von

Mandanten­information: Aktuelle Entwicklungen im Produktrecht

Artikel als PDF herunterladen


Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

eine Neuerung jagt im Produktrecht die nächste, fast könnte man den Überblick verlieren. Immer schwieriger wird es für Hersteller, Importeure und Händler die an sie gestellten regulatorischen Anforderungen im Blick zu behalten.

Gerade im Chemikalienrecht zeichnen sich weitreichende Veränderungen ab. Auf Unionsebene sind im Zusammenhang mit der Chemikalienstrategie der Europäischen Kommission u.a. umfangreiche Beschränkungen für sog. Per- und Polyfluorensubstanzen (PFAS) geplant. Aufgrund der vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten werden die bevorstehenden Reglementierungen voraussichtlich weite Teile der produzierenden Wirtschaft betreffen. Auch auf nationaler Ebene wurde das Chemikalienrecht dazu ausdrücklich in den Fokus der Politik genommen. Im aktuellen Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es u.a., dass die Koalition Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der deutschen Chemieindustrie weiter stärken will, die Risiken des Einsatzes gesundheitsgefährdender Stoffe aber weiter zu reduzieren sind und REACH entsprechend weiterentwickelt werden müsse. Dieser Zielsetzung wird niemand ernsthaft widersprechen wollen, gleichwohl führen bekanntlich viele Wege nach Rom. Ob dabei der goldene Mittelweg gefunden wird, bleibt abzuwarten.

Neben stoffrechtlichen Neuerungen wirft das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) seine langen Schatten voraus. Viele unserer Mandanten werden hier aktuell tätig, nehmen die neuen Herausforderungen an und beginnen die eigene Compliance-Organisation entsprechend zu ergänzen. Zeitnah werden wir daher mit einer weiteren Mandanteninformation speziell zum LkSG auf Sie zukommen.

Die wichtigsten aktuellen Neuerungen, die unsere Beratungspraxis betreffen, möchten wir Ihnen mit dieser Mandanteninformation vorstellen; wir selbst erheben dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Wir wünschen Ihnen wie immer viele neue und nützliche Erkenntnisse beim Lesen.

Ihr

Jens Nusser

I. Stoffrecht

1. Überarbeitung der REACH-Verordnung als Beitrag zur Schaffung einer schadstofffreien Um-welt

Die Europäische Kommission hat im Rahmen des sog. European Green Deal eine „Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit“ verabschiedet. Im Kern geht es bei dieser Strategie darum, innovative Lösungen für sichere und nachhaltige Chemikalien zu fördern und den Schutz von Mensch und Umwelt vor gefährlichen Chemikalien zu erhöhen.

Um diese Ziele zu erreichen, hat die Europäische Kommission bereits im Mai 2021 die Novellierung der REACH-Verordnung (VO [EG] Nr. 1907/2006), die auf europäischer Ebene die Registrierung, Zulassung, Beschränkung und Bewertung chemischer Stoffe regelt, angekündigt. Die Initiative zielt auf eine Überarbeitung der Vorschriften zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung von Chemikalien ab. Gegenstand der Reformbestrebungen ist aber auch die Vereinfachung der Kommunikation in den Lieferketten sowie die Überarbeitung der Kontroll- und Durchsetzungsbestimmungen.

Am 20. Januar 2022 hat die Europäische Kommission eine öffentliche Konsultation zu ihren Reformplänen gestartet. Die verschiedenen Interessenträger und Bürger können sich hieran bis zum 15. April 2022 beteiligen. Ein konkreten Gesetzesentwurf will die Europäische Kommission bis Ende 2022 vorlegen.

2. Vereinfachung und Digitalisierung der Kennzeichnungsvorschriften nach der CLP-Verordnung

Die Europäische Kommission betreibt vor dem Hintergrund der Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit seit Mai 2021 außerdem auch eine umfassende Revision der CLP-Verordnung (VO [EG] Nr. 1272/2008), die auf europäischer Ebene die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung chemischer Stoffe und Gemische regelt und in einem engen inhaltlichen Zusammenhang mit der REACH-Verordnung steht.

Bis zum 17. Februar 2022 lief eine Konsultation zu einem Reformvorhaben, das neben den Kennzeichnungsvorschriften der CLP-Verordnung, auch die entsprechenden Regelungen der Düngeprodukte-Verordnung (VO [EU] 2019/1009) und Detergenzien-Verordnung (VO [EG] Nr. 648/2004) zum Gegenstand hat. Konkret geht es bei dieser Initiative, die im Rahmen der geplanten CLP-Revision nur einen Teilausschnitt darstellt, um die Vereinfachung und Digitalisierung der Kennzeichnungen chemischer Produkte des täglichen Bedarfs, z. B. Klebstoffe, Wasch- und Geschirrspülmittel sowie Düngemittel.

In jüngster Zeit durchgeführte Evaluationen haben nach Auffassung der Europäischen Kommission gezeigt, dass die bisherigen Kennzeichnungsvorschriften zu einer Überladung der Produktetiketten führen. Dieser Umstand erschwere es vor allem Verbrauchern, den wesentlichen Gehalt der Kennzeichnungen zu erfassen und konterkariere somit das Ziel der einschlägigen Verordnungen, die Verbraucher zu informieren und sensibilisieren. Die in Rede stehende Initiative verfolgt daher das Ziel, die Vermittlung der wesentlichen Informationen über die Chemikalien zu optimieren. Zu diesem Zwecke sollen die Kennzeichnungsvorschriften für einige Kategorien von Chemikalien und chemischen Erzeugnissen vereinfacht und gestrafft werden. Überdies wird die Einführung einer digitalen Kennzeichnung – beispielsweise durch einen QR-Code – erwogen.

Die Europäische Kommission plant derzeit einen entsprechenden Verordnungsentwurf innerhalb des vierten Quartals 2022 zu verabschieden. Das korrespondierende Gesetzgebungsverfahren im Europäischen Parlament und Rat der Europäischen Union solle bis zum Ende des ersten Quartals 2023 seinen Abschluss finden.

3. ECHA aktualisiert Kandidatenliste: Meldepflichten nach REACh und für SCIP erweitert

Am 17. Januar 2022 hat die ECHA die von ihr geführte Kandidatenliste um 4 weitere Stoffe ergänzt. Diese enthält nun 223 Stoffe. Auf der Kandidatenliste befinden sich bestimmte SVHC (Kandidatenstoffe), die langfristig zur Aufnahme in das Verzeichnis zulassungspflichtiger Stoffe in Anhang XIV der Verordnung (EG) 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (sog. REACh-Verordnung) in Betracht kommen. Neu aufgenommen wurden:

  1. 6,6'-di-tert-butyl-2,2'-methylenedi-p-cresol (CAS Nummer 119-47-1): Verwendungszwecke etwa Kautschuk/Beläge („Rubbers“), Schmiermittel, Klebstoffe, Tinten, Kraftstoffe
  2. Tris(2-methoxyethoxy)vinylsilane (CAS Nummer 1067-53-4): Verwendungszwecke etwa Kautschuk/Beläge („Rubbers“), Kunststoff, Dichtstoffe;
  3. (±)-1,7,7-trimethyl-3-[(4-methylphenyl)methylene]bicyclo[2.2.1]heptan-2-one für jedes der einzelnen Isomere und/oder Kombinationen davon (4-MBC) (keine CAS Nummer vorhanden): Verwendungszweck etwa Kosmetik;
  4. S-(tricyclo(5.2.1.02,6)deca-3-en-8(or 9)-yl O-(isopropyl or isobutyl or 2-ethylhexyl) O-(isopropyl or isobutyl or 2-ethylhexyl) phosphorodithioate (CAS Nummer 255881-94-8): Verwendungszwecke etwa Schmierstoffe, Fette.

Weitere Informationen, welche die neuen Kandidatenstoffe und ihre üblichen Verwendungen betreffen, sind der über die Aktualisierung der Kandidatenliste veröffentlichten Mitteilung der ECHA vom 17. Januar 2022 zu entnehmen.

Die Aktualisierung der Kandidatenliste wirkt sich insbesondere auf die Pflicht der Lieferanten von Erzeugnissen nach Art. 33 Abs. 1 REACh-Verordnung sowie nach § 16 f) Abs. 1 Chemikaliengesetz (ChemG) (SCIP-Pflicht) aus. Für künftige Mitteilungen an Abnehmer und Meldungen in die SCIP-Datenbank sind die verpflichteten Wirtschaftsakteure dazu angehalten zu überprüfen, dass die neuen Kandidatenstoffe im Hinblick auf ihre Produkte berücksichtigt werden.

4. Vereinfachte Zulassung für Anhang XIV Stoffe nach Durchführungsverordnung 2021/876/EU

Gemäß Art 56 REACH-VO ist die Verwendung sowie das Inverkehrbringen von den in Anhang XIV der REACH-VO aufgenommen Stoffen ohne Zulassung grundsätzlich untersagt. Verfahren zur Zulassung von Anhang XIV Stoffen können von Herstellern, Importeuren und nachgeschalteten Anwendern des zulassungspflichtigen Stoffes eingeleitet werden. Zulassungsverfahren sind jedoch sehr komplex und zeitaufwendig. Außerdem ist wegen Art. 61 REACH-VO eine regelmäßige und aufwendige Überprüfung von erteilten Zulassungen erforderlich. Die Durchführungsverordnung 2021/876/EU sieht seit Juni 2021 vereinfachte Zulassungsverfahren und Zulassungsüberprüfungen für bestimmte Verwendungen von Anhang XIV Stoffen vor.

Dies betrifft zum einen Anhang XIV Stoffe, die zur Herstellung von Ersatzteilen für langlebige Alterzeugnisse verwendet werden müssen, sofern die Alterzeugnisse ohne dieses Ersatzteil nicht bestimmungsgemäß funktionieren können und das Ersatzteil ohne diesen Stoff nicht hergestellt werden kann. Zum anderen gelten vereinfachte Zulassungsverfahren für Anhang XIV Stoffe, sofern diese für die Durchführung von notwendigen Reparaturen an Alterzeugnissen erforderlich sind. Dabei ist zu beachten, dass die Durchführungsverordnung 2021/876/EU nur für eine Stoff-Verwendung bzgl. Alterzeugnissen gilt. Bei Alterzeugnissen i.S.d. Durchführungsverordnung 2021/876/EU handelt es sich um Erzeugnisse, deren Herstellung vor dem in Anhang XIV jeweils festgelegten Ablauftermin eingestellt worden ist oder eingestellt sein wird. Hierzu können beispielsweise besonders langlebige Erzeugnisse wie U-Bahnen, Züge, Baukräne und Produktionsanlagen gehören. Maßgeblich ist der Ablauftermin hinsichtlich des Stoffes, für den eine vereinfachte Zulassung begehrt wird. Zudem muss der Anhang XIV Stoff, für den eine vereinfachte Zulassung begehrt wird, ebenfalls bei der Herstellung des Alterzeugnisses verwendet worden sein.

Die Durchführungsverordnung 2021/876/EU senkt die Anforderungen für die Durchführungen von Analysen im Hinblick auf Alternativen zur Zulassung sowie die Anforderungen für die Durchführung sozioökonomischer Analysen nach Anhang XVI, vgl. Art. 62 Abs. 4 lit. c) REACH-VO und Art. 62 Abs. 5 lit. a) REACH-VO. Damit wird nicht nur die Beantragung einer Zulassung, sondern auch eine Zulassungsüberprüfung vereinfacht. Hierdurch soll die Langlebigkeit von Alterzeugnissen mittels einer Förderung der Verfügbarkeit von Ersatzteilen für Alterzeugnisse verlängert werden.

Relevant ist die Durchführungsverordnung 2021/876/EU vor allem in Bereichen, in denen langlebige und reparaturbedürftige Erzeugnisse produziert und in den Verkehr gebracht werden. Betroffene Wirtschaftsakteure (z. B. Hersteller und Importeure von Ersatzteilen für Alterzeugnisse) sollten daher prüfen, ob und inwiefern sie nach der Durchführungsverordnung 2021/876/EU von vereinfachten Zulassungsverfahren und Zulassungsüberprüfungen profitieren können.

5. „Dissemination-Platform“ der SCIP-Datenbank veröffentlicht

Bereits seit dem 5. Januar 2021 sind Lieferanten von Erzeugnissen bzw. komplexen Produkten, in denen auf der Kandidatenliste der ECHA geführte Kandidatenstoffe (SVHC) enthalten sind, auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 1 i) der Richtlinie 2008/98/EG (sog. Abfallrahmen-Richtlinie) bzw. den jeweiligen Umsetzungsrechtsakten der Mitgliedstaaten – in Deutschland § 16 f) Chemikaliengesetz (ChemG) – dazu verpflichtet, der ECHA bestimmte Informationen über diese Produkte mitzuteilen. Obwohl gesetzlich in den Mitgliedstaaten zum Teil nicht ausdrücklich festgeschrieben, sollen die erforderlichen Meldungen nach Ansicht der ECHA ausschließlich durch Verwendung der von ihr geschaffenen SCIP-Datenbank übermittelt werden.

Im September 2021 wurde nun die sog. Dissemination-Platform der SCIP-Datenbank von der ECHA veröffentlicht (auch als „SCIP-Ausgabetool“ bezeichnet). Die frei zugängliche Dissemination-Platform der SCIP-Datenbank ermöglicht eine Recherche in den von der ECHA gespeicherten Meldungen. Möglich sind Recherchen innerhalb der Datenbank unter Verwendung der folgenden Suchkriterien: Article Identity; Article Category; Material & Mixture Category; SVHC; Concern/Reason for Inclusion; SCIP-Number. Vor dem Hintergrund der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und der Rückverfolgbarkeit von Lieferketten ist das Ausgabetool in der Vergangenheit zum Teil scharf kritisiert worden. Dem ist die ECHA in ihrem Informationspapier „Dissemination and confidentiality in the SCIP Database“ entgegengetreten (Seite 5). Das Papier enthält außerdem weiterführende Informationen über die in der Dissemination-Platform zu dem gemeldeten Erzeugnis bzw. komplexen Produkt konkret veröffentlichten Informationen (Seite 6 f.).

Die veröffentlichten Informationen soll(t)en in erster Linie Abfallbehandlungsrichtungen für eine sachgerechte Abfallbehandlung zur Verfügung stehen und ausweislich des Richtlinientextes Verbrauchern eigentlich nur „auf Anfrage“ zugänglich gemacht werden (vgl. Art. 9 Abs. 2 Abfallrahmen-Richtlinie). De facto sind Recherchen in der SCIP-Datenbank über die frei zugängliche Dissemination-Platform aber nun durch jedermann, also etwa auch durch Verbraucher-NGOs und/oder Wettbewerber, möglich. Der Nutzen der gesammelten Informationen für die in erster Linie adressierte Entsorgungswirtschaft ist von Praktikern bereits mehrfach als äußerst gering beschrieben worden.

6. PFAS-Beschränkungen und das Konzept der „essentiellen Verwendung“

Bereits am 14. Oktober 2020 hat die Europäische Kommission ihre Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien verabschiedet. Bestandteil dieser Strategie sind u.a. auch umfangreiche Beschränkungen und Reglementierungen für sog. Per- und Polyfluorensubstanzen (PFAS). Aufgrund ihrer einzigartigen Eigenschaften (etwa wasser-, öl- und schmutzabweisend) finden PFAS vielseitig und in nahezu der gesamten produzierenden Industrie Verwendung (z.B. in Feuerlöschschäumen, Textilien, Lebensmittelkontaktmaterialien, Oberflächen, Beschichtungen, Farben etc.). Die Kommission begründet ihren Maßnahmenkatalog demgegenüber mit einer hohen Zahl von Kontaminationen des Bodens und des Wassers (einschließlich des Trinkwassers) in der EU und weltweit, der Anzahl der Menschen, die von verschiedenartigsten Krankheiten betroffen sind, sowie der damit verbundenen Kosten für die Gesellschaft und die Wirtschaft.

Zu den geplanten Maßnahmen der Kommission zählt in diesem Zusammenhang das Verbot aller PFAS als Gruppe in Feuerlöschschäumen sowie für andere Verwendungen, wobei eine Verwendung nur dann gestattet werden soll, wenn sie für die Gesellschaft unverzichtbar ist (sog. „essentielle Verwendungen“, engl. „essential use“). Weiterhin sollen PFAS fortan als Gruppe im Rahmen der einschlägigen Rechtsvorschriften für Wasser, nachhaltige Produkte, Lebensmittel, Industrieemissionen und Abfälle behandelt werden. Im Juli 2021 haben die zuständigen Behörden von Deutschland, Niederlande, Norwegen, Schweden und Dänemark in diesem Zusammenhang dann ihre Absicht erklärt, bis Juli 2022 einen umfänglichen PFAS-Beschränkungsvorschlag in Form eines Beschränkungsdossiers zu erarbeiteten und bei der ECHA einzureichen (vgl. Meldung der BAuA vom 19. Juli 2021, die Absichtserklärung ist auf der Website der ECHA abrufbar).

Etwa vom Bundesverband der Deutschen Industrie aber auch von anderen Interessenverbänden ist der pauschale Beschränkungsansatz in der Vergangenheit hingegen bereits scharf kritisiert worden (vgl. u.a. Positionspapier des BDI „EU-Chemikalienrecht: Beschränkung von PFAS“). Angeführt wird insbesondere, dass eine pauschale Beschränkung nicht angemessen sei und Beschränkungen sich nur dann rechtfertigen ließen, wenn die Risiken für Mensch und Umwelt nicht mehr beherrschbar seien. Ob und inwieweit diese Kritik bei der Erarbeitung des Beschränkungsdossiers Berücksichtigung findet, bleibt abzuwarten.

7. Neue UK-REACH-VO seit 1. Januar 2021 in Kraft

Nachdem Ablauf des Übergangszeitraumes hat die europäische REACH-VO abgesehen von Nordirland keine Rechtswirkung für das UK mehr. Für den Produktvertrieb in dem UK gilt bereits seit dem 1. Januar 2021 eine „UK-REACH-VO“, deren Inhalt im Wesentlichen der europäischen REACH-VO entspricht. Auch im UK gelten für den Vertrieb von Stoffen, Gemischen und Stoffen in Erzeugnissen Registrierungs-, Melde- und Informationspflichten sowie Zulassungsbeschränkungen. Außerdem wurden die bis zum 1. Januar 2021 in Anhang XIV der europäischen REACH-VO aufgenommen Stoffe sowie die am 1. Januar 2021 gültige SVHC Kandidatenliste von dem UK übernommen.

Erhebliche Auswirkungen hat vor allem die Tatsache, dass es sich bei dem UK um einen Drittstaat handelt, der nicht Teil der „Gemeinschaft“ i.S.d. europäischen REACH-VO ist. Alleinvertreter i.S.v. Art. 8 REACH-VO mit Sitz im UK können daher die Registrierungs- und Meldepflichten nach der europäischen REACH-VO nicht mehr erfüllen, weil der Alleinvertreter seinen Sitz innerhalb der „Gemeinschaft“ haben muss. Zur „Gemeinschaft“ i.S.d. europäischen REACH-VO gehören lediglich die 27 Mitgliedsstaaten des EWR. Insofern müssen die Aufgaben eines Alleinvertreters mit Sitz im UK zwingend an einen Alleinvertreter mit Sitz innerhalb der „Gemeinschaft“ übertragen werden, sofern dies nicht bereits geschehen ist.

Zu beachten ist darüber hinaus, dass die Lieferung von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen von dem UK an einen Wirtschaftsakteur mit Sitz innerhalb des EWR eine „Einfuhr“ i.S.d. europäischen REACH-VO darstellt. Daraus folgt, dass der Importeur, welcher seinen Sitz innerhalb der „Gemeinschaft“ hat, ggf. Registrierungs- und Meldepflichten nach den Vorgaben der europäischen REACH-VO erfüllen muss. Vor einer Einfuhr von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen aus dem UK sollten Importeure deshalb darauf achten, dass etwaige Registrierungs- und Meldepflichten nach der europäischen REACH-VO bereits erfüllt worden sind. Zur Erfüllung der Registrierungs- und Meldepflichten kann der UK-Hersteller nach den Vorgaben der europäischen REACH-VO einen Alleinvertreter mit Sitz innerhalb der „Gemeinschaft“ benennen. Dies gilt auch umgekehrt für einen Produktvertrieb aus dem EWR an einen Wirtschaftsakteur mit Sitz innerhalb des UK. Der UK-Wirtschaftsakteur ist nach Maßgabe der UK-REACH-VO als Importeur einzustufen und daher ggf. registrierungs- und meldepflichtig. Insoweit können aber auch EWR-Hersteller von Stoffen, Gemischen und Erzeugnissen zur Vereinfachung der Einfuhr von Produkten in das UK einen Alleinvertreter mit Sitz in dem UK bestellen.

Weitere Informationen zur UK-REACH-VO finden Sie unter folgenden Links: Briefing Paper, HSE-Hinweise.

8. Neue Melde- und Kennzeichnungspflicht für Biozid-Produkte in Kraft getreten

Bereits im vergangenen Jahr hat das Bundeskabinett die Verordnung über die Meldung und die Abgabe von Biozid-Produkten sowie zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (sog. Biozidrechts-Durchführungsverordnung, im Folgenden: ChemBiozidDV) verabschiedet. Die Regelungen der Biozid-Meldeverordnung sowie der Biozid-Zulassungsverordnung wurden in diesem einheitlichen Regelwerk zusammengeführt und angepasst bzw. gestrichen. Vom Anwendungsbereich der ChemBiozidDV sind grundsätzlich alle Biozid-Produkte im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (sog. Biozid-Produkte-Verordnung) erfasst.

Auf der Grundlage der ChemBiozidDV gilt derzeit etwa bereits die Pflicht für Hersteller und Einführer, der Bundesstelle für Chemikalien jährlich u.a. die Menge der im vorangegangenen Kalenderjahr in Deutschland bereit gestellten Biozid-Produkte mitzuteilen (vgl. § 16 Abs. 1 Nr. 1 ChemBiozidDV) und ermöglicht damit erstmals eine systematische Datensammlung zum Markt für Biozid-Produkte in Deutschland. Inhaltlich ist die Vorschrift an eine entsprechende Regelung für Pflanzenschutzmittel im Pflanzenschutzrecht angelehnt.

Seit dem 1. Januar 2022 sind ergänzend außerdem neue Melde- und Kennzeichnungspflichten für bestimmte Biozid-Produkte zu beachten (vgl. § 18 Abs. 1 ChemBiozidDV). Für diese Produkte ist sowohl die Bereitstellung auf dem Markt als auch der Online-Vertrieb nunmehr an besondere Voraussetzungen geknüpft. Biozid-Produkte, die der Übergangsvorschrift nach § 28 Abs. 8 Satz 1 des Chemikaliengesetzes (ChemG) unterliegen dürfen in Deutschland nur dann auf dem Markt bereit gestellt werden, wenn auf dem Produkt eine von der Bundesstelle für Chemikalien erteilte Registriernummer aufgebracht wurde (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 ChemBiozidDV). Die Erteilung ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn für das Produkt bereits eine Registriernummer gemäß der abgelösten Biozid-Meldeverordnung existiert (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 ChemBiozidDV). Auch diese Nummer muss hingegen auf dem Produkt angebracht werden.

Ein ganz besonderer Fokus wurde vom Verordnungsgeber außerdem auf den Online- und Versandhandel mit Biozid-Produkten gelegt. Die verantwortlichen Wirtschaftsakteure müssen nunmehr darauf achten, dass die Registriernummer bereits unmittelbar im öffentlich einsehbaren Produktangebot enthalten ist (vgl. § 3 Abs. 2 ChemBiozidDV). Ausweislich der Verordnungsbegründung bezweckt die Vorschrift insbesondere die Erleichterung der Überwachung durch die zuständigen Marktüberwachungsbehörden. Der Begriff des „Anbietens“ soll im Übrigen weit zu verstehen sein. Erfasst werden sollen alle Fälle, in denen Biozid-Produkte zum Versand mit der Möglichkeit der Bestellung dargeboten werden. Die Vorschrift soll sich auf sämtliche Angebote beziehen, die sich an Kunden richten, die in Deutschland ansässig sind und kann insofern auch Angebote im Ausland betreffen (vgl. dazu insgesamt Verordnungsbegründung, Seite 24).

Weitere Verschärfungen, welche die Vertriebs- und Absatzmodalitäten für bestimmte Biozid-Produkte in Form eines „Verbots der Selbstbedienung“ betreffen, gelten hingegen erst ab dem 1. Januar 2025 (vgl. § 18 Abs. 3 ChemBiozidDV). Die Abgabe bestimmter Biozid-Produkte ist künftig nur nach Durchführung einer Kontrolle des Erwerbers sowie einem besonderen Abgabegespräch möglich. Die Vorschriften orientieren sich an einem bereits geltenden Selbstbedienungsverbot für Pflanzenschutzmittel. In den Fokus des Verordnungsgebers ist in diesem Zusammenhang insbesondere auch der Online- bzw. Versandhandel mit Biozid-Produkten geraten.

Hinweis: Zur neuen Melde- und Kennzeichnungspflicht sowie zu den weiteren Pflichten nach der ChemBiozidDV siehe insbesondere auch den Aufsatz von Friedrich Markmann, „Neue Meldepflicht für Biozid-Produkte in Kraft getreten – Gegenwärtige und künftige Pflichten nach der Biozidrechts-Durchführungsverordnung im Überblick“, in REACH plus, Ausgabe 1/2022.

II. Produktumweltrecht

1. Überarbeitung der RoHS-Richtlinie

Die Europäische Kommission evaluiert gegenwärtig die Effektivität, Effizienz Relevanz und Kohärenz der RoHS-Richtlinie (RL 2011/65/EU). In diesem Zusammenhang strebt die Europäische Kommission im 4. Quartal 2022 die Veröffentlichung eines legislativen Vorschlags zur Überarbeitung der RoHS-Richtlinie an. Beabsichtigt ist u.a. eine Reform des Verfahrens zur Gewährung von Ausnahmen zu den RoHS-Stoffbeschränkungen, eine Überarbeitung der Vorschriften über Ersatzteile, eine Präzisierung des Anwendungsbereichs der RoHS-Richtlinie sowie eine Reform der Marktüberwachungsvorschriften. Für Wirtschaftsakteure, die EEE Herstellen oder an dem Vertrieb von EEE beteiligt sind, ist eine Beobachtung der weiteren Entwicklung in Bezug auf die legislative Überarbeitung der RoHS-Richtlinie sinnvoll. Betroffene Wirtschaftsakteure können außerdem bis zum 14. März 2022 Stellungnahmen zur beabsichtigen Reform der RoHS-Richtlinie abgegeben. Die Abgabe von Stellungnahmen ist über den folgenden Link möglich.

2. Vorschlag für neue Ausnahmen nach RoHS (Pack 22)

Für Elektro- und Elektronikgeräte (im Folgenden: „EEE“) sieht die RoHS-Richtlinie 2011/65/EU (im Folgenden: „RoHS-RL“) Stoffbeschränkungen für verschiedenen Schwermetalle und Weichmacher vor. So ist beispielweise der erlaubte Bleigehalt in den jeweiligen homogenen Werkstoffen von EEE durch Art. 4 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang II RoHS-RL auf 0,1 Masseprozent begrenzt. Von den Beschränkungen nach Anhang II sieht Art. 5 in Verbindung mit Anhang III und IV die Möglichkeit vor, Ausnahmen von diesen Beschränkungen mittels delegiertem Rechtsakt der Kommission zu erlauben. Diese sind zeitlich befristet. Für Blei sind entsprechende Ausnahmen bislang in Anhang III u.a. in Ziffer 6(a), 6(a)-I, 6(b), 6(b)-I, 6(b)-II, 6(c), 7(a), 7(c)-I und 7(c)-II geregelt. Die Ausnahmetatbestände wurden als „Pack 22“ jüngst evaluiert. Die im Auftrag der Europäischen Kommission erstellte Bewertungsstudie wurde am 18.10.2020 begonnen und am 20. Dezember 2021 beendet und vor wenigen Tagen vom Öko-Institut veröffentlicht. Es ist davon auszugehen, dass die Kommission die in der Studie enthaltenen Vorschläge, welche die bisherigen Ausnahmen strengen ausgestalten, weitestgehend übernehmen wird. Die Hersteller von EEE sollten sich bereits heute mit den vorgeschlagenen neuen Ausnahmetatbeständen für Bleit vertraut machen.

3. Neues ElektroG zum 1. Januar 2022 in Kraft getreten

Durch das novellierte ElektroG sind neue Pflichten eingeführt sowie bestehende Rechtspflichten verschärft worden. Betroffen sind vor allem Hersteller, Importeure und Händler von Elektro- und Elektronikgeräten (EEE). Außerdem sind elektronische Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister in den gesetzgeberischen Fokus geraten.

Hersteller von b2b-Geräten müssen der Stiftung ear ein Rücknahmekonzept vorlegen, § 7a ElektroG. Im Rücknahmekonzept müssen diese Hersteller insbesondere beschreiben, wie sie ihre Rücknahmepflichten gemäß § 19 ElektroG erfüllen. Für bereits vor dem 1. Januar 2022 registrierte Hersteller gilt diesbezüglich eine Übergangsfrist bis zum 30. Juni 2022, § 46 Abs. 1 ElektroG. Zudem müssen nunmehr auch b2b-Geräte mit dem Symbol der durchgestrichenen Abfalltonne gekennzeichnet werden. Hinsichtlich dieser Kennzeichnungspflicht gilt eine Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2023, § 46 Abs. 4 ElektroG. Relevant ist für Hersteller von b2b-Geräten zudem die Verschärfung ihrer Rücknahmeverantwortung. So besteht keine Möglichkeit mehr, die Entsorgungsverantwortung bezüglich b2b-Altgeräte durch vertragliche Vereinbarungen an den Endnutzer zu übertragen. Daraus folgt, dass Hersteller von b2b-Geräten zumutbare Rückgabemöglichkeiten für Endnutzer bereithalten müssen. Im Detail sind viele Fragen zum Inhalt der Rücknahmepflichten im b2b-Sektor noch unzureichend geregelt worden und deshalb ungeklärt. 

Auch die für den b2c-Sektor relevanten Informations- und Rücknahmepflichten sind novelliert worden. So müssen Lebensmittelhändler i.S.v. § 17 Abs. 1 S. 1 ElektroG spätestens ab dem 30. Juni 2022 kostenlose Rückgabemöglichkeiten für Altgeräte einrichten. Außerdem müssen rücknahmepflichtige Händler in Fällen der Auslieferung eines EEE den Verbraucher bei Kaufvertragsabschluss befragen, ob bei Lieferung des Neugeräts ein funktionsgleiches Elektroaltgerät kostenlos abgeholt werden soll, § 17 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 ElektroG. Zugleich müssen die Händler auch über die von ihnen geschaffenen „1:1-Rückgabemöglichkeiten“ informieren, § 17 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 ElektroG. Entsprechende Pflichten gelten ebenfalls für rücknahmepflichtige Fernabsatzhändler. Jedoch beschränkt sich die Pflicht zur kostenlosen Abholung von Altgeräten im Fernabsatzvertrieb auf Altgeräte der Kategorien 1, 2 und 4.  Außerdem ist hervorzuheben, dass die allgemeinen Informationspflichten im b2c-Sektor ebenfalls novelliert sowie konkretisiert worden sind, § 18 ElektroG.

Abschließend ist zu erwähnen, dass Betreiber elektronischer Marktplätze und Fulfillment-Dienstleister spätestens ab dem 1. Januar 2023 sicherstellen sollten, dass ihre Kunden (Hersteller) ordnungsgemäß registriert sind. Andernfalls besteht für sie ein Tätigkeitsverbot nach § 6 Abs. 2 ElektroG.

Hinweis: In dem kürzlich veröffentlichten Aufsatz unserer Rechtsanwälte Dr. Markmann und Ungerer („Praxisprobleme des neuen ElektroG aus Sicht von Herstellern und Händlern“, AbfallR 1/2022) finden Sie weitergehende Ausführungen über die Anforderungen für eine rechtskonforme Umsetzung der neuen Informations- und Rücknahmepflichten.

4. Geplante Ausweitung der Ökodesign-Richtlinie

Nachdem im vergangenen Jahr eine Vielzahl von neuen Durchführungsverordnungen zur Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) Geltungskraft erlangt haben, die überwiegend die Förderung der Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit verschiedener energieverbrauchsrelevanter Produkte – beispielsweise von Kühlschränken, Waschmaschinen und Fernsehern – zum Gegenstand hatten, plant die Europäische Kommission nun, die Ökodesign-Richtlinie selbst zu überarbeiten.

Im Rahmen ihrer „Initiative für nachhaltige Produkte“, die einen Baustein des sog. European Green Deal bildet, will die Europäische Kommission insbesondere den Anwendungsbereich der Ökodesign-Richtlinie ausdehnen. Künftig soll die Richtlinie nicht mehr nur energieverbrauchsrelevante Produkte erfassen, sondern sich auch auf Produktgruppen, wie z. B. Textilien, Stahl und Möbel erstrecken. Neben dieser Ausweitung des Anwendungsbereichs zielt die Initiative der Europäischen Kommission darauf ab, übergreifende Produktanforderungen festzulegen, die sämtliche Aspekte der Nachhaltigkeit in den Blick nehmen. Im Zentrum stehen insoweit die Förderung längerer Produktlebensdauern sowie die Idee eines zirkulären Produktdesigns. Die Initiative adressiert aber auch Fragen des Recyclings. In diesem Zusammenhang erwägt die Europäische Kommission beispielsweise die Etablierung genauerer Regelungen zum Recyclatgehalt von Produkten. Im Übrigen sieht die „Initiative für nachhaltige Produkte“ auch die Einführung eines digitalen Produktpasses vor, der dem Abruf der verpflichtenden Nachhaltigkeitskennzeichnung und/oder dem Abruf von Informationen zur Wertschöpfungskette dienen soll. Hinsichtlich der genauen Ausgestaltung der vorstehenden Regelungsziele bleibt der Gesetzgebungsvorschlagvorschlag abzuwarten. Die Europäische Kommission hat für das erste Quartal 2022 die Verabschiedung eines entsprechenden Entwurfs angekündigt.

In Kürze ist außerdem auch mit Erlass einer weiteren Durchführungsverordnung zur Ökodesign-Richtlinie zu rechnen. Konkret geht es um eine neue Durchführungsverordnung betreffend den Stromverbrauch von Elektrogeräten während des Stand-by-Modus und im Aus-Zustand, die die bisherige Regelung hierzu (VO [EG] Nr. 1275/2008) ablösen soll. Im bereits vorliegenden Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission findet sich die grundsätzliche Vorgabe, dass Elektrogeräte im Stand-by-Modus sowie im Aus-Zustand einen Stromverbrauch von mehr als 0,5 Watt nicht überschreiten dürfen. Aktuell liegt diese Vorgabe noch bei 1,0 Watt. Da die Frist für Rückmeldungen zum Verordnungsentwurf am 4. Februar 2022 abgelaufen ist und die Annahme des Entwurfs durch die Europäische Kommission eigentlich schon für das vierte Quartal 2021 angekündigt war, kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Annahme durch die Europäische Kommission unmittelbar bevorsteht.

Weiterhin erarbeitet die Europäische Kommission aktuell auch einen Entwurf einer Durchführungsverordnung zur Ökodesign-Richtline im Zusammenhang mit Smartphones und Tablets. Die Energieeffizienz, die nachhaltige Produktgestaltung und die Reparierbarkeit stehen auch im Mittelpunkt dieser Gesetzesinitiative. Seitens der Europäischen Kommission ist hier eine Annahme der Verordnung bis Ende 2022 avisiert.

5. Registrierungspflicht für Hersteller nicht-systembeteiligungspflichtiger Verpackungen kommt

Die in § 9 Verpackungsgesetz (VerpackG) enthaltene Registrierungspflicht für Hersteller sog. systembeteiligungspflichtiger bzw. lizenzierungspflichtiger Verpackungen (d.h. solche mit Ware befüllten Verkaufs- und Umverpackungen, die nach Gebrauch typischerweise beim Verbraucher als Abfall anfallen) ist im Rahmen der Novellierung des VerpackG umfänglich erweitert worden. Ab dem 1. Juli 2022 sind die Hersteller dazu verpflichtet, auch solche mit Ware befüllten Verpackungen, die von einer Systembeteiligungspflicht nicht betroffen sind, bei der Zentralen Stelle Verpackungsregister (ZSVR) zu registrieren. Ausweislich der Gesetzesbegründung soll der ZSVR dadurch ermöglicht werden, „einen umfassenderen Datenabgleich durchzuführen, um einer Unterbeteiligung entgegenzuwirken“. Generell ausgenommen von der Pflicht sind nach der Gesetzesbegründung lediglich die Hersteller von unbefüllten Verpackungen (vgl. dazu insgesamt Gesetzesbegründung, Seite 65).

Bei der Registrierung hat der Hersteller die von ihm in Verkehr gebrachten Verpackungsarten künftig gesondert anzugeben. Gemäß des dazu neu eingefügten § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 VerpackG n.F. sind hierfür erforderlich:

„Angaben zu den Verpackungen, die der Hersteller in Verkehr bringt, aufgeschlüsselt nach systembeteiligungspflichtigen Verpackungen gemäß § 3 Absatz 8, den jeweiligen Verpackungen gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 5 und Einweggetränkeverpackungen, die gemäß § 31 der Pfandpflicht unterliegen“.

Im Rahmen der Registrierung ist zwischen den Verpackungsarten daher künftig wie folgt zu differenzieren:

  • Systembeteiligungspflichtige Verpackungen;
  • Transportverpackungen;
  • Verkaufs- und Umverpackungen, die nach Gebrauch typischerweise nicht bei privaten Endverbrauchern als Abfall anfallen;
  • Verkaufs- und Umverpackungen, für die wegen Systemunverträglichkeit eine Systembeteiligungspflicht nicht möglich ist;
  • Verkaufsverpackungen schadstoffhaltiger Füllgüter;
  • Mehrwegverpackungen;
  • Einweggetränke-Verpackungen.

Die Registrierung muss nur die Angabe der verschiedenen Verpackungsarten, die von dem jeweiligen Hersteller in Verkehr gebracht werden, enthalten, nicht hingegen Angaben zur Masse oder Materialzusammensetzung (vgl. Gesetzesbegründung, Seite 66 f.). Hersteller von systembeteiligungspflichten und nicht systembeteiligungspflichtigen müssen sich ausweislich der Gesetzesbegründung „zusätzlich – einmalig – [auch] in Bezug auf von ihnen in Verkehr gebrachten nicht systembeteiligungspflichtigen Verpackungen registrieren“ (Seite 65).  Ein Verstoß gegen die – erweiterte – Registrierungspflicht stellt unverändert eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 100.000 Euro geahndet werden (§ 36 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 VerpackG).

6. Verwendungshinweise zum französischen „Triman-Logo“ veröffentlicht

Vertreiber von Produkten und Verpackungen in Frankreich sehen sich nicht selten mit Fragen zum Erfordernis des sog. „Triman-Logos“ konfrontiert. Das auf dem französischen Kreislaufwirtschaftsgesetz basierende „Triman-Logo“ stellt eine französische Besonderheit dar und verkörpert im Prinzip den gleichen Inhalt wie das Symbol der durchgestrichenen Mülltonne nach der WEEE- sowie der Batterie-Richtlinie: Produkt und/oder Verpackung unterliegen der erweiterten Herstellerverantwortung und sollen der getrennten Sammlung zugeführt werden. Praktische Unsicherheiten bestehen und bestanden in diesem Zusammenhang vor allem immer wieder darüber, ob aus diesem Erfordernis eine sog. „doppelte Kennzeichnungspflicht“ für Elektro- und Elektronikgeräte (EEE) in Frankreich in Form einer Kennzeichnung mit der durchkreuzten Abfalltonne und dem Triman-Logo angenommen werden muss. Praktische Erläuterungen und Hinweise können dazu nun einem seit Januar 2022 auch auf englischer Sprache verfügbaren „Implementation Guide: Consumer information on sorting rules“ entnommen werden, auf den u.a. auch die Deutsch-Französische Industrie- und Handelskammer in diesem Zusammenhang verweist. Der von mehreren französischen Umweltverbänden verfasste Guide enthält wertvolle Informationen, welche erforderliche Entsorgungskennzeichnungen und Entsorgungsinformationen in Frankreich für EEE, Batterien, Photovoltaik-Paneele, Lampen und Feuerlöscher betreffen.

III. Produktsicherheitsrecht

1. Bereitstellungsbeschränkungen- und Beschränkungen im Produktsicherheitsrecht

Das ProdSG sieht seit seiner Mitte Juli 2021 in Kraft getretenen Änderung in § 8 ProdSG eine neue Verordnungsermächtigung der Bundesregierung vor. Diese ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates Rechtsverordnungen zur Beschränkung oder zum Verbot der Bereitstellung von Produkten zu erlassen (siehe bereits Mandanteninformation Produktrecht 2021). Hintergrund dieser Neuregelung ist die bisherige Regelungslücke, die dadurch entsteht, dass ein Produkt zwar (aufgrund polizeirechtlicher Verordnungen) nicht verwendet werden darf, der Vertrieb dieser Produkte aber gleichwohl erlaubt ist. Prominentes Beispiel einer solchen Regelungssituation sind die sog. Himmelslaternen, die in der Silvesternacht 2020/21 den Brand im Krefelder Zoo ausgelöst hatten.

Als Schutzgüter, zu deren Gunsten die Bundesregierung Beschränkungen und Verbote erlassen kann, listet § 8 Abs. 2 ProdSG nunmehr die folgenden auf: Sicherheit und Gesundheit von Personen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Atmosphäre sowie bedeutende Sachwerte. Erforderlich ist zudem, dass mit der Rechtsverordnung einem hohen Risiko begegnet werden soll. Der Begriff des Risikos ist in § 2 Nr. 22 ProdSG definiert. Danach ist ein Risiko die Kombination aus Eintrittswahrscheinlichkeit einer Gefahr, die einen Schaden verursacht und der Schwere des möglichen Schadens. Zwar wird in den sog. RAPEX-Leitlinien auf den Begriff des hohen Risikos Bezug genommen, welcher ebenfalls auf das Verhältnis zwischen der Schwere des möglichen Schadens und der Eintrittswahrscheinlichkeit abstellt. Ob die Bundesregierung bei der Prüfung der Voraussetzungen auf diese Methodik zurückgreift, bleibt jedoch abzuwarten. Hintergrund der RAPEX-Leitlinien ist, das Risiko eines konkreten Produktes zu bewerten. Zur Vorbereitung einer Rechtsverordnung auf Grundlage von § 8 Abs. 2 ProdSG muss das Risiko eines Produktes jedoch auf einer abstrakten Ebene bewertet werden.

Hinweis: Die allgemeine Marktüberwachung für die vom Anwendungsbereich des ProdSG erfassten Produkte ist im Übrigen in weiten Teilen nunmehr dem Marktüberwachungsgesetz (MüG) zu entnehmen, dass hierfür wiederum Vorschriften der Marktüberwachungs-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/1020) in Bezug nimmt. Mit Ausfertigung der europäischen Produktsicherheits-Verordnung dürften wiederum die darin enthaltenen Regelungen – die allerdings ebenfalls die Vorschriften der Marktüberwachungs-Verordnung in Bezug nehmen – vorrangig zu beachten sein. Informationen zur kommenden EU-Produktsicherheits-Verordnung sind auch unserer Mandanteninformationen (Januar 2022) entnehmen.

2. Entwurf einer EU-Maschinenverordnung

Die Europäische Kommission strebt eine umfassende Novellierung der regulatorischen Rahmenbedingungen für die Herstellung und den Vertrieb von Maschinen an. So soll die Maschinenrichtlinie vollständig durch eine neu EU-Maschinenverordnung (M-VO) ersetzt werden. Als EU-Verordnung hätte die M-VO in sämtlichen Mitgliedsstaaten der EU eine unmittelbare Gültigkeit. Mit einer Verabschiedung der M-VO ist voraussichtlich noch im Jahre 2022 zu rechnen. Die Europäische Kommission verfolgt wegen der neuen technologischen Entwicklungen der letzten Jahre eine Anpassung der maschinenrechtlichen Anforderungen. Dies ist erforderlich, weil die Maschinenrichtlinie (RL 2006/42/EG) bereits seit nahezu 16 Jahren nicht novelliert worden ist und daher als veraltet anzusehen ist.

Vor diesem Hintergrund sollen im Anhang III der M-VO neue wesentliche Sicherheitsanforderungen für Maschinen eingeführt werden. Hierzu gehören insbesondere Sicherheitsanforderungen hinsichtlich der fortschreitenden Automatisierung von Maschinenarbeitsprozessen (Robotik), dem Einsatz von künstlicher Intelligenz in Maschinen (KI) sowie dem Einsatz von Software, vgl. z. B. Anhang III Ziff. 1 lit. (c) M-VO, Anhang III Ziff. 1.1.9 M-VO und Anhang III Ziff. 1.2.1 M-VO. In Bezug auf den Einsatz von KI in Maschinen ist hervorzuheben, dass der KI-Einsatz zu einer Einstufung der Maschine als Hochrisikomaschine“ führen soll, sofern das KI-System Sicherheitsfunktionen wahrnimmt, Art. 5 Abs. 1 M-VO i.V.m. Anhang I Ziff. 25 M-VO. Dies determiniert wiederum die Auswahl und Durchführung des Konformitätsbewertungsverfahrens, vgl. Art. 21 Nr. 2 M-VO. Denn nach Art. 21 Nr. 2 M-VO ist für „Hochrisikomaschinen“ die Durchführung einer EU-Baumusterprüfung mit anschließender internen Fertigungskontrolle oder als Alternative die Umsetzung einer umfassenden Qualitätssicherung vorgesehen.  An dieser Stelle möchten wir Sie außerdem darauf aufmerksam machen, dass die Europäische Kommission zur Festlegung regulatorischer Rahmenbedingungen für KI erstmalig einen KI-Verordnungsentwurf veröffentlicht hat (COM/2021 206 final). Dabei ist davon auszugehen, dass die KI-Verordnung regulatorische Anforderungen aufstellen wird, die auch für eine rechtskonforme Maschinenkonzeption und Herstellung relevant sein können, sofern KI in Maschinen eingesetzt werden soll.

Bedeutsam ist zudem die vorgesehene Einstufung von Software als Maschinensicherheitskomponente nach Art. 3 Abs. 3 M-VO.  Daraus folgt, dass Maschinensoftware, die gesondert in den Verkehr gebracht wird, unter bestimmten Voraussetzungen als „Maschinenprodukt“ einzustufen ist und daher den sicherheitsrechtlichen Anforderungen der M-VO unterliegt.

Sehr praxisrelevant ist schließlich die beabsichtigte Einführung von spezifischen Regelungen zur Bereitstellung von Bedienungsanleitungen „in digitaler Form“. Dabei soll jedoch auf Wunsch des Käufers nach wie vor eine Pflicht zur kostenlosen Lieferung einer Bedienungsanleitung in „Papierform“ bestehen, vgl. Anhang III Ziff. 1.7.4 M-VO.

Nach alledem wird deutlich, dass im Entwurf der M-VO weitreichende und praxisrelevante Änderungen vorgesehen sind, die insbesondere Maschinenhersteller betreffen. Den Entwurf zur M-VO können Sie hier abrufen.  

3. Radio Equipment Directive (RED) - Common Charger

Nachdem bereits im Januar 2020 das Europäische Parlament gefordert hatte, schnellstmöglich einen Standard für ein einheitliches Ladegerät für Mobiltelefone einzuführen, hat die Europäische Kommission im September 2021 vorgeschlagen, die Richtlinie 2014/53/EU über die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung von Funkanlagen auf dem Markt zu ändern.

Mit dem Vorschlag will die Kommission eine Fragmentierung des Marktes in Bezug auf Ladeschnittstellen und Ladeprotokolle verhindern, die Verbraucherfreundlichkeit verbessern und Elektronikabfälle verringern. Konkret schlägt sie daher vor:

  • Ladeschnittstellen von kabelgebunden aufladbaren elektronischen Geräten wie Tablets, Digitalkameras, Kopfhörern und Headsets, tragbare Videospielkonsolen und tragbaren Lautsprechern sollen harmonisiert werden, sodass sie über einen einheitlichen – vom Hersteller unabhängigen - Ladeanschluss aufgeladen werden können.
  • Dabei soll der USB-C-Standard als einheitlicher Ladeanschluss zum Einsatz kommen. Das entsprechende Ladeprotokoll soll sich je nach Spannung, Stromstärke oder Leistung des Ladegerätes unterscheiden.
  • Die Schnellladefunktionen der aufgezählten Geräte soll vereinheitlich werden, um herstellerunabhängig gleichförmige Ladegeschwindigkeiten sicherzustellen.
  • Endnutzer sollen beim Kauf eines neuen Mobiltelefons oder einer ähnlichen Funkanlage nicht mehr gezwungen sind, ein neues Ladegerät zu erwerben (Entbündelung des Verkaufs von Ladegeräten und elektronischen Geräten).
  • Endnutzer sollen beim Kauf eines Mobiltelefons oder eines ähnlichen Geräts die erforderlichen Informationen über die Ladeleistungseigenschaften dieses Geräts und das mit ihm zu verwendende Ladegerät erhalten. Auch soll erkennbar sein, ob eine Schnellladefunktion unterstützt wird.
  • Es soll künftig eine Harmonisierung in diesem Bereich entsprechend den technologischen Weiterentwicklungen ermöglicht werden, einschließlich der Harmonisierung etwaiger nicht kabelgebundener Ladesysteme.

Der Entwurf der Kommission sieht eine Übergangsfrist von 24 Monaten ab Inkrafttreten der geänderten Richtlinie vor. Aktuell befindet sich der Vorschlag der Kommission im laufenden Gesetzgebungsverfahren und bedarf noch der Zustimmung des EU-Parlaments sowie des Europäischen Rates. Die EU-Kommission plant zudem, die in der Ökodesign-Richtlinie (2019/1782) niedergelegten Anforderungen an externe Netzteile zu überprüfen, um auch dort gegebenenfalls eine Harmonisierung zu gewährleisten.

4. Neue Vorschriften für „Wearables“ und vernetztes Spielzeug

Die Kommission geht weiter gegen Sicherheitsrisiken im „Internet-of-things“ vor und hat am 29.10.2021 gestützt auf die „RED-Richtlinie“ (2014/53/EU) eine „delegierte“ Verordnung (2022/30/EU) erlassen. Sie trifft darin Vorgaben für „Wearables“ und vernetztes Spielzeug, um das Datenschutzniveau und den Schutz vor Betrug zu erhöhen. Die Kommission will damit den Gefahren der immer fortschreitendenden Vernetzung von smarten Geräten begegnen.

Bei Funkanlagen, die selbst über das Internet kommunizieren können, muss zukünftig gewährleistet sein, dass sie weder schädliche Auswirkungen auf das Netz oder seinen Betrieb haben noch dass sie eine missbräuchliche Nutzung von Netzressourcen bewirken, wodurch eine unannehmbare Beeinträchtigung des Dienstes verursacht würde.

Auch müssen Funkanlagen künftig über Sicherheitsvorrichtungen verfügen, die sicherstellen, dass personenbezogene Daten und die Privatsphäre des Nutzers und des Teilnehmers geschützt werden. Um in den Anwendungsbereich dieser Vorgabe zu fallen, müssen die Funkanlagen personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO (2016/679/EU) oder Verkehrs- und Standortdaten im Sinne der ePrivacy-Richtlinie (2002/58/EG) verarbeiten können und entweder

  • mit dem Internet verbunden sein oder
  • ausschließlich für die Kinderbetreuung konzipiert sein (Babyphon oder -monitor) oder
  • Spielzeuge nach der Spielzeugsicherheitsrichtlinie sein (Smart Toys) oder
  • es sich um „Wearables“ handelt, die am Körper oder an Kleidungsstücken getragen werden (Smartwatches, Fitnesstracker, etc.).

Mit dem Internet verbundene Funkanlagen, die dem Besitzer ermöglichen, Geld, monetäre Werte oder virtuelle Währungen zu übertragen, müssen ferner zukünftig bestimmte Funktionen zur Betrugsprävention unterstützen. Die Verordnung wurde am 12.01.2022 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und gilt ab dem 01.08.2024.

5. Richtlinie über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen

Die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen ist - nahezu unbemerkt - am 07. Juni 2019 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlich worden.

Zweck der Richtlinie ist es, im Interesse der Verbraucher und Nutzer die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen europaweit einheitlich zu gewährleisten. Damit soll das Recht auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für Menschen mit Behinderungen gestärkt werden.

Folgende Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, müssen besondere Anforderungen an die Barrierefreiheit erfüllen:

  • Hardwaresysteme für Verbraucher und für diese Hardwaresysteme bestimmte Betriebssysteme für Universalrechner, insbesondere Desktop-PCs, Notebooks, Smartphones und Tablets oder ähnliche Geräte
  • Zahlungsterminals
  • Selbstbedienungsterminals wie etwa Geld-, Fahrausweis oder Check-in-Automaten oder Terminals zur Bereitstellung von Informationen
  • Geräte, die als Teil der Konfiguration für den Zugang zu elektronischen Kommunikationsdiensten genutzt werden, wie zum Beispiel Router oder Modems
  • Smart-TVs
  • E-Book-Lesegeräte

Diese Produkte sind dann so zu gestalten und herzustellen, dass Menschen mit Behinderungen sie vollumfänglich nutzen können. Außerdem müssen diese Produkte in oder auf dem Produkt selbst mit barrierefrei zugänglichen Informationen zu ihrer Funktionsweise und ihren Barrierefreiheitsfunktionen ausgestattet werden. Verpackung und Anleitung der entsprechenden Produkte sind ebenfalls barrierefrei zu gestalten. Die Richtlinie nimmt dabei Hersteller, Importeure sowie Händler in die Pflicht, die produktrechtlichen Vorgaben zu erfüllen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat die Richtlinie innerhalb der Umsetzungsfrist mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) vom 16. Juli 2021, das am 28. Juni 2025 in Kraft tritt, bereits in deutsches Recht umgesetzt.

IV. Bauprodukte und Normung

1. Zur Revision der EU-BauPVO

Die Europäische Kommission hatte bereits im Jahr 2016 die Revision der Verordnung (EU) 305/2011 (im Folgenden: EU-BauPVO) beschlossen und seit 2018 durch verschiedene Stakeholder-Befragungen vorbereitet. Mit der Revision soll neben der Umsetzung des Green Deal verschiedenen Regelungsdefiziten begegnet werden.

Die Kommission hatte darauf folgend im Jahr 2020 das Refined Indicative Options for the review of the construction products regulation (im Folgenden: Options Paper) vorgelegt, das als Diskussionsgrundlage für die Überarbeitung der EU-BauPVO dienen sollte. Während die Optionen A (Beibehaltung des bisherigen Regelungsrahmens) und E (Aufhebung des harmonisierten Rahmens) nicht weiter verfolgt werden dürften, stehen weitere Optionen zur Diskussion. Hierzu zählen u.a. die Rückkehr zum „alten“ Regelungskonzept des New Legislative Framework (wonach die harmonisierten Normen wieder Eigenschaften von Bauprodukten vorgeben könnten) oder die Beschränkung der harmonisierten Normen auf (freiwillige) Prüfverfahren.

Parallel hat auf europäischer Ebene der sog. Acquis-Prozess begonnen. Ziel des Prozesses ist, die bestehenden harmonisierten Normen zu vervollständigen und an die Anforderungen der aktuellen oder künftigen EU-BauPVO anzupassen. Zur Überarbeitung hat die „CPR Acquis Group“ eine Prioritätenliste nach Produktfamilien erstellt, welche die Reihenfolge der Überarbeitung vorgibt. Mit der Überarbeitung der ersten beiden Produktfamilien wurde im 4. Quartal 2021 begonnen.

Den ersten Entwurf einer neuen EU-BauPVO hatte die Kommission bereits für den Herbst 2021 angekündigt, die Vorlage jedoch zuletzt auf März / April 2022 verschoben.

2. Neue Normungsstrategie

Die Kommission hat dem Europäischen Parlament, dem Rat, dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss sowie dem Ausschuss der Regionen Anfang Februar 2022 in einer Mitteilung eine „EU-Strategie für Normung – Globale Normen zur Unterstützung eines resilienten, grünen und digitalen EU-Binnenmarktes festlegen“ (EU-Normungsstrategie) vorgelegt. Ziel der Strategie soll es sein, die europäische Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu stärken sowie grüner und digitaler zu gestalten.

Dazu möchte die Kommission bestimmte, priorisierte Normungsaufträge im Jahr 2022 schneller erteilen, den Bestand aller harmonisierter Normen prüfen (ähnlich dem Acquis-Prozess im Rahmen der EU-BauPVO) sowie verschiedene Expertenforen einsetzen, um bestehendes Wissen besser zu bündeln.

Zudem betont die Kommission, dass Normen künftig nicht nur technische, sondern auch demokratische, soziale und ökologische Aspekte regeln müssen. Vor diesem Hintergrund verweist sie auf die besondere Verantwortung der europäischen Normungsorganisationen CEN, CENELEC und ETSI. Sie äußert sich besorgt über die aktuellen Entscheidungsprozesse innerhalb der europäischen Normungsorganisationen, bei denen – so die Kommission – nicht proportionale Stimmrechte bestimmten Unternehmensinteressen zugutekommen würden. Über die Änderung der Verordnung (EU) 1025/2012 sollen deshalb grundlegende Kriterien vorgelegt werden, die bei der Erarbeitung europäischer Normungsaufträge einzuhalten sind. Die europäischen Normungsorganisationen sollen zudem bis Ende 2022 Vorschläge zur Modernisierung ihrer Governance vorlegen. Dieser Prozess soll insbesondere eine ausgewogenere Besetzung der Gremien sicherstellen. Die Kommission möchte zudem das Instrument, technische Spezifikationen in Durchführungsrechtsakten selbst zu regeln, weiterentwickeln.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Stärkung der europäischen Normung auf internationaler Ebene, um europäischen politischen Zielen, wie z.B. mehr Nachhaltigkeit, weltweit einen wichtigeren Stellenwert zuzuweisen. Eine besondere Rolle soll in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung und Verbreitung von Standards für ein freies, offenes und sicheres Internet spielen. Ferner sollen wichtige Partnerregionen wie Afrika, Lateinamerika und die Karibik besser in den Normungsprozess eingebunden werden, um diesen die spätere Übernahme europäischer bzw. internationaler Standards zu erleichtern.

V. Lieferkette

1. Lieferkettengesetz gilt ab 1. Januar 2023

Das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten (LkSG) wird mit seinem in Kraft treten zum 1. Januar 2023 komplexe Rechtspflichten einführen. Unmittelbar betroffen sind Unternehmen mit einem Hauptsitz oder einer Zweigniederlassung (§ 13d HGB) in Deutschland, sofern diese mindestens 3.000 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 wird der maßgebliche Arbeitnehmerschwellenwert auf 1.000 Arbeitnehmer reduziert.

Die durch das LkSG unmittelbar verpflichteten Unternehmen müssen in ihren Lieferketten die im LkSG festgelegten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachten und umsetzen. Der insoweit maßgebliche Lieferkettenbegriff erfasst den eigenen Geschäftsbereich, das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und das Handeln eines mittelbaren Zulieferers.  Nach der Konzeption des LkSG ist eine Umsetzung von Sorgfaltspflichten gegenüber unmittelbaren Zulieferern in jedem Falle erforderlich. In Bezug auf das Handeln von mittelbaren Zulieferern sieht das LkSG jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen eine Pflicht zur Umsetzung von Sorgfaltspflichten vor. Folgende Sorgfaltspflichten sind umzusetzen:

  1. Einrichtung eines Risikomanagements,
  2. Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten,
  3. Durchführung regelmäßiger und anlassbezogener Risikoanalysen,
  4. Abgabe einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie,
  5. Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und gegenüber unmittelbaren Zulieferern,
  6. Ergreifen von Abhilfemaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und/oder gegenüber unmittelbaren Zulieferern, sofern die Verletzung einer menschenrechts- oder umweltbezogenen Pflicht unmittelbar bevorsteht oder eingetreten ist,
  7. Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens,
  8. Umsetzung von Sorgfaltspflichten gegenüber mittelbaren Zulieferern und
  9. Dokumentation sowie Berichtserstattung bzgl. der getroffenen Maßnahmen zur Umsetzung des LkSG.

Da angemessene Sorgfaltspflichten nur mit Beteiligung der unmittelbaren Zulieferer umgesetzt werden können, wird das LkSG auch solche Unternehmen betreffen, die als Zulieferer der unmittelbar verpflichteten Unternehmen agieren. So ist beispielsweise davon auszugehen, dass die Anforderungen für eine LkSG-konforme Umsetzung der Präventions- und Abhilfemaßnahmen über Lieferantenvereinbarungen in der Lieferkette „weitergegeben“ werden.

Ein Verstoß gegen die Vorgaben des LkSG kann weitreichende Konsequenzen haben. Hierzu gehören insbesondere wettbewerbsrechtliche Abmahnungen, der Erlass von Bußgeldern und der Teilnahmeausschluss an Vergabeverfahren. Betroffene Unternehmen sollten daher umgehend prüfen, welche Maßnahmen konkret zur Umsetzung des LkSG erforderlich sind.

Hinweis: Eine detaillierte Mandanteninformation zum LkSG ist derzeit in Bearbeitung und wird in Kürze erscheinen und Ihnen sodann zur Verfügung gestellt.

2. Neues Kaufrecht seit dem 1. Januar 2022

Ende Juni 2021 wurde ein Gesetz zur Änderung des Kaufrechts im Bundesgesetzblatt (BGBl. 2021 I 2133) veröffentlicht, welches am 1. Januar 2022 in Kraft getreten ist. Es setzt die europäischen Richtlinien (EU) 2019/771 (EU-Warenverkaufsrichtlinie) und EU-2019/770 (Digitale-Inhalte-Richtlinie) in nationales Recht um. Ziel der Richtlinie ist es, das Funktionieren des digitalen Binnenmarktes sowie ein hohes Niveau an Verbraucherschutz sicherzustellen. Von den Änderungen betroffen sind zunächst alle Unternehmen, die Ware verkaufen. Von den Neuregelungen zu Waren mit digitalen Elementen (z.B. Smartphones, etc.) sind unmittelbar v.a. Händler im B2C-Bereich betroffen. Zunächst wird der Begriff des Sachmangels in § 434 BGB neugefasst. Zur Beschaffenheit gehören nunmehr u.a. Aspekte wie die Kompatibilität und die Interoperabilität. Darüber hinaus muss die Sache mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen übergeben werden. Das Gesetz legt nunmehr ausdrücklich fest, dass auch die Haltbarkeit, die ein Käufer erwarten darf, zur üblichen Beschaffenheit zählt. Dies umfasst gleichwohl keine Haltbarkeitsgarantie.

Für Verträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern gelten zudem ergänzend die Regelungen der §§ 475 ff. BGB. Als wichtige Neuerung wurde die Beweislastumkehr des § 477 BGB von sechs Monaten auf ein Jahr ausgedehnt. Auch ist in § 475b Abs. 4 BGB nun u.a. festgelegt, dass der Verkäufer dem Verbraucher bei Kaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen während eines angemessenen Zeitraums Aktualisierungen bereitstellt und den Verbraucher über diese Aktualisierungen informieren muss, sofern diese zur sachmangelfreien Nutzung der Ware einschließlich ihrer digitalen Elemente erforderlich sind. Ob die Aktualisierungen unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden müssen, lässt das Gesetz offen. Werden die Aktualisierungen nicht bereitgestellt oder der Verbraucher über die Aktualisierung nicht informiert, ist die Ware mangelhaft Es kann im Rahmen des Vertrages vereinbart werden, wie lange die Aktualisierungen bereitgestellt werden.

Auch die Regelungen zum Lieferantenregress wurden überarbeitet. Der Lieferant haftet nunmehr im Rahmen des selbstständigen Regresses nach § 445a Abs. 1 BGB auch, wenn der Verkäufer gegenüber dem Verbraucher seine Aktualisierungspflicht nach § 475b Abs. 4 BGB verletzt. Letztlich soll nämlich der Hersteller eines Produktes mit digitalen Elementen über den Lieferantenregress dafür haften, wenn entsprechende Softwareaktualisierungen nicht zur Verfügung gestellt werden.   

Artikel als PDF herunterladen
Dr. Jens Nusser, LL.M.
Rechtsanwalt | Partner

Zurück