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Kommissions­vorschlag für eine europäische Produkt­sicherheits-Verordnung

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Bereits im vergangenen Sommer hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine europäische Produktsicherheitsverordnung veröffentlicht, wodurch u.a. die derzeit noch gültige Produktsicherheits-Richtlinie aufgehoben werden soll. Ziel der Verordnung ist insbesondere eine umfangreiche Aktualisierung und Modernisierung des produktsicherheitsrechtlichen Rahmens für Verbraucherprodukte einschließlich einer Anpassung an die Herausforderungen des Produktsicherheitsrechts durch neue Technologien und des Online-Verkaufs.

I. Einführung

Die Europäische Kommission hat im Sommer 2021 ihren Vorschlag für eine europäische Produktsicherheitsverordnung (im Folgenden: ProdSV-E) veröffentlicht. Mit Inkrafttreten der ProdSV-E soll u.a. die bislang noch geltende Produktsicherheits-Richtlinie (Richtlinie 2001/95/EG) aufgehoben werden. In den Erwägungsgründen der ProdSV-E werden eine Vielzahl von Zielen der Verordnung formuliert, die von der Europäischen Kommission in ihrer Entwurfsbegründung im Wesentlichen wie folgt zusammengefasst wurden (vgl. Seite 3 der Entwurfsbegründung):

  • Aktualisierung und Modernisierung des produktsicherheitsrechtlichen Rahmens für Non-Food- Verbraucherprodukte;
  • Beibehaltung eines „Sicherheitsnetzes“ für den Verbraucher;
  • Anpassung des produktsicherheitsrechtlichen Rahmens an die Herausforderungen durch neue Technologien und des Online-Verkaufs;
  • Sicherstellung von gleichen Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen.

Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung finden sich in der ProdSV-E nunmehr u.a. umfassende Vorgaben, welche beim Inverkehrbringen und bei der Bereitstellung von Verbraucherprodukten im Wege des Fernabsatzgeschäfts zu beachten sind. In den Fokus genommen wurden außerdem die sog. „Online-Marktplätze“ wie Amazon und Co., die künftig u.a. dazu angehalten sind, eine zentrale Stelle zur unmittelbaren Kooperation mit den Marktüberwachungsbehörden einzurichten. Erstmals aufgenommen wurde auch ein umfassender Katalog mit Sicherheitsparametern, welche bei der Risikobewertung eines Produkts zu beachten sind. Umfangreicher als bisher geregelt wurde ebenfalls der Informationsaustausch über gefährliche Produkte zwischen Kommission, Behörden, Wirtschaftsakteuren und Verbrauchern. Vorschriften über die Marktüberwachung wurden überdies weitestgehend an die bereits in der Marktüberwachungs-Verordnung (Verordnung [EU] 2019/1020) enthaltenen Regelungen angepasst. Etwa das „Konzept der verantwortlichen Person“ gilt nun auch für die von der ProdSV-E erfassten Produkte (für wesentliche Neuerungen beachten Sie bitte im Übrigen die Vorstellung der einzelnen Kapitel unter III.).

Die Regelung des europäischen Produktsicherheitsrecht durch eine Verordnung wirkt sich dabei auch ganz unmittelbar auf das Produktsicherheitsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten aus. Dieses basiert nämlich derzeit maßgeblich noch auf einer nationalen Umsetzung der Produktsicherheits-Richtlinie. Dabei ist anerkannt, dass den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung von europäischen Richtlinien eigene Gestaltungsspielräume zustehen, was in der Praxis zu abweichenden Regelungen in den Mitgliedstaaten führt. Demgegenüber würde die ProdSV unmittelbar in den einzelnen Mitgliedstaaten Anwendung finden, sodass unterschiedliche Umsetzungen nicht mehr möglich sind. Neben der Schaffung eines einheitlichen produktsicherheitsrechtlichen Rahmens soll hierdurch auch die Kohärenz mit dem Rechtsrahmen für die Marktüberwachung von Produkten, die in den Anwendungsbereich der Marktüberwachungs-Verordnung (Verordnung [EU] 2019/1020) fallen, erreicht werden (vgl. Erwägungsgrund 3 ProdSV-E).

II. Inhalte und Gliederung

Aufbau und Regelungen der ProdSV-E knüpfen in weiten Teilen an die Struktur der Produktsicherheits-Richtlinie an. Festgelegt wurden Vorgaben für die Sicherheit von Verbraucherprodukten, Pflichten der einzelnen Wirtschaftsakteure sowie Bestimmungen für die Entwicklung von Normen zur Unterstützung der allgemeinen Sicherheitsanforderungen. Darüber hinaus wurden die Marktüberwachungsvorschriften für nicht-harmonisierte Produkte an die in der Marktüberwachungs-Verordnung enthaltenen Regelungen für harmonisierte Produkte angepasst (vgl. Seite 3 der Entwurfsbegründung). Die ProdSV-E besteht aus insgesamt 11 Kapiteln mit 47 Artikeln. Folgende Kapitel sind in der ProdSV-E vorgesehen:

  • Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen;
  • Kapitel II: Sicherheitsanforderungen;
  • Kapitel III: Pflichten der Wirtschaftsakteure;
  • Kapitel IV: Online-Marktplätze;
  • Kapitel V: Marktüberwachung und Durchführung;
  • Kapitel VI: Schnellwarnsystem „Safety Gate“;
  • Kapitel VII: Rolle der Kommission bei Durchsetzungstätigkeiten;
  • Kapitel VIII: Recht auf Auskunft und Rechtsbehelf;
  • Kapitel IX: Internationale Zusammenarbeit;
  • Kapitel X: Finanzierungsbestimmungen;
  • Kapitel XI: Schlussbestimmungen.

III. Vorstellung der Kapitel im Einzelnen

1. Kapitel I: Allgemeine Bestimmungen (Art. 1 – 4 ProdSV-E)

In diesem Abschnitt werden u.a. der Anwendungsbereich (Art. 2 ProdSV-E), Begriffsbestimmungen (Art. 3 ProdSV-E) sowie besondere Regelungen, welche das Fernabsatzgeschäft betreffen (Art. 4 ProdSV-E), festgelegt. Im Rahmen des Anwendungsbereichs wird, wie auch bereits in der Produktsicherheits-Richtlinie geregelt, das sog. „Sicherheitsnetz“ festgelegt, indem bestimmt wird, dass die Sicherheitsanforderungen der ProdSV-E für sämtliche Produkte zu beachten sind, soweit keine spezifischeren Bestimmungen in anderen Rechtsvorschriften der Europäischen Union Anwendung finden. Gemeint sind damit insbesondere die produktbezogen insoweit spezielleren Harmonisierungsrechtsakte. Für die von einem Harmonisierungsrechtsakt erfassten Produkte finden daher u.a. Kapitel II („Sicherheitsanforderungen“), Kapitel III, Abschnitt 1 („Pflichten der Wirtschaftsakteure“), Kapitel V („Marktüberwachung und Durchführung“) sowie Kapitel VII („Rolle der Kommission und Koordinierung der Durchsetzungstätigkeiten“) ausdrücklich keine Anwendung (vgl. Art. 2 Abs. 2 ProdSV-E).

Die in Art. 3 ProdSV-E enthaltenen Begriffsbestimmungen wurden gegenüber den in der Produktsicherheits-Richtlinie enthaltenen Regelungen überarbeitet und ergänzt. Angepasst und erweitert wurde etwa der in Art. 3 Nr. 1 ProdSV-E enthaltene Begriff des Produkts selbst. Produkt bezeichnet gemäß der neuen Begriffsbestimmung „jeden Gegenstand, der alleinstehend oder in Verbindung mit anderen Gegenständen entgeltlich oder unentgeltlich im Rahmen einer Geschäftstätigkeit – auch im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung – geliefert oder zur Verfügung gestellt wird und für Verbraucher bestimmt ist oder unter vernünftigerweise vorhersehbaren Bedingungen von Verbrauchern benutzt werden könnte, selbst wenn er nicht für diese bestimmt ist“. Damit berücksichtigt die neue Begriffsbestimmung gegenüber der noch in der Produktsicherheits-Richtlinie enthaltenen Definition u.a. erstmals ausdrücklich auch die sog. „Produktkombinationen“, die aus mehreren Teilen bestehen, und erst zusammengesetzt als sog. „Gesamtprodukt“ zu bewerten sind.

Mit Blick auf die in der ProdSV-E neu aufgenommenen Pflichten für Wirtschaftsakteure wurde außerdem die Begriffsbestimmung des Online-Marktplatzes neu ergänzt (vgl. Art. 3 Nr. 14 ProdSV-E), vgl. hierzu auch sogleich unter Ziffer 4. Online-Marktplatz bezeichnet „einen Vermittlungsdienst, der unter Einsatz einer Software, einschließlich einer Internetseite, Teilen einer Internetseite oder einer Aufwendung, von einem Unternehmer oder in dessen Auftrag betrieben wird und es Verbrauchern ermöglicht, mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern Fernabsatzverträge über den Verkauf von Produkten zu schließen, auf welche […] [die ProdSV-E] Anwendung findet“.

Außerdem ergänzt wurden spezielle Kriterien zur Bestimmung des Zeitpunkts der Bereitstellung von Produkten, die über einen in einem Drittstaat ansässigen Wirtschaftsakteur im Wege des Fernabsatzgeschäfts angeboten werden. Eine Bereitstellung liegt künftig bereits dann vor, wenn sich das Angebot an einen Verbraucher in der Europäischen Union richtet. Dies sei immer dann anzunehmen, wenn der jeweilige Wirtschaftsakteur seine Tätigkeiten in irgendeiner Art und Weise auf einen oder mehrere Mitgliedstaaten ausrichtet. Ob dies der Fall sei, richte sich u.a. danach, ob offizielle Amtssprachen verwendet werden, ob der Domainname in einem Mitgliedstaat registriert ist und in welches geografische Gebiet die Produkte geliefert werden können (vgl. Art. 4 ProdSV-E). Rein faktisch bedeutet dies, dass die betroffenen Wirtschaftsakteure bereits zum Zeitpunkt der Präsentation ihrer Ware im Internet dazu verpflichtet sind, sicherzustellen, dass diese sämtlichen produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen der ProdSV genügt. Ob und wie ein Vollzug dieser – dem Ausbau des Verbraucherschutz dienenden – Vorschrift praktisch durchführbar ist, etwa durch Kontrollen der zum Absatz vorgesehenen Lagerbestände, bleibt abzuwarten.

2. Kapitel II: Sicherheitsanforderungen (Art. 5 – Art. 7 ProdSV-E)

Art. 5 ProdSV-E enthält wie auch die Produktsicherheits-Richtlinie den allgemeinen Grundsatz, dass Wirtschaftsakteure nur sichere Produkte auf dem Unionsmarkt in Verkehr bringen oder bereitstellen dürfen. Zur Begründung der Vermutungswirkung, dass ein Produkt produktsicherheitsrechtlichen Anforderungen genügt, wird zunächst die Bedeutung von europäischen „harmonisierten“ Normen bestätigt (vgl. Art. 6 Abs. 1 a) ProdSV-E).

Wesentliche Sicherheitsparameter, die bei der Beurteilung der Sicherheit eines Produkts zu beachten sind und die so in der Produktsicherheits-Richtlinie noch nicht enthalten waren, werden im Übrigen in Art. 7 Art. 1 ProdSV-E aufgelistet. Dies sind u.a.:

  • Eigenschaften des Produkts, seine Zusammensetzung und seine Verpackung sowie Anweisungen für seinen Zusammenbau;
  • Einwirkung auf andere Produkte, wenn eine gemeinsame Verwendung mit anderen Produkten oder eine Verwendung im Produktverbund vernünftigerweise vorhersehbar ist;
  • Aufmachung, Etikettierung, etwaige Warnhinweise und Anweisungen für seine sichere Verwendung;
  • Gruppen von Verbrauchern, die bei der Verwendung des Produkts einem Risiko ausgesetzt sind, vor allem schutzbedürftige Verbraucher, wie Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen;
  • Erforderliche Cybersicherheitsmerkmale, um das Produkt vor äußeren Einflüssen, einschließlich böswilliger Dritter, zu schützen, sofern sich ein solcher Einfluss auf die Sicherheit des Produkts auswirken könnte.

Bemerkenswert ist dabei sicherlich die Ähnlichkeit einiger der in Art. 7 Abs. 1 ProdSV-E enthaltenen Parameter mit den in § 3 Abs. 2 Satz 2 des deutschen Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) enthaltenen Kriterien, welche bei der Berücksichtigung, ob ein Produkt grundlegenden Sicherheitsanforderungen des deutschen Produktsicherheitsrecht genügt, zu beachten sind.

3. Kapitel III: Pflichten der Wirtschaftsakteure

3.1. Abschnitt 1 (Art. 8 – Art. 17 ProdSV-E)

Ausweislich der Entwurfsbegründung gilt dieser Abschnitt nicht für Wirtschaftsakteure, die in den Geltungsbereich der Marktüberwachungs-Verordnung fallen. Das bedeutet u.E., dass die darin enthaltenen Regelungen dann keine Anwendung finden, wenn für das Produkt einer der in Anhang I der Marktüberwachungs-Verordnung enthaltenen Harmonisierungsrechtsakte einschlägig ist (vgl. Art. 2 Abs. 1 Marktüberwachungs-Verordnung). Dadurch soll vermieden werden, dass die in diesem Abschnitt der ProdSV-E enthaltenen Pflichten mit ähnlichen in den harmonisierten Rechtsvorschriften enthaltenen Vorgaben in Widerspruch stehen (vgl. Seite 18 der Entwurfsbegründung).

Festgelegt werden u.a. die Pflichten für Hersteller (vgl. Art. 8 ProdSV-E), für Bevollmächtigte (vgl. Art. 9 ProdSV-E), für Einführer (vgl. Art. 10 ProdSV-E) sowie für Händler (Art. 10 ProdSV-E). Die Pflichten des Herstellers orientieren sich dabei sowohl an den bereits in der Produktsicherheits-Richtlinie normierten Vorgaben als auch an den bereits aus den Harmonisierungsrechtsakten bekannten Regelungen. Dies betrifft etwa die Anforderungen an die Produktkennzeichnung (Kennzeichnung zur Nachverfolgung und Herstellerkennzeichnung) als auch die Pflicht, den Produkten eine Gebrauchsanleitung sowie Sicherheitsinformationen in leicht verständlicher Sprache beizufügen (vgl. Art. 8 Abs. 6, Abs. 7, Abs. 8 ProdSV-E).

Wesentliche Neuerung innerhalb der Herstellerpflichten ist u.a., dass diese nunmehr ausdrücklich zur Einrichtung eines Beschwerdemechanismus für Verbraucher verpflichtet werden. Hierzu haben sie öffentlich zugängliche Kommunikationskanäle, wie Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder spezielle Rubriken auf ihrer Website einzurichten (vgl. Art. 8 Abs. 2 ProdSV-E). Hersteller und Einführer sollen künftig außerdem allesamt dazu verpflichtet werden, Verbraucher über das „Product Safety Business Alert Gateway“ vor unsicheren Produkten zu warnen (vgl. Art. 8 Abs. 11, Art. 10 Abs. 8 ProdSV-E).

Eingeführt wird außerdem das „Konzept der wesentlichen Änderung“ (vgl. Seite 18 Entwurfsbegründung, Art. 12 ProdSV-E). Für Personen, die eine solche Änderung an einem Produkt vornehmen, gelten die für Hersteller normierten Pflichten künftig entsprechend. „Wesentlich“ soll eine Änderung immer dann sein, wenn folgende drei Kriterien kumulativ erfüllt sind:

  • Durch die Änderung werden die beabsichtigten Funktionen, der Typ oder die Leistung des Produkts in einer Weise, die bei der ursprünglichen Risikobewertung des Produkts nicht vorgesehen war, verändert;
  • Aufgrund der Änderung hat sich die Art der Gefahr geändert oder das Risiko hat sich aufgrund der Änderung erhöht;
  • Die Änderung wurde nicht vom Verbraucher für den eigenen Gebrauch vorgenommen.

Art. 15 ProdSV-E weitet im Übrigen das bereits in der Marktüberwachungs-Verordnung enthaltene „Konzept einer verantwortlichen Person“ auch auf solche Produkte aus, die in den Anwendungsbereich der ProdSV-E fallen (vgl. Seite 18 der Entwurfsbegründung). Entsprechend den in Art. 4 Abs. 1 – 3 Marktüberwachungs-Verordnung enthaltenen Vorgaben ist das Inverkehrbringen eines Produkts, das vom Anwendungsbereich der ProdSV-E erfasst ist, künftig nur noch dann zulässig, wenn ein in der Europäischen Union niedergelassener Wirtschaftsakteur („verantwortliche Person“) für die in der Marktüberwachungs-Verordnung geregelten Kooperation mit den Marktüberwachungsbehörden benannt bzw. verantwortlich ist. In Betracht kommen hierfür grundsätzlich Hersteller, Einführer oder Bevollmächtigte, subsidiär auch ein Fulfilment-Dienstleister. Ein Vertreiber kann nicht als „verantwortliche Person“ benannt werden (vgl. Art. 15 ProdSV-E mit Verweis auf Art. 4 Abs. 1 – 3 Marktüberwachungs-Verordnung). Hiermit sollen insbesondere die Probleme der Direkteinfuhr aus Drittländern bewältigt werden (vgl. Seite 18 der Entwurfsbegründung).

3.2. Abschnitt 2 (Art. 18 – 19 ProdSV-E)

Dieser Abschnitt enthält Pflichten, die hingegen auch von solchen Wirtschaftsakteuren, für welche die Marktüberwachungs-Verordnung gilt, zu beachten sind (vgl. Seite 19 der Entwurfsbegründung).

Wirtschaftsakteure, welche Produkte online oder über eine andere Form des Fernabsatzes auf dem Markt bereitstellen, müssen künftig bereits das Produktangebot u.a. mit Angaben zur Herstelleridentifikation, einer Kennzeichnung zur Rückverfolgung sowie allen Warn- und Sicherheitsinformationen, die gemäß der ProdSV-E bzw. den Harmonisierungsrechtsakten auf den Produkten anzubringen sind bzw. diesen beizufügen sind, versehen (vgl. Art. 18 ProdSV-E). Für die Umsetzung der Pflicht dürften bei einigen Anbietern insofern weitreichende Ergänzungen und Umgestaltungen der jeweiligen Produktangebote im Internet erforderlich werden.

Besondere Pflichten gelten künftig außerdem für Hersteller, Einführer und Händler bei Unfällen oder Sicherheitsproblemen, die im Zusammenhang mit ihren Produkten auftreten. Insbesondere Hersteller haben künftig dafür zu sorgen, dass ein Unfall, der durch eines ihrer auf dem Markt in Verkehr gebrachten oder bereitgestellten Produkte verursacht wurde, innerhalb von zwei Arbeitstagen ab dem Zeitpunkt, zu dem sie Kenntnis von dem Unfall erlangt haben, den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem sich der Unfall ereignet hat, über das „Product Safety Business Alert Gateway“ gemeldet werden (vgl. Art. 19 Abs. 1 ProdSV-E). Damit dürften behördliche Meldepflichten des Herstellers gegenüber der bisherigen Rechtslage deutlich verschärft worden sein.

4. Kapitel IV: Online-Marktplätze (Art. 20 ProdSV-E)

Durch die ProdSV-E werden außerdem besondere Pflichten für die sog. Online-Marktplätze eingeführt (vgl. Art. 20 ProdSV-E). Jeder Online-Marktplatz ist künftig dazu verpflichtet, eine zentrale Kontaktstelle einzurichten, über die sie von Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten in Bezug auf Fragen der Produktsicherheit und insbesondere in Bezug auf Anweisungen zu den von ihnen angebotenen gefährlichen Produkten direkt kontaktiert werden können. Als „gefährliches Produkt“ gilt dabei „jedes Produkt, das nicht den Begriffsbestimmungen des sicheren Produkts entspricht“ (vgl. Art. 3 Nr. 3 ProdSV-E). „Sicheres Produkt“ ist „jedes Produkt, das bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer korrekter oder auch missbräuchlicher Verwendung, was auch die tatsächliche Gebrauchsdauer einschließt, keine oder nur geringe, mit seiner Verwendung zu vereinbarende und unter Wahrung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit von Verbrauchern vertretbare Gefahren birgt“ (vgl. Art. 3 Nr. 2 ProdSV-E). Festgelegt wurden überdies eine Vielzahl von Informations- und Kooperationspflichten gegenüber den Marktüberwachungsbehörden.

5. Kapitel V: Marktüberwachung und Umsetzung (Art. 21 – 22 ProdSV-E)

Für die Vorgaben der Marktüberwachung wird auf die Art. 10 – 16, Art. 18, 19 sowie Art. 21 – 24 der Marktüberwachungs-Verordnung verwiesen. Hierdurch sollen möglichst einheitliche Regelungen für harmonisierte und nicht-harmonisierte Produkte geschaffen werden (vgl. Seite 19 der Entwurfsbegründung).

6. Kapitel VI: Schnellwarnsystem Safety Gate (Art. 23 – 25 ProdSV-E)

In diesem Kapitel wird der Informationsaustausch im Fall von gefährlichen Produkten festgelegt und der Name des bereits bestehenden RAPEX-Systems, dessen Merkmale unverändert bleiben, wird in „Safety Gate“ geändert. Dadurch soll es für Verbraucher besser erreicht werden können (vgl. Seite 19 der Entwurfsbegründung sowie Erwägungsgrund 50 der ProdSV-E). Die Pflege des Warnsystems obliegt unverändert der Kommission (vgl. Art. 23 ProdSV-E).

Das „Safety Gate“ umfasst ein Schnellwarnsystem für gefährliche Non-Food-Produkte, über welches nationale Behörden und die Kommission Informationen über diese Produkte austauschen können, ein Webportal für die Öffentlichkeit (Safety Gate Portal, vgl. Art. 24 ProdSV-E) sowie eine Schnittstelle (Safety Business Gateway, vgl. Art. 25 ProdSV-E), die es den verpflichteten Wirtschaftsakteuren ermöglichen soll, den Behörden und den Verbrauchern gefährliche Produkte zu melden (vgl. Erwägungsgrundgrund 50 der ProdSV-E).

7. Kapitel VII: Rolle der Kommission und Koordination der Durchsetzung (Art. 26 – 30 ProdSV-E)

Der Kommission soll außerdem künftig die Erlaubnis eingeräumt werden, mittels Durchführungsrechtsakten konkrete Maßnahmen zu treffen, wenn sie davon Kenntnis erhält, dass von einem Produkt, einer Produktkategorie oder einer Produktgruppe eine ernste Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher ausgeht. Diese ihr bereits durch die Produktsicherheits-Richtlinie eingeräumte Befugnis wird durch die Regelungen der ProdSV-E noch weiter präzisiert (vgl. Seite 19 der Entwurfsbegründung). Folgende drei Voraussetzungen müssen hierfür kumulativ erfüllt sein (vgl. Art. 26 Abs. 1 ProdSV-E):

  • Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen Meinungsverschiedenheiten darüber, wie der Gefahr zu begegnen ist;
  • Die Gefahr kann angesichts der Art des Produktsicherheitsproblems nach anderen Verfahren der einschlägigen Unionsvorschriften für die betreffenden Produkte nicht in einer mit dem Grad der Schwere oder der Dringlichkeit des Problems zu vereinbarenden Weise bewältigt werden;
  • Die Gefahr kann nur durch Erlass geeigneter und unionsweit anwendbarer Maßnahmen zur Gewährleistung eines einheitlichen und hohen Schutzniveaus für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher sowie des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarktes wirksam bewältigt werden.

Eingeführt wird außerdem ein Schlichtungsmechanismus: Gelangen die Mitgliedstaaten bei ihren Bewertungen, ob ein ernstes Risiko von einem Produkt ausgeht, zu unterschiedlichen Ergebnissen, können sie die Europäische Kommission um ein Schiedsverfahren ersuchen (vgl. Art. 27 ProdSV-E). Dadurch soll ermöglicht werden, einheitlich auf EU-Ebene gegen gefährliche Produkte vorzugehen (vgl. Seite 19 der Entwurfsbegründung).

8. Kapitel VIII: Recht auf Auskunft und Rechtsbehelf (Art. 31 – 35 ProdSV-E)

Zunächst wird in Kapitel VIII die bereits in der Produktsicherheits-Richtlinie enthaltene Pflicht der Europäischen Kommission sowie der jeweils zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bestätigt, der Öffentlichkeit die zur Verfügung stehenden Informationen über Maßnahmen zu Produkten, die eine allgemeine Gefahr für die Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher darstellen, zugänglich zu machen (vgl. Art. 31 Abs. 1 ProdSV-E). Hierfür steht Verbrauchern das von der Kommission unterhaltene Safety Gate Portal zur Verfügung (vgl. Art. 32 Abs. 1 ProdSV-E). Eingeführt wird außerdem ein Beschwerdemechanismus, der es Verbrauchern ermöglicht, bei den zuständigen Behörden Beschwerden über Produktsicherheit und über Aufsichts- und Überwachungstätigkeiten einzulegen (vgl. § 31 Abs. 4 ProdSV-E).

Neu aufgenommen wurden außerdem umfangreiche Vorgaben, welche das Verfahren im Fall eines erforderlichen Rückrufs betreffen. Wirtschaftsakteure sind künftig dazu angehalten, sämtliche betroffenen Verbraucher, die sie auf der Grundlage der ihnen zur Verfügung stehenden Daten ermitteln können, zu informieren (vgl. Art. 33 ProdSV-E). Es werden außerdem konkrete formale Vorgaben im Hinblick auf den gegenüber dem Verbraucher erforderlichen Rückrufhinweis festgelegt (vgl. Art. 34 ProdSV-E).

Dem Verbraucher wird im Fall des Rückrufs gegenüber dem Wirtschaftsakteur außerdem ein unmittelbar in der ProdSV-E verankerter Anspruch auf Abhilfe eingeräumt. Dieses Recht umfasst mindestens eines der folgenden Elemente (vgl. Art. 35 Abs. 1 ProdSV-E):

  • Reparatur des zurückgerufenen Produkts;
  • Ersatz des zurückgerufenen Produkts durch ein sicheres Produkt desselben Typs mit mindestens demselben Wert und derselben Qualität;
  • Erstattung des Wertes des zurückgerufenen Produkts.

In diesem Zusammenhang wird außerdem festgelegt, dass die Abhilfemaßnahme zu keiner „erheblichen Unannehmlichkeit“ für den Verbraucher führen darf: Diesem dürfen insbesondere nicht die Kosten für den Versand oder die anderweitige Rückgabe des Produkts auferlegt werden. Bei Produkten, die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht tragbar sind, hat der Wirtschaftsakteur außerdem dafür zu sorgen, dass diese beim Verbraucher abgeholt werden (vgl. Art. 35 Abs. 3 ProdSV-E). Bemerkenswert an diesen Regelungen ist, dass hierdurch klassische Regelungen und Inhalte des nationalen Zivilrechts, welche u.a. die Mängelgewährleistung betreffen, nunmehr unmittelbar auf Unionsebene festgelegt werden sollen.

IV. Ausblick

Die ProdSV-E enthält gegenüber den in der derzeit noch geltenden Produktsicherheits-Richtlinie enthaltenen Regelungen elementare Neuerungen, welche die Produktsicherheit und den Schutz der Verbraucher vor Risiken für die Gesundheit und Sicherheit betreffen. Derzeit ist der Entwurf indes noch in der ersten Lesung im Rat der Europäischen Union, welcher die Regierungen der Mitgliedstaaten repräsentiert. Änderungen im Verordnungsentwurf sind daher weiterhin möglich. Der aktuelle Stand des Gesetzgebungsverfahrens ist über die Website der Europäischen Union einsehbar. Gerne halten wir Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden.

Hinweis: Die Ende Oktober 2021 veröffentliche Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EESC) ist auf der Website des EESC abrufbar. Diese enthält neben grundsätzlichem Lob auch Kritik sowie weitere Handlungsempfehlungen, die etwa eine noch weitergehende Verpflichtung der Online-Marktplätze für den Verbraucherschutz sowie die Pflicht zur Erhebung von „besseren“ Daten über Unfälle durch die Mitgliedstaaten betreffen.

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Dr. Jens Nusser, LL.M.
Rechtsanwalt | Partner

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