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Mandanten­information Liefer­ketten­sorgfalts­pflichten­gesetz

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,

sehr geehrte Damen und Herren,

die Regulierung von Lieferketten ist seit einiger Zeit in „aller Munde“. Medial ist das Thema zuletzt noch einmal Ende Februar in den Mittelpunkt gerückt. Denn die Europäische Kommission hat nach langer Vorbereitung am 23. Februar 2022 den Entwurf eines EU-weiten Lieferkettengesetzes vorgelegt. Der deutsche Gesetzgeber ist in diesem Zusammenhang sogar schon einen Schritt weiter. In Deutschland geht es nicht mehr „nur“ um die Beratung einer Entwurfsfassung. Der Bundestag hat vielmehr – wenn auch nach intensivem Ringen innerhalb der vormaligen Großen Koalition – bereits am 11. Juni 2021 ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) verabschiedet. Für Unternehmen mit mehr als 3.000 Arbeitnehmern gilt dieses neue Regelungsregime schon ab dem 1. Januar 2023.

Das LkSG statuiert eine Reihe von Sorgfaltspflichten, die als neuartige prozessorientierte Bemühenspflichten konzipiert sind und die Compliance-Pflichten vieler Unternehmen erheblich erweitern. Die hiermit einhergehenden Folgen sollten keineswegs unterschätzt werden. Schließlich sieht das LkSG u. a. die Einrichtung eines Risikomanagementsystems, die Durchführung regelmäßiger und anlassbezogener Risikoanalysen, das Ergreifen von Präventions- und Abhilfemaßnahmen und die Erfüllung von Dokumentations- und Berichtspflichten vor.

Obwohl das verabschiedete Gesetz – im Kontrast zum ursprünglichen Gesetzesentwurf der damaligen Großen Koalition – nunmehr ausdrücklich klarstellt, dass eine Verletzung der neu geschaffenen Sorgfaltspflichten keine (zusätzliche) zivilrechtliche Haftung begründet, können etwaige Verstöße dennoch massive Sanktionen zeitigen. Hervorzuheben sind insoweit vor allem die im LkSG vorgesehenen, recht erheblichen Bußgelder, die umfassenden behördlichen Vollzugskompetenzen und der mögliche Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Vor dem Hintergrund des vorstehend angerissenen Pflichtenprogramms, dessen konzeptioneller Neuartigkeit sowie der im Raum stehenden Konsequenzen einer Nichtbeachtung, haben zahlreiche Unternehmen bereits mit der Anpassung ihrer bestehenden Compliance-Strukturen begonnen. Die nachfolgende Mandanteninformation zielt daher nicht „nur“ darauf ab, die grundsätzliche Regelungssystematik und die wesentlichen Pflichten des LkSG zu erläutern; es werden hierüber hinaus auch einige der besonders praxisrelevanten Aspekte exemplarisch aufgegriffen. Ferner nehmen wir natürlich auch den einleitend bereits angesprochenen Vorschlag der Europäischen Kommission eines EU-weiten Lieferkettengesetzes kursorisch in den Blick. In diesem Rahmen geht es uns vor allem darum, aufzuzeigen, inwieweit der Vorschlag der Europäischen Kommission den Regelungsgehalt des LkSG noch überschreitet.

Wir wünschen Ihnen wie immer viele neue und vor allem nützliche Erkenntnisse bei der Lektüre.

Ihr

Jens Nusser

1. Ziel & Dogmatik des LkSG

Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt das übergeordnete Ziel des LkSG darin, auf eine Verbesserung der weltweiten Menschenrechtslage entlang von Lieferketten hinzuwirken. Nach Auffassung des Gesetzgebers kann die Bundesrepublik nur so der hohen internationalen Verflechtung ihrer volkswirtschaftlich bedeutenden Branchen und der damit einhergehenden besonderen Verantwortung gerecht werden. Bei der Beachtung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG geht es daher vor allem darum, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen, sie zu minimieren und bestenfalls zu beseitigen.

Konzipiert sind die einzuhaltenden Sorgfaltspflichten (§§ 3 ff. LkSG) gerade nicht als Erfolgspflichten, sondern als Bemühenspflichten. Im Kern werden die in den Anwendungsbereich des LkSG fallenden Unternehmen daher dazu verpflichtet, in angemessener Weise Vorkehrungen zu treffen, etwaige Verstöße und Verletzungen zu verhindern. Dies hat zur Folge, dass eine bloße Verletzung menschenrechtlicher oder umweltbezogener Pflichten nicht zwingend auch eine Verletzung der Sorgfaltspflichten nach dem LkSG darstellt; vorausgesetzt das jeweilige Unternehmen hat sich in angemessener Weise darum bemüht, der Verletzung vorzubeugen.

Das Spezifikum des LkSG liegt – wie bereits der Name des Gesetzes nahelegt – darin, dass sich die Sorgfaltspflichten neben dem eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens auch auf den Geschäftsbereich der unmittelbaren Zulieferer erstrecken. Die vorgesehenen Sorgfaltspflichten können mithin nur im Zusammenwirken mit den unmittelbaren Zulieferern effektiv umgesetzt werden. Sorgfaltspflichten gegenüber den mittelbaren Zulieferern bestehen nach der Konzeption des LkSG indes nur in den Fällen, in denen die jeweiligen Unternehmen substantiierte Kenntnis von einer Verletzung oder der Gefahr einer Verletzung von Menschenrechten oder umweltbezogener Pflichten bei den mittelbaren Zulieferern haben.

2. Anwendungsbereich

§ 1 LkSG definiert, welche Unternehmen künftig unmittelbar in den Anwendungsbereich des LkSG fallen. Eine Anwendbarkeit des LkSG besteht nach § 1 Abs. 1 LkSG – unabhängig von ihrer Rechtsform – nur gegenüber denjenigen Unternehmen, „die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz im Inland“ (Nr. 1) bzw. „eine Zweigniederlassung gemäß § 13d des Handelsgesetzbuches im Inland“ (Nr. 2) haben. Darüber hinaus müssen die vorstehenden Unternehmen „in der Regel“ mindestens 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen. Dieser Schwellenwert gilt ab dem Inkrafttreten des LkSG am 1. Januar 2023. Ab dem 1. Januar 2024 sinkt der Schwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer.

Der Anwendungsbereich des LkSG erfasst sowohl klassische privatwirtschaftlich organisierte Wirtschaftsunternehmen als auch Unternehmen der öffentlichen Hand (z. B. kommunale Eigenbetriebe oder Wohnungsbaugesellschaften), sofern diese „unternehmerisch am Markt“ bzw. mit Gewinnerzielungsabsicht tätig sind. Juristische Personen des öffentlichen Rechts, die Verwaltungsaufgaben einer Gebietskörperschaft wahrnehmen, fallen ausweislich der Gesetzesbegründung ebenfalls nur dann in den Anwendungsbereich des LkSG, soweit sie „unternehmerisch am Markt“ tätig sind.

Die Arbeitnehmeranzahl soll sowohl anhand einer rückblickenden Betrachtung der Personalentwicklung als auch anhand einer Prognose der zukünftigen Personalentwicklung bewertet werden. Es liegt im Verantwortungsbereich des jeweiligen Unternehmens, seine Personalstärke zutreffend zu ermitteln und zu prüfen, ob es unter den Anwendungsbereich des LkSG fällt. Der Eigenverantwortlichkeitsgrundsatz macht im Hinblick auf eine Anwendbarkeit des LkSG fortlaufende bzw. regelmäßige Bewertungen der Personalentwicklung im jeweiligen Unternehmen notwendig. Kurzzeitige Schwankungen der Personalstärke sollen dabei keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des LkSG haben. Eine vergleichbare Methode hat sich zur Berechnung von Arbeitnehmerschwellenwerten innerhalb des Arbeitsrechts bereits bewährt (BAG, Urt. v. 16. November 2004, Az.: 1 AZR 642/03).

§ 1 Abs. 1 Nr. 2 LkSG stellt im Hinblick auf den Arbeitnehmerschwellenwert auf die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer ab. Ins Ausland entsandte Arbeitnehmer gelten insoweit als im Inland beschäftigt. Nach § 1 Abs. 3 LkSG sind innerhalb von verbundenen Unternehmen (§ 15 Aktiengesetz) zudem die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer sämtlicher konzernangehöriger Gesellschaften bei der Berechnung der Arbeitnehmerzahl der Obergesellschaft zu berücksichtigen. Die Beratungspraxis hat gezeigt, dass die Regelung nach § 1 Abs. 3 LkSG erhebliche Unschärfen aufweist. Angesichts der pauschalen Inbezugnahme von § 15 AktG stellt sich vor allem die Frage, ob § 1 Abs. 3 LkSG tatsächlich auf alle Unternehmensverbindungen im Sinne von § 15 AktG Anwendung findet oder ob vielmehr nur Konzerne erfasst sein sollen. Hinsichtlich der letzteren Auffassung ließe sich vorbringen, dass in § 1 Abs. 3 LkSG ausdrücklich von „konzernangehörigen Gesellschaften“ die Rede ist. Bis zu einer gerichtlichen Klärung verbleibt es in dieser Frage allerdings bei Rechtsunsicherheiten.

3. Sorgfaltspflichten

In § 3 Abs. 1 Satz 2 LkSG findet sich eine abschließende Aufzählung der als Bemühenspflichten konzipierten Sorgfaltspflichten. Konkretere Regelungen zu den jeweils einzuhaltenden Anforderungen enthalten die §§ 4 – 10 LkSG. Zu beachten ist ferner, dass diese Anforderungen gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 LkSG unter dem Vorbehalt der Angemessenheit stehen und die Art und Weise der Sorgfaltspflichterfüllung somit maßgeblich auch von der individuellen Unternehmens- und Risikosituation abhängt. Vor der Erläuterung der individuellen Sorgfaltspflichten und einer eingehenderen Behandlung des Angemessenheitsvorbehalts werden im Folgenden zunächst noch die Reichweite und die Bezugspunkte der Sorgfaltspflichten beleuchtet.

a) Reichweite der Sorgfaltspflichten

Die Sorgfaltspflichten beziehen sich gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 LkSG zunächst einmal auf die Lieferkette als solche. Gegenstand der Lieferkette ist gem. § 2 Abs. 5 LkSG nicht nur der Produktvertrieb, sondern auch die Erbringung von Dienstleistungen. Zur Lieferkette gehören alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung des jeweiligen Produktes oder zur Erbringung der jeweiligen Dienstleistung erforderlich sind. Die Lieferkette beginnt demnach bei der Gewinnung der Rohstoffe und endet erst mit der Auslieferung des Produktes bzw. der Erbringung der Dienstleistung an den Endkunden. Die Lieferkettendefinition erfasst bekanntlich nicht nur den eigenen Geschäftsbereich des betroffenen Unternehmens (§ 2 Abs. 6 LkSG), sondern eben auch die Geschäftsbereiche der unmittelbaren Zulieferer (§ 2 Abs. 7 LkSG) und sogar die der mittelbaren Zulieferer (§ 2 Abs. 8 LkSG).

Die individuellen Sorgfaltspflichten nach §§ 4 – 10 LkSG erstrecken sich allerdings in der Regel lediglich auf den eigenen Geschäftsbereich der Unternehmen und den der unmittelbaren Zulieferer. Etwas anderes gilt gem. § 9 Abs. 3 LkSG dann, wenn Unternehmen substantiierte Kenntnis von einer Verletzung oder der Gefahr einer Verletzung von Menschenrechten oder umweltbezogener Pflichten bei den mittelbaren Zulieferern erlangen. In diesem Fall muss das Unternehmen dann gem. § 9 Abs. 2 LkSG sein Risikomanagementsystem (vgl. Ziff. 3 c) aa)) entsprechend anpassen und die in § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 – 4 LkSG genannten Sorgfaltspflichten – vor allem Durchführung einer Risikoanalyse, Verankerung angemessener Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher sowie Erstellung und Umsetzung eines Konzepts zur Verhinderung, Beendigung und Minimierung der Verletzung bzw. der Gefahr – erfüllen.

Im Zusammenhang mit mittelbaren Zulieferern gilt es außerdem § 5 Abs. 1 Satz 2 LkSG im Blick zu behalten. Hiernach sind im Rahmen der Risikoanalyse (vgl. Ziff. 3 c) bb)) mittelbare Zulieferer als unmittelbare Zulieferer zu behandeln, wenn ein Unternehmen eine missbräuchliche Gestaltung der unmittelbaren Zuliefererbeziehung oder ein Umgehungsgeschäft vorgenommen hat. Gesetzlich nicht hinreichend determiniert scheint die Beantwortung der Frage, ob innerhalb einer klassischen deutschen Konzernstruktur, in der die Konzernmutter keine wirkliche operative Tätigkeit ausübt und über keine eigenen direkten Vertragspartner verfügt, die Vertragspartner der in- und ausländischen operativ tätigen Tochtergesellschaften als unmittelbare oder mittelbare Zulieferer der Konzernmutter zu qualifizieren sind. Eine missbräuchliche Gestaltung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 LkSG dürfte in diesen Szenarien jedenfalls nicht vorliegen. Dennoch ist mit Blick auf den übergeordneten Schutzzweck des LkSG eine analoge Anwendung von § 2 Abs. 7 LkSG und damit die Annahme einer unmittelbaren Zuliefererstellung zumindest denkbar.

Innerhalb der Lieferkette kommt es allerdings nicht nur auf die Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern an. Schließlich gilt an vielen Stellen des LkSG ein sog. abgestufter Sorgfaltsmaßstab, wonach den Unternehmen im Hinblick auf ihren eigenen Geschäftsbereich mehr abverlangt wird als im Hinblick auf den Geschäftsbereich ihrer unmittelbaren Zulieferer. Von besonderer Relevanz ist im Kontext dieser Abgrenzungen die Regelung in § 2 Abs. 6 Satz 3 LkSG. Hiernach zählt eine konzernangehörige Gesellschaft in verbundenen Unternehmen zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft, wenn die Obergesellschaft auf die konzernangehörige Gesellschaft einen bestimmenden Einfluss ausübt. Ähnlich wie die Regelung in § 1 Abs. 3 LkSG (vgl. Ziff. 2) weist allerdings auch diese Norm nicht unerhebliche Unschärfen auf. Rechtsunsicherheiten ergeben sich hier – wenngleich die Norm § 15 AktG anders als § 1 Abs. 3 LkSG nicht ausdrücklich in Bezug nimmt – vor allem daraus, dass einerseits von „verbundenen Unternehmen“ und andererseits von „konzernangehörigen Gesellschaften“ die Rede ist. Letztlich bleibt auf Grundlage des Gesetzeswortlauts daher auch hier unklar, ob die Regelung nur auf Konzerne im Sinne von § 18 AktG Anwendung findet oder ob insoweit auch die reine Abhängigkeit im Sinne von § 17 AktG ausreicht.

b) Bezugspunkt der Sorgfaltspflichten

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 LkSG geht es vor allem darum, menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen, sie zu minimieren oder die Verletzung entsprechender Pflichten zu beenden. Bezugspunkt der Sorgfaltspflichten sind somit international anerkannte Menschenrechte und umweltbezogene Pflichten. Die maßgeblichen Menschenrechte ergeben sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 – 12 LkSG. Dort sind Verbote formuliert, die auf völkerrechtliche Übereinkommen Bezug nehmen. Hinsichtlich dieser Übereinkommen findet sich in der Anlage des LkSG eine entsprechende Aufzählung. Die menschenrechtlichen Verbotstatbestände lassen sich den Kategorien Arbeitnehmerschutz, Schutz der Lebensgrundlagen und Schutz vor dem Einsatz von Sicherheitskräften zuordnen (Wagner/Ruttloff, NJW 2021, 2145 [2146]). Die zu berücksichtigenden umweltbezogenen Verbote ergeben sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 – 8 LkSG. Namentlich geht es hier beispielsweise um das Verbot der Herstellung von mit Quecksilber versetzten Produkten oder das Verbot der nicht umweltgerechten Handhabung, Sammlung, Lagerung und Entsorgung von Abfällen. Auch die umweltbezogenen Verbote verweisen auf internationale Übereinkommen, die sich auf der Liste in der Anlage zum LkSG finden.

c) Konkrete Sorgfaltspflichten im Einzelnen

Nachfolgend wird der Inhalt der individuellen Sorgfaltspflichten dargestellt. Die betroffenen Unternehmen müssen risikounabhängig in jedem Falle ein Risikomanagementsystem einführen (§ 4 LkSG), Risikoanalysen durchführen (§ 5 LkSG), ein Beschwerdeverfahren einrichten (§ 8 LkSG) sowie Dokumentations- und Berichtspflichten erfüllen (§ 10 LkSG). Präventions- und Abhilfemaßnahmen im Sinne von §§ 6 – 7 LkSG sind zwingend umzusetzen, sobald ein Risiko bzw. eine Rechtsgutsverletzung im Hinblick auf Menschenrechte und/oder umweltbezogener Pflichten im eigenen Geschäftsbereich und/oder bei dem unmittelbaren Zulieferer festgestellt wird.

aa) Risikomanagement

Die Unternehmen müssen in jedem Fall ein Risikomanagementsystem im Sinne von § 4 LkSG einführen. Durch das Risikomanagementsystem sollen die bestehenden menschenrechtlichen Risiken und etwaige Rechtsgutsverletzungen entlang der Lieferkette identifiziert, verhindert, beendet oder zumindest minimiert werden können. Regelungsgegenstand ist mithin die Verpflichtung zur Einhaltung der vorgesehenen Sorgfaltspflichten im eigenen Unternehmen. Das Risikomanagement ist durch angemessene Maßnahmen in allen Geschäftsabläufen zu verankern.

Nach § 4 Abs. 3 LkSG sind die betroffenen Unternehmen überdies verpflichtet, zur fortlaufenden Überwachung des Risikomanagements unternehmensinterne Zuständigkeiten zu verankern und beispielsweise einen Menschenrechtsbeauftragten zu benennen. Die Geschäftsleitung muss sich gem. § 4 Abs. 3 Satz 2 LkSG mindestens einmal im Jahr über die Arbeit der zuständigen Person bzw. Personen informieren. Nach § 4 Abs. 4 LkSG muss das Risikomanagementsystem die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Interessen der eigenen Beschäftigten, der Beschäftigten innerhalb der Lieferkette und die Interessen von Personen berücksichtigen, die in sonstiger Weise von der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens in einer geschützten Rechtsposition unmittelbar be-troffen sein können.

bb) Risikoanalyse

Grundlegende Voraussetzung eines wirksamen Risikomanagements ist die angemessene Risikoanalyse im Sinne von § 5 LkSG. Mittels der Risikoanalyse soll ermittelt werden, ob und welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im Sinne von § 2 Abs. 2, 3 LkSG im eigenen Geschäftsbereich und im Geschäftsbereich des unmittelbaren Zulieferers bestehen. Im Hinblick auf den Geschäftsbereich des unmittelbaren Zulieferers sollten für eine angemessene Risikoanalyse vertragliche Vereinbarungen – vor allem Informations- und Kooperationspflichten – mit dem jeweiligen Zulieferer abgeschlossen werden. Erst auf der Grundlage dieser Risikoanalyse lassen sich die unternehmensspezifischen Risiken ermitteln und angemessene Präventionsmaßnahmen ergreifen. Ein Risiko im Sinne von § 2 Abs. 2, 3 LkSG „ist ein Zustand, bei dem auf Grund tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung“ von Menschenrechten oder umweltbezogenen Pflichten droht. Die zutreffende Bewertung der Risikoanalyseergebnisse liegt im Verantwortungsbereich des jeweiligen Unternehmens.

Sofern menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken im Rahmen der Risikoanalyse ermittelt worden sind, sind diese nach § 5 Abs. 2 LkSG angemessen zu gewichten und zu priorisieren. Gem. § 5 Abs. 3 LkSG muss das jeweilige Unternehmen dafür sorgen, dass die Ergebnisse der Risikoanalyse an die maßgeblichen Entscheidungsträger des Unternehmens kommuniziert werden, damit die Ergebnisse der Risikoanalyse in den Geschäftsabläufen sachgerecht berücksichtigt werden können.

Nach § 5 Abs. 4 LkSG ist die Risikoanalyse einmal im Jahr sowie anlassbezogen durchzuführen. Eine Pflicht zur Durchführung einer anlassbezogenen Risikoanalyse kann beispielsweise durch die Aufnahme einer neuen Tätigkeit, durch einen bevorstehenden Markteintritt oder durch die Einführung eines neuen Produktes entstehen. Entsprechend der gesetzgeberischen Intention im Zusammenhang mit dem LkSG dürfte ein Anlass zur Durchführung einer Risikoanalyse im Sinne von § 5 LkSG immer dann bestehen, wenn eine Veränderung der geschäftlichen Tätigkeit zu einer veränderten oder erweiterten Risikolage für Menschenrechte oder umweltbezogene Pflichten führen kann. Maßgeblich ist insoweit die unternehmensspezifische Risikosituation.

Wie die Risikoanalyse im Detail auszugestalten ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 1 – 4 LkSG nicht unmittelbar. Hilfreich ist in dieser Hinsicht ein Blick in die Gesetzesbegründung. Diese rät im Wesentlichen zu einem zweistufigen Vorgehen: In einem ersten Verfahrensschritt sollen die Unternehmen einen Überblick über die eigenen Beschaffungsprozesse, über die Struktur und Akteure beim unmittelbaren Zulieferer sowie über die wichtigen Personengruppen, die von der Geschäftstätigkeit des Unternehmens betroffen sein können, gewinnen. Dies kann beispielsweise in Form eines Risikomappings nach Geschäftsfeldern, Standorten, Produkten oder Herkunftsländern erfolgen. Kontextabhängige Faktoren, wie die politischen Rahmenbedingungen oder vulnerable Personengruppen sind auch in die Analyse einzubeziehen. In einem zweiten Schritt sind die Risiken zu bewerten und zu priorisieren. So kann das Unternehmen entscheiden, welche Risiken es zuerst adressiert, sollte es nicht in der Lage sein, alle Risiken gleichzeitig anzugehen.

cc) Präventionsmaßnahmen

Sobald im Rahmen der Risikoanalyse ein Risiko im Sinne von § 2 Abs. 2, 3 LKSG festgestellt wird, sind angemessene und geeignete Präventionsmaßnahmen auszuwählen und umzusetzen. Zu den Präventionsmaßnahmen gehört u. a. die Verabschiedung einer Grundsatzerklärung über die eigene Menschenrechtsstrategie (§ 6 Abs. 2 LkSG). Bestandteil der Grundsatzerklärung ist vor allem die Beschreibung des Verfahrens, mit dem ein Unternehmen seiner Pflicht zur rechtskonformen Umsetzung seiner Sorgfaltspflichten nachkommt (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 LkSG). Die Grundsatzerklärung muss durch die Unternehmensleitung verabschiedet werden und ist gegenüber den Beschäftigten, den unmittelbaren Zulieferern und der Öffentlichkeit zu kommunizieren.

Zu den Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich gehören nach § 6 Abs. 3 LkSG insbesondere:

  1. die Umsetzung der in der Grundsatzerklärung dargelegten Menschenrechtsstrategie in den relevanten Geschäftsabläufen,
  2. die Entwicklung und Implementierung geeigneter Beschaffungsstrategien und Einkaufspraktiken, durch die festgestellte Risiken vermieden oder minimiert werden,
  3. die Durchführung von Schulungen in den relevanten Geschäftsbereichen,
  4. die Durchführung risikobasierter Kontrollmaßnahmen, mit denen die Einhaltung der in der Grundsatzerklärung enthaltenen Menschenrechtsstrategie im eigenen Geschäftsbereich überprüft wird.

Darüber hinaus müssen gemäß § 6 Abs. 4 LkSG angemessene Präventionsmaßnahmen gegenüber den unmittelbaren Zulieferern verankert werden. Zu diesen Präventionsmaßnahmen gehört u. a. die Berücksichtigung der menschenrechtlichen und umweltbezogenen Erwartungen bei der Auswahl eines unmittelbaren Zulieferers und die vertragliche Zusicherung eines unmittelbaren Zulieferers, dass dieser die von der Geschäftsleitung des Unternehmens verlangten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Vorgaben einhält und entlang der Lieferkette angemessen adressiert (§ 6 Abs. 3 Nr. 1, 2 LkSG). Da das Gesetz den Begriff der „Zusicherung“ verwendet, wird hier wohl eine verbindliche Erklärung des Zulieferers verlangt. Die Pflicht zur Verankerung von Präventionsmaßnahmen gegenüber dem unmittelbaren Zulieferer gilt unabhängig davon, ob dieser selbst als Unternehmen im Sinne von § 1 Abs. 1 LkSG zu qualifizieren ist.

Die Wirksamkeit der Präventionsmaßnahmen ist einmal jährlich sowie anlassbezogen zu überprüfen. Hinsichtlich der Pflicht zur Durchführung einer anlassbezogenen Überprüfung gelten die Ausführungen zur anlassbezogenen Risikoanalyse entsprechend (vgl. Ziff. 3 c) bb)). Die Pflicht zur anlassbezogenen Überprüfung gilt daher nur für wesentliche Änderungen der geschäftlichen Tätigkeit eines Unternehmens, soweit hierdurch eine veränderte oder erweiterte Risikolage in der Lieferkette eintreten kann.

dd) Abhilfemaßnahmen

Sobald ein Unternehmen feststellt, dass Menschenrechte oder umweltbezogene Pflichten im eigenen Geschäftsbereich oder bei einem unmittelbaren Zulieferer verletzt worden sind oder eine Verletzung unmittelbar bevorsteht, hat es gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 LkSG unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, um die Verletzung zu verhindern, zu beenden oder zu minimieren. Hervorzuheben ist, dass die jeweilige Abhilfemaßnahme gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 LkSG zu einer Beendigung der Verletzung führen muss, sofern die Menschenrechtsverletzung oder die Verletzung umweltbezogener Pflichten im eigenen Geschäftsbereich im Inland aufgetreten ist.

Sofern die Rechtsgutsverletzung den Geschäftsbereich eines unmittelbaren Zulieferers betrifft, richten sich die vorzunehmenden Abhilfemaßnahmen nach § 7 Abs. 2 – 3 LkSG. Nach § 7 Abs. 2 LkSG hat das betroffene Unternehmen gemeinsam mit dem unmittelbaren Zulieferer ein sog. Konzept zur Minimierung zu erstellen und umzusetzen, sofern die Rechtsgutsverletzung nicht in absehbarer Zeit beendet werden kann. In diesem Konzept sind Maßnahmen zu verankern, die zu einer Beendigung der festgestellten Rechtsgutsverletzung führen können. Erst wenn das jeweilige Minimierungskonzept nach Ablauf der dort festgelegten Zeit zu keiner Beendigung der Rechtsgutsverletzung führt, ist unter den Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 LkSG ein Abbruch der Geschäftsbeziehungen mit dem unmittelbaren Zulieferer als Ultima Ratio geboten. Um die Abhilfemaßnahmen auch praktisch umsetzen zu können, sollten die vertraglichen Grundlagen hierfür im Lieferantenvertrag geschaffen werden.

Die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahmen ist gem. § 7 Abs. 4 LkSG einmal im Jahr sowie anlassbezogen zu überprüfen, wenn das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage im eigenen Geschäftsbereich oder beim unmittelbaren Zulieferer rechnen muss.

ee) Beschwerdeverfahren

Die betroffenen Unternehmen müssen nach § 8 Abs. 1 LkSG ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einrichten, damit Hinweise auf etwaige Rechtsgutsverletzungen im betroffenen Unternehmen eingehen und bearbeitet werden können. In § 8 Abs. 2 – 4 LkSG werden die Anforderungen des Beschwerdeverfahrens definiert. Zu diesen Anforderungen gehört u. a. die Festlegung einer schriftlichen Verfahrensordnung sowie die Unparteilichkeit der mit der Durchführung des Beschwerdeverfahrens betrauten Person. Nach § 8 Abs. 1 Satz 6 LkSG können sich Unternehmen an externen Beschwerdeverfahren beteiligen, sofern diese den Anforderungen des § 8 Abs. 2 – 4 LkSG entsprechen. Die Wirksamkeit des Beschwerdeverfahren ist gem. § 8 Abs. 5 Satz 1 LkSG mindestens einmal jährlich sowie anlassbezogen zu überprüfen.

ff) Dokumentations- und Berichtspflicht

Das LkSG sieht im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten umfangreiche Dokumentations- und Berichtspflichten vor. Mit der in § 10 Abs. 1 LkSG geregelten internen Dokumentationspflicht sollen die betroffenen Unternehmen die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten fortlaufend dokumentieren. Die Dokumentation ist ab ihrer Erstellung mindestens sieben Jahre lang aufzubewahren.

Gem. § 10 Abs. 2 LkSG müssen die betroffenen Unternehmen zudem jährlich einen nachvollziehbaren Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr erstellen und diesen auf der eigenen Internetseite kostenfrei veröffentlichen. Dieser Bericht soll eine Grundlage für die behördliche Kontrolle im Hinblick auf die Erfüllung der Sorgfaltspflichten sein. Es liegt im Verantwortungsbereich der betroffenen Unternehmen, die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten in nachvollziehbarer Weise darzustellen. Der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist dabei gem. § 10 Abs. 4 LkSG „gebührend Rechnung zu tragen“. Der Bericht im Sinne von § 10 Abs. 2 LkSG ist der zuständigen Behörde nach § 12 Abs. 1, 2 LKSG in deutscher Sprache und elektronisch jährlich zu übermitteln.

Im Hinblick auf die Berichtspflicht nach § 10 Abs. 2 LkSG kommt der Auslegung von § 10 Abs. 4 LkSG fraglos die größte praktische Relevanz zu. Der dortige Vorbehalt hinsichtlich der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen weist angesichts der Schutzwirkung von Art. 12 GG und Art. 14 GG zwar in die richtige Richtung, ist aber viel zu pauschal gefasst, um hieraus konkrete, mithin praktikable Vorgaben abzuleiten. Wünschenswert und wohl auch verfassungsrechtlich geboten wäre eine gesetzgeberische Klarstellung gewesen, unter welchen Voraussetzungen und auf welche Weise den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen „gebührend Rechnung zu tragen“ ist. Vorläufig – also bis zu einer Konkretisierung durch das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle („BAFA“) oder einer gerichtlichen Klärung dieser Frage – empfiehlt sich wohl eine Orientierung an den hergebrachten Maßstäben zu § 6 IFG (Wagner/Ruttloff, NJW 2021, 2145 [2147]). Weiterhin hätte es angesichts der aufgezeigten Grundrechtsrelevanz mit Blick auf den Vorbehalt des Gesetzes wohl auch einer eindeutigen Regelung bedurft, ob § 10 Abs. 4 LkSG nur hinsichtlich des öffentlich zugänglichen Berichts Anwendung findet oder ob der dortige Vorbehalt sich auf den bei BAFA vorzulegenden Bericht erstreckt.

d) Angemessenheitsvorbehalt

Die Auswahl und Durchführung der Maßnahmen zur Erfüllung der vorgesehenen Sorgfaltspflichten stehen gem. § 3 Abs. 2 LkSG unter einem Angemessenheitsvorbehalt. Hiernach sind Art und Umfang der Geschäftstätigkeit, das Einflussvermögen des Unternehmens auf den unmittelbaren Verursacher der Verletzung, die typischerweise zu erwartende Schwere und Nachhaltigkeit der Verletzung sowie die Art des eigenen Verursachungsbeitrags des Unternehmens bei der Frage zu berücksichtigen, durch welches Handeln der jeweiligen Sorgfaltspflicht in angemessener Weise Rechnung getragen wird.

Obschon die Gesetzesbegründung klarstellt, dass den Unternehmen im Rahmen der Sorgfaltspflichten jedenfalls nichts rechtlich oder tatsächlich Unmögliches abverlangt werden darf, geben Gesetzestext und ‑begründung ansonsten nur einen äußerst abstrakten und wenig praktikablen Rahmen für die Bestimmung der Angemessenheit im Sinne von § 3 Abs. 2 LkSG vor. Im Hinblick auf die erhebliche Bußgeldbewehrung (vgl. Ziff. 4) und das besonders scharfe Bestimmtheitsgebot im Rahmen strafbewehrter Regelungen nach Art. 103 Abs. 2 GG stellt sich neuerlich die Frage der Verfassungsmäßigkeit (Wagner/Ruttloff, NJW 2021, 2145 [2146]). Bis zu einer abschließenden behördlichen oder gerichtlichen Konkretisierung der Angemessenheitsvorgaben erscheint aus Sicht der Unternehmen eine Orientierung an den anerkannten Grundsätzen für Compliance Management Systeme und den sog. Business Judgement Rules sowie die regelmäßige Sichtung von Fachliteratur und Rechtsprechung ratsam.

4. Marktüberwachung & Ordnungswidrigkeiten

Die Einhaltung der Sorgfaltspflichten soll durch eine umfassende Marktüberwachung kontrolliert und durchgesetzt werden. Im Falle eines Rechtsverstoßes drohen den betroffenen Unternehmen gem. § 24 LkSG empfindliche Geldbußen. Die marktüberwachungs- und sanktionsrechtliche Zuständigkeit liegt gem. § 19 Abs. 1 LkSG i. V. m. § 24 Abs. 5 LkSG beim oben bereits kurz angesprochenen BAFA.

Die verwaltungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse ergeben sich aus den §§ 13 ff. LkSG. Die für die Marktüberwachung wesentliche Ermächtigungsgrundlage ist § 15 LkSG. Nach § 15 S. 1 LkSG trifft die zuständige Behörde „die geeigneten und erforderlichen Anordnungen und Maßnahmen“, um Verstöße gegen die Pflichten nach den §§ 3 – 10 Abs. 1 LkSG festzustellen, zu beseitigen und zu verhindern. § 16 LkSG enthält zudem Betretensrechte der zuständigen Behörde hinsichtlich der Betriebsgrundstücke, Geschäftsräume und Wirtschaftsgebäude der Unternehmen. Nach § 17 LkSG existieren überdies umfassende Auskunfts- und Herausgabepflichten gegenüber der zuständigen Behörde. Unter den Voraussetzungen des § 24 LkSG können Verstöße gegen die vorgesehenen Sorgfaltspflichten zu empfindlichen Geldbußen führen. Diese können bei einem Unternehmen mit einem durchschnittlichen Jahresumsatz von mehr als 400 Mio. EUR gem. § 24 Abs. 3 LkSG einen Betrag von bis zu 2% des durchschnittlichen Jahresumsatzes erfassen. Im Übrigen kann die Höhe der Geldbuße nach § 24 Abs. 2 LkSG bis zu 800.000 EUR betragen.

5. Vergaberechtliche Teilnahmeausschlüsse & wettbewerbsrechtliche Risiken

Betroffene Unternehmen sollen bis zur Selbstreinigung gem. § 125 GWB unter den Voraussetzungen des § 22 LkSG von der Teilnahme an Vergabeverfahren eines Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsauftrages ausgeschlossen werden, wenn ein bußgeldbehafteter Verstoß gegen Pflichten des LkSG (abhängig vom jeweiligen Vorwurf, mind. 175.000 EUR) rechtskräftig festgestellt worden ist. Der in § 22 LkSG vorgesehene Ausschluss vom Vergabeverfahren wird durch entsprechende Änderungen der vergaberechtlichen Vorschriften mit dem Vergaberecht verknüpft: In der Auflistung der anderweitig – also nicht im GWB – geregelten fakultativen Ausschlussgründe in § 124 Abs. 2 GWB soll der Ausschluss nach § 22 LkSG ergänzt werden. § 22 LkSG enthält somit einen fakultativen Ausschlussgrund, der von öffentlichen Auftraggebern im Vergabeverfahren angewendet werden kann. Um öffentlichen Auftraggebern die Kenntnis von einem Bußgeld nach § 24 LkSG und somit ggf. vom Bestehen eines fakultativen Ausschlussgrundes nach § 22 LkSG zu ermöglichen, sollen Bußgeldentscheidungen nach dem LkSG in das gerade erst geschaffene Wettbewerbsregistergesetz („WRegG“) aufgenommen werden. So sollen nach einem neuen § 2 Abs. 1 Nr. 4 WRegG rechtskräftige Bußgeldentscheidungen nach § 24 Abs. 1 LkSG mit einer Geldbuße von mindestens 175.000 EUR in das nach dem WRegG geschaffene und beim Bundeskartellamt geführte Wettbewerbsregister eingetragen werden.

Nicht auszuschließen ist im Übrigen, dass die gesetzlichen Vorschriften zur Auswahl und Umsetzung angemessener Sorgfaltsmaßnahmen Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG darstellen. Sofern dies der Fall ist und gegen die entsprechenden Anforderungen des LKSG verstoßen wird, drohen dem jeweiligen Unternehmen somit wettbewerbsrechtliche Konsequenzen.

6. Zivilrechtliche Haftung & Prozessstandschaft

Entsprechend eines Änderungsantrags des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales findet sich in § 3 Abs. 3 Satz 1 LkSG nun eine eindeutige Klarstellung, dass betroffene Unternehmen bei Verstößen gegen das LkSG nicht über die bestehenden Regelungen hinaus zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können. Das LkSG begründet somit ausdrücklich keine zusätzliche zivilrechtliche Haftungsgrundlage. Soweit unabhängig von den neu geschaffenen Sorgfaltspflichten bereits nach der geltenden Rechtslage eine zivilrechtliche Haftung begründet ist, besteht diese allerdings gem. § 3 Abs. 3 Satz 2 LkSG unverändert fort.

Derartige Ansprüche – beispielsweise auf Grundlage von § 823 Abs. 1 BGB – oder Schadensersatzansprüche auf Grundlage ausländischen Rechts können gem. § 11 Abs. 1, 2 LkSG im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft mit Zustimmung des Verletzten von inländischen Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen vor deutschen Zivilgerichten durchgesetzt werden. Voraussetzung ist freilich, dass der Geschädigte geltend macht, in einer überragend wichtigen Rechtsposition aus § 2 Abs. 1 LkSG verletzt zu sein.

Im Zusammenhang mit der Prozessstandschaft nach § 11 LkSG und einer etwaigen zivilrechtlichen Haftung ist stets das internationale Privatrecht und speziell das europäische Kollisionsrecht zu beachten. Zunächst ist insoweit hervorzuheben, dass bei Schadensersatzansprüchen, die im Zusammenhang mit einer im Ausland stattgefundenen Menschenrechtsverletzung stehen, gem. § 4 Abs. 1 ROM II-Verordnung grundsätzlich das Recht des Staates Anwendung finden wird, in dem der Schaden eingetreten ist. Mit Blick auf § 11 LkSG wird es mithin regelmäßig um die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen nach ausländischem Recht gehen.

Zugleich gilt es aber Art. 17 Rom II-VO im Blick zu behalten. Hiernach sind bei der Beurteilung des Verhaltens der in Anspruch genommenen Person „die Sicherheits- und Verhaltensregeln zu berücksichtigen, die an dem Ort und zu dem Zeitpunkt des haftungsbegründenden Ereignisses in Kraft sind“. Soweit das haftungsbegründende Ereignis in der Verletzung von Organisationspflichten durch eine in Deutschland ansässige Unternehmensleitung liegt, sind die Sorgfaltspflichten des LkSG somit wohl als Verhaltenspflichten in das jeweils anwendbare ausländische Recht zu inkorporieren. Konkret würde dies bedeuten, dass der Sorgfaltsmaßstab nach dem LkSG unter den vorstehend erläuterten Voraussetzungen in die Auslegung und damit auch die Anwendung des ausländischen Rechts einfließt (Ehmann/Berg, GWR 2021, 287 [291]).

7. Vorschlag eines EU-weiten Lieferkettengesetzes

Wie bereits einleitend hervorgehoben, hat die Europäische Kommission am 23. Februar 2022 einen Vorschlag für eine Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen („LkG-RL-E“) vorgelegt. Nachfolgend wird kurz der wesentliche Inhalt der Initiative dargestellt, die wesentlichen Unterschiede zwischen dem LkG-RL-E und dem deutschen LkSG herausgearbeitet und abschließend der weitere Gang des Gesetzgebungsverfahrens skizziert.

a) Wesentlicher Inhalt der Initiative

Der LkG-RL-E zielt darauf ab, ein nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Verhalten in allen globalen Wertschöpfungsketten zu gewährleisten. Im Kern geht es also wie beim LkSG darum, dass Unternehmen künftig negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf die Menschenrechte, wie Kinderarbeit und Ausbeutung von Arbeitnehmern, sowie auf die Umwelt – z. B. Umweltverschmutzungen oder Reduzierung der Artenvielfalt – ermitteln und unter bestimmten Voraussetzungen verhindern, abstellen oder vermindern müssen. Die vorstehenden Pflichten beziehen sich auf die Geschäftstätigkeit der betroffenen Unternehmen und ihrer Tochtergesellschaften sowie auch auf das Handeln von unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern.

Um ihre Sorgfaltspflicht erfüllen zu können, müssen Unternehmen

  • die Sorgfaltspflicht zum integralen Bestandteil ihrer Unternehmenspolitik machen (Art. 5 LkG-RL-E),
  • tatsächliche oder potenzielle negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt ermitteln (Art. 6 LkG-RL-E),
  • potenzielle Auswirkungen verhindern oder abschwächen (Art. 7 LkG-RL-E),
  • tatsächliche Auswirkungen abstellen oder sie auf ein Minimum reduzieren (Art. 8 LkG-RL-E),
  • ein Beschwerdeverfahren einrichten (Art. 9 LkG-RL-E),
  • die Wirksamkeit der Strategien und Maßnahmen zur Erfüllung der Sorgfaltspflicht kontrollieren (Art. 10 LkG-RL-E)

und

  • öffentlich über die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht kommunizieren (Art. 11 LkG-RL-E).

b) Unterschiede im Vergleich zum LkSG

Wenngleich der LkG-RL-E strukturell die gleiche Richtung wie das deutsche LkSG einschlägt, geht er in seinem Regelungsgehalt doch erheblich hierüber hinaus und erweist sich somit als deutlich schärfer.

Plastisch wird dies schon anhand der Bestimmungen zum Anwendungsbereich. Während das deutsche LkSG erst bei einer Überschreitung eines Schwellenwerts von 3.000 – bzw. ab dem 1. Januar 2024 1.000 – Arbeitnehmern Anwendung findet, erfasst der LkG-RL-E der Kommission ein EU-Unternehmen schon dann, wenn es über mindestens 500 Beschäftigte und einen Nettoumsatz von 150 Mio. EUR weltweit verfügt (Art. 2 Abs. 1 lit. a LkG-RL-E). Sofern ein EU-Unternehmen in bestimmten risikointensiven Sektoren, wie z. B. der Textilindustrie oder der Rohstoffförderung tätig ist, genügen sogar schon 250 Beschäftigte und ein weltweiter Nettoumsatz von mindestens 40 Mio. EUR (Art. 2 Abs. 1 lit. b LkG‑RL‑E). Weiterhin sollen auch Unternehmen aus Drittstaaten, die in der Europäischen Union tätig sind und innerhalb der Europäischen Union einen Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR erwirtschaften, in den Anwendungsbereich des EU-LkG‑E fallen (Art. 2 Abs. 2 lit. a LkG-RL-E). Dasselbe gilt für Unternehmen aus Drittstaaten, die in der Europäischen Union tätig sind und innerhalb der Europäischen Union einen Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. EUR, aber nicht mehr als 150 Mio. EUR erwirtschaften und zudem mindestens 50% ihres Nettoumsatzes in einem oder mehreren risikointensiven Sektoren erwirtschaften (Art. 2 Abs. 2 lit. b LkG-RL-E). Im Hinblick auf die Unternehmen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. b LkG‑RL‑E und Art. 2 Abs. 2 lit. b LkG‑RL‑E soll das europäische Lieferkettengesetz allerdings erst nachgelagert – mithin zwei Jahre später – Wirkung entfalten (Art. 30 Abs. 1 UAbs. 2 lit. b LkG‑RL‑E).

Ferner unterscheiden sich der LkG-RL-E und das LkSG auch hinsichtlich der Reichweite der jeweiligen Sorgfaltspflichten. Im Unterschied zum LkSG verpflichtet der LkG-RL-E die betroffenen Unternehmen nämlich dazu, grundsätzlich die gesamte Wertschöpfungskette zu überwachen. D. h. die Sorgfaltspflichten erfassen neben der eigenen Geschäftstätigkeit der Unternehmen und ihrer Tochtergesellschaften und dem Handeln von unmittelbaren Zulieferern auch das Handeln der mittelbaren Zulieferer (Art. 1 Abs. 1 lit. a LkG-RL-E i. V. m. Art. 3 lit. f LkG-RL-E). Diese Reichweitenerweiterung würde fraglos einen erheblichen Mehraufwand für die betroffenen Unternehmen mit sich bringen.

Ein weiterer, recht deutlicher Unterschied zum deutschen LkSG liegt darin, dass der EU-LkG‑E die Etablierung von zivilrechtlichen Haftungsregelungen bei Verstößen gegen die aufgezeigten Sorgfaltspflichten entlang der Lieferketten ausdrücklich vorschreibt (Art. 22 Abs. 1 LkG-RL-E) während die Schaffung zusätzlicher Haftungsregelungen im LkSG ausdrücklich nicht vorgesehen ist (vgl. Ziff. 6).

Überdies statuiert der LkG-RL-E – anders als das LkSG – auch Pflichten, die im Zusammenhang mit der Bekämpfung des menschengemachten Klimawandels stehen. So müssen Unternehmen im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a LkG-RL-E und Art. 2 Abs. 2 lit. a LkG-RL-E – konkret also die Unternehmen mit einem Nettoumsatz von mehr als 150 Mio. EUR – einen Plan verabschieden, der sicherstellt, dass die Unternehmensstrategie mit der generellen Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft und dem Ziel der Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 °C (Pariser Klimaabkommen) vereinbar ist (Art. 15 Abs. 1 LkG-RL-E). Sofern der Klimawandel das Hauptrisiko oder die Hauptauswirkung der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens darstellt, muss das Unternehmen auch Emissionsminderungsziele in diesen Plan integrieren (Art. 15 Abs. 2 LkG-RL-E). Außerdem ist bei der Festsetzung variabler Vergütungen für Vorstands- und Geschäftsführungsmitglieder die Erfüllung der in Art. 15 Abs. 1 – 2 LkG-RL-E genannten Pflichten gebührend zu berücksichtigen, sofern die variable Vergütung an den Beitrag zur Geschäftsstrategie, zu den langfristigen Interessen des Unternehmens und zur Nachhaltigkeit des Unternehmens anknüpft (Art. 15 Abs. 3 LkG-RL-E).

c) Weiterer Gang des Gesetzgebungsverfahrens

Die Europäische Kommission wird ihren Vorschlag nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Billigung vorlegen. Nach einer etwaigen Annahme und dem Inkrafttreten des EU-Lieferkettengesetzes hätten die Mitgliedsstaaten grundsätzlich zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen (Art. 30 Abs. 1 LkG-RL-E). Ob und vor allem mit welchen Modifikationen der Vorschlag der Kommission angenommen wird, bleibt abzuwarten. Schwer zu prognostizieren ist derzeit auch, zu welchem Zeitpunkt mit einer potentiellen Annahme des EU-Lieferkettengesetzes zu rechnen ist. Vor Ablauf des Jahres 2022 ist hiermit aber wohl jedenfalls nicht zu rechnen, sodass die nationale Umsetzungsfrist wohl frühstens zum 1. Januar 2025 ablaufen wird.

8. Ausblick

Während hinsichtlich des LkG-RL-E vorerst nur die gesetzgeberischen Entwicklungen im Auge zu behalten sind und insoweit noch die finale Gestalt der europäischen Regulierung abgewartet werden kann, sollten Unternehmen angesichts dessen grundsätzlichen Inkrafttretens zum 1. Januar 2023 zeitnah prüfen, ob sie unter den Anwendungsbereich des nationalen LkSG fallen. Dies gilt umso mehr, wenn man sich die aufgezeigten weitreichenden Anforderungen und die rechtlichen Konsequenzen von Sorgfaltspflichtverletzungen noch einmal vergegenwärtigt. Sofern der Anwendungsbereich des LkSG eröffnet ist, sollte daher, wenn noch nicht geschehen, sehr kurzfristig mit der Implementierung eines angemessenen Risikomanagementsystems (§ 4 LkSG), der Einführung eines Beschwerdeverfahrens (§ 8 LkSG) und der Durchführung von Risikoanalysen (§ 5 LkSG) begonnen werden. Schließlich sind diese Sorgfaltspflichten – im Unterschied zu den Präventions- und Abhilfepflichten (§§ 6 – 7 LkSG) – unabhängig von der jeweiligen unternehmensspezifischen Risikosituation zu erfüllen. Ratsam wäre es auch, bereits jetzt Strukturen zu schaffen, die eine ordnungsgemäße Erfüllung der Dokumentations- und Berichtspflichten (§ 10 LkSG) gewährleisten.

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Dr. Jens Nusser, LL.M.
Rechtsanwalt | Partner

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