Mandanteninformation - Aktuelle Entwicklungen im Produktrecht
Artikel als PDF herunterladenLiebe Mandantinnen und Mandanten, sehr geehrte Damen und Herren,
das Jahr 2024 ist mit einer Vielzahl neuer Entwicklungen im regulatorischen Bereich gestartet, die oft große Herausforderungen für die Wirtschaft darstellen. Bereits Anfang des Jahres haben wir über neue Entwicklungen im Produktrecht informiert. Da sich aber auch in den letzten Monaten wieder viel getan hat, möchten wir Ihnen mit der vorliegenden Mandanteninformation einen aktualisierten Überblick über neue, relevante Regelungen und Gesetzesvorhaben sowie weitere Initiativen im Bereich des Produktrechts sowie im Bereich ESG und der Lieferketten-Compliance geben.
Zu vielen Themen haben wir bereits vertiefende Mandanteninformationen verfasst bzw. werden diese im Laufe der nächsten Wochen noch erarbeiten und Ihnen dann wie gewohnt zur Verfügung stellen. Wir haben versucht, möglichst viele Themen zu adressieren, erheben dabei aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen,
Ihr Produktrechtsteam
A. Material Compliance / Stoffrecht
1. EU-Kommission versucht sich an Konkretisierung des Mikroplastikverbots
Wegen dem sog. Mikroplastikverbot dürfen synthetische Polymermikropartikel nicht als solche oder, wenn diese vorhanden sind, um eine gewünschte Eigenschaft zu verleihen, nicht in Gemischen in einer Konzentration von 0,01 Gewichtsprozent oder mehr in Verkehr gebracht werden. Aufgrund der vielfältigen Einsatzfelder von synthetischen Polymermikropartikel („Mikroplastik“), hat dieses in Anhang XVII REACH-Verordnung eingeführte Mikroplastikverbot, welches grundsätzlich bereits seit dem 17. Oktober 2023 gilt, eine erhebliche Relevanz für die Wirtschaft. Trotzdem bestehen im Hinblick auf die Reichweite des Mikroplastikverbots weiterhin viele offene Rechtsfragen.
So hatte zuletzt der Technische Dienst der EU-Kommission in einem Q&A-Dokument versucht, die Reichweite des Verbots zu konkretisieren und insoweit folgendes ausgeführt: „Articles with glitter affixed on their surface do not fall within the scope of the restriction.“ Daran anknüpfend stellen sich einige Folgefragen. Ausgehend von dem Wortlaut des Verbots und dem Q&A-Dokument kann etwa argumentiert werden, dass das Verbot generell nicht für das Inverkehrbringen von Erzeugnissen gelten soll. Dies selbst dann, wenn dem Erzeugnis ggf. Mikroplastik anhaftet, welches sich bei der bestimmungsgemäßen Verwendung löst, so z.B. bei „glitzernden Dekoartikeln“ möglich. Andererseits ist auch eine strengere/weitergehende Auslegung denkbar, nach der das Mikroplastikverbot ebenfalls für Erzeugnisse mit einem Mikroplastikanteil gilt, sofern das Mikroplastik nicht als integraler Bestandteil des Erzeugnisses anzusehen ist, z.B. weil es sich während der bestimmungsgemäßen Verwendung ablöst.
Letztlich sind insoweit die weiteren Entwicklungen zu beobachten. In diesem Zusammenhang ist vor allem zu erwähnen, dass die EU-Kommission weiterhin an einem offiziellen FAQ-Katalog über das Mikroplastik arbeitet.
2. Verordnung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat
Auf EU-Ebene läuft aktuell ein Gesetzgebungsverfahren für eine Verordnung über die Vermeidung der Freisetzung von Kunststoffgranulat zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch Mikroplastik. Mit der Verordnung soll sichergestellt werden, dass unter anderem alle Wirtschaftsakteure, die im vorangegangenen Kalenderjahr mehr als fünf Tonnen Kunststoffgranulat gehandhabt haben, die in Anhang I aufgeführten erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um eine Freisetzung von Kunststoffgranulat zu vermeiden. Im Gegensatz zu dem REACH-Mikroplastikverbot knüpft der Verordnungsentwurf nicht an das Inverkehrbringen von Mikroplastik an, sondern reguliert bereits die Handhabung von Kunststoffgranulat in Anlagen (Anlage = alle Räumlichkeiten, Strukturen, Umgebungen oder Orte, in denen eine oder mehrere wirtschaftliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Handhabung von Kunststoffgranulat ausgeübt werden). Eine Anlage kann demnach etwa auch eine Lagerhalle sein, in dem Kunststoffgranulat gelagert wird. Im April 2024 ist der Verordnungsentwurf bereits von dem EU-Parlament in 1. Lesung angenommen worden. Wann genau jedoch eine Veröffentlichung der Verordnung im EU-Amtsblatt und damit ein Inkrafttreten erfolgt, lässt sich aktuell schwer abschätzen. Ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung (am zwanzigsten Tag nach Veröffentlichung im EU-Amtsblatt) gilt für eine Umsetzung der neuen Pflichten eine Übergangsfrist von 18 Monaten.
3. PFAS: Essential-Use-Konzept
Die Verwendung von besonders schädlichen Chemikalien wie Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) soll bekanntlich weiter eingeschränkt werden. Bei PFAS handelt es sich um eine Gruppe von Industriechemikalien, die aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften seit Langem und weit verbreitet in vielen Bereichen eingesetzt werden. Allerdings weisen PFAS eine hohe Stabilität, Langlebigkeit und Mobilität auf, sodass sie sich schnell verbreiten und gleichzeitig kaum mehr aus der Umwelt entfernbar sind. Dort können sie sich bspw. in Böden und Gewässern festsetzen. Zudem besteht die Vermutung, dass viele der PFAS darüber hinaus toxisch sind. Sie können von Menschen und Tieren über die Nahrung oder auch die Luft aufgenommen werden und so Gesundheitsgefahren bergen.
Die deutschen Behörden haben in Zusammenarbeit mit Behörden der Niederlande, Dänemarks, Norwegens und Schwedens Anfang 2023 einen Vorschlag zur Beschränkung der Verwendung von mehr als 10.000 PFAS bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Diese bewertet den Vorschlag derzeit wissenschaftlich. Im Rahmen dessen hat sie auch betroffene Firmen und Verbände konsultiert. Mehr als 5.600 Kommentare sind eingegangen, die die ECHA nunmehr in einer Stellungnahme gegenüber der Kommission berücksichtigen wird. Der Vorschlag sieht derzeit keine generelle „essential-use“-Ausnahme vor.
Auch die EU-Kommissionen hat im Rahmen ihrer Chemikalienstrategie bereits vergangenes Jahr angekündigt, sie plane PFAS grundsätzlich und in einem gruppenbasierten Ansatz zu verbieten. Dies schränkte sie jedoch insofern ein, als dies nicht für solche Bereiche gelten solle, in denen ihre Verwendung aus gesellschaftlicher Sicht unbedingt notwendig sei.
Nun hat die Kommission das Konzept der wesentlichen Verwendungszwecke erarbeitet. Danach sollen besonders schädliche Stoffe nur noch dann zumindest zeitweise weiterverwendet werden, wenn
- ihre Verwendung für die Gesundheit und/oder Sicherheit erforderlich und/oder für das Funktionieren der Gesellschaft von entscheidender Bedeutung ist
und
- es keine annehmbaren Alternativen gibt.
Die Kommission hat einen FAQ-Katalog mit weiteren Informationen zu diesem Konzept veröffentlicht.
Ein endgültiger Entschluss dahingehend, wie zukünftig mit PFAS umzugehen sein wird, welche PFAS in Anhang XVII der REACH-Verordnung aufgenommen und damit einer Verwendungsbeschränkung unterliegen werden und ob das essential-use-Konzept der Kommission Anwendung finden wird, bleibt abzuwarten. Eine entsprechende Entscheidung der Kommission und der Mitgliedstaaten ist jedenfalls nicht vor 2025 zu erwarten. Auch schon jetzt lohnt es sich jedoch, die aktuellen Entwicklungen im Blick zu behalten, um sich frühzeitig an neue Vorgaben anpassen zu können.
4. Neue CLP-Verordnung
Die Verordnung Nr. 1272/2008 vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP-Verordnung) soll abgeändert werden. Nachdem die Kommission Ende 2022 einen Revisionsvorschlag veröffentlicht hatte und sich Parlament und Rat im Dezember 2023 vorläufig geeinigt hatten, hat das Parlament am 23. April 2024 dem Verordnungstext zugestimmt. Der Rechtsakt muss nun noch vom Rat verabschiedet werden, bevor er im Amtsblatt der EU veröffentlicht wird und 20 Tage später in Kraft tritt.
Der Änderungsentwurf zielt u.a. auf eine Aktualisierung der Regelungen für die Einstufung von Stoffen ab. Zudem soll ein besserer Verbraucherschutz beim Online-Kauf gefährlicher Chemikalien hergestellt werden (auf Websites müssen etwa die gefährlichen Eigenschaften der Produkte angegeben werden). Insgesamt soll eine klarere Kennzeichnung gefährlicher Chemikalien erreicht werden. Erstmals sollen ferner Vorschriften für nachfüllbare Chemikalien erlassen werden – auch um die Anzahl von Verpackungen und Verpackungsabfällen zu reduzieren.
Ebenfalls wichtig: Durch die bereits im März 2023 veröffentlichte delegierte Verordnung (EU) 2023/707 wurden u.a. Regelungen zu neuen Gefahrenklassen eingeführt. Stoffe müssen ab dem 1. Mai 2025 und Gemische ab dem 1. Mai 2026 auf Basis der neuen Kriterien bewertet und eingestuft werden.
B. Produktumweltrecht
1. Anhaltende Dynamik in der Batterieregulierung rund um die Batterie-Verordnung
Die Verordnung 2023/1542 vom 12. Juli 2023 über Batterien und Altbatterien (Batterie-Verordnung) hält die Wirtschaftsakteure nach wie vor in Atem.
Hier haben wir die Inhalte bereits ausführlich vorgestellt.
Derzeit stehen der Geltungsbeginn wichtiger Vorschriften der Batterieverordnung (A.), der Referentenentwurf des Batterie-EU-Anpassungsgesetzes (B.) und der Erlass delegierter Rechtsakte zur Batterie-Verordnung (C.) im Fokus.
a) Geltungsbeginn wichtiger Vorschriften der Batterie-Verordnung
Die Batterie-Verordnung sieht zeitlich gestufte Geltungsbeginne der Anforderungen vor. Erste Vorgaben erlangten bereits am 18. Februar 2024 Geltung. Am 18. August 2024 wird nun eine Reihe von Vorgaben von großer Relevanz Geltung erlangen, so beispielsweise die stoffliche Beschränkung hinsichtlich Bleis bei Gerätebatterien. Gleiches gilt für viele neue Kennzeichnungsvorgaben, die Pflicht zur Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens, zur Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung und technischer Unterlagen durch den Erzeuger sowie die CE-Kennzeichnung. Ebenfalls ab dem 18. August müssen Batterien eine Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen beiliegen.
b) Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Batterierechts an die Batterie-Verordnung
Die Batterie-VO ist unmittelbar geltendes Recht in Deutschland. Für einige Vorschriften enthält die Verordnung jedoch gesonderte Inkrafttretens- oder Übergangsregelungen. Zudem sieht sie eine Reihe von Öffnungsklauseln für den nationalen Gesetzgeber sowie konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge vor.
Durch das – jetzt im Referentenentwurf vorliegende – Gesetz zur Anpassung des Batterierechts an die Verordnung (EU) 2023/1542 soll vor diesem Hintergrund das deutsche Batterierecht-Durchführungsgesetz (BattDG) geschaffen werden, welches das bisherige Batteriegesetz (BattG) ablösen wird.
Der Gesetzesentwurf, der im Mai 2024 veröffentlicht wurde, zielt zunächst auf die Festlegung von Zuständigkeiten für die neuen Aufgaben aus der Batterie-Verordnung. Außerdem finden sich umfangreiche Regelungen zur Bewirtschaftung von Altbatterien. Hier sollen bewährte Strukturen beibehalten und zugunsten der Verbraucher ausgeweitet werden. Insbesondere sollen Rückgabemöglichkeiten erweitert werden.
Im laufenden Gesetzgebungsverfahren sind noch einige Änderungen zu erwarten. Mit dem Vorliegen eines abgestimmten Regierungsentwurfes wird im Oktober gerechnet.
c) Delegierte Rechtsakte
In einer Vielzahl von Vorschriften der Batterie-Verordnung wird der Kommission die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte übertragen (näher siehe Art. 89 Batterie-Verordnung). Insoweit wird der Regelungsgehalt der Batterie-Verordnung durch die in Zukunft erlassenen delegierten Rechtsakte der Kommission noch maßgeblich konkretisiert werden.
Von aktueller Relevanz ist beispielsweise die Befugnisübertragung in Art. 11 Abs. 4 Batterie-Verordnung: In Art. 11 Abs. 1 Unterabsatz 1 Batterie-Verordnung werden Personen, die Produkte, in die Gerätebatterien eingebaut sind, in Verkehr bringen, dazu verpflichtet, Sorge dafür zu tragen, dass diese Batterien vom Endnutzer jederzeit während der Lebensdauer des Produkts leicht entfernt und ausgetauscht werden können. In Art. 11 Abs. 2 Batterie-Verordnung werden Produkte genannt, in denen ausnahmsweise eine Entfernbarkeit und Austauschbarkeit allein durch unabhängige Fachleute gestattet ist. In Art. 11 Abs. 4 Batterie-Verordnung wird der Kommission die Befugnis übertragen, gemäß Art. 89 delegierte Rechtsakte zu erlassen, um Absatz 2 des vorliegenden Artikels durch Aufnahme weiterer, von den Entfernbarkeits- und Austauschbarkeitsanforderungen nach Absatz 1 auszunehmender Produkte zu ändern.
Wir verfolgen die Entwicklungen aufmerksam und werden Sie in künftigen Mandanteninformationen und Blogposts über den Erlass wichtiger delegierter Rechtsakte informieren.
2. EU-Ökodesign-Verordnung 2024/1781 (ESPR)
Die neue EU-Ökodesign-Verordnung (ESPR) wurde am 28. Juni 2024 als Verordnung (EU) 2024/1781 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Nachdem das Europäische Parlament am 23.4.2024 die neue Verordnung (ESPR) beschlossen hatte, hatte auch der Rat der Verordnung (ESPR) am 27.5.2024 zugestimmt. Dadurch war der neue Rechtsakt bereits angenommen. Die Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt und somit am 18. Juli 2024 in Kraft.
Die Verordnung löst die im Jahr 2009 novellierte Ökodesign-Richtlinie ab. Wesentliche Neuerung der Ökodesign-Verordnung sind insbesondere die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf grundsätzlich alle Waren (inkl. Bauteile und Baugruppen), die Einführung zahlreicher neuer Ökodesign-Anforderungen, insbesondere aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft, die starke Ausweitung von Informationspflichten und die Einführung eines Digitalen Produktpasses.
Wie bisher handelt es sich jedoch um einen regulatorischen Rahmen, der durch europäische Durchführungsrechtsakte (Delegierte Verordnungen) zumeist produktgruppenbezogen in der Regel erst konkretisiert werden muss. Die ESPR sieht dafür in Artikel 18 die Erarbeitung eines Arbeitsplans vor, in dem festgelegt wird, für welche Produktgruppen zuerst neue delegierte Rechtsakte erlassen werden sollen. Nach Art. 18 Abs. 5 ESPR räumt die Kommission in diesem ersten Arbeitsplan unter der ESPR den folgenden Produktgruppen Vorrang ein: Eisen, Stahl - Aluminium - Textilien, insbesondere Bekleidung und Schuhwerk - Möbeln, einschließlich Matratzen - Reifen - Waschmitteln - Anstrichmitteln - Schmierstoffen - Chemikalien - energieverbrauchsrelevante Produkte, für die erstmals Ökodesign-Anforderungen festgelegt werden sollen oder für die bestehende unter der Ökodesign-Richtlinie angenommene Durchführungsmaßnahmen zu überprüfen sind und Produkte der Informations- und Kommunikationstechnologie und sonstige Elektronikgeräte.
Allein die Pflicht zur Offenlegung von bestimmten Informationen über die Entsorgung unverkaufter Verbraucherprodukte nach Art. 24 ESPR sowie das in der Öffentlichkeit viel beachtete Vernichtungsverbot für bestimmte Textilien und Schuhe nach Artikel 25 in Verbindung mit Anhang VII finden unmittelbar Anwendung. Für das Vernichtungsverbot gilt dabei eine Übergangsfrist von 24 Monaten.
Hinweisen möchten wir Sie schließlich auch auf den im Nomos-Verlag erscheinenden Einführungsband zur Ökodesign-Verordnung, der von Frau Dr. Fehse und Herrn Dr. Nusser herausgegeben wird, vgl. https://www.nomos-shop.de/nomos/titel/das-neue-oekodesign-recht-id-114981/.
3. EU-Verpackungsverordnung
Bereits am 15. März 2024 konnte im Trilog-Verfahren eine Einigung über den Text der EU-Verpackungsverordnung gefunden werden. Anschließend hat das EU-Parlament dem Verordnungstext am 24. April 2024 zugestimmt, so dass für ein Inkrafttreten der EU-Verpackungsverordnung nur noch formelle Schritte erforderlich sind (Akzeptanz durch den EU-Rat sowie die Veröffentlichung im EU-Amtsblatt). Die EU-Verpackungsverordnung wird dann 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft treten. Für eine Umsetzung der neuen verpackungsrechtlichen Pflichten durch die betroffenen Wirtschaftsakteure gilt jedoch ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens noch eine Übergangsfrist von 18 Monaten.
Die EU-Verpackungsverordnung adressiert nicht nur die abfallrechtliche Produktverantwortung bezüglich Verpackungsabfällen, sondern behandelt Verpackungen ganz nach dem Vorbild des New Legislative Approach erstmals als Produkte. Insoweit stellt die EU-Verpackungsverordnung verschiedene Produktanforderungen für Verpackungen (z.B.: Mindestrezyklatgehalt, maximaler Leerraumanteil und Anforderungen an Wiederverwendbarkeit) auf und adressiert Rechtspflichten an die Wirtschaftsakteure, deren Inhalt sich nach der Rolle des Wirtschaftsakteurs in der jeweiligen Lieferkette richtet. So müssen die Verpackungserzeuger künftig beispielsweise Konformitätsbewertungsverfahren nach Maßgabe der EU-Verpackungsverordnung durchführen und sind dafür verantwortlich, dass ihre Verpackung allen einschlägigen Anforderungen der Verordnung genügen. Im Gegensatz zu der EU-Batterieverordnung wird es für Verpackungen jedoch keine CE-Kennzeichnungspflicht geben.
4. Common Charger – Änderungen in RED und FuAG
Der Bundestag hat das Gesetz zur Änderung des Funkanlagengesetzes beschlossen. Damit werden Ladekabel mit USB-C-Ende für bestimmte Geräte wie Handys, Tablets und Spielkonsolen auch in Deutschland ab Ende dieses Jahres zur Pflicht. Ab 2026 gilt dieser Standard dann auch für Laptops.
Mit dem Gesetz wird die Richtlinie (EU) 2022/2380 zur Änderung der Richtlinie 2014/53/EU über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt (Funkanlagenrichtlinie) umgesetzt. Ziel ist es, zum einen Verbraucher finanziell zu entlasten, aber auch die Entstehung von Elektroschrott einzudämmen.
Die EU Kommission hat dazu inzwischen auch Leitlinien im EU Amtsblatt veröffentlicht. Diese sind zwar nicht verbindlich, bieten aber dennoch eine wertvolle Hilfestellung zur Auslegung und zur Umsetzung der Richtlinie.
In den Leitlinien gibt die Kommission insbesondere Hinweise zum Anwendungsbereich, indem sie näher ausführt, welche Geräte von der Richtlinie erfasst sein sollen. Sie konkretisiert aber auch die Entbündlungspflicht (Pflicht, ein Produkt mindestens auch immer ohne Netzteil anbieten zu müssen), die Informationspflichten gegenüber Verbrauchern und erläutert, inwiefern proprietäre Ladeprotokolle weiterhin zulässig sind.
C. Produktsicherheitsrecht
1. Neue Version des Leitfadens zur Maschinen-RL
Die EU-Kommission hat am 26. April 2024 einen überarbeiteten Leitfaden über die Maschinenrichtlinie veröffentlicht. Bemerkenswert ist insoweit vor allem, dass in dem Leitfaden bereits Regelungsaspekte aufgegriffen werden, die sich aus der neuen EU-Maschinenverordnung ergeben. Die neue EU-Maschinenverordnung gilt ab dem 14. Januar 2027 und wird zu diesem Zeitpunkt die aktuell noch gültige Maschinenrichtlinie ersetzen.
In § 255 des überarbeiteten Leitfadens wird beispielsweise auf den neuen Art. 10 Abs. 7 EU-Maschinenverordnung eingegangen, welcher Anforderungen an die Bereitstellung von Betriebsanleitungen regelt. Gemäß Art. 10 Abs. 7 EU-Maschinenverordnung ist es ausreichend, die Betriebsanleitung in „digitaler Form“ bereitzustellen. Bei Maschinen, die hingegen für private Nutzer bestimmt sind oder die zumindest unter vernünftigerweise vorhersehbaren Umständen von nichtprofessionellen Nutzern verwendet werden können, müssen die für eine sichere Verwendung der Maschine notwendigen Informationen gemäß Art. 10 Abs. 7 EU-Maschinenverordnung jedoch nach wie vor schriftlich bereitgestellt werden. Weder die Maschinenrichtlinie noch soweit ersichtlich die nationalen Umsetzungsrechtsakte zu der Maschinenrichtlinie sehen die Möglichkeit einer digitalen Bereitstellung der Betriebsanleitung vor. Nach § 255 des überarbeiteten Leitfadens soll es aber vor allem wegen dem neuen Art. 10 Abs. 7 EU-Maschinenverordnung gegenwärtig schon möglich sein, die Betriebsanleitungen auch auf der Grundlage der aktuell noch gültigen Maschinenrichtlinie bzw. der jeweiligen Umsetzungsrechtsakte digital bereitzustellen. Insoweit bestehen aber rechtliche Restrisiken, da die Maschinenrichtlinie in Abweichung zu der EU-Maschinenverordnung gerade keine Möglichkeit für eine digitale Bereitstellung der Betriebsanleitungen regelt.
2. EU-Bauprodukteverordnung
Die EU-Kommission hatte im März 2022 den Entwurf einer neuen EU-BauPVO vorgelegt (siehe dazu ausführlich unsere Mandanteninformation vom 30.04.2022). Nachdem die politischen Trilogverhandlungen im Dezember 2023 abgeschlossen werden konnten, nahm das Parlament den Text am 10. April 2024 an. Der (vorläufige) Verordnungstext ist nun auch in deutscher Sprache verfügbar. Mit der Veröffentlichung des endgültigen Texts im EU-Amtsblatt wird im Herbst 2024 gerechnet. Allerdings werden lediglich sprachliche Anpassungen erwartet.
Streitpunkte im Gesetzgebungsverfahren waren zum Schluss u.a. die Regelungen zum Vergaberecht sowie das Verhältnis zur neuen Ökodesign-VO (ESPR). Bauprodukte und Bauelemente sollen künftig grundsätzlich vorrangig unter dem Regelungsregime der EU-BauPVO geregelt werden. Ausnahmen sind für einige energieverbrauchsrelevante Produkte wie z.B. Wärmepumpen vorgesehen. Bei der öffentlichen Auftragsvergabe soll die Kommission in technischen Spezifikationen, Eignungskriterien, Vertragserfüllungsklauseln oder Zuschlagskriterien die Mindestanforderungen festlegen, die mindestens zu berücksichtigen sind, wobei die Mitgliedstaaten über die Mindestanforderungen hinausgehen dürfen.
In den vergangenen Jahren hatten sich insbesondere Defizite im Normungsverfahren gezeigt, die dazu führten, dass die Fundstellen neuer europäischer Normen nicht im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden konnten. Dem begegnet die neue Verordnung mit einer Neuregelung des Normungsverfahrens. Ein Streitpunkt zwischen einigen Mitgliedstaaten und der Kommission war zudem immer wieder die Frage, ob harmonisierte technische Spezifikationen im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 305/2011 abschließend sind. Die abschließende Wirkung harmonisierter Spezifikationen betont die neue Verordnung nun ausdrücklich durch die Einführung einer sog. harmonisierten Zone. Um den Politikzielen Rechnung zu tragen, wurde der Anwendungsbereich zudem erweitert und neue Regelungsinstrumente eingeführt. Neu ist die Aufnahme von Produktanforderungen z.B. in Bezug auf die allgemeine Produktsicherheit, die Nachhaltigkeit und die Klimafreundlichkeit von Bauprodukten. Diese Anforderungen sollen nunmehr zusätzlich im Rahmen einer Konformitätserklärung bescheinigt werden.
3. EU-Kommission – Datenbank für CE-gekennzeichnete Produkte
Die europäische Kommission erwägt derzeit, eine Datenbank einzuführen, in der die Konformitätsbewertungszertifikate CE-gekennzeichneter Produkte hinterlegt werden sollen. Die Datenbank soll also all die Zertifikate umfassen, mit denen die Konformität von Produkten mit den entsprechenden CE-Rechtsakten durch notifizierte Stellen bescheinigt wird. Davon erhofft sie sich eine erleichterte Marktüberwachung, weniger Bürokratie sowie eine Unterstützung der Zollkontrollen. Gleichzeitig soll Verbrauchern und Einzelhändlern der Zugang zu zuverlässigen Daten über die CE-Kennzeichnung eines Produkts verschafft werden.
Dahingehend führt die Kommission aktuell eine Machbarkeitsstudie durch, in deren Rahmen sie auch verschiedene Interessengruppen konsultiert.
Insbesondere von Unternehmensseite wird der Nutzen einer solchen Datenbank bezweifelt. Zum einen garantiere eine solche Datenbank nicht, dass die dort bereitgestellten Informationen stets zutreffend seien. Einzig dann, wenn alle Daten und Zertifikate durch eine unabhängige Stelle auf ihre Richtigkeit geprüft würden, könne die Datenbank einen echten Mehrwert darstellen. Der damit einhergehende bürokratische Aufwand sei jedoch nicht gerechtfertigt. Unverhältnismäßig sei darüber hinaus die erwartete Arbeitsbelastung für Hersteller. Dies wird insbesondere damit begründet, dass bereits die Einführung eines digitalen Produktpasses geplant sei. Es wird vorgebracht, die mit der Datenbank verfolgten Ziele würden bereits durch die Erstellung des Produktpasses erreicht. Dieser werde zudem nicht zentral, sondern in einem herstellereigenen Datensystem erfasst. Ein darüberhinausgehendes hinreichendes Bedürfnis, das ein Speichern sensibler Produktdaten in einer zentralen Datenbank rechtfertigen könne, bestehe nicht.
4. Brexit: CE-Kennzeichnung
Seit dem 1. Januar 2021 ist in Großbritannien das UKCA (UK Conformity Assessed)-Label als Konformitätskennzeichnung für solche Produkte verpflichtend, die in England, Schottland und Wales in Verkehr gebracht werden und unter die UKCA-Kennzeichnung fallen. Die UKCA-Kennzeichnung gilt dabei für die meisten Produkte, für die bislang die CE-Kennzeichnung erforderlich war.
Ursprünglich war vorgesehen, dass rechtmäßig mit einer CE-Kennzeichnung versehene Produkte lediglich für eine Übergangsfrist bis zum 31.12.2024 in Großbritannien weiterhin in Verkehr gebracht werden dürfen. Nunmehr hat die britische Regierung jedoch ein Gesetz erlassen, welches die Anerkennung der CE-Kennzeichnung für eine Reihe von Produktvorschriften auf unbestimmte Zeit fortsetzt und ab dem 1.10.2024 in Kraft tritt. Unternehmen steht es damit auch zukünftig frei, entweder die UKCA- oder die CE-Kennzeichnung zu nutzen.
Die fortgesetzte Anerkennung der CE-Kennzeichnung und der derzeitigen EU-Anforderungen wird für 21 Produktvorschriften gelten, darunter etwa solche zum Ökodesign und zu Funkgeräten. Nicht dazu zählen u.a. die Verordnungen über Medizinprodukte und Bauprodukte.
Weitere Informationen dazu finden Sie auf der Webseite der britischen Regierung.
D. Aktuelle Entwicklungen aus dem KI-, Daten- und IT-Sicherheitsrecht
1. Cyberresiliance Act
Der Cyberresiliance Act wurde am 12. März 2024 vom Europäischen Parlament angenommen und muss nun noch den Europäischen Rat passieren. Es ist damit zu rechnen, dass dies sehr zeitnah passieren wird und auch dieser Rechtsakt noch unter der aktuellen Ratspräsidentschaft verabschiedet und in Kraft treten wird. Bei dem CRA handelt es sich um eine EU-Verordnung, so dass er nach einer Übergangszeit von 36 Monaten von den Adressaten des CRA direkt anzuwenden sein wird. Der CRA verpflichtet die Hersteller von Produkten mit digitalen Elementen zur Gewährleistung der Cybersicherheit über den gesamten Lebenszyklus des Produktes hinweg. Besonders beachtenswert ist hierbei, dass die EU in ihren jüngsten Gesetzgebungsvorhaben dazu übergegangen ist, Software als Produkt einzustufen. Dies gilt sowohl für den vorliegenden Rechtsakt als auch für die bereits ebenfalls vom EU Parlament bereits verabschiedete Produkthaftungsrichtlinie. Der Cyberresilliance Act adressiert die Cybersicherheit von Produkten mit digitalen Elementen in drei Säulen. Die erste Säule ist die Cybersicherheit des Produktes, die durch den Hersteller über den gesamten Lebenszyklus des Produktes vom Entwurfsstadium bis zum Ende des Wartungszeitraums gewährleistet werden muss. Die zweite Säule sind umfangreiche und zeitkritische Meldepflichten für Cybersicherheitsvorfälle. Und die Dritte Säule ist die Information der Endnutzer im Hinblick auf die Cybersicherheitseigenschaften der Produkte mit digitalen Elementen.
2. Neue Entwicklungen betreffend der KI-Verordnung
Am 21. Mai 2024 hat der Rat der Europäischen Union die KI Verordnung verabschiedet. Der nächste Schritt ist die Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union. Am 20. Tag nach der Veröffentlichung wird die KI Verordnung in Kraft treten und ist damit das weltweit erste Gesetz, dass den Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) reguliert. Dabei unterscheidet die KI Verordnung zwischen unterschiedlichen Risikostufen von KI. Auf der höchsten Risikostufe sind KI Praktiken zu finden, die aufgrund ihres Risikos für die Grundrechte der betroffenen Personen, grundsätzlich verboten sind. Auf der nächsten Risikostufe werden sogenannte Hochrisiko-KI-Systeme reguliert. Diese Hochrisiko KI-Systeme müssen vor Markteintritt ein Konformitätsbewertungsverfahren durchlaufen. Insoweit ist die KI Verordnung ein CE-Rechtsakt. Unklar ist aktuell noch, wer die Marktaufsichtsbehörde für diese Hochrisiko KI-Systeme in Deutschland sein wird. Auf der dritten Risikostufe werden KI Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck adressiert. Innerhalb dieser Kategorie wird noch einmal zwischen KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck und KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck mit systemischem Risiko unterschieden. Das auf den Marktbringen letzterer unterliegt höheren Anforderungen als das von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck ohne ein solches Risiko. Auf der nächsten Stufe befinden sich KI-Systeme für die bestimmte Transparenzpflichten gelten, wie etwa beim Einsatz von KI-Systemen zur direkten Interaktion mit natürlichen Personen oder Deepfakes. Sämtliche KI, die zwar der weiten Definition von KI der KI Verordnung unterfällt, ist nicht weiter reguliert. Allerdings muss jedes Unternehmen, das KI entwickeln oder einsetzen möchte, dafür sorgen, dass die relevanten Mitarbeiter über die nötige Kenntnis verfügen.
3. NIS2- Richtlinie und das NIS2UmsuCG
Die sogenannte NIS2 -Richtline NIS2 (EU 2022/2555) trat bereits Anfang 2023 in der EU in Kraft, sie muss allerdings noch in nationales Recht umgesetzt werden. Seit 7. Mai 2024 liegt der 3. Referentenentwurf für das NIS2UmsuCG vor. Seit der Expertenanhörung im BMI am 3. Juni 2024 ist klar, dass es noch einen 4. Referentenentwurf geben wird. Der Abschluss des nationalen Gesetzgebungsverfahrens wird sich daher voraussichtlich noch bis Frühjahr 2025 hinziehen. Damit verpasst Deutschland die Umsetzungsfrist.
Die Änderungen der NIS2 Richtlinie, die Anforderungen an die Netzwerk- und Informationssicherheit an Unternehmen und öffentliche Stellen aufstellt, hat einen wesentlich erweiterten Anwendungsbereich zur NIS1 Richtlinie. Während bisher nur Unternehmen und öffentliche Stellen, die den sogenannten kritischen Infrastrukturen zuzurechnen waren, verpflichtet wurden, zählen nun auch wichtige und besonders wichtige Unternehmen zu den Adressaten dieser IT-Sicherheitsregulierung. Nach Schätzung des Gesetzesentwurfs erhöht sich die Zahl betroffener Unternehmen insgesamt von 5.000 auf 30.000. Die NIS2 Richtlinie läutet vor allem eine Abkehr vom Anlagenbezug hin zum Einrichtungsbezug. D.h. das zukünftig in den betroffenen Unternehmen, nicht nur die kritischen Anlagen, sondern die gesamte wesentliche oder wichtige Einrichtung, die IT-Sicherheitsanforderungen aus der NIS2 Richtlinie bzw. des NIS2UmsuCG zu erfüllen haben.
Vielen Unternehmen ist noch gar nicht bewusst, dass sie zukünftig den erhöhten IT-Sicherheitsanforderungen der IT-Sicherheitsrichtlinie unterfallen. In den Bereichen Produktion, Gesundheit und Abfallwirtschaft hat sich der Anwendungsbereich wesentlich erweitert. Zu den für die betroffenen Unternehmen relevanten Pflichten aus der NIS 2 Richtlinie gehörten insbesondere die Errichtung eines IT-Sicherheitsmanagementsystems (ISMS) und fristgebundene Meldepflichten für IT-Sicherheitsvorfälle. Unter der Überschrift Governance werden diese Anforderungen durch die Haftung der Leitungsorgane für die Billigung von Maßnahmen für das ISMS, und die Überwachung der Umsetzung der Maßnahmen des ISMS flankiert. Ferner werden die Leitungsorgane verpflichtet, selbst an Schulungen zur IT-Sicherheit teilzunehmen sowie ihre Mitarbeiter hierin zukünftig zu schulen.
4. Erweiterte Produkthaftung unter der neuen Produkthaftungsrichtlinie
Die neue Produkthaftungsrichtlinie befindet sich ebenfalls im Endstadium des europäischen Gesetzgebungsprozesses. Das europäische Parlament hat am 12. März 2024 die gesetzlichen Regelungen der Produkthaftungsrichtlinie 2024 verabschiedet. Die Neuregelungen erweitern den Anwendungsbereich für die verschuldensunabhängige Haftung wesentlich im Hinblick auf die Digitalisierung und führen insgesamt zu einer Verschärfung der Produkthaftung. So findet sich nicht nur eine wesentliche Erweiterung des Produktbegriffs sondern auch eine Ausdehnung des Fehlerbegriffs sowie des Adressatenkreises der Produkthaftung in den Neuerungen.
Der Begriff des Produktes wird ausdrücklich um Software in jeder Form erweitert, so dass jede Software, unabhängig davon, ob sie in einem physischen Produkt enthalten ist oder nicht, wie auch KI zukünftig davon erfasst sein werden.
Auch der Adressatenkreis der verschuldensunabhängigen Haftung auf Fulfillmentdienste und Online-Plattformen erweitert. Auch der Fehlerbegriff hat weitreichende Neuerungen erfahren. Die neuen Produkthaftungsregeln der Produkthaftungsrichtlinie 2024 gehen Hand in Hand mit den Anforderungen an die Produkt Compliance. So führt die Richtlinie eine Vermutung der Fehlerhaftigkeit des Produktes bei fehlender Produkt Compliance ein. Darüber hinaus werden für die Frage der Fehlerhaftigkeit des Produktes ausdrücklich die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen an die Produktsicherheit und die Cybersicherheitsanforderungen an Produkte mit digitalen Elementen aus dem Cyberresiliance Act berücksichtigt.
Die Richtlinie muss nach Abschluss des europäischen Gesetzgebungsverfahrens noch in nationales Recht umgesetzt werden, so dass von einer Geltung der Vorschriften ab Mitte/Ende 2026 zu rechnen sein dürfte.
E. ESG - Nachhaltigkeit und Sorgfaltspflichten in der Lieferkette
1. Berichterstattung nach dem LkSG
Das BAFA hat den Stichtag zur Einreichung des LkSG-Berichts erneut nach hinten verlegt. Bereits zuvor hatte es angekündigt, das Vorliegen der LkSG-Berichte für 2023 nicht vor dem 1. Juni 2024 zu prüfen und ein Überschreiten der gesetzlichen Frist des § 12 Abs. 2 LkSG auch nicht zu sanktionieren, soweit der Bericht spätestens zum 31. Mai 2024 beim BAFA eingegangen ist. Nun hat das BAFA bekannt gegeben, es werde die Überschreitung der Frist nicht sanktionieren, soweit der Bericht spätestens bis zum 31. Dezember 2024 vorliegt.
Damit passt das BAFA die Pflicht zur Einreichung des Berichts an den Referentenentwurf der CSR-RUG an. Dort heißt es auf Seite 143, dass die Berichte für 2023 frühstens zum 31. Dezember 2024 fällig sein sollen. Mit dem CSR-RUG soll die CSRD in nationales Recht umgesetzt werden, welche die Pflicht zur Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts regelt. Der Referentenentwurf des CSR-RUG lässt den politischen Willen erkennen, dass es keine doppelte Berichtspflicht geben soll. Geben die Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht ab, sollen sie von der Pflicht zur gesonderten Abgabe eines LkSG-Berichts befreit sein. Da die Pflicht zur Erstellung des Nachhaltigkeitsberichts auch für die meisten großen Unternehmen aber gerade erst für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2025 besteht, ist auch nicht auszuschließen, dass das BAFA die Berichtspflicht für 2023 und 2024 gänzlich aufhebt und im Sinne einer Anpassung an die CSRD erst zum 31.12.2026 einen Bericht über das Geschäftsjahr 2025 verlangt.
Nicht geklärt ist bisher, ob sich die faktische Fristverlängerung lediglich auf die Einreichung des Berichts oder auch auf seine Veröffentlichung nach § 10 Abs. 2 LkSG bezieht. Dazu schweigen sowohl das BAFA als auch der Referentenentwurf. Allerdings ist nach derzeitigem Stand davon auszugehen, dass es sich dabei um ein redaktionelles Versehen handelt und auch die Veröffentlichung vor dem 31. Dezember 2024 nicht gefordert ist.
Den Unternehmen steht es frei, auch ohne dahingehende Pflicht schon jetzt einen Bericht einzureichen und auf diese Weise aufzuzeigen, welche Schritte sie zur Umsetzung ihrer Sorgfaltspflichten unternommen haben. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des jeweiligen Unternehmens.
Beachtet werden muss jedenfalls, dass die Sorgfaltspflichten des LkSG den Unternehmen unabhängig davon obliegen, ob eine Berichtspflicht besteht oder nicht. Auch steht es dem BAFA frei, risikobasiert Auskunftsersuche an die verpflichteten Unternehmen zu verschicken und um Informationen hinsichtlich der Umsetzung der Pflichten zu bitten. Durch die faktische Verlängerung der Frist zur Berichterstattung werden weder die Pflicht zur Erfüllung der übrigen Sorgfaltspflichten gemäß der §§ 4 bis 10 Abs. 1 LkSG noch deren Kontrolle und Sanktionierung durch das BAFA berührt.
Für Irritation sorgte zuletzt die vermeintliche Aussage des Bundesministers für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck, das LkSG für zwei Jahre aussetzen zu wollen. Wie später durch mehrere Parteikolleginnen und -kollegen richtiggestellt wurde, handelte es sich dabei wohl um eine falsche Zitierung des Grünen-Politikers. Dieser habe sich vielmehr lediglich für eine Harmonisierung der Berichtspflichten ausgesprochen, um Mehrfachbelastungen zu verhindern. Eine Pausierung des LkSG sei nicht geplant.
2. Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CS3D)
Anfang des Jahres war noch ungewiss, ob eine gemeinsame europäische Richtlinie zu Sorgfaltspflichten in der Lieferkette kommt. Nachdem eine ausreichende Mehrheit zunächst nicht erzielt werden konnte, wurde die Richtlinie immer weiter abgeschwächt und schließlich doch noch durch die Mitgliedstaaten angenommen. Auch das Parlament und der Rat haben inzwischen zugestimmt, sodass die Richtlinie am 24.5.2024 endgültig formell angenommen wurde. In Kürze wird die Richtlinie im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden.
In ihrer vom Rat und Parlament angenommenen Fassung gleicht die Richtlinie hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs weitgehend dem des LkSG, sodass die Richtlinie im Ergebnis regelmäßig nur für solche Unternehmen gilt, die auch derzeit schon nach dem LkSG verpflichtet sind. Allerdings ist im Rahmen der CS3D die Anzahl der Beschäftigten nunmehr EU-weit zu bestimmen. Zudem sieht die CS3D eine zusätzliche Umsatzschwelle von mindestens 450 Mio. EUR vor. Zu beachten ist darüber hinaus, dass die CS3D zunächst nur für Unternehmen mit mindestens 5.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 1,5 Mrd. EUR gelten wird. Erst stufenweise wird ihr Anwendungsbereich bis 2029 erweitert.
Abweichungen zum LkSG gibt es im sachlichen Anwendungsbereich. Während sich das nationale Gesetz derzeit auf die Lieferkette bezieht, was insbesondere weite Bereiche der nachgelagerten Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich des LkSG herausfallen lässt, hat sich im nunmehr vorliegenden Kompromisstext zur europäischen Lieferkettenrichtlinie der Begriff der „Aktivitätskette“ durchgesetzt. Verpflichtet werden die Unternehmen so vor allem zu Sorgfaltspflichten im Rahmen der eigenen Geschäftstätigkeit einschließlich derer von Tochtergesellschaften, zudem in Bezug auf direkte und indirekte vorgelagerte Lieferanten sowie Tätigkeiten nachgelagerter Geschäftspartner in der Wertschöpfungskette, soweit diese für oder im Namen des verpflichteten Unternehmens handeln.
Anders als das LkSG stützt sich die CS3D auch auf den Klimaschutz als Schutzgut. Die CS3D verpflichtet die Unternehmen, einen Klimaübergangsplan zu entwickeln mit dem Ziel, das 1,5 Grad Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen (Art. 22 Abs. 1 der aktuellen Fassung). Der Plan ist alle zwölf Monate zu aktualisieren. Befreit von dieser Pflicht sind allerdings all die Unternehmen, die bereits nach der CSRD verpflichtet sind (Art. 15 Abs. 2 der aktuellen Fassung).
In der CS3D wird statt von Verletzungen und Risiken von tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen gesprochen, die zu ermitteln und zu bewerten sowie, falls erforderlich, auch zu priorisieren sind (Art. 5 Abs. 1 lit. b der aktuellen Fassung). Dabei wird nicht danach unterschieden, ob die negativen Auswirkungen im eigenen Geschäftsbereich oder bei einem unmittelbaren bzw. mittelbaren Zulieferer auftreten. Wie auch nach dem LkSG ist es den Unternehmen nach Art. 9 der aktuellen Fassung der CS3D gestattet, negative Auswirkungen zu priorisieren, können sie nicht alle gleichzeitig angehen. Die Priorisierung hat anhand der Schwere und Wahrscheinlichkeit der ermittelten negativen Auswirkungen zu erfolgen. Damit unterscheiden sich die Kriterien der Priorisierung von denen des LkSG, welches auf die Angemessenheitskriterien in § 3 Abs. 2 LkSG Bezug nimmt und etwa auch den Verursachungsbeitrag des Unternehmens sowie dessen Einflussmöglichkeiten berücksichtigt. Nach der CS3D sind also nicht zwingend die Risiken priorisiert anzugehen, die im eigenen Geschäftsbereich oder bei den unmittelbaren Geschäftspartnern bestehen. Da viele der gravierendsten Risiken gerade in den tiefer liegenden Wertschöpfungsketten auftreten, sind Unternehmen dazu angehalten, sich auf die wesentlichen Risiken zu beschränken - unabhängig davon, wo diese in den Wertschöpfungsketten auftreten. Dies soll zu weniger bürokratischen, dafür effizienteren Sorgfaltsprozessen führen.
Auch die CS3D sieht vor, dass die verpflichteten Unternehmen jährlich Bericht erstatten. Das gilt nach Art. 16 Abs. 2 der aktuellen Fassung jedoch dann nicht, wenn sie auch schon nach der CSRD einer Berichtspflicht unterliegen.
Die CS3D sieht ebenfalls staatliche Sanktionsmöglichkeiten vor. Anders als das LkSG werden aber auch Regelungen zur zivilrechtlichen Haftung getroffen. Die CS3D ermöglicht es, für Schadensersatzansprüche auf die Verletzung einer Sorgfaltspflicht als schädigende Handlung abzustellen. Die Verjährungsfrist solcher Ansprüche soll nicht kürzer als fünf Jahre sein. Keine Haftung besteht für Schäden, die ausschließlich durch Tätigkeiten der Geschäftspartner entstanden sind (Art. 29 Abs. 1 Satz 2 der aktuellen Fassung).
3. Critical Raw Materials Act
Nachdem Rat und Parlament bereits Ende 2023 einen Kompromiss hinsichtlich einer Verordnung über kritische Rohstoffe (Critical Raw Materials Act, CRMA) erzielt haben, wurde diese Ende März 2024 nunmehr endgültig verabschiedet. Mit dem CRMA will die EU ihre eigenen Kapazitäten an kritischen Rohstoffen ausbauen, ihre Wertschöpfungsketten stärken und die bestehenden Abhängigkeiten von einzelnen Importeuren verringern.
Durch den CRMA werden insgesamt 34 kritische Rohstoffe festgelegt, von denen 17 als strategische Rohstoffe qualifiziert werden. Mit dem CRMA gibt die EU konkrete Richtwerte für jeden strategischen Rohstoff vor. Bis 2030 sollen mindestens 10 % der jährlichen Verbrauchsmenge der strategischen Rohstoffe in der EU gewonnen werden (Gewinnungskapazität), während die Verarbeitungskapazität bei 40 % liegen soll. Die Recyclingkapazität wurde auf 25 % festgelegt. Zudem sollen nicht mehr als 65 % des jährlichen Bedarfs der EU an jedem strategischen Rohstoff aus einem einzigen Drittstaat stammen.
Projekte, die einen bedeutenden Beitrag zur Sicherung der Versorgung der EU mit strategischen Rohstoffen leisten, können auf Antrag als strategische Projekte anerkannt werden, für die eine Reihe von Privilegierungen mit Blick auf behördliche Zulassungen gelten.
Große Unternehmen (> 500 Beschäftigte und > 150 Mio. € Umsatz), die strategische Rohstoffe für bestimmte strategische Technologien verwenden, werden durch den CRMA zur Risikovorsorge verpflichtet. Unternehmen, die Produkte wie Kraftfahrzeuge, Wärmepumpen oder Staubsauger in Verkehr bringen, müssen ihre Produkte in Bezug auf die Verwendung von Dauermagneten kennzeichnen; innerhalb der nächsten Jahre können dahingehend noch Verpflichtungen zu einem Mindest-Rezyklatanteil hinzukommen.
4. Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung
Die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (Verordnung (EU) 2023/1115 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. Mai 2023 über die Bereitstellung bestimmter Rohstoffe und Erzeugnisse, die mit Entwaldung und Waldschädigung in Verbindung stehen, auf dem Unionsmarkt und ihre Ausfuhr aus der Union sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 995/2010, EUDR) gilt für die meisten Marktteilnehmer und Händler ab dem 30. Dezember 2024. Da die Umsetzung einiges an Aufwand mit sich bringt, empfiehlt es sich jedoch so schnell wie möglich, die eigene Betroffenheit zu prüfen und mit der Erfüllung der Pflichten zu beginnen.
Nicht nur die Beantwortung der Frage, welche Produkte tatsächlich relevante Erzeugnisse darstellen und damit in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, stellt eine Herausforderung dar. Insbesondere auch die Beschaffung der erforderlichen Informationen ist kurzfristig kaum zu leisten. Darüber hinaus sehen sich die verpflichteten Unternehmen mit einigen schwierigen rechtlichen Fragestellungen konfrontiert. Gleichzeitig ist es zudem unerlässlich, frühzeitig umfassende Konzepte zur praktischen Umsetzung zu erstellen und die notwendigen Prozesse zu implementieren.
In unserer gemeinsam mit Deloitte erstellen 10-Fragen-Broschüre haben wir die wichtigsten Infos zur EUDR für Sie übersichtlich und verständlich zusammengestellt. Zudem enthält unsere Mandanteninformation vom 21. Juli 2023 hilfreiche Informationen zur EUDR und ihrer Umsetzung.
5. Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive
Am 5. Januar 2023 ist die CSR-Richtlinie (EU) 2022/2464 (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD) in Kraft getreten. Die danach verpflichteten Unternehmen müssen in ihren Lagebericht einen Nachhaltigkeitsbericht aufnehmen und diesen von einem Wirtschaftsprüfer prüfen lassen.
Bis zum 6. Juli 2024 muss die CSRD in nationales Recht umgesetzt werden. Im März hat das Bundesministerium der Justiz einen Referentenentwurf zu einem entsprechenden Umsetzungsgesetz veröffentlicht, zu dem Bundesländer, Verbände und die Öffentlichkeit bis Mitte April Stellung nehmen konnten, was nun noch zu Änderungen an dem Gesetzesvorhaben führen könnte. Geplant ist derzeit, die Inhalte der Richtlinie im Wesentlichen eins-zu-eins in nationales Recht umzusetzen. Änderungen sind in erster Linie im HGB zu erwarten, aber auch andere Gesetze werden punktuell betroffen sein. So wird beispielsweise das LkSG dahingehend angepasst werden, dass eine danach bestehende Berichtspflicht entfällt, hat das Unternehmen oder der Konzern bereits einen Nachhaltigkeitsbericht abgegeben (vgl. auch die obigen Ausführungen zur LkSG-Berichtspflicht unter E. 1.).
Im HGB soll fortan nicht mehr von „nichtfinanzieller Erklärung“ gesprochen, sondern der Begriff „Nachhaltigkeitsbericht“ genutzt werden. Dieser wird integraler Bestandteil des Lageberichts (vgl. § 289b HGB n.F.). Aufgenommen wird zudem das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit (§ 289c Abs. 1 HGB n.F.) und die Unternehmen werden verpflichtet, ihre Berichterstattung an den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) zu orientieren. Ein Wahlrecht wurde den Mitgliedstaaten dahingehend eingeräumt, wer den Bericht prüfen soll. Der deutsche Gesetzgeber sieht in § 324e HGB n.F. vor, dass die Prüfung allein durch einen Wirtschaftsprüfer erfolgen kann, wobei es sich dabei nicht zwingend um den Abschlussprüfer handeln muss.
6. Zwangsarbeitsverordnung
Das europäische Parlament hat dafür gestimmt, Produkte aus Zwangsarbeit zu verbieten. Der Rat muss der Verordnung zum Verbot von Zwangsarbeit noch zustimmen, was aber als Formsache gilt. Ab 2027 soll die Verordnung die Mitgliedstaaten zur Anwendung im Einzel-, aber auch im Onlinehandel verpflichten.
Die zuständigen Behörden sollen ermächtigt werden, Untersuchungen einzuleiten, vermuten sie Zwangsarbeit in der Lieferkette eines Produkts. Bestätigt sich dieser Verdacht und können die Behörden den Nachweis erbringen, dass ein Produkt tatsächlich aus Zwangsarbeit stammt, sollen die entsprechenden Waren schon an der Grenze beschlagnahmt und ein Verkauf auf dem europäischen Markt verhindert werden. Die betroffenen Produkte müssen verschenkt, recycelt oder vernichtet werden. Halten sich die Unternehmen nicht an die Vorschriften, drohen Geldstrafen.
Besteht das Risiko der Zwangsarbeit außerhalb der EU, so ist die Kommission zuständig für die weitere Untersuchung. Sie ist in diesen Fällen allerdings nur dann ermächtigt, die im Rahmen der Untersuchung erforderlichen Kontrollen und Überprüfungen durchzuführen, wenn zum einen die betreffenden Wirtschaftsakteure ihre Zustimmung erteilen und zum anderen die Regierung des entsprechenden Drittlandes offiziell unterrichtet wurde und keine Einwände erhoben hat. Handelt es sich hingegen um Risiken im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates, übernimmt die jeweils national zuständige Behörde die Untersuchung. Verdachtsfälle für Zwangsarbeit sollen über ein zentrales Portal gemeldet werden können.
7. Green Claims
Bei dem Begriff des „Greenwashings“ handelt sich um eine Marketingstrategie, bei der sich Unternehmen versuchen besonders ökologisch darzustellen, was darauf zurückzuführen ist, dass bspw. mit den Aussagen, „grün“, „klimaneutral“, „nachhaltig“ oder „ökologisch“ zu sein, Wettbewerbsvorteile einhergehen, da sich umweltfreundliche Produkte häufig besser verkaufen lassen als Standardprodukte.
Um die Bekämpfung von Greenwashing weiter voranzutreiben, hat der europäische Gesetzgeber mit zwei Richtlinien reagiert. Es handelt sich einmal um die Richtlinie (EU) 2024/825 zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG und 2011/83/EU hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen (auch Empowering Consumers Directive genannt), die am 26. März 2024 in Kraft getreten ist. Die EmCD ist vor allem in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht von Relevanz und wird eine Anpassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) veranlassen, indem sie die schwarze Liste der unlauteren Geschäftspraktiken erweitert. Das bedeutet, dass hier zivilrechtlich u.a. gegen die unzulässige Nutzung von allgemeinen Umweltaussagen, wie „energieeffizient“ oder „klimafreundlich“, ohne eine nachweisliche anerkannte hervorragende Umweltleistung vorgegangen werden kann.
Darüber hinaus hat die Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (auch Green Claims Directive genannt) veröffentlicht, dem das Parlament im März 2024 zugestimmt hat, die voraussichtlich aber noch einige Änderungen erfahren wird. Während beide Richtlinien sich mit der gleichen Problematik befassen und Anforderungen an Umweltaussagen und Umweltsiegel statuieren, sind sie inhaltlich jedoch unterschiedlich ausgestaltet. Die GCD ist im Gegensatz zur EmCD öffentlich-rechtlicher, regulatorischer Natur und ist von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchzusetzen. Die GCD stellt weitreichende Anforderungen an den Nachweis und die Kommunikation von ausdrücklichen Umweltaussagen, sowie deren Beleg und Überprüfung auf. Außerdem sollen ausdrückliche Umweltaussagen zukünftig vor ihrer Verwendung durch eine akkreditierte Stelle auf ihre Konformität hin überprüft werden müssen.
F. Zivilrecht und Diverses
1. EuGH verkündet Entscheidung über Zugänglichkeit von europäischen harmonisierten technischen Normen
Am 5. März 2024 hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-588/21 P (sog. Malamud-Fall) sein Urteil verkündet. Der EuGH hat entschieden, dass europäische harmonisierte technische Normen über die Sicherheit von Spielzeug für Unionsbürger zugänglich sein müssen. Die Kläger haben von der Beklagten (EU-Kommission und die Normungsorganisationen) den Zugang zu harmonisierten technischen Normen im Bereich der Sicherheit von Spielzeugwaren verlangt. Die Kommission lehnte diesen Antrag ab. Hiergegen wendeten sich die Kläger mit einer Nichtigkeitsklage. Diese wies das Gericht 2021 ab. Die nunmehr ergangene Entscheidung der großen Kammer des EuGH hebt das Urteil aus 2021 auf und erklärt den Beschluss der Kommission für nichtig.
Dabei stützt sich das Gericht insbesondere auf die folgenden Erwägungen:
- Das Unionsrecht gewährleistet jedem Unionsbürger den Zugang zu Dokumenten, die sich im Besitz der Kommission befinden. Der Zugang kann verweigert werden, wenn durch die Verbreitung der Schutz von geschäftlichen Interessen (einschließlich des geistigen Eigentums) beeinträchtigt werden kann, es sei denn es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.
- Die harmonisierten technischen Normen über die Sicherheit von Spielzeug sind Teil des Unionsrechts. Sie können die den Einzelnen eingeräumten Rechte sowie ihnen obliegende Pflichten näher bestimmen.
- Bürger können darauf angewiesen sein, von diesen Normen Kenntnis zu nehmen, damit sie prüfen können, ob ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung tatsächlich die Anforderungen einer solchen Vorschrift erfüllt.
- Vor diesem Hintergrund besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung der in Rede stehenden harmonisierten Normen.
Mit dem Urteil liegt eine bedeutende Entscheidung über die Zugänglichkeit von harmonisierten Normen vor. Zu erwarten ist, dass das Urteil Konsequenzen auf die europäische Normungspraxis hat, die sich bisher wesentlich aus dem Verkauf der Normen finanziert. Aus dieser Entscheidung folgt aber keineswegs ein Automatismus dahingehend, dass auch nationale Normen der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung gestellt werden müssen. Parallel zu der Entscheidung des EuGH wäre jeweils konkret zu prüfen, ob die betroffene Norm „Teil des nationalen Rechts“ ist oder nicht.
2. Digitale-Dienste Gesetz
Am 14. Mai 2024 ist das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG) in Kraft getreten. Damit werden die Voraussetzungen geschaffen, die Verordnung (EU) 2022/2065 über einen Binnenmarkt für digitale Dienste (Digital Service Act, DSA) auch in Deutschland durchzusetzen. Bereits seit dem 25. August 2023 gilt der DSA für sehr große Plattformen und Suchmaschinen. Seit dem 17. Februar 2024 verpflichtet er auch alle anderen Anbieter digitaler Dienste, gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen. Das DDG schafft nunmehr die rechtliche Grundlage für die Bundesnetzagentur als zuständige Behörde sicherzustellen, dass die Vorgaben des DSA durch die Unternehmen eingehalten werden, die der deutschen Aufsicht unterliegen und ermächtigt sie zur Verhängung von Bußgeldern in Höhe von bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes. Eingeführt wird durch das DDG auch ein Beschwerdeportal, über welches Nutzer Beschwerden direkt an die Behörde richten können.
Ziel des DSA ist es, Grundregeln für das Marktverhalten von digitalen Dienstleistern wie etwa Anbietern von Onlineplattformen und Suchmaschinen zu schaffen sowie Rechtsschutzmöglichkeiten für Verbraucher zur Verfügung zu stellen. Auch wenn Online-Dienstleister mit der fortschreitenden technischen Entwicklung erhebliche Vorteile bieten können, geht die EU davon aus, dass die steigende Marktmacht einzelner Anbieter den Wettbewerb aber auch den Verbraucherschutz beeinträchtigen kann. Als besonders problematisch wird dabei der Handel mit illegalen Waren, Aktivitäten und Inhalten sowie die weitestgehend unkontrollierte Datennutzung gesehen.
Verpflichtet werden durch den DSA grundsätzlich alle Anbieter von digitalen Diensten. Die Unternehmensgröße hat dabei jedoch Einfluss auf den Umfang der zu befolgenden Regelungen und Sorgfaltspflichten.
3. Right to repair
In Bezug auf die Richtlinie über gemeinsame Vorschriften zur Förderung der Reparatur von Waren und zur Änderung der Verordnung, die sog. Right to Repair (R2R)-Richtlinie, schreitet das Gesetzgebungsverfahren weiter voran: Nachdem Rat und Parlament Anfang des Jahres eine vorläufige Einigung erzielt haben, hat das Parlament die Richtlinie im April mit großer Mehrheit angenommen.
Ziele und wichtige Regelungen der R2R-Richtlinie haben wir bereits in unserem Blogpost zur vorläufigen Einigung dargestellt (abrufbar hier): Die Richtlinie zielt darauf ab, der vorzeitigen Entsorgung von reparierbaren Konsumgütern entgegenzutreten. Dahinter steht die Erwägung, dass die vorzeitige Entsorgung zu mehr Abfall führt, Treibhausgasemissionen verursacht und die Nachfrage nach wertvollen Ressourcen bei der Herstellung neuer Waren ansteigen lässt. Wie sich dem hier abrufbaren Entwurfstext entnehmen lässt, soll dem durch eine Vielzahl von Regelungen begegnet werden, mit denen Verbraucher incentiviert werden, defekte Waren nicht zu entsorgen, sondern in Reparatur zu geben: So sollen etwa Hersteller verpflichtet werden, die erforderlichen Reparaturen innerhalb einer angemessenen Frist und zu einem angemessenen Preis vorzunehmen. Vertragsklauseln sowie Soft- und Hardwaretechniken, die eine (unabhängige) Reparatur behindern, sollen verboten werden. Insgesamt soll das Informationsangebot über Reparaturmöglichkeiten gestärkt werden, auch damit Verbraucher lokale Reparatur- und Wiederaufbereitungswerkstätten leichter auffinden können.
Produkte, auf die die R2R-Richtlinie Anwendung finden wird, sind Smartphones, Tablets, Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Kühlschränke, Bildschirme, Schweißgeräte und Server sowie künftig Staubsauger. Es steht zu erwarten, dass diese Liste in der Zukunft anwachsen wird.
Es sind jedoch auch eine Reihe kritischer Punkte vorgebracht worden, so etwa die Knappheit von Lagebeständen von Ersatzteilen von kleinen- und mittleren Handwerkerbetrieben. Auch wird eine klarere Vorgabe zum Austausch von Refurbished-IT gefordert, um die IT-Sicherheit bei digitalen Produkten durch Sicherheitsupdates weiter gewährleisten zu können. In dieser Hinsicht gilt, dass auch in Bezug auf die Software und nicht nur auf das IT-Gerät selbst Aktualisierungen gefordert werden sollten.
Nach nun ausstehender förmlicher Billigung des Rates und Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union, haben die Mitgliedstaaten 24 Monate Zeit, sie in nationales Recht umzusetzen.