gefährliche Waren, die Abschaffung der Zollbefreiung für Waren von einem Wert von bis zu 150,00 EUR sowie die Verpflichtung der Online-Plattformen als „fiktive Einführer“. Die Zollrechtsreform soll nach Planung der EU-Kommission im Jahre 2028 in Kraft treten.

F. Zivilrecht und Diverses

1. Geplante Überarbeitung der Produkthaftungsrichtlinie

Die seit 1985 bestehende EU-Produkthaftungsrichtlinie soll abgeändert werden. Dazu haben Ende 2023 die Trilogverhandlungen zwischen Kommission, Rat und Parlament begonnen. Der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens lässt sich hier abrufen. Zum einen ist laut Kommission erforderlich, die Richtlinie an die Herausforderungen neuer Technologien anzupassen. So soll insbesondere Software ausdrücklich als Produkt im Sinne des Produkthaftungsrechts ausgewiesen werden. Der Entwurf der EU-Kommission sieht aber auch eine Verschärfung der Haftungsrisiken der Wirtschaftsakteure vor. Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird in personeller Hinsicht ausgeweitet, Haftungshöchstgrenzen sowie Selbstbehalte sollen wegfallen. Zudem ist eine Anpassung der Beweislastregeln geplant. Vorgesehen ist eine Einschränkung der Entlastungsmöglichkeiten der Wirtschaftsakteure. Gleichzeitig sollen sie zukünftig gerichtlich verpflichtet werden können, Beweismittel an den Geschädigten herauszugeben, die dieser zur Begründung seines Anspruches braucht.

Sowohl der Europäische Rat als auch das Parlament haben intern beschlossen, mit nur wenigen Anpassungen zum Vorschlag der Kommission in die Trilogverhandlungen zu gehen. Insbesondere werden die wesentlichen Punkte im Kern wohl beibehalten werden. Es ist insofern schon jetzt absehbar, dass die Regeln zur Produkthaftung einseitig zulasten der Wirtschaftsakteure verschärft werden.

Wann die Trilogverhandlungen abgeschlossen sein werden, ist derzeit noch unklar. Sicher ist aber, dass auch der deutsche Gesetzgeber in der Folge Anpassungen im Bereich des Produkthaftungsrechts vornehmen wird.

2. Aktueller Stand zum „Right to repair“

Die Trilogverhandlungen zur geplanten „Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren“ beginnen im Dezember 2023.

Nachdem die Kommission im März 2023 einen Entwurf der „Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren“ eingebracht hat, haben nun auch Parlament und Rat ihre Standpunkte festgelegt. Das Gesetzesvorhaben soll Verbraucherinnen und Verbrauchern verbesserte Möglichkeiten und Anreize bieten, Reparaturdienstleistungen in Anspruch zu nehmen und so die Langlebigkeit von Produkten fördern.

Trotz Unstimmigkeiten in den Standpunkten der Institutionen, ist jedenfalls schon jetzt absehbar, dass sich Hersteller und Händler bestimmter Produkte auf verschärfte Pflichten einstellen müssen. Unklar ist derzeit etwa noch, ob von der Richtlinie nur Produkte erfasst sein werden, die auch jetzt schon Ökodesign-Vorschriften unterliegen, wie lange die Umsetzungsfrist sein wird und wie die geplante Online-Plattform zur Kontaktaufnahme mit Reparaturbetrieben ausgestaltet werden soll.

Unsicher ist darüber hinaus vor allem, welche Anpassungen im Rahmen der EU-Warenkaufrichtlinie vorgenommen werden. Diskutiert wird die Einschränkung des Wahlrechts des Käufers auf Reparatur oder Nacherfüllung sowie die Verlängerung der Gewährleistungsfrist nach einer Reparatur. Das Parlament hat sich zudem dafür ausgesprochen, dass der Verbraucher sich für eine Reparatur auch an den Hersteller und nicht nur an den Verkäufer wenden können soll.

3. Hinweisgeberschutzgesetz – insb. die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ist zu be-achten

Mit deutlicher Verspätung wurde in Deutschland 2023 die EU-Whistleblower-Richtlinie umgesetzt: Am 2. Juni 2023 wurde das Hinweisgeberschutzgesetz verkündet, am 2. Juli 2023 ist dieses in Kraft getreten.

Ziel des Gesetzes ist es, Beschäftigte und andere Personen zu schützen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Gesetzesverstöße ihrer Arbeitgeber oder anderer Stellen, mit denen sie beruflich in Kontakt stehen, erlangen. Um dieses Ziel zu erreichen, verpflichtet das Hinweisgeberschutzgesetz eine Vielzahl von Unternehmen zur Einrichtung einer internen Meldestelle für die Entgegennahme von Hinweisen. Zugleich wurde eine beim Bundesamt für Justiz angesiedelte externe Meldestelle geschaffen.

Die internen Meldestellen müssen durch unabhängige fachkundige Personen oder Abteilungen betrieben werden. Um Hinweisgeber zu schützen, sieht das Gesetz zudem ein Verbot von Repressalien und von Schadensersatzansprüchen vor. Hinweisgeber können – neben Beschäftigten – auch z.B. Lieferanten, Kunden oder Dienstleister sein.

Für Unternehmen ab 250 Beschäftigten gilt die Pflicht zur Einrichtung der internen Meldestelle bereits seit Inkrafttreten des Gesetzes am 2. Juli 2023. Für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten gab es zunächst eine Schonfrist. Diese ist nunmehr abgelaufen und die Pflicht zur Umsetzung besteht seit dem 17. Dezember 2023. Bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Pflichten drohen insbesondere Bußgelder.

Artikel als PDF herunterladen
Dr. Jens Nusser, LL.M.
Rechtsanwalt | Partner

Zurück