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Kommunale Verpackungssteuer als Abfallvermeidungsanreiz ist zulässig

Zur Erfüllung ihrer Aufgabe der Abfallvermeidung können sich Kommunen im Rahmen ihrer Abfallwirtschaftskonzepte (§ 21 KrWG) ordnungsrechtlicher, abgabenrechtlicher und ökonomischer Instrumente bedienen. Ein prominentes Beispiel ist die Erhebung einer kommunalen Verpackungssteuer als Verbrauchssteuer auf die Verwendung von Einwegverpackungen. Die Idee dabei ist, dass erhöhte Steuern und damit steigende Preise die Menge an verwendeten Einwegverpackungen verringern.  Schon vor über 30 Jahren hat die Stadt Kassel einen solchen Versuch unternommen – damals allerdings erfolglos: Das Bundesverfassungsgericht erklärte die 1991 in Kassel eingeführte kommunale Verpackungssteuer für verfassungswidrig, da die mit der Steuer unstreitig eintretende Lenkungswirkung einen Verstoß gegen das damals geltende Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz sowie gegen die damalige Verpackungsverordnung darstellte (Urt. v. 07.05.1998 – 2 BvR 1991.95, 2 BvR 2004.95).

Seit Anfang 2022 erhebt nun die Stadt Tübingen eine für ihr Stadtgebiet geltende Verpackungssteuer. Die Steuer trifft Verkaufsstellen von Speisen und Getränken, die in Einwegverpackungen verpackt sind oder auf und mit Einweggeschirr und -besteck herausgegeben werden. Es werden Beträge von je 0,50 Euro für Einweggeschirr und Einwegverpackungen sowie 0,20 Euro für Einwegbesteck fällig. Irrelevant ist, ob die Produkte aus Kunststoff, Pappe oder Aluminium bestehen, denn die Steuer wird materialunabhängig erhoben. Maximal können 1,50 Euro „pro Einzelmahlzeit“ anfallen. Laut der Stadt sind circa 440 Betriebe betroffen, die in der Regel ihre Mehrkosten direkt an die Kundschaft weitergeben.

Angelehnt an die 1998 ergangene Entscheidung des BVerfG zur Kasseler Verpackungssteuer urteilte der VHG Baden-Württemberg Ende März 2022, dass die Tübinger Verpackungssteuer gegen das Abfallrecht des Bundes verstoße und Tübingen bereits die Kompetenz zur Erhebung der Steuer fehle (Urt. v. 29.03.2022 – 2 S 3814/20). Gegen die kommunale Verpackungssteuer geklagt hatte die Betreiberin einer McDonald’s Filiale in Tübingen. In der Entscheidung ging der VGH davon aus, dass Tübingen nicht die Kompetenz für die Einführung der Verpackungssteuer besäße, da es an der Örtlichkeit der Steuer fehle. Auch verstoße die kommunale Verpackungssteuer gegen das auf Bundesebene geltende Abfallrecht, wobei der VGH nah an der Argumentation des Urteils des BVerfG aus den 1990er Jahren blieb.

Gegen die Entscheidung hatte die Stadt Tübingen Revision eingelegt, sodass der Fall vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden werden musste. Das BVerwG hat die kommunale Verpackungssteuer mit Urteil vom 24.05.2023 (Az.: 9 CN 1.22) nun für zulässig erklärt und darauf hingewiesen, dass sich das Abfallrecht seit der BVerfG-Entscheidung aus dem Jahr 1998 grundlegend geändert habe. Insbesondere entstehe durch die Lenkungssteuer kein Widerspruch zu abfallrechtlichen Regelungen auf EU- und Bundesebene, da alle – und eben auch die Stadt Tübingen – dasselbe Ziel der Abfallvermeidung verfolgten. Auch die Tübinger Ziele der Verlagerung von Entsorgungskosten und der Schaffung von Anreizen für die Verwendung von Mehrwegalternativen seien EU- und bundesrechtlich verankert. Das BVerwG begründet die generelle Zulässigkeit der kommunalen Verpackungssteuer damit, dass die Verpackungen von take-away-Gerichten typischerweise zumeist in dem Gemeindegebiet entsorgt würden, in dem die Nahrungsmittel auch erworben würden. Es handele sich insoweit entgegen der Ansicht des VGH Baden-Württemberg um eine örtliche Steuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG, die die Stadt Tübingen erheben dürfe.

Das BVerwG hat die Ausgestaltung der Satzung zur Verpackungssteuer lediglich in Bezug auf zwei Aspekte gerügt. Zum einen sei die Obergrenze der Besteuerung „pro Einzelmahlzeit“ in § 4 Abs. 2 der Satzung zu unbestimmt. Durch diese Formulierung würden Personen, die für andere mitbestellten, gegenüber denjenigen bevorzugt, die tatsächlich nur eine „Einzelmahlzeit“ für sich alleine bestellten. Zum anderen hält das BVerwG die Regelung des § 8 der Satzung für rechtswidrig, nach welcher Tübingen kommunalen Aufsichtsbehörden gestatten wollte, die Verkaufsstellen jederzeit und ohne zeitliche Begrenzung zu betreten. Das BVerwG hat jedoch anschließend betont, dass diese zwei Mängel nichts an der Rechtmäßigkeit der Satzung änderten.

Die Tübinger Franchisenehmerin von McDonald’s hat angekündigt, zu prüfen, ob eine Verfassungsbeschwerde erhoben werden soll.

Möglicherweise ändert sich die positive Beurteilung der Verpackungssteuer schon in naher Zukunft wieder, wenn das Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG) des Bundes vollumfänglich in Kraft getreten ist. Denn dann wird zumindest für einige Einwegkunststoffverpackungen eine bundeseinheitliche Abgabe erhoben.

Vanessa Homann, LL.M.
Rechtsanwältin | Associate

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