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Mandanteninformation - Aktuelle Entwicklungen im Produktrecht

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir hoffen, Sie sind alle gut in das neue Jahr gestartet! Das abgelaufene Jahr 2024 war von einer Vielzahl an Neuerungen im regulatorischen Bereich durchzogen. Herausfordernder als die bloße Menge neuer Rechtsakte und Anforderungen war und ist dabei - auch aus anwaltlicher Sicht - die Ungenauigkeit und teilweise Widersprüchlichkeit diverser Regelungen. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, es ginge dem Gesetzgeber, insbesondere dem EU-Gesetzgeber, mehr um Quantität als um Qualität. Das viel aber nicht immer viel hilft, ist eine Binsenweisheit und zwar nicht nur im Bereich der Medizin.  

Genug der Klage. Mit dieser Mandanteninformation möchten wir Ihnen wie üblich einen Überblick über neue, relevante Regelungen und Gesetzesvorhaben sowie weitere Initiativen im Bereich des Produktrechts und der Lieferketten-Compliance geben. Zu vielen Themen haben wir bereits vertiefende Mandanteninformationen verfasst bzw. werden diese im Laufe der nächsten Wochen und Monate noch erarbeiten und Ihnen dann zur Verfügung stellen, bspw. zur neuen EU-Verpackungsverordnung. Wir haben an dieser Stelle versucht, möglichst viele Themen zu adressieren, erheben dabei aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Wir wünschen Ihnen viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen,

Ihr Produktrechtsteam

Inhaltsverzeichnis

    A. Material Compliance / Stoffrecht

    1. Überarbeitung der EN 63000 – Normungsauftrag erteilt

    Die EU-Kommission hat am 21.11.2024 den Entwurf für einen Auftrag (Standardisation Request) zur Überarbeitung der DIN EN IEC 63000 veröffentlicht. Der Entwurf konnte bis zum 20.12.2024 kommentiert werden. Bei der EN 63000 handelt es sich um eine harmonisierte Norm unter der RohS-Richtlinie 2011/65/EU. Sie dient der Erstellung der technischen Dokumentation zum Nachweis der RoHS-Konformität durch den Hersteller eines Elektro- und Elektronikgerätes (EEE). Bislang haben die Hersteller von EEE nach der DIN EN IEC 63000 die Wahl, wie sie für die Erstellung der technischen Dokumentation im Rahmen der Konformitätsbewertung die Einhaltung der Stoffbeschränkungen bewerten. Zur Wahl stehen, stoffliche Analysen (test-reports), Materialdeklarationen, insbesondere sog. full material declarations oder vertragliche Vereinbarungen bzw. Lieferantenerklärungen. Letztere sind in der Praxis vorherrschend, aber hinsichtlich ihres Aussagegehalts auch mit den größten Risiken behaftet. Die Kommission plant nun CENELEC dahingehend zu beauftragen, dass „test-reports“ risikoabhängig zukünftig durch die EN IEC 63000 gefordert und Teil der Technischen Dokumentation werden. Dies auch, um den Standard an die Vorgaben des Beschlusses 768/2008/EG anzupassen.

    Die Unternehmenspraxis, nach der sich die meisten Material Compliance Prozesse an den Vorgaben der EN 63000 orientieren, ist seit jeher rechtlich mit Risiken behaftet. Denn sowohl das Chemikalienrecht als öffentliches Gefahrenabwehrrecht, das zivilvertragliche Gewährleistungsrecht als auch das Wettbewerbsrecht sind verschuldensunabhängig; insoweit kommt es für belastende Rechtsfolgen in diesen Rechtsgebieten nur darauf an, ob beschränkte oder verbotene Stoffe in den Produkten vorhanden sind oder nicht. Ein Verweis auf implementierte und gelebte Material-Compliance-Prozesse hat daher nur in Konstellationen entlastende Wirkung, in denen eine Haftung verschuldensabhängig ist, bspw. in Ordnungswidrigkeitenverfahren oder bei der Verwirklichung von Straftatbeständen nach dem ChemG oder ChemSanktV. Wird der Normungsauftrag wie vorgesehen erteilt und die EN IEC entsprechend angepasst, werden Unternehmen noch stärker als bisher Materialien unter Anwendung des risikobasierten Ansatzes bewerten. 

    Auswirkungen hätte eine entsprechende Überarbeitung nicht nur im Hinblick auf die Konformitätsbewertung nach RoHS. Vielmehr bildet der Standard die Grundlage für viele Material-Compliance Unternehmensprozesse, mit denen auch die Anforderungen der REACH-Verordnung, POP-Verordnungen und vieler anderer stoffrechtlicher Regularien bewertet werden. 

    2. Gefahrstoffnovelle in Kraft getreten 

    Nach zähem politischem Ringen hat die Bundesregierung am 13.11.2024 die Verordnung zur Änderung der Gefahrstoffverordnung und anderer Arbeitsschutzverordnungen (Gefahrstoffnovelle) final verabschiedet. Die Novelle aktualisiert schwerpunktmäßig die Regelungen zu krebserzeugenden Gefahrstoffen in der Verordnung zum Schutz vor Gefahrstoffen (Gefahrstoffverordnung – GefStoffV). Die Änderungen sind am 05.12.2024 in Kraft getreten.

    Mit der Novelle verfolgt die Bundesregierung insbesondere das Ziel einer verbesserten Prävention von berufsbedingten Krebserkrankungen. Dazu wird das Maßnahmenkonzept bei Tätigkeiten mit krebserzeugenden Gefahrstoffen, welches seit 2008 im technischen Regelwerk verankert ist, vollständig in die Verordnung integriert. Weiter werden in Umsetzung der EU-„Krebsrichtlinie“  in Verbindung mit der Änderungsrichtlinie 2022/431/EU Regelungen zu reproduktionstoxischen Stoffen eingeführt. Besonders relevant für die Baubranche sind die Umsetzungen der Ergebnisse des nationalen Asbestdialogs.

    Streitpunkt im Rahmen der Novellierung war insbesondere die Frage nach der Aufnahme einer Erkundungspflicht für Veranlasser von Tätigkeiten an baulichen oder technischen Anlagen, sprich Bauherren und sonstige Auftraggeber. In der finalen Fassung wird auf eine Erkundungspflicht des Veranlassers verzichtet. Stattdessen wird eine „besondere Mitwirkungs- und Informationspflicht für Veranlasser“ aufgestellt.

    Die wichtigsten Inhalte der Gefahrstoffnovelle haben wir in unserer Mandanteninformation vom 05.12.2024 für Sie zusammengefasst.

    3. Novellierung der Chemikaliensanktionsverordnung – Regierungsentwurf vom 06.11.2024

    Die Bundesregierung hat am 06.11.2024 den Regierungsentwurf der Verordnung zur Änderung von Sanktionsvorschriften zur Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen stoffrechtliche Unionsverordnungen veröffentlicht, vgl. 0542-24.pdf. Wesentlicher Teil ist in Artikel 1 die Änderung der Chemikaliensanktionsverordnung (ChemSanktV). Die Änderung der ChemSanktV dient u.a. der Aktualisierung der Verweise auf EU-Rechtsakte. So verweist die aktuell noch geltende ChemSanktV beispielweise auf die alte POP-Verordnung 850/2004/EG und nicht auf die aktuell geltende Verordnung 2019/1021/EU. Dies mit der Folge, dass die dort geregelten Bußgeld- und Straftatbestände wegen eines Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht durchgesetzt werden können. In der Praxis fehlte also insoweit eine wirksame Sanktionierungsmöglichkeit. Mit der Aktualisierung der ChemSanktV und der neu gefassten Tatbestände im ChemG wird dieses „Schlupfloch“ nun geschlossen werden. Unternehmen müssen dementsprechend potenzielle Risiken ggfs. neu bewerten. Darüber hinaus werden u.a. auch die Straf- und Bußgeldvorschriften zur REACH-Verordnung und CLP-Verordnung aktualisiert. Letztere erfolgt im Hinblick auf die sanktionsrechtlich bislang nicht erfassten Regelungen des Anhangs VIII der CLP-Verordnung. 

    4. Novellierte Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-Verordnung) ist am 10.12.2024 in Kraft getreten

    Die CLP-Verordnung ist durch die Verordnung (EU) 2024/2865 vom 23. Oktober 2024 weitreichend novelliert worden. Die Novelle enthält aktualisierte Regelungen für die Einstufung von Stoffen und Gemischen, einschließlich der Festlegung von Konzentrationsgrenzwerten, M-Faktoren und Schätzwerten Akuter Toxizität. Darüber hinaus wurden die Vorgaben der CLP-Verordnung hinsichtlich der Gestaltung, Dimensionen und Anbringung der Kennzeichnungsetiketten novelliert. Ein weiterer praxisrelevante Regelungsaspekt betrifft die Werbung für als gefährlich eingestufte Stoffe und Gemische. Diese muss künftig stets Gefahrenpiktogramme, Signalwörter, Gefahrenhinweise und ergänzende EUH-Hinweise enthalten. Es gelten Übergangsfristen von 18 bis 24 Monaten für einzelne Regelungen. Für den Abverkauf bereits vorhandener Stoffe und Gemische wurden längere Übergangsfristen von 42 bis 48 Monaten festgelegt.

    5. PFAS-Beschränkungsverfahren – Fortschrittsberichts der ECHA vom 20.11.2024

    Im Januar 2023 hatten 5 Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland, ein REACH-Dossier zur umfassenden Beschränkung von PFAS bei der ECHA eingereicht und damit ein komplexes Beschränkungsverfahren initiiert (wir haben mehrfach hierzu berichtet). Vorgeschlagen werden dort als zwei Beschränkungsoptionen ein vollständiges Verbot oder ein Verbot mit zeitlich begrenzten Ausnahmeregelungen. Während der sechsmonatigen Konsultation zum Beschränkungsdossier im Jahr 2023 gingen mehr als 5.600 wissenschaftliche und technische Kommentare von interessierten Stakeholdern ein, was zu einer großen Herausforderung bei der Bearbeitung durch die bei der ECHA zuständigen Ausschüsse (RAC und SEAC) geführt hat. Die ECHA hat nunmehr am 20.11.2024 einen Sachstandsbericht zum den Stand des Beschränkungsverfahrens (Fortschrittsbericht) veröffentlicht.

    Die Bewertung durch RAC und SEAC dauern derzeit noch an; der durch die REACH-Verordnung vorgezeichnete zeitliche Ablaufpfad des Beschränkungsverfahren nach Anhang XVII ist bereits vor Monaten verlassen worden. Angesichts des breiten Umfangs des Beschränkungsdossiers, welches mehr als 10 000 verwendete Stoffe in über 14 Sektoren abdeckt, haben die Ausschüsse beschlossen, bei ihrer Bewertung einen sektorbasierten Ansatz zu verfolgen. Bislang haben die Ausschüsse vorläufige Bewertungsergebnisse zu den folgenden 5 Sektoren vorgelegt: Verbrauchergemische und verschiedene Verbrauchererzeugnisse, Kosmetika, Skiwachs, Metallbeschichtung und Herstellung von Metallprodukten sowie Erdöl und Bergbau. Positiv zu bewerten ist, dass laut Fortschrittsbericht nun auch andere Beschränkungsoptionen als ein Verbot geprüft werden, gerade für solche Verwendungszwecke und Sektoren, bei denen die vorgelegten Informationen darauf hindeuten, dass die sozioökonomischen Auswirkungen eines Verbots wahrscheinlich unverhältnismäßig sind. In Betracht kommt insoweit die Verwendung unter bestimmten Auflagen. Dies wird derzeit beispielhaft für bestimmte industrielle Anwendungen geprüft. Die ECHA rechnet im Jahr 2025 mit dem Entwurf einer Stellungnahme des SEAC, der sodann wiederum einer öffentlichen Konsultation unterliegt. Erst danach entscheidet die Kommission in Abstimmung mit den Mitgliedstaaten über die Beschränkungen.

    Insoweit halten wir Sie auch auf unserer Seite pfas.legal informiert.

    6. Neue Anforderungen für Produkte (Materialien/Werkstoffe) mit Trinkwasserkontakt kommen 

    Auf der Grundlage der Richtlinie (EU) 2020/2184 (EU-Trinkwasserrichtlinie) werden unter anderem die Materialien und Werkstoffe, die mit Trinkwasser in Kontakt treten dürfen, mit Geltung zum 12.01.2026 über Positivlisten der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) drastisch eingeschränkt. Außerdem stellt Art. 11 Abs. 11 der EU- Trinkwasserechtlinie neue Anforderungen an die Kennzeichnung von Produkten mit Trinkwasserkontakt auf. 

    Es wird zu weitreichenden Änderungen für Produkte (Materialien/Werkstoffe) kommen, die mit Trinkwasser in Kontakt stehen und damit dem Anwendungsbereich der EU-Trinkwasserrichtlinie bzw. den nationalen Umsetzungsrechtsakten zur EU-Trinkwasserrichtlinie (Deutschland = Trinkwasserverordnung) unterliegen. Die gesetzlichen Neuerungen betreffen die stoffliche Zusammensetzung, Konformitätsbewertung und Kennzeichnung und sind damit als äußerst praxisrelevant zu bewerten. Den betroffenen Wirtschaftsakteuren ist anzuraten, sich frühzeitig mit den neuen Anforderungen auseinanderzusetzen.

    Bis zum 12.01.2025 soll die EU-Kommission einen Durchführungsrechtsakt erlassen, in dem die zulässigen Ausgangsstoffe, Zusammensetzungen oder Bestandteile für einzelne Gruppen von Materialien und Werkstoffen in Trinkwasserkontakt geführt werden (europäische Positivliste). Darüber hinaus hat die EU-Kommission mit der Delegierten Verordnung (EU) 2024/370 bereits die Anforderungen an ein Konformitätsbewertungsverfahren für Produkte mit Trinkwasserkontakt im Anwendungsbereich der Trinkwasserrichtlinie konkretisiert. Diese Delegierte Verordnung wird ab dem 31.12.2026 gelten. Zudem ist mit der Delegierten Verordnung (EU) 2024/371 ein weiterer Rechtsakt in Kraft getreten, der die Kennzeichnungsanforderungen für Produkte mit Trinkwasserkontakt im Anwendungsbereich der Trinkwasserrichtlinie konkretisiert. Diese delegierte Verordnung wird ebenfalls ab dem 31.12.2026 gelten.

    7. Neue F-Gase-VO und ODS-VO 2024/590

    Anfang 2024 ist zum einen die neue Verordnung (EU) 2024/590 (auch ODS-VO genannt) über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen, in Kraft getreten. Sie dient der Umsetzung des Montrealer Protokolls, dem wichtigsten internationalen Instrument zum Schutz der Ozonschicht.

    In neuen Geräten ist die Verwendung ozonabbauender Stoffe in der EU bereits verboten. Die neu eingeführten Regelungen zielen darauf ab, auch die Nutzung solcher Produkte zu beschränken, in denen die entsprechenden Stoffe in der Vergangenheit legal verwendet werden durften. Zu den die Ozonschicht schädigenden Stoffen zählen insbesondere FCKW und H-FCKW, die aufgrund ihrer Eigenschaften viele Anwendungsbereiche aufweisen, vor allem aber als Kältemittel eingesetzt werden, sowie Halone, welche in Handfeuerlöschern und stationären Löschanlagen als Löschmittel eingesetzt wurden. 

    Ebenfalls verabschiedet wurde eine neue Verordnung über die Verwendung fluorierter Treibhausgase (Verordnung (EU) 2024/573). Sie löst die bisherige F-Gase-Verordnung (Verordnung (EU) Nr. 517/2014) ab. Bei fluorierten Treibhausgasen (F-Gasen) handelt es sich um nicht natürlich vorkommende Gase, die in der Industrie verschiedentlich eingesetzt werden. Da sie die Ozonschicht nicht schädigen, werden sie oft als Ersatz für Ozonschicht schädigende Stoffe verwendet. Mit verschärften Regelungen soll dennoch ein Anreiz gesetzt werden, Alternativen zu F-Gasen zu nutzen. Hintergrund dessen ist, dass F-Gase sich je nach Substanz negativ auf das Klima auswirken. Nach der neuen F-Gase-Verordnung ist für die Ein- und Ausfuhr von F-Gase sowie von Erzeugnissen und Einrichtungen, die diese Stoffe enthalten oder zur Verwendung benötigen, nunmehr eine Lizenz erforderlich. Diese wird von der Kommission nach erfolgreicher Registrierung im F-Gas Portal vergeben. 

    8. RoHS Pack 22-Ausnahmen – Kommission veröffentlicht Entwürfe für drei delegierte Rechtsakte

    Nach jahrelanger Verzögerung hat die Kommission am 06.01.2025 die Entwürfe folgender drei delegierter Rechtsakte veröffentlicht, welche die RoHS-Ausnahmen für Blei nach Anhang III, 6a, 6b, 6c, 7a und 7c betreffen und diese am 13.1. für eine vierwöchige öffentliche Konsultation bereitgestellt, vgl. 

    Gleichzeitig mit der Veröffentlichung hat die Kommission die Entwürfe am 06.1.2025 bei der WTO eingereicht, vgl. Benachrichtigungen suchen - ePing SPS&TBT-Plattform . Diese Konsultation läuft bis zum 07.03.2025.   

    B. Produktumweltrecht und Ökodesign

    1. Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich - Triman Logo

    Bereits Anfang 2023 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Frankreich eingeleitet. Dieses betrifft französische Regelungen, die zur Kennzeichnung bestimmter Verbraucherprodukte mit dem Triman-Logo verpflichten. Nach Ansicht der Kommission verstoßen die nationalen französischen Regelungen u.a. gegen die in Art 34 ff. geregelte Warenverkehrsfreiheit, gleichwohl - von der Pflicht zur Kennzeichnung von EEE und Batterien mit der durchgestrichenen Abfalltonne abgesehen - bislang keine EU-weiten, harmonisierten Anforderungen an eine Kennzeichnung zur Abfallsortierung bestehen. Auch hat Frankreich die nationalen Regelungen nicht ordnungsgemäß notifiziert. Am 14.11.2024 hat die Kommission Frankreich nun aufgefordert seine nationalen Regelungen hinreichend zu begründen. Die Frist hierfür beträgt zwei Monate. Eine englischsprachige Pressemitteilung zu diesem Vorgang finden Sie hier.  

    Der weitere Lauf des Verfahrens hängt davon ab, wie die Kommission die Begründung Frankreichs bewertet. Zumindest im Hinblick auf die Kennzeichnung von Verpackungen als solche könnte dabei zu berücksichtigen sein, dass die französischen Regelungen (sowie ähnliche Regelungen weiterer EU-Mitgliedstaaten) in einigen Jahren obsolet werden, da in Art. 12 der neuen EU-VerpackV Vorgaben für den Erlass von Durchführungsrechtsakten gemacht werden, wonach in Verkehr gebrachte Verpackungen mit einer harmonisierten Kennzeichnung zu versehen sind. Diese muss Angaben über die Materialzusammensetzung der Verpackungen enthalten, um den Verbrauchern das Sortieren (der Verpackungen) zu erleichtern. Die Pflicht zur Kennzeichnung mit dem Triman-Logo bezieht sich allerdings nicht nur auf Verpackungsmaterial, sondern auch auf verschiedene andere Produkte, wie EEE, Möbel oder Textilien. Insofern kann die EU-Verpackungsverordnung zu keiner Harmonisierung führen. So dürfte in Sachen Triman-Logo letztlich der EuGH das letzte Wort haben.   

    2. Inkrafttreten der neuen EU-Verpackungsverordnung steht kurz bevor

    Die Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1020 und der Richtlinie (EU) 2019/904 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 94/62/EG (EU-Verpackungsverordnung) hat mit der Zustimmung durch den Rat der Europäischen Union die letzte Hürde des EU-Gesetzgebungsverfahrens am 16.12.2024 genommen und wird zeitnah im EU-Amtsblatt veröffentlicht und 20 Tage nach dem Zeitpunkt der Veröffentlichung in Kraft treten. Die EU-Verpackungsverordnung wird dann im Grundsatz 18 Monate nach dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, also ca. Mitte 2026, in allen EU-Mitgliedsstaaten unmittelbar gelten. 

    Die neue Verpackungsverordnung wird nahezu für jeden Wirtschaftsakteur, der Produkte vertreibt, relevant werden, da ein Produktvertrieb in den meisten Fällen unter dem Einsatz von Verpackungen erfolgt. Die eingesetzten Verpackungen müssen dann wiederum den jeweils einschlägigen Anforderungen der EU- Verpackungsverordnung entsprechend, damit diese im EU-Binnenmarkt verkehrsfähig sind, vgl. Art. 4 Abs. 1 EU-Verpackungsverordnung. Ist eine Verpackung nicht verkehrsfähig, behindert dieser mittelbar auch den Vertrieb der Produkte, die in der betroffenen Verpackung enthalten sind. Wir werden zeitnah mit einer detaillierten Mandanteninformation zur neuen Verpackungsverordnung informieren.

    Durch die Verordnung werden verschiedene (grundlegende) Produktanforderungen für Verpackungen definiert, deren Einhaltung Voraussetzung für ein Inverkehrbringen von Verpackungen im EU-Binnenmarkt sein wird. Viele der neuen Verpackungsanforderungen, so z.B. Anforderungen an Rezyklatgehalte in Kunststoffverpackungen, setzen eine Konkretisierung mittels Durchführungsrechtsakte der EU-Kommission voraus. Diese Durchführungsrechtsakte treten aber teilweise erst viele Jahre nach dem Geltungsbeginn der EU-Verpackungsverordnung in Kraft, was mit Blick auf die Geltung der betroffenen Verpackungsanforderungen nochmals zu deutlichen zeitlichen Verschiebungen führt. Die EU-Verpackungsverordnung folgt mit Blick auf eine Einhaltung der Verpackungsanforderungen dem New legislative framework, ohne jedoch eine CE-Kennzeichnungspflicht für Verpackungen aufzustellen. Pflichtenadressat sind Erzeuger, Lieferanten, Importeure, Vertreiber, Bevollmächtigte, Endvertreiber und Fulfillment-Dienstleister („Wirtschaftsakteure“). Im Übrigen regelt die EU-Verpackungsverordnung ebenfalls Pflichten im Zusammenhang mit der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) in Kapitel VIII und adressiert in diesem Zusammenhang den „Verpackungshersteller“ (=/ Produzent/Erzeuger). Insoweit wird die EU-Verpackungsverordnung die aktuell noch geltende Richtlinie 94/62/EG, welche in Deutschland mit dem Verpackungsgesetzt umgesetzt wird, mit Wirkung zu ca. Mitte 2026 ersetzen.  

    3. Novelle des ElektroG 

    Am 09.10.2024 hat das Bundeskabinett dem Gesetzentwurf zur Änderung des Elektro- und Elektronikgerätegesetzes (BT-Drs. 20/14146) zugestimmt. Das Gesetz sollte eigentlich nach der Zustimmung durch den Bundestag und den Bundesrat am 01.01.2026 in Kraft treten. Mit Blick auf die aktuelle politische Lage ist es aber mindestens fraglich, ob es dazu tatsächlich kommt. 

    Der Entwurf sieht unter anderem eine bessere Information und einheitliche Kennzeichnung betreffend der im stationären Handel befindlichen Sammel- und Rücknahmestellen von Altgeräten für Verbraucherinnen und Verbraucher vor. Zudem soll am Point-of-sale, z.B. der Kassenbereich, durch das Symbol der durchgestrichenen Mülltonne auf die Pflicht zur getrennten Entsorgung hingewiesen werden. Für elektronische Einweg-Zigaretten sieht der Entwurf außerdem eine unentgeltliche Rücknahmepflicht für alle Vertreiber vor, die diese Produkte verkaufen. Darüber hinaus soll der Meldezyklus für Mengenmeldungen der Hersteller reduziert werden. 

    4. Entwurf einer Altfahrzeugverordnung

    Bereits am 13.07.2023 hat die EU-Kommission eine neue Verordnung über Anforderungen an die kreislauforientierte Konstruktion von Fahrzeugen und über die Entsorgung von Altfahrzeugen vorgeschlagen, die auf eine Überprüfung der Altfahrzeugrichtlinie aus dem Jahr 2021 zurückgeht. Der Vorschlag ersetzt zwei bestehende Richtlinien: die Richtlinie 2000/53/EG über Altfahrzeuge sowie die Richtlinie 2005/64/EG über die Typgenehmigung für Kraftfahrzeuge hinsichtlich ihrer Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit und Verwertbarkeit. Die neuen Regelungen berücksichtigen alle Aspekte eines Fahrzeugs, von der Konstruktion und dem Inverkehrbringen bis zur Behandlung am Ende der Lebensdauer. Das Europäische Parlament hat sich bislang noch nicht mit dem Entwurf befasst. Insoweit sind die weiteren Entwicklungen des Gesetzgebungsverfahrens zu beobachten. 

    5. ESPR-Arbeitsplan – Studie über prioritäre Produkte fertiggestellt 

    Am 13.11.2024 hat das Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission eine ESPR-Studie über Produkte veröffentlicht, die mit Blick auf die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen unter der Ökodesign-Verordnung (ESPR) prioritär zu berücksichtigen sind. Die ESPR ist eine Rahmenverordnung, auf deren Grundlage in delegierten Rechtsakten für bestimmte Produkte bzw. Produktgruppen konkrete und rechtsverbindliche Ökodesign-Anforderungen festgelegt werden. Welche Produkte und Produktgruppen von Ökodesign-Anforderungen in delegierten Rechtsakten künftig erfasst werden, legt die Kommission in einem Arbeitsplan fest. Der Arbeitsplan ist das Ergebnis der Priorisierung von Produkten bzw. Produktgruppen und wird voraussichtlich im zweiten Quartal 2025 veröffentlicht. 

    Die Studie des JRC dient der Vorbereitung dieses Arbeitsplans. Dafür wurden in einem ersten Schritt bestimmte End- und Zwischenprodukte identifiziert, die vorrangig für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen in Betracht kommen. In einem zweiten Schritt wurden die ermittelten End- und Zwischenprodukte hinsichtlich ihrer Umweltrelevanz bewertet. Als Kriterien für diese Bewertung wurden die Auswirkungen und das Verbesserungspotenzial der Produkte für verschiedene Umweltaspekte – etwa der Biodiversität, Klimawandel und Energieverbrauch – herangezogen. Auf Grundlage dieser Bewertung wurde ein Ranking der Produkte und Produktgruppen nach ihrer Umweltrelevanz bzw. ihrer Priorität für die Festlegung von Ökodesign-Anforderungen erstellt. Zu den prioritär zu berücksichtigenden Endprodukten gehören gemäß der Studie (Priorität absteigend sortiert): Textilien und Schuhwerk, Möbel, Reifen, Matratzen, Waschmittel, Anstrichmittel, Kosmetika, Schmierstoffe, Spielzeuge, Angelausrüstung, absorbierende/saugfähige Hygieneprodukte, z. B. Windeln.

    Zu den prioritär zu berücksichtigenden Zwischenprodukten gehören nach Priorität absteigend sortiert: Eisen und Stahl, Grundchemikalien, Nichteisenmetalle, Aluminium, Plastik, Zellstoff, Papier und Pappe sowie Glas.

    Es ist zu beachten, dass die Kommission bei Erstellung des Arbeitsplans nicht an die Ergebnisse der JRC-Studie gebunden ist. Es gibt aber Überschneidungen zwischen einigen der Produkte und Produktgruppen, die nach der Studie des JRC prioritär zu behandeln sind und Produkte und Produktgruppen, denen die Kommission gemäß Art. 18 Abs. 5 ESPR in dem Arbeitsplan zwingend Vorrang einzuräumen hat. Dazu gehören: Eisen und Stahl, Aluminium, Bekleidung und Schuhwerk, Matratzen, Reifen, Waschmittel, Anstrichmittel, Schmierstoffe und (Grund)Chemikalien. Daher ist jedenfalls bezüglich dieser Produkte und Produktgruppen anzunehmen, dass sie im Arbeitsplan enthalten sein werden. Derzeit geht die Kommission davon aus, dass erste delegierte Rechtsakte mit verbindlichen Ökodesign-Anforderungen frühstens 2026 erlassen werden. Zwischen dem Erlass und dem im Inkrafttreten eines delegierten Rechtsakts müssen in der Regel mindestens 18 Monate liegen, so dass auf der Grundlage der neuen ESPR mit verbindlichen Ökodesign-Pflichten für Hersteller, Händler und anderen Wirtschaftsteilnehmern voraussichtlich nicht vor Mitte 2027 zu rechnen ist.

    6. Update zu der Right to repair Richtlinie

    Die am 30.07.2024 in Kraft getretene Richtlinie (EU) 2024/1799 (Right to Repair-Richtlinie) muss bis zum 31.07.2026 durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden. Angesichts der bevorstehenden Bundestageswahlen und der daran anschließenden Regierungsbildung ist mit einem ersten Gesetzesentwurf für die Umsetzung der Richtlinie voraussichtlich nicht vor Spätsommer 2025 zu rechnen. Dies gilt auch für den in Art. 5, 6 der Richtlinie vorgesehenen Reparaturanspruch für Verbraucher. Der Anwendungsbereich des Reparaturanspruchs umfasst Waren, die von Verbrauchern erworben wurden und bei denen ein Mangel außerhalb der Haftung des Verkäufers eintritt oder offenbar wird. Verpflichtet zu der Reparatur ist in erster Linie der Hersteller der Ware. Hat der Hersteller seinen Sitz außerhalb der Union, ist der Bevollmächtigte des Herstellers bzw. wenn es keinen Bevollmächtigten gibt der Importeur und wenn es keinen Importeur gibt, der Vertreiber verpflichtet. Die Reparaturpflicht besteht für solche Waren, für die in den in Anhang II der Richtlinie aufgeführten Rechtsakte Anforderungen an die Reparierbarkeit festgelegt sind. Dazu zählen derzeit u. a. Haushaltswaschmaschinen und Haushaltswaschtrockner, Haushaltsgeschirrspülmaschinen, Kühlgeräte, Staubsauger, Smartphones, Mobiltelefone, die keine Smartphones sind, schnurlose Telefone und Slate-Tablets sowie Haushaltswäschetrockner. Die Reparatur muss unentgeltlich oder zu einem angemessenen Preis sowie innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolgen. Wie die Reparaturpflicht konkret im deutschen Recht umgesetzt wird, bleibt abzuwarten. 

    7. Digitaler Produktpass – Aktuelle Entwicklungen

    Die am 18.02.2024 in Kraft getretene Verordnung (EU) 2024/1781 (Ökodesign-Verordnung/ESPR) führt unter anderem den „Digitalen Produktpass“ (DPP) als Regelungsinstrument ein, vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 2 ESPR. Der DPP ist ein produktspezifischer Datensatz, der wiederum die in einem gemäß Art. 4 EPSR für die jeweilige Produktgruppe noch zu erlassenden delegierten Rechtsakt genannten Informationen enthält und der gemäß Kapitel III elektronisch über einen Datenträger zugänglich ist. Nach der Konzeption der ESPR soll zukünftig ein DPP für jedes Produkt im Anwendungsbereich der EPSR verpflichtend sein. Voraussetzung ist lediglich, dass ein delegierter Rechtsakt gemäß Art. 4 EPSR für die betroffene Produktgruppe die Informationsanforderungen an den DPP regelt/konkretisiert. Damit wird der DPP zukünftig für unterschiedlichste Branchen und Produktbereiche relevant werden.

    Der DPP ist von dem verantwortlichen Wirtschaftsakteur auszustellen, der das betroffene Produkt auf dem Unionsmarkt in den Verkehr bringt (i.d.R. Hersteller/Einführer). Die inhaltlichen Anforderungen des DPP ergeben sich künftig aus den einschlägigen delegierten Rechtsakten, wobei jedoch vor allem Art. 9 Abs. 2 ESPR in Verbindung mit Anhang III bereits heute schon den Inhalt künftiger DPP abstrakt darstellt. Voraussichtlich Mitte 2027 kann mit den ersten delegierten Rechtsakten gerechnet werden, die auf der Grundlage der ESPR den DPP für die jeweils betroffene Produktkategorie verbindlich einführen. Eine besondere Priorisierung dürfte dabei zunächst bei den in Art. 18 Abs. 5 EPSR genannten Produktgruppen liegen.

    Im Zusammenhang mit dem DPP ist abschließend auf den Batteriepass hinzuweisen, welcher im Kern ein „batteriespezifischer DPP“ ist. Der Batteriepass muss ab dem 18.02.2027 für das Inverkehrbringen oder die Inbetriebnahme von LV-Batterien, Industriebatterie mit einer Kapazität von mehr als 2 kWh und Elektrofahrzeugbatterien vorhanden sein.

    8. FAQ zu der neuen Ökodesign-Verordnung ist veröffentlicht worden

    Die neue EU-Ökodesign-Verordnung (ESPR) wurde am 28.06.2024 als Verordnung (EU) 2024/1781 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und ist bereits am 18.07.2024 in Kraft getreten. Die Verordnung löst die im Jahr 2009 novellierte Ökodesign-Richtlinie ab. Wesentliche Neuerung der Ökodesign-Verordnung sind insbesondere die Ausweitung des Anwendungsbereichs auf grundsätzlich alle Waren (inkl. Bauteile und Baugruppen), die Einführung zahlreicher neuer Ökodesign-Anforderungen, insbesondere aus dem Bereich der Kreislaufwirtschaft, die starke Ausweitung von Informationspflichten und die Einführung eines Digitalen Produktpasses. Im September 2024 hat die EU-Kommission einen ausführlichen FAQ zu der neuen Ökodesign-Verordnung veröffentlicht. In dem FAQ geht die EU-Kommission auf verschiedene praxisrelevante Fragen ein, die beispielsweise den Anwendungsbereich, den Digitalen Produktpass sowie die Übergangsvorschriften der Ökodesign-Verordnung betreffen.

    C. Produktsicherheitsrecht

    1. Neues rund um die EU-Batterieverordnung

    Wichtige Inhalte der Verordnung 2023/1542 vom 12. Juli 2023 über Batterien und Altbatterien (EU-Batterieverordnung) haben wir hier bereits für Sie zusammengefasst. Die EU-Batterieverordnung hat einen umfassenden Regelungsansatz und enthält Regelungen für verschiedenste Batteriekategorien und für unterschiedlichste Akteure in der Lieferkette.

    a) Gestufte Geltungsbeginne: Rückblick und Ausblick

    Die EU-Batterieverordnung sieht zeitlich gestufte Geltungsbeginne der Anforderungen vor. Erste Vorgaben haben bereits am 18.02.2024 Geltung erlangt. Seit dem 18.08.2024 gelten beispielsweise die stoffliche Beschränkung für Blei betreffend Gerätebatterien. Gleiches gilt für viele neue Kennzeichnungsvorgaben, die Pflicht zur Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens, zur Ausstellung einer EU-Konformitätserklärung und technischer Unterlagen durch den Erzeuger sowie die CE-Kennzeichnung. Ebenfalls seit dem 18. 08.2024 müssen Batterien eine Betriebsanleitung und Sicherheitsinformationen beiliegen.  

    Was steht 2025 an? Auch im Jahr 2025 markiert der 18. August wieder den Geltungsbeginn vieler relevanter Vorschriften. So u.a. für die Pflicht zur Kennzeichnung mit dem Symbol der getrennten Sammlung (in Deutschland allerdings bereits auf Grundlage von § 17 Abs. 1 BattG verpflichtend), für den großen und wichtigen Komplex der Sorgfaltspflichten nach Art. 47 ff. Batterie-VO und für viele Vorgaben aus Kapitel VIII der EU-Batterieverordnung (Bewirtschaftung von Altbatterien).

    b) On hold? Deutsches Gesetz zur Anpassung des Batterierechts an die Batterie-Verordnung

    Die EU-Batterieverordnung ist unmittelbar geltendes Recht in Deutschland. Für einige Vorschriften enthält die Verordnung jedoch gesonderte Inkrafttretens- oder Übergangsregelungen. Zudem sieht sie eine Reihe von Öffnungsklauseln für den nationalen Gesetzgeber sowie konkrete, an die Mitgliedstaaten gerichtete Regelungsaufträge vor. Durch das Gesetz zur Anpassung des Batterierechts an die Verordnung (EU) 2023/1542 soll vor diesem Hintergrund das deutsche Batterierecht-Durchführungsgesetz (BattDG) eingeführt werden, welches das bisherige Batteriegesetz (BattG) ablösen soll. 

    Im Mai 2024 wurde hierzu der Referentenentwurf veröffentlicht, im November 2024 folgte der Regierungsentwurf. Aufgrund der Auflösung der Regierungskoalition ist aktuell indes ungewiss, ob das Gesetz (so) noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. Zwar gehört der Rechtsakt zu einer Gruppe von Gesetzen, die prioritär noch in dieser Legislatur finalisiert werden sollen. Dennoch: Wann (und in welcher Form) das Gesetz zur Anpassung des Batterierechts an die Batterie-Verordnung kommt, lässt sich derzeit kaum seriös vorgehrsagen.

    c) Im Fokus: Delegierte Verordnung zur Berechnung des CO2-Fußabdrucks

    Nach Art. 7 Abs. 1 EU-Batterieverordnung muss für Elektrofahrzeugbatterien, wiederaufladbare Industriebatterien mit einer Kapazität von mehr als 2 kWh und LV-Batterien eine Erklärung zum CO2-Fußabdruck erstellt werden. Art. 7 Abs. 3 EU-Batterieverordnung verpflichtet zur Einhaltung von Höchstwerten in Bezug auf den CO2-Fußabdruck. Die Geltungsbeginne dieser Pflichten variieren je nach Batteriekategorie. Die Pflichten zum CO2-Fußabdruck werden durch delegierte Rechtsakte bzw. Durchführungsrechtsakte der Kommission konkretisiert werden. U.a. ist es Aufgabe der Kommission (im ersten Schritt für Elektrofahrzeugbatterien), einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, um die Methode zu bestimmen, nach welcher der CO2-Fußabdruck der Batterie berechnet und überprüft wird.

    Im April 2024 hat die Kommission hierzu einen Entwurf veröffentlicht. Gegen die im Entwurf vorgesehene Berechnung richtet sich viel Kritik. Die Berechnung soll wesentlich auf die CO2-Intensität des nationalen Elektrizitätsnetzes eines Herstellungslandes abstellen. Dies dürfte umgekehrt bedeuten, dass Stromabnahmeverträge und -zertifikate für erneuerbare Energien nicht anerkannt werden. Die Regelungen zum CO2-Fußabdruck in Bezug auf Batterien, einschließlich der Festlegung der Berechnung, sind wirtschaftlich von überragender Bedeutung – auch deswegen, weil davon auszugehen ist, dass sie zukünftig als Blaupause dienen und auf andere regulierte Produkte übertragen werden. 

    d) Anforderungen zur Entfernbarkeit und Austauschbarkeit werfen ihren Schatten voraus

    Wie bereits in unserer Mandanteninformation aus dem Jahr 2023 (siehe bereits oben) beschrieben, müssen Geräte, die Gerätebatterien enthalten, ab dem 18.02.2027 so konzipiert sein, dass die Gerätebatterien jederzeit vom Endnutzer leicht entfernt und ausgetauscht werden können (Art. 11 EU-Batterieverordnung). 

    Anders als andere Vorschriften der EU-Batterieverordnung adressiert Art. 11 EU-Batterieverordnung nicht den Batteriehersteller, sondern den Gerätehersteller. Da eine gegebenenfalls notwendige Umgestaltung des Geräts regelmäßig sehr zeitintensiv ist, sollten sich Gerätehersteller unbedingt schon jetzt mit Art. 11 EU-Batterieverordnung vertraut machen. 

    Mit Blick auf in Produkte enthaltene LV-Batterien gilt die Anforderung, dass diese von unabhängigen Fachleuten jederzeit während der Lebensdauer des Produkts leicht entfernt und ausgetauscht werden können. Gem. Art. 11 Abs. 9 EU-Batterieverordnung muss die EU-Kommission Leitlinien erlassen, um die harmonisierte Anwendung des Artikels 11 zu erleichtern. Diese lang ersehnten Leitlinien hat die EU-Kommission mit der Bekanntmachung C/2025/214 nunmehr am 10.01.2025 veröffentlicht.

    2. Neue Produktanforderungen für bestimmte Funkanlagen

    Die Delegierte Verordnung (EU) 2022/30 gilt ab dem 01.08.2025. Zu diesem Datum gelten für mit dem Internet verbundene Funkanlagen sowie Funkanlagen, die personenbezogene Daten, Verkehrsdaten oder Standortdaten verarbeiten können, neue Produktanforderungen, welche die Cybersicherheit und den Datenschutz betreffen. Die Einhaltung der neuen Anforderungen ist daher für betroffene Funkanlagen einzuhalten, die ab dem 01.08.2025 im EU-Binnenmarkt in den Verkehr gebracht werden. Erfolgt ein Inverkehrbringen jedoch vor diesem Stichtag, ist eine weitere Bereitstellung der Funkanlagen ohne Einhaltung der neuen Anforderungen möglich, vgl. Ziffer 2.3 im Blue-Guide. 

    Zum 28.12.2024 hat der deutsche Gesetzgeber mit der Novellierung des Funkanlagengesetzes außerdem die Anforderungen der Richtlinie (EU) 2022/2380 zur Änderung der Funkanlagenrichtlinie umgesetzt. Seitdem müssen grundsätzlich alle der in Anhang Ia Funkanlagenrichtlinie genannten Funkanlagen (z.B. Smartphones, Tablets, Kopfhörer, PC-Mäuse) bei ihrem Inverkehrbringen den neuen Anforderungen bezüglich der Ladeschnittstellen genügen. Vorausgesetzt wird ein USB-Typ-C-Anschluss. Für Laptops gelten diese neuen Anforderungen hingegen erst ab dem 28.04.2026, vgl. § 38 Abs. 2 FuAG.  Praxisrelevant sind in diesem Zusammenhang zudem die in den §§ 4a, 20 Abs. 6 FuAG neu geregelten Informationspflichten, welche ebenfalls seit dem 28.12.2024 gelten. Gemäß § 4a Abs. 2 FuAG müssen Wirtschaftsakteure, die die in § 4 Abs. 4 FuAG genannten Funkanlagen (vgl. Anhang Ia Funkanlagenrichtlinie) in den Verkehr bringen oder bereitstellen sicherstellen, dass das in Anhang Ia Teil 3 der Funkanlagenrichtlinie dargestellte Piktogramm „gut sichtbar und lesbar“ auf der Verpackung aufgedruckt oder aufgeklebt ist. Im Fall des Fernabsatzes (z.B. Online-Shops) muss sich dieses Piktogramm in der Nähe der Preisangabe befinden. Eine entsprechende Regelung stellt § 20 Abs. 6 FuAG mit Blick auf die in Anhang Ia Teil II der Funkanlagenrichtlinie geregelten Angaben zur Ladefunktion der Funkanlagen und zu den kompatiblen Ladenetzteile auf. 

    3. EU-Kommission hat FAQ zur neuen EU-Produktsicherheitsverordnung veröffentlicht

    Die Verordnung (EU) 988/2023 (EU-Produktsicherheitsverordnung) ist zum 13.12.2024 in Kraft getreten und stellt vor allem für den nicht-harmonisierten Produktbereich neue Anforderungen für den Vertrieb von Verbraucherprodukten auf. Im Zusammenhang mit der EU-Produktsicherheitsverordnung hat die EU-Kommission vor Kurzem einen FAQ veröffentlicht. Die EU-Kommission geht dabei unter anderem darauf ein, welche Arte von Risiken die Verordnung adressiert, in welchem Verhältnis die Verordnung zu produktspezifischen Rechtsakten (insb. CE-Rechtsakten) steht und für welche Produkte eine Risikoanalyse durchzuführen ist. Leider ist festzuhalten, dass der FAQ oft oberflächlich bleibt und teilweise nur den Gesetzeswortlaut wiedergibt. Soweit ersichtlich, ist es bislang auch noch nicht zu einer Veröffentlichung der Leitlinien zur Umsetzung der EU-Produktsicherheitsverordnung gekommen, vgl. Art. 17 Abs. FEU-Produktsicherheitsverordnung. 

    4. Delegierte Verordnung zum Schnellwarnsystem Safety Gate und über Kriterien für die Bewertung des Risikoniveaus ist im EU-Amtsblatt veröffentlich worden

    Die Delegierte Verordnung (EU) 2024/3173 der Kommission vom 27.08.2024 ist im EU-Amtsblatt veröffentlicht worden und gilt seit dem 13.12.2024.  In Anhang I der Delegierten Verordnung werden der Zugang zum Schnellwarnsystem Safety Gate, der Betrieb des Systems, die in das System einzugebenden Informationen und die für Meldungen zu erfüllenden Anforderungen festgelegt. Bei dem Schnellwarnsystem Safety Gate handelt es sich um das interne Informationssystem, mit dem die Marktüberwachungsbehörden EU-weit Informationen und Meldungen betreffend gefährliche Produkte austauschen. In Anhang II werden zudem die Kriterien für eine Bewertung des Risikoniveaus definiert. Anhang II hat eine erhebliche Praxisrelevanz für die Wirtschaftsakteure. Besonders bemerkenswert ist insofern, dass die Kommission unter Anhang II, Ziffer 4.1. einige Regelbeispiel benennt, bei deren Vorliegen ein ernstes Risiko anzunehmen ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Produkt einen chemischen Stoff enthält, der durch Harmonisierungsrechtsvorschiften der Union verboten ist oder, wenn der betreffende Stoff in einer Konzentration verwendet wird, über dem in den genannten Rechtsvorschriften festgelegten Grenzwerten liegt. Die Delegierte Verordnung nimmt damit aber die eigentlich für jeden Einzelfall individuell vorzunehmende Risikobewertung vorweg und führt zu Ergebnissen, die sicherlich nicht jedem Einzelfall gerecht werden. 

    5. Durchführungsverordnung (EU) 2024/1435 zur Vorlage für eine Rückrufanzeige in Kraft getreten

    Gemäß der seit dem 13.12.2024 geltenden EU-Produktsicherheitsverordnung muss ein Produktrückruf gemäß einer Rückrufanzeige nach Art. 36 EU-Produktsicherheitsverordnung erfolgen. Die EU-Kommission muss wiederum mittels einer Durchführungsverordnung eine Rückrufanzeige-Vorlage festlegen, Art. 36 Abs. 3 EU-Produktsicherheitsverordnung. Die Vorlage für eine Rückrufanzeige ist nunmehr im Anhang der Durchführungsverordnung (EU) 2024/1435 enthalten. Die Durchführungsverordnung gilt wie die EU-Produktsicherheitsverordnung auch bereits seit dem 13.12.2024. Wirtschaftsakteure, die einen Produktrückruf gegenüber Verbraucher erklären, ist eine Orientierung an dieser Vorlage zu empfehlen.

    6. Regierungsentwurf zur Maschinenverordnung-Durchführungsgesetz (MaschinenDG)

    Am 29.06.2023 wurde die Verordnung (EU) 2023/1230 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2023 über Maschinen und zur Aufhebung der Richtlinie 2006/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 73/361/EWG des Rates  im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht (EU-Maschinenverordnung). Sie trat am 19.07.2023 in Kraft und gilt ab dem 20.01.2027. Die Verordnung ist EU-weit unmittelbar anwendbar. Allerdings müssen auf nationaler Ebene zu bestimmten Regelungsaspekten der Verordnung Durchführungsbestimmungen erlassen werden. Hierfür hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur Neuregelung maschinenrechtlicher Vorschriften (BT-Drs. 20/14145) veröffentlicht hat. Danach soll das MaschinenDG am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten und die Neunte Verordnung zum Produktsicherheitsgesetz (9. ProdSV) ersetzen. Das MaschinenDG regelt unter anderem im Zusammenhang mit Verstößen gegen die EU-Maschinenverordnung verschiedene Bußgeld- und Straftatbestände.  

    7. Neue EU-Bauprodukteverordnung im EU-Amtsblatt veröffentlicht

    Die neue EU-Bauprodukteverordnung (EU-BauPVO), welche offiziell den Titel Verordnung (EU) 2024/3110 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2024 zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für die Vermarktung von Bauprodukten und zur Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 305/2011 trägt, wurde am 18. Dezember 2024 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Sie ist damit am 07.01.2025 in Kraft getreten. Mit der Veröffentlichung wurde der bereits im Jahr 2016 begonnene Revisionsprozess nun abgeschlossen. Die EU-BauPVO soll dabei nicht nur erkannte Praxisdefizite der Verordnung (EU) 305/2011 beseitigen, sondern auch neuen Anforderungen, wie dem Ziel der Klimaneutralität sowie der Digitalisierung Rechnung tragen. Die neue EU-BauPVO enthält zahlreiche Neuerungen, die sich auch in den Pflichten der Wirtschaftsakteure niederschlagen. So muss künftig neben der Leistungserklärung auch eine Konformitätserklärung erstellt werden, welche die Einhaltung von Produktanforderungen bestätigt. Hierzu zählen nicht nur umweltbezogene Anforderungen, sondern auch Anforderungen an die Verbrauchersicherheit. Zudem wurden auch gebrauchte Produkte in den Anwendungsbereich der EU-BauPVO aufgenommen. Die Einführung eines Digitalen Produktpasses soll zudem zur Digitalisierung beitragen. Die Pflichten der neuen EU-BauPVO entfalten jedoch erst sukzessive Geltung. Die Pflichten für Wirtschaftsakteure greifen nicht nur frühestens 2026 ein, sondern es ist auch erforderlich, dass es harmonisierte technische Spezifikationen, die unter der neuen EU-BauPVO veröffentlicht wurden, für das jeweilige Produkt gibt. Die Übergangsregelungen sind sehr differenziert ausgestaltet.

    D. ESG - Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Sorgfaltspflichten in der Lieferkette

    1. Verschiebung EUDR und Entwurf eines nationale Umsetzungsgesetz

    Bereits seit dem 29.06.2023 ist die Verordnung (EU) 2023/1115 über entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) in Kraft. Vorgesehen war, dass die Verordnung durch die meisten Unternehmen bis zum 30. Dezember 2024 umzusetzen ist. Noch aber sind viele Fragen hinsichtlich der EUDR ungeklärt und die Erfüllung der Pflichten stellt die betroffenen Unternehmen vor praktische, aber auch rechtliche Herausforderungen. Darauf hat der europäische Gesetzgeber nunmehr reagiert und die Übergangszeit bis zur Geltung der EUDR um 12 Monate, also bis zum 30.12.2025 verlängert. Die entsprechende Verordnung können Sie hier abrufen.

    Zudem hat die Kommission nicht nur ihren FAQ-Katalog erweitert sowie einen Leitfaden zur Umsetzung der EUDR veröffentlicht. Verabschiedet hat sie darüber hinaus auch die Durchführungsführungsverordnung (EU) 2024/3084 über die Funktionsweise des Informationssystems gemäß der EUDR, welche insbesondere Regelungen zum Datenschutz und zum Zugriff des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf die über das Informationssystem abzugebenden Sorgfaltserklärungen trifft. 

    Auch hinsichtlich des nationalen EUDR-Umsetzungsgesetzes gibt es Fortschritte: Das BMEL hat seinen Referentenentwurf veröffentlicht. Der Entwurf enthält eine Beschreibung der Kompetenzen des BLE sowie einen Sanktionskatalog im Falle eines Verstoßes gegen die EUDR und kann auf der Webseite des BMEL abgerufen werden. Es bleibt abzuwarten, welche Änderungen sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch ergeben werden und wie die finale Fassung des Durchführungsgesetz ausgestaltet sein wird.

    2. EuGH Urteil vom 21.11.2024 zum Inverkehrbringen nach Holzhandels-VO 

    Der EuGH hat ein viel beachtetes Urteil in einem Vorabentscheidungsverfahren zur EU-Holzhandels-Verordnung erlassen, vgl. ausführlich auch unseren Rechtsprechungsreport Produktrecht, Januar 2025. In seinem Urteil konkretisiert der EuGH den Begriff des Inverkehrbringens im Sinne der Verordnung. Nach der Auffassung des EuGH ist der für die Annahme eines Inverkehrbringens grundlegende Begriff der Abgabe im Sinne von Art. 2 lit. b der EU-Holzhandelsverordnung dahingehend zu verstehen, dass die Übertragung des Eigentums an einer Menge von Holz oder Holzerzeugnissen gemeint ist. Ob und wann Eigentum übertragen werde, richte sich wiederum nach den zu Grunde liegenden Verträgen, die sich im vorliegenden Fall nach slowakischem Recht richten.

    Ob die Rechtsauffassung des EuGH zukünftig auch auf die EUDR zu übertragen ist, bleibt abzuwarten.  Zumindest auf den Begriff des Inverkehrbringens im Produktrecht dürfte der vom EuGH zugrunde gelegte Begriff der Abgabe jedoch kaum zu übertragen sein. Schließlich setzt ein Inverkehrbringen im produktrechtlichen Kontext nicht zwangsläufig eine Eigentumsübertragung voraus, vgl. insoweit Ziffer 2.3. im Blue-Guide der EU-Kommission. Damit kann ein Inverkehrbringen beispielsweise auch im Rahmen von Miet- oder Leasinggeschäften erfolgen, die gerade nicht zu einem Eigentumsübergang führen. Auch dürfte ein Abstellen auf eine Vielzahl von nationalen Rechtsordnungen kaum zu praktikablen Ergebnissen auf dem EU-Binnenmarkt führen. Zumindest aus dem letztgenannten Grund ist die Entscheidung des EuGH auch im Rahmen der Holzhandels-Verordnung kritisch zu betrachten.   

    3. Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten verabschiedet

    Am 13.12.2024 ist die Verordnung (EU) 2024/3015 über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt (sog. Zwangsarbeits-VO) in Kraft getreten. Geltungsbeginn der Regelungen wird der 14.12.2027 sein.

    Mit der Verordnung soll ein Beitrag zur Bekämpfung von Zwangsarbeit geleistet werden, von der weltweit ca. 27,6 Mio. Menschen betroffen sind. Zentraler Bestandteil der Verordnung ist das Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Hiernach dürfen Wirtschaftsakteure in Zwangsarbeit hergestellte Produkte weder auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringen oder bereitstellen, noch dürfen sie solche Produkte ausführen. 

    Stellt die zuständige Behörde Verstöße fest, so wird sie u.a. anordnen, dass die betreffenden Produkte nicht in Verkehr gebracht, bereitgestellt sowie ausgeführt werden dürfen. Zudem wird durch den betroffenen Wirtschaftsakteuren eine Rücknahme bereits bereitgestellter Produkte durchzuführen sein. Entsprechende Produkte sind auf Anordnung der Behörde hin aus dem Verkehr zu ziehen, was ein Recycling oder – falls das nicht möglich ist – ein Unbrauchbarmachen der entsprechenden Produkte umfassen kann. Mit diesen Regelungen geht die Zwangsarbeits-VO über die im LkSG und in der CSDDD vorgesehenen Rechtsfolgen von Verstößen gegen (menschenrechtsbezogene) Sorgfaltspflichten hinaus. Ein Vertriebsverbot für Produkte ist in diesen bisher gerade nicht vorgesehen.

    4. Pflicht zur Aufstellung von Klimaschutzplänen

    Zukünftig werden jedenfalls größere europäische Unternehmen verpflichtet sein, Klimaschutzpläne aufzustellen und offenzulegen. Sie sollen Aufschluss darüber geben, inwiefern die Strategie und das Geschäftsmodell des Unternehmens mit den Zielen, die Erderwärmung gemäß dem Übereinkommen von Paris auf 1,5 °C zu begrenzen und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, vereinbar ist.

    Eine solche Pflicht folgt nicht nur aus der CSRD (Richtlinie (EU) 2022/2464), sondern auch aus der CSDDD (Richtlinie (EU) 2024/1760) und für bestimmte Unternehmen zudem aus der Taxonomie-VO (Verordnung (EU) 2020/852) sowie der Industrieemissionsrichtlinie (IED, Richtlinie 2010/75/EU). Mit der Pflicht zur Aufstellung eines Klimaschutzplans verfolgen zwar all diese Rechtsakte das Ziel, Transparenz über die bisherigen, aktuellen und der zukünftigen Klimaschutzbemühungen der Unternehmen zu schaffen. Sie stellen dabei jedoch teils unterschiedliche inhaltliche Anforderungen an die Klimaschutzpläne.

    5. Omnibus-Verordnung für ESG-Berichtspflichten geplant

    Die Europäische Kommission hat sich dafür ausgesprochen, die ESG-Berichtspflichten in einer sogenannten Omnibus-Verordnung zu bündeln. Sie ist Teil der Teil der Erklärung von Budapest zum Neuen Deal für die europäische Wettbewerbsfähigkeit. Diese umfasst einen 12-Punkte-Plan, der insbesondere darauf abzielt, die Wettbewerbsfähigkeit Europas zu stärken. Unter anderem soll dies durch den Abbau von Bürokratie und eine Verringerung der Berichtspflichten um mindestens 25% erreicht werden. 

    Hintergrund des Vorhabens sind insbesondere die teils ähnlich gelagerten Berichtspflichten nach der CSRD (Richtlinie (EU) 2022/2464), der CSDDD (Richtlinie (EU) 2024/1760) und der Taxonomie-VO (Verordnung (EU) 2020/852). Insbesondere soll verhindert werden, dass Unternehmen nach verschiedenen Rechtsakten über ein und denselben Sachverhalt mehrfach Bericht erstatten müssen. Im Ergebnis sollen zwar die bestehenden inhaltlichen Anforderungen an die Berichterstattung im Kern nicht verändert werden. Durch die Omnibus-Verordnung sollen die Berichtspflichten aber konsolidiert und so effizienter gestaltet sowie vereinheitlicht werden. 

    Ein erster konkreter Vorschlag für die Omnibus-Verordnung wird im ersten Halbjahr 2025 erwartet. 

    6. Umsetzung der CSDDD in Deutschland

    Am 05.07.2024 ist nach einer langen Verhandlungsphase die europäische Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainibility Due Diligence Directive, CSDDD) in Kraft getreten.

    Die CSDDD weitet gegenüber dem LkSG nicht nur den Kreis der Unternehmen, die in der EU menschen- und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten erfüllen müssen, erheblich aus. Sie führt auch zu einer weitreichenden Harmonisierung in diesem Bereich. Während sich die Vorgaben der CSDDD in vielerlei Hinsicht denen des LkSG ähneln, wird die Umsetzung der Richtlinie doch auch zu einigen Änderungen im LkSG führen. So wird etwa die zivilrechtliche Haftung und auch der Katalog an geschützten Rechtsgütern erweitert. 

    Eine der zentralen Rechtsfragen hinsichtlich der Umsetzung der CSDDD ist aber derzeit, inwiefern der persönliche Anwendungsbereich des LkSG an den der CSDDD angepasst werden kann. Insbesondere hat sich der deutsche Gesetzgeber dafür ausgesprochen, die in der Richtlinie vorgesehene Erweiterung des Anwendungsbereichs zu übernehmen. Dadurch würden einige der derzeit nach dem LkSG verpflichteten Unternehmen zumindest zeitweise wieder aus dem Anwendungsbereich herausfallen. Ob dies tatsächlich erfolgt, bleibt nicht nur politisch abzuwarten. Auch gibt es einige Stimmen in der Literatur, die das Vorhaben des Gesetzgebers für rechtswidrig halten, da es gegen europäisches Recht verstoße. 

    7. CRMA: Pflicht zur Risikobewertung von Unternehmen und Vorgaben zu Dauermagneten

    Mit der am 23.05.2024 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2024/1252 vom 11. April 2024 zur Schaffung eines Rahmens zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act/CRMA) will die EU eine sichere, krisenfeste und nachhaltige Versorgung von sog. strategischen und kritischen Rohstoffen sicherstellen (Erwägungsgrund 1 CRMA). 

    Mit unserer Mandanteninformation aus dem Juli 2024 haben wir die wichtigsten Inhalte des CRMA bereits für Sie zusammengefasst. Zu den strategischen Rohstoffen gehören die in Anhang I der Verordnung genannten Rohstoffe, z.B.: Aluminium und Lithium (Batteriequalität): 

    Hinzuweisen ist auf Art. 24 Abs. 2 CRMA, der Vorschriften zur Risikovorsorge von Unternehmen macht. Große Unternehmen müssen hiernach mindestens alle drei Jahre eine Risikobewertung ihrer Rohstofflieferkette für strategische Rohstoffe durchführen, die u.a. eine Bewertung ihrer Anfälligkeit für Versorgungsunterbrechungen umfasst. 

    Zudem unterfallen bestimmte Produkte, die Dauermagnete enthalten (können), zukünftig besonderen Vorgaben nach dem CRMA. Die Pflichten richten sich an natürliche oder juristische Personen, die die Magnetresonanztomografen, Windenergiegeneratoren, Industrieroboter, Kraftfahrzeuge, leichte Verkehrsmittel, Kühlgeneratoren, Wärmepumpen, Elektromotoren (auch wenn diese in andere Produkte integriert sind), Waschautomaten, Wäschetrockner, Mikrowellengeräte, Staubsauger oder Geschirrspüler in den Verkehr bringen. Insbesondere müssen diese Personen (teils in Abhängigkeit des konkreten Magnets und des Gewichts)

    • gem. Art. 28 Abs. 1 CRMA sicherstellen, dass die Produkte ein deutlich sichtbares, gut lesbares und unverwischbares Etikett mit bestimmten, näher genannten Angaben tragen;
    • gem. Art. 28 Abs. 2 CRMA sicherstellen, dass ein Datenträger auf oder in dem Produkt vorhanden ist, der Zugang zu bestimmten Informationen (Abs. 3) gewährt; 
    • gem. Art. 29 Abs. 1 CRMA den Rezyklatanteil von Neodym, Dysprosium, Praseodym, Terbium, Bor, Samarium, Nickel und Kobalt öffentlich zugänglich machen.

    Die Kennzeichnungs- und Informationspflichten gem. Art. 28 Abs. 1 – 3 CRMA gelten (mit Ausnahmen) ab zwei Jahren nach Inkrafttreten eines Durchführungsrechtsakts, der von der Kommission bis zum 24.11.2026 anzunehmen ist. Die Anforderung nach Art. 29 Abs. 1 CRMA gilt frühestens ab dem 24.05.2027. 

    Durch delegierten Rechtsakt wird die Kommission bis spätestens 31.12.2031 Mindest-Rezyklatanteile für bestimmte Stoffe in Dauermagneten festlegen (Art. 29 Abs. 3 CRMA).

    E. Produkthaftungsrecht und Diverses

    1. Neue Produkthaftungsrichtlinie verabschiedet

    Die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie ist am 18.11.2024 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden. Die EU-Mitgliedsstaaten müssen diese zum 09.12.2026 in national gültiges Recht umsetzen. Zugleich wird die aktuell noch geltende Richtlinie 85/374/EWG ersetzt. Damit verfolgt der EU-Gesetzgeber insbesondere eine Anpassung des Produkthaftungsrechts an neue technologische Entwicklungen.  Besonders relevant für Wirtschaftsakteure ist die mit der neuen EU-Produkthaftungsrichtlinie einhergehende Verschärfung der Produkthaftung. Zum einen erfasst der in Art. 4 Nr. 1 der EU-Produkthaftungsrichtlinie definierte Produktbegriff nunmehr ausdrücklich auch Software, was nach bisheriger Rechtslage noch umstritten war. Eine weitere praxisrelevante Verschärfung liegt darin, dass Bevollmächtigte eines Nicht-EU-Herstellers und subsidiär sogar auch Marktplatzbetreiber dem Haftungsregime der EU-Produkthaftungsrichtlinie unterliegen werden und damit unter bestimmten Voraussetzungen für Produktfehler in Anspruch genommen werden können, vgl. Art. 8 EU-Produkthaftungsrichtlinie. Außerdem sieht die EU-Produkthaftungsrichtlinie keine Haftungshöchstgrenzen mehr vor, was ebenfalls zu einer deutlichen Verschärfung der Produkthaftung führen wird.

    Die betroffenen Wirtschaftsakteure (Hersteller, Importeure, Bevollmächtigte, Fulfillment-Dienstleister und Marktplatzbetreiber) sollten sich mit Blick auf die neue EU-Produkthaftungsrichtlinie deshalb vor allem auf eine Intensivierung der Haftungsrisiken einstellen. 

    2. Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft getreten

    Ab dem 28.06.2025 müssen bestimmte Produkte und Dienstleistungen mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) konform vertrieben oder angeboten werden. Mit dem BFSG hat der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie (EU) 2019/882 umgesetzt. Ziel des BFSGs ist es, die Teilhabe von Menschen mit Behinderung am öffentlichen Leben zu stärken. Diesem Ziel entsprechend, findet das BFSG auf eine große Bandbreite an Verbraucherelektronikprodukten Anwendung. Hierzu gehören zum Beispiel E-Book Lesegeräte, Hardwaresysteme für Universalrechner (z.B. Laptops und PCs), Zahlungs- und Selbstbedienungsterminals, Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang für Telekommunikationsdienste (z.B. Mobiltelefone, Tablets, Router und Modems) und solche für den Zugang zu audiovisuellen Medien (z.B. Streaming-Sticks und Spielekonsolen). Vom BFSG erfasste Dienstleistungen sind neben solchen im Personenbeförderungsverkehr, insbesondere Telekommunikationsdienste, Bankdienstleistungen und Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr. Letzteres umfasst vorwiegend Online-Shops und Apps mit Bezahlinhalten. 

    Weitere Informationen zum BFSG veröffentlichen wir demnächst in einer gesonderten Mandanteninformation und einem Artikel in der Zeitschrift für Produkt und Compliance. 

    F. KI-, Daten- und IT-Sicherheitsrecht

    1. Verordnung (EU) 2024/2847 (Cyber Resilience Act) ist in Kraft getreten

    Nach seiner Veröffentlichung im EU-Amtsblatt ist der Cyber Resilience Act am 10.12.2024 in Kraft getreten. Im Kern handelt es sich bei dieser EU-Verordnung um einen Produktrechtsakt, der formelle und materielle Produktanforderungen für Produkte mit digitalen Elementen definiert. Die grundlegenden Produktanforderungen des Cyber Resilience Act zielen auf die Gewährleistung der Cybersicherheit über den gesamten Lebenszyklus des Produktes ab. 

    Der Cyber Resilience Act ist ein neuer CE-Rechtsakt für Produkte mit digitalen Elementen und beinhaltet daher Regelungselemente, die aus anderen CE-Rechtsakten bereits bekannt und bewährt sind, z.B. Konformitätsbewertungsverfahren, Konformitätsvermutung bei Anwendung und Einhaltung einschlägiger harmonisierter Normen, CE-Kennzeichnung oder auch Meldepflichten im Zusammenhang mit sicherheitsrelevanten Vorfällen. Der Cyber Resilience Act gilt grundsätzlich für Hard- und Softwareprodukte, die entweder direkt oder indirekt mit einem anderen Gerät oder Netz verbunden sind. Auf die für die Verbindung eingesetzte Technologie (z.B. Funkwellen oder LAN-Verbindung) kommt es nicht an, da der Cyber Resilience Act den Begriff des Produkts mit digitalen Elementen insoweit technologieoffen definiert. Beispiele für Produkte mit digitalen Elementen sind etwa: Smartphones, Computer, Router/Modems oder auch Software wie etwa Virenschutz-Software. 

    Der Cyber Resilience Act gilt im Grundsatz ab dem 11. Dezember 2027 und wird für Wirtschaftsakteure, die Produkte mit digitalen Elementen herstellen und/oder vertreiben, zu sehr weitreichenden und praxisrelevanten Änderungen führen. 

    2. In-Krafttreten der KI-Verordnung 

    Die Verordnung (EU) 2024/1689 (KI-Verordnung) ist am 01.08.2024 in Kraft getreten. Bei der KI-Verordnung handelt es sich weltweit um den ersten Rechtsakt, der umfassende Regelungen für die Entwicklung, Bereitstellung und den Betrieb von KI aufstellt. Die KI-Verordnung reguliert KI als Produkte und stellt vor allem Marktzugangsvoraussetzungen betreffend sog. Hochrisiko-KI-Systeme auf, z.B. Konformitätsbewertung von CE-Kennzeichnung für Hochrisiko-KI-Systeme. Im Gegensatz zu anderen EU-Produktrechtsakten enthält die KI-Verordnung nicht nur Pflichten gegenüber Anbieter/Hersteller, Bevollmächtigte, Einführer oder Händler von KI-Systemen, sondern ebenfalls Betreiberpflichten. Solche Betreiberpflichten treffen insbesondere Betreiber von Hochrisiko-KI-Systemen und beim Einsatz bestimmter KI-Systeme, deren Einsatz Transparenzpflichten nach Art. 50 auslösen. Daneben ist die KI-Verordnung nicht nur relevant für gebrauchsfertige KI-Systeme, sondern trifft ebenfalls umfangreiche Regelungen für KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck. KI-Modelle sind im Kern ein „Grundgerüst“, aus dem sich fertige KI-System entwickeln lassen, z.B. durch bloße Integrierung eines Nutzerinterfaces.  

    Die KI-Verordnung gilt grundsätzlich zum 02.08.2026. Allerdings gelten unterschiedliche Zeitpunkte für einzelne Regelungsbereiche:

    Bereits ab dem 02.02.2025 gelten die allgemeinen Bestimmungen aus Kapitel I und die verbotenen Praktiken im KI-Bereich (Kapitel II). Zu den allgemeinen Bestimmungen gehört auch die „KI-Kompetenz“ aus Art. 4 KI-VO. Diese verpflichteten Unternehmen sicherzustellen, dass diejenigen im Unternehmen, die im Auftrag des Unternehmens mit dem Betrieb oder der Nutzung von KI-Systemen befasst sind, über ausreichende KI-Kompetenzen verfügen.  

    In einem zweiten Schritt gelten ab dem 02.08.2025 die Vorschriften, die von staatlicher Seite die notwendige Infrastruktur zur Notifizierung und Aufsicht schaffen sollen, sowie die Verpflichtungen für KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck (Kapitel III Abschnitt 4 (Notifizierende Behörden und notifizierte Stellen), Kapitel V (KI-Modelle mit allgemeinem Verwendungszweck), Kapitel VII (Governance) und Kapitel XII (Sanktionen) sowie Art. 78 KI-VO (Vertraulichkeit.

    Für bestimmte Hochrisiko KI-Systeme, die Sicherheitsbauteile sind, nämlich solche nach Art. 6 Abs. 1 KI-VO gilt eine verzögerte Anwendbarkeit zum 02.08.2027. 

    Ausweislich des uns vorliegenden Referentenentwurfes für ein Gesetz zu Durchführung der KI-Verordnung kann davon ausgegangen werden, dass die Aufgaben der Marktüberwachung von der Bundesnetzagentur wahrgenommen werden.  

    3. BGH Urteil zum immateriellen Schadensersatz bei DSGVO Verstößen

    In einem Urteil vom 18.11.2024 (Az: VI ZR 10/24) hat der BGH zum Begriff des (immateriellen) Schadens bei Verstößen gegen die DSGVO Stellung bezogen. Gegenstand der Entscheidung ist ein sog. Scraping-Vorfall beim sozialen Netzwerk Facebook. Im Frühjahr 2021 hatten Unbekannte Daten von etwa 533 Millionen Facebook-Nutzern im Internet veröffentlicht. Dies gelang ihnen, da es jedem Facebook-Nutzer über die Kontakt-Import-Funktion möglich war, das Profil eines anderen Nutzers über dessen bei Facebook hinterlegte Telefonnummer zu finden, wenn dieser die Suchbarkeits-Einstellung in Bezug auf die hinterlegte Telefonnummer auf „alle“ eingestellt hatte. Über diese Kontakt-Import-Funktion haben Unbekannte über einen Zeitraum von mehreren Monaten randomisierte Ziffernfolgen eingegeben, ordneten daraufhin Telefonnummern zu Nutzerkonten zu, griffen die zu diesen Nutzern vorhandenen Daten ab („Scraping“) und veröffentlichen sie anschließend im Internet. Betroffen waren auch persönliche Daten wie die Facebook Nutzer-ID, Vorname, Nachname, Geschlecht und Arbeitsplatz. 

    Nach Bekanntwerden des Vorfalls haben Facebook-Nutzer gegen Meta als Betreiber von Facebook u. a. auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer Verletzung von Art. 82 I DSGVO geklagt. Kumulative Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch gem. Art. 82 I DSGVO sind ein Verstoß gegen die DSVGO, ein materieller oder immaterieller Schaden und die Kausalität zwischen dem Verstoß und dem eingetretenen Schaden. Hierzu hat der BGH entschieden, dass bereits der bloße Kontrollverlust über personenbezogene Daten einen immateriellen Schaden begründen kann. Demnach komme es für die Annahme eines immateriellen Schadens nicht darauf an, dass der Kontrollverlust zu einer psychischen Beeinträchtigung führt, z. B. der Befürchtung bei E-Mails von Unbekannten Opfer eines Betrugsversuchs zu werden. Dabei stützt sich der BGH auf die Rechtsprechung des EuGH. Dieser hatte unter Bezugnahme auf Erwägungsgrund 85 der DSGVO, in dem der Kontrollverlust über personenbezogene Daten explizit als Beispiel für einen Schaden aufgeführt ist, bereits entschieden, dass ein solcher Verlust zu einem immateriellen Schaden führen kann. Zur Schadensberechnung führte der BGH aus, dass diese im Grundsatz nach der deutschen Zivilprozessordnung unter Beachtung bestimmter unionsrechtlicher Modifizierungen zu erfolgen habe. Die Höhe des Ausgleichs für den entstandenen Kontrollverlust beziffert der BGH mit einer Größenordnung von 100 Euro pro Nutzer. Der Nachweis der Anspruchsvoraussetzungen und damit auch des Kontrollverlustes obliegt dem Kläger. Im Detail ist allerdings noch unklar, unter welchen Voraussetzungen ein Kontrollverlust im Einzelfall zu bejahen ist. Beispielsweise stellt sich die Frage, ob ein Kontrollverlust auch dann vorliegt, wenn Journalisten oder Datenschutz-Aktivisten eine Sicherheitslücke aufspüren und die dabei gefundenen Daten unmittelbar wieder löschen. Daher ist die weitere Entwicklung der Rechtsprechung im Auge zu behalten. Für Unternehmen empfiehlt es sich derweil eine stabile Datenschutz-Infrastruktur aufzubauen bzw. diese weiterzuentwickeln und zu stärken, um Klagen von vornherein zu vermeiden.

    4. Vertragsverletzungsverfahren wegen Nicht-fristgemäßer Umsetzung der NIS2-Richtlinie, Durchführungs-VO zur NIS2-Richtlinie, Konsequenzen für Mandanten

    Die Umsetzung der Anfang 2023 in Kraft getretenen NIS2 -Richtline (EU 2022/2555) in deutsches Recht verzögert sich weiter. Die Mitgliedstaaten mussten die NIS-2-Richtlinie eigentlich bis zum 17.10.2024 in nationales Recht umsetzen. Bereits als die Bundesregierung Ende Juli 2024 den Gesetzesentwurf für das deutsche Umsetzungsgesetz angenommen hatte, war abzusehen, dass die Umsetzungsfrist voraussichtlich nicht eingehalten werden kann. Nach Verstreichen der Frist hat die Kommission am 27.11.2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und 22 weitere EU-Mitgliedstaaten eingeleitet. Nach Einleitung des Verfahrens haben die Mitgliedstaaten zwei Monate Zeit, um die Umsetzung der Richtlinie zu verwirklichen. Es ist nicht zu erwarten, dass die Bundesrepublik Deutschland diese Frist einhalten wird.

    Die NIS2 Richtlinie hat einen wesentlich erweiterten Anwendungsbereich zur NIS1 Richtlinie. Während bisher nur Unternehmen und öffentliche Stellen, die den sogenannten kritischen Infrastrukturen zuzurechnen waren, verpflichtet wurden, zählen nun auch wichtige und besonders wichtige Unternehmen zu den Adressaten dieser IT-Sicherheitsregulierung. Nach Schätzung des Gesetzesentwurfs erhöht sich die Zahl betroffener Unternehmen insgesamt von 5.000 auf 30.000. Wichtige Neuerung ist zudem der Wechsel vom Anlagenbezug zum Einrichtungsbezug.

    Für die überwiegende Anzahl der betroffenen Unternehmen finden sich die zukünftig einzuhaltenden (noch umzusetzenden) Regelungen in den Art. 20 ff NIS2-Richtlinie. Neben der verpflichtenden Einführung eines IT-Risikomanagementsystems in Art. 21, bekräftigt Art. 20 die Verantwortung und Haftung der Leitungsorgane für die Einführung und den Betrieb eines IT-Risikomanagementsystems. Des Weiteren sind in der NIS2-Richtlinie Meldepflichten für erhebliche Sicherheitsvorfälle mit kurzen Fristen enthalten.

    Auch wenn der nationale Gesetzgeber noch mit der Umsetzung hinterherhinkt, empfiehlt sich für Unternehmen bereits jetzt eine Orientierung an der von der EU-Kommission am 17.10.2024 verabschiedeten Durchführungsverordnung (C/2024/7151) zur NIS2 Richtlinie. Sie enthält Konkretisierungen im Hinblick auf die technischen und methodischen Anforderungen der Risikomanagementmaßnahmen im Bereich der Cybersicherheit und die Präzisierung der Fälle, in denen ein Sicherheitsvorfall als erheblich gilt. Für Unternehmen mit Sitz in Deutschland werden die Vorgaben aus der NIS2-Richtline und der Durchführungsverordnung jedoch erst dann rechtsverbindlich, wenn das deutsche Umsetzungsgesetz in Kraft getreten ist. 

    5. Geltung des Data Acts ab 2025

    Ab dem 12.09.2025 gelten weite Teile des am 11.01.2024 in Kraft getretenen Data Act (Verordnung (EU) 2023/2854). Der Data Act regelt Pflichten für verschiedene Adressaten im Zusammenhang mit vernetzen Produkten und damit verbundenen Diensten. Diese Pflichten sollen eine Partizipation des Nutzers, an den durch seine Nutzung des verbundenen Produktes erzeugten Daten ermöglichen und durch die Regelung der Modalitäten zur Datenweitergabe den Wettbewerb im Bereich der vernetzten Produkte und insbesondere der damit verbundenen Dienste fördern.

    Der Data Act gewährt Nutzern eines vernetzten Produkts oder eines verbundenen Dienstes das Recht auf Zugang zu den Daten, die bei der Nutzung dieses vernetzten Produkts oder verbundenen Dienstes generiert werden. Außerdem haben Nutzer das Recht, diese Daten zu verwenden und an Dritte ihrer Wahl weitzugeben. Nutzer im Sinne des Data Act können sowohl Unternehmer als auch Verbraucher sein.

    Pflichtenadressat sind Hersteller vernetzter Produkte, die in der Union in den Verkehr gebracht wurden, Anbieter verbundener Dienste sowie Dateninhaber, die Datenempfängern in der Union Daten bereitstellen. Vernetzte Produkte können beispielsweise Fahrzeuge oder Haushaltsgeräte sein, die Daten über die Leistung, Nutzung und/oder die Umgebung sammeln und diese über eine Schnittstellte, eine physische Verbindung oder einen geräteinternen Zugang übermitteln. Als verbundene Dienste gelten solche digitalen Dienstleistungen, bei denen einen bi-direktionaler Datenaustausch zwischen dem angeschlossenen Produkt und dem Diensteanbieter stattfinden und dadurch die Funktionen, das Verhalten oder der Betrieb des angeschlossenen Produktes beeinflusst wird. 

    Der Data Act unterscheidet zum einen zwischen dem direkten Zugang nach Art. 3 und dem indirekten Zugang nach Art. 4. Diese Lesart ergibt sich zumindest aus den von der EU-Kommission veröffentlichen FAQ zum Data Act. Zu den vom Data Act statuierten Pflichten gehört unter anderem, dass vernetzte Produkte so konzipiert und hergestellt und verbundene Dienste so konzipiert und erbracht werden müssen, dass die Produktdaten und verbundenen Dienstdaten – einschließlich der für die Auslegung und Nutzung dieser Daten erforderlichen relevanten Metadaten – standardmäßig für den Nutzer einfach, sicher, unentgeltlich in einem umfassenden, strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format und, soweit relevant und technisch durchführbar, direkt zugänglich sind.

    Der Data Act ist nutzerzentriert: dies bedeutet, dass grundsätzlich eine Zuordnung der Nutzungsdaten von vernetzen Produkten zum Nutzer und nicht (mehr) zum Hersteller eines Produktes oder eines Anbieters verbundener Dienste erfolgt. Für Unternehmen sind neben der konzeptionellen Verpflichtung zum Datenzugang, daher der Abschluss von Nutzungsverträgen mit den Nutzern und die genaue Betrachtung welche Daten vom Data Act erfasst sind, anzuraten 

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    Franßen & Nusser Rechtsanwälte PartGmbB

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