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Entwurf der Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS): Stellungnahmen bis 9. Juli 2024 möglich

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMUV) hat in Umsetzung des Koalitionsvertrages den Entwurf für eine Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) erstellt. Die NKWS wurde in einem umfassenden Dialogprozess unter Einbeziehung verschiedener Akteure aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbänden entwickelt. In den Entwurf eingeflossen ist unter anderem der Transformationsbericht der Bundesregierung zum Thema „Kreislaufwirtschaft – Herausforderungen und Wege der Transformation“ (unser Blogbeitrag zum Transformationsbericht ist hier zu finden).

Der Entwurf der NKWS ist nun veröffentlicht, und bis zum 9. Juli 2024 können Stellungnahmen eingereicht werden. Das BMUV weist darauf hin, dass besonderes Interesse an Rückmeldungen zu den quantitativen Zielen wie der Reduktion des primären Rohstoffverbrauchs bis 2045 und zu spezifischen Maßnahmen wie Rezyklateinsatzquoten und ökonomischen Anreizinstrumenten besteht.

Rahmenbedingungen und Hintergrund

Mit der NKWS soll künftig der Klima- und Umweltschutz weiter vorangetrieben werden, da Deutschland bis 2045 die Netto-Treibhausgas-Neutralität anstrebt. Hierzu spielt die Kreislaufwirtschaft insbesondere hinsichtlich der Dekarbonisierung der Industrie eine Schlüsselrolle. Mit der Dekarbonisierung der Industrie sollen laut der NKWS die Treibhausgasemissionen erheblich reduziert und gleichzeitig die Wertschöpfung gesteigert werden. Das BMUV argumentiert, dass die Schließung von Stoffkreisläufen die Rohstoffversorgungssicherheit stärkt und die Abhängigkeit von Importen verringert. Hinzukommt, dass die Kreislaufwirtschaft aus einem ökonomischen Blickwinkel erhebliche Potenziale für Innovationen, Beschäftigungszuwächse und die Erhöhung der Bruttowertschöpfung birgt. „Circularity made in Germany“ soll ein neues Qualitätsversprechen werden.

Leitziele der NKWS

Der Entwurf der NKWS setzt vier strategische Leitziele:

  • Primärrohstoffverbrauch senken: Bis 2045 soll der Verbrauch auf 8 Tonnen pro Kopf und Jahr reduziert werden.
  • Stoffkreisläufe schließen: Die Nutzung schadstoffarmer Rezyklate soll gesteigert werden, um die Zirkularitätsrate zu erhöhen.
  • Rohstoffversorgungssicherheit erhöhen: Die Sicherheit der Rohstoffversorgung soll im Einklang mit europäischen Zielen gestärkt werden.
  • Abfälle vermeiden: Das Aufkommen an Siedlungsabfällen soll bis 2030 um 10% und bis 2045 um 20 % gesenkt werden.

Neue Technologien und Investitionen fördern

Für die Transformation hin zur Kreislaufwirtschaft sind nach dem NKWS-Entwurf technologische Innovationen und Investitionen notwendig. Durch Forschungs- und Entwicklungsprogramme sollen nach dem Entwurf der NKWS neue Technologien und Geschäftsmodelle unterstützt werden. Die Bundesregierung plant Maßnahmen wie anwendungsnahe Förderprogramme, politische Rahmenbedingungen für Planungssicherheit, eine Qualifizierungsoffensive für Fachkräfte und eine Investitionsoffensive. Diese sollen die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im Bereich Circular Economy stärken.

Potentiale digitaler Technologien ausschöpfen

Digitale Technologien sind nach dem NKWS-Entwurf entscheidend für die Kreislaufwirtschaft, da sie die Transparenz erhöhen, die Steuerung verbessern und neue Geschäftsmodelle ermöglichen. Vom BMUV geplante Maßnahmen umfassen die Förderung des „Digitalen Produktpasses“ und der „Datenräume für die Kreislaufwirtschaft“. Ziel ist es, die Nutzung digitaler Technologien zu fördern, um Ressourceneffizienz und Kreislauffähigkeit zu verbessern.

Design von Produkten und Anlagen neu ausrichten

Ein zirkuläres Design zielt auf Langlebigkeit und Kreislauffähigkeit von Produkten ab. Hierzu will die Bundesregierung die Weiterentwicklung der EU-Produktverordnungen im Rahmen der Ökodesign-Richtlinie und der neuen Ökodesign-Verordnung (Ecodesign for Sustainable Products Regulation, ESPR – unser Blogbeitrag ist hier abzurufen) vorantreiben. Ziel der Regelungen soll sein, Produkte so zu gestalten, dass sie langlebig, reparierbar und recyclingfähig sind.

Einsatz von Rezyklaten steigern

Die Nutzung schadstoffarmer Rezyklate ist nach dem NKWS-Entwurf ein zentraler Baustein der Kreislaufwirtschaft. Die Bundesregierung will daher künftig unter Beteiligung der Wirtschaft eine mittel- bis langfristige Weiterentwicklung von Rezyklateinsatzquoten prüfen. Je nachdem wie die Prüfung ausfällt, will sich die Bundesregierung auch auf EU-Ebene für weitere bzw. erhöhte Rezyklateinsatzquoten einsetzen.

Standards und Normen setzen

Standards und Normen sind nach dem NKWS-Entwurf entscheidend für die Qualität und Akzeptanz zirkulärer Produkte. Die Bundesregierung will sich künftig dafür einsetzen, dass die Kreislaufwirtschaft bei der Normung Priorität erhält. Auch soll eine strategische Beteiligung deutscher Expertinnen und Experten in europäischen und internationalen Normungsprozessen unterstützt werden.

Weiterentwicklung des Kreislaufwirtschaftsrechts

Abfallvermeidung und -verwertung sollen künftig gestärkt werden. Dazu sieht der NKWS-Entwurf vor, dass die Bundesregierung „zahlreiche Rechtssetzungsvorhaben auf nationaler und auch auf europäischer Ebene“ vorantreibt. Unter anderem sollen mehr Altgeräte hochwertig recycelt, Recyclingpotentiale gewerblicher Abfälle besser genutzt, Verpackungen vermieden und die Recyclingfähigkeit erhöht, mineralische Ersatzbaustoffe effektiver im Kreislauf geführt werden.

Öffentliche Beschaffung als Hebel nutzen

Bund, Länder und Kommunen sollen nach dem NKWS-Entwurf die öffentliche Beschaffung nutzen, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Der Entwurf weist diesbezüglich darauf hin, dass oft das kurzfristig günstigste Angebot nicht das langfristig wirtschaftlichste sei. Daher soll die zirkuläre Beschaffung im Vergabetransformationspaket verankert werden, um der Vorbildfunktion der öffentlichen Hand gerecht zu werden. Bis 2030 sollen alle rechtlichen Vorgaben auf zirkuläre Beschaffung ausgerichtet sein. 

Gebäude und Baustoffe ressourcenschonend und zirkulär ausrichten

Der Bau- und Gebäudebereich hat nach dem NKWS-Entwurf eine zentrale Bedeutung für die Kreislaufwirtschaft. Vorrang sollen die Sanierung und der Umbau von Gebäuden haben, um den Bestand zu erhalten. Bauabfälle und Bauteile sollen künftig in größerem Maße getrennt erfasst und hochwertig recycelt werden. Neue Bauwerke sollen langlebig, sanierbar, schadstoffarm und gut recycelbar sein. Klimafreundliche Baustoffe wie Holz und Recyclingbaustoffe sollen stärker genutzt werden. Die Bundesregierung plant Maßnahmen wie Anpassungen des Baugenehmigungsrechts, Einführung digitaler Gebäuderessourcenpässe und die Stärkung des Bauens mit Holz.

Langlebigen und nachhaltigen Konsum fördern

Der Entwurf der NKWS strebt an, den Rohstoffeinsatz bis 2030 um mindestens 20 % zu mindern. Als Maßnahmen sind beispielsweise die Vermeidung von Versandverpackungen im Online-Handel, finanzielle Anreize zur Reduzierung von Retouren, die Umsetzung der EU-Richtlinie für ein "Recht auf Reparatur" (dazu unser Blogbeitrag vom 05.02.2024) und die Förderung von Sharing- und Mietmodellen geplant.

Ökonomische Anreize setzen, Finanzierung verbessern

Ökonomische Instrumente sollen geschlossene Kreisläufe in Produktion und Konsum bevorzugen. Die Bundesregierung arbeitet dafür derzeit an einem Rohstofffonds, um nachhaltige Rohstoffprojekte zu unterstützen. Weitere Maßnahmen sollen die staatliche Anschubfinanzierung für Forschung und Entwicklung, stärkere Rolle der KfW als Innovations- und Investitionsbank und Transformations-Bürgschaften bei unzureichenden Sicherheiten für zirkuläre Geschäftsmodelle umfassen.

Circular Economy in Europa forcieren

Der Entwurf der NKWS unterstützt die Ziele des EU-Kreislaufwirtschaftspakets und des EU-Aktionsplans für Kreislaufwirtschaft (CEAP). Mit der NKWS soll Deutschland Vorreiter in der Kreislaufwirtschaft werden und Impulse für die Weiterentwicklung des EU-weiten Rahmens setzen.

Erfolgen soll dies unter anderem durch die Einführung und Fortentwicklung von Ökodesign-Produktstandards und Systemen der Produktverantwortung, durch verbesserten Zugang zur Finanzierung der Transformation und durch die Festlegung von Normen für Zirkularität auf EU-Ebene.

Weltweite Zusammenarbeit vorantreiben

Die Bundesregierung will sich auch zukünftig international für Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft, die Umsetzung der G7-Berlin Roadmap und das UN-Plastikabkommen einsetzen.

Umsetzung der NKWS: Plattform für Kreislaufwirtschaft, Roadmap 2030, Monitoring, Finanzierung

Zur Umsetzung der NKWS und zur Erreichung der Ziele soll eine Plattform für Kreislaufwirtschaft eingerichtet, eine Roadmap 2030 entwickelt und ein Monitoring- und Evaluationssystem aufgebaut werden. Für eine erfolgreiche Umsetzung der NWKS fordert der Entwurf einen „Schulterschluss aus Politik einschließlich Ländern und Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft“.

Kritik

Der Entwurf der NKWS weist einen deutlichen Implementation Gap zwischen den gesetzten Zielen und Visionen und den vorgeschlagenen Maßnahmen auf.

Insbesondere mit Blick auf den Bau- und Gebäudebereich stechen mehrere Kritikpunkte heraus. So steht beispielsweise die Maßnahme der Priorisierung des Um- und Ausbaus bzw. der Weiternutzung von Gebäuden gegenüber Neubauten im Widerspruch zu den genannten Recyclingzahlen und der Aussage, dass der Bedarf an mineralischen Rohstoffen zu einem erheblichen Anteil über die Materialien gedeckt wird, die im Zuge von selektivem Rückbau oder einer Sanierung sortenrein aus Gebäuden und Bauwerken entnommen und gezielt für die Baustoffindustrie aufbereitet werden (S. 86).

Nicht in Einklang zu bringen sind die Ziele der NKWS mit der geplanten Abfallende-Verordnung, auf die der Entwurf der NKWS verweist: Der Entwurf der NKWS beschreibt, dass die Abfallende-Verordnung dazu beitragen werde, „dass mineralische Ersatzbaustoffe verstärkt im Kreislauf geführt werden und gleichzeitig der Schutz von Mensch und Umwelt sichergestellt wird“ (S. 85). Dies ist jedoch nach dem Eckpunktepapier des BMUV, das die Abfallende-Verordnung skizziert, gerade nicht anzunehmen. Denn die Abfallende-Verordnung soll, entgegen dem Konzept der Ersatzbaustoffverordnung (EBV), das in der Kombination von Materialklasse und Einbauweise für alle güteüberwachten mineralischen Ersatzbaustoffe den Schutz von Mensch und Umwelt sicherstellt, gerade nicht für alle mineralischen Ersatzbaustoffe ein Abfallende regeln, sondern nur für die „besten“ Klassen. Die geplante Abfallende-Verordnung könnte – nach dem jetzigen Stand – unter anderem zu umfangreichen Stoffstromverschiebungen auf Deponien führen.  (Näheres zur Umfrage zu den Auswirkungen der geplanten Regelungen auf den Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe lesen Sie in unserem dazugehörigen Blogbeitrag.) Die sich abzeichnende Abfallende-Verordnung widerspricht in erheblichem Maße den Zielen der NKWS.

Vanessa Homann, LL.M.
Rechtsanwältin | Associate

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