Rechtsprechungsreporte Abfallrecht

von

Rechtsprechungsreport Altlastenmanagement April 2022

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Liebe Mandantinnen und Mandanten,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir freuen uns, Ihnen unseren jährlichen Rechtsprechungsreport Altlastenmanagement zur Verfügung stellen zu können. Exemplarisch möchten wir Sie auf die Entscheidung des OLG München zur Frage der Verantwortung als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers der zweiten Erbengeneration und auf die Entscheidung des VG Hannover zur Kostenerstattungspflicht der Bundesrepublik Deutschland für die Beseitigung eines Ölschadens an einer Bundeswasserstraße hinweisen.

Während die Entscheidung des OLG München, dass die zweite Erbengeneration nicht mehr als Störer im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG zu qualifizieren ist, interessant begründet ist und im Ergebnis Zustimmung verdient, sind die Ausführungen des VG Hannover, der Eigentümer eines Gewässerbetts übe „in der Regel“ die tatsächliche Sachherrschaft über das im jeweiligen Gewässerbett fließende Wasser aus, als zu pauschal zu kritisieren. 

Egal für welche der Entscheidungen Sie sich besonders interessieren. Wir wünschen Ihnen – wie immer – viele neue und nützliche Erkenntnisse bei der Lektüre.

1. Keine Gesamtrechtsnachfolge der zweiten Erbengeneration in die Verursachereigenschaft

OLG München, Urteil vom 1.4.2021 - 24 U 7001/19

Die Parteien streiten um einen Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG. Der Unternehmer J.M. hat bis zum Jahre 1987 u.a. eine Tankstelle betrieben. Alleinerbin des im Jahre 1988 verstorbenen J.M. war dessen Ehefrau L.M. Im Dezember 2003 verstarb Frau L.M. Die Beklagten sind die Erben der Frau L.M. Das ehemalige Tankstellengrundstück gehörte jedoch nicht zur Erbmasse, so dass die Beklagten nie Eigentümer des Tankstellengrundstücks waren. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, welches sich in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Tankstellengrundstück befindet. Sie hat Bodenverunreinigungen saniert, die durch den Betrieb der Tankstelle verursacht worden sind und verlangt von den Beklagten auf der Grundlage des § 24 Abs. 2 BBodSchG den Ersatz der ihr entstandenen Sanierungskosten. Das Landgericht Memmingen hat die Klage abgewiesen, weil die Beklagten nicht als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers der Bodenverunreinigungen anzusehen seien. Die Klägerin hat gegen die Entscheidung des Landgerichts Berufung eingelegt.

Die Rechtsfrage, ob und inwieweit eine Verursachereigenschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch von Erbeserben „übernommen“ wird, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. So hat beispielsweise das VG Augsburg (Urt. v. 18.09.2018 - Au 3 K 16.1089) ausgeführt, dass auch Erbeserben in die Verursachereigenschaft eines früheren Erblassers eintreten. Jedoch lässt sich in der Rechtsprechung eine gewisse Tendenz dahingehend beobachten, dass die Verursachereigenschaft eines Erblassers nur an die unmittelbaren Erben des Erblassers „vererbt“ wird. Hingegen ist eine sukzessive Gesamtrechtsnachfolge in Fällen der gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Verschmelzung von Unternehmen) in der Rechtsprechung anerkannt (BVerwG, Urteil vom 16.03.2006 - 7 C 3/05).

Die Berufung hat keinen Erfolg, weil der Ausgleichsanspruch nach § 24 Abs. 2 BBodSchG nicht besteht. Ein Ausgleichsanspruch gegenüber den Beklagten setzt u.a. voraus, dass diese in Bezug auf die sanierte Bodenverunreinigung als Störer i.S.v. § 4 Abs. 3 oder Abs. 6 BBodSchG einzustufen sind. Die Beklagten waren nie Eigentümer oder Betreiber der Tankstelle. Sie sind daher nicht als Zustandsstörer oder Verursacher anzusehen. Auch eine Haftung der Beklagten als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers lehnt das Gericht ab. Der Begriff der Gesamtrechtsnachfolge besagt für Personen, dass das Vermögen des Erblassers (inkl. der „Verbindlichkeiten“) auf die Erben über geht. Umstritten ist, ob die Verursachereigenschaft eines Erblassers im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auch an künftige Erbengenerationen „vererbt“ wird (sog. sukzessive Gesamtrechtsnachfolge). Nach der Ansicht des OLG München findet eine Gesamtrechtsnachfolge in die Verursachereigenschaft eines Erblassers nur gegenüber den unmittelbaren Erben des Verursachers bzw. Erblassers statt. Schließlich beruht die Haftung des Gesamtrechtsnachfolgers auf dem sog. Verursacherprinzip. Dieses besagt, dass die Kosten für bodenschutzrechtliche Maßnahmen aus dem Vermögen des Verursachers beglichen werden sollen. Mit jedem Erbfall wächst jedoch der Abstand zum Verursacher bzw. Erblasser, weshalb das Verursacherprinzip immer weniger eine Haftung der nachfolgenden Erbengenerationen begründen kann. Zudem besteht eine Ungewissheit darüber, ob und inwieweit das Vermögen des Verursachers überhaupt an die Erbeserben gelangt ist. Die Beklagten sind als Erbeserben nach der Ansicht des Gerichts demnach nicht als Gesamtrechtsnachfolger des Verursachers (Herrn J.M.) einzustufen.

2. Kampfmittelrecht - Architektenhaftung bei unterlassener Kampfmitteluntersuchung

OLG Hamm, Urteil vom 18.5.2021 - 24 U 48/20

Die Entscheidung des OLG Hamm hat eine große praktische Relevanz für Architekturbüros. Sie zeigt, dass Kampfmittelüberprüfungen auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zum Leistungsumfang von Architekten gehören können. Ob und inwieweit sich aus Bebauungsplänen und Baugenehmigungen Hinweise im Hinblick auf eine Kampfmittelfreiheit ziehen lassen können, muss für jeden Einzelfall sorgfältig geprüft werden. Dabei ist nach den Vorgaben der jeweils anwendbaren Landesbauordnungen in der Regel davon auszugehen, dass die Kampfmittelfreiheit durch den Bauherren/Grundstückseigentümer eigenverantwortlich sichergestellt werden muss.

Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten im Hinblick auf Mehrkosten, die der Klägerin wegen einer verspäteten Entdeckung eines Kampfmittelverdachts entstehen. Die Klägerin errichtete im Jahre 2014 eine Studentenwohnanlage. Sie hat die Beklagte mit der Erbringung von Architektenleistungen beauftragt. Eine Kampfmitteluntersuchung (Luftbildauswertung) haben weder die Klägerin als Bauherrin noch die Beklagte vorgenommen. Hinweise darauf, dass es sich bei den streitgegenständlichen Grundstücken um Kampfmittelverdachtsflächen handelt, ergaben sich weder aus dem Bebauungsplan noch aus der Baugenehmigung. Nach Errichtung der Wohnanlage stellte die Klägerin jedoch fest, dass sich die Studentenwohnanlage im Gebiet einer Kampfmittelverdachtsfläche befindet. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte vertraglich verpflichtet war, vor der Errichtung der Studentenwohnanlage eine Kampfmitteluntersuchung durchzuführen bzw. in Auftrag zu geben. Nunmehr müsse die Klägerin im Falle einer etwaigen Kampfmittelräumung mit Mehrkosten rechnen, die von der Beklagten zu ersetzen seien. Die Beklagte ist hingegen der Ansicht, dass sie vertraglich nicht verpflichtet gewesen sei, eine Kampfmitteluntersuchung durchführen zu lassen. Das Landgericht Münster gab der Klage statt und stellte fest, dass die Beklagte verpflichtet ist, etwaige Mehrkosten zu ersetzen, die der Klägerin wegen der verspäteten Durchführung der Kampfmitteluntersuchung entstehen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts Münster wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.

Die Berufung ist nach der Ansicht des OLG Hamm unbegründet.  Die Beklagte war auf der Grundlage des Architektenvertrages verpflichtet, alle erforderlichen Planungsleistungen zur ordnungsgemäßen Realisierung des Bauvorhabens zu erbringen. Die Abklärung der Kampfmittelbelastung betrifft die Frage, ob das jeweilige Grundstück bebaubar ist. Diese Frage ist als eine vertragliche Grundleistung anzusehen, die von der Beklagten auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zu erbringen war. Diese vertragliche Pflicht hat die Beklagte verletzt. Sie konnte insbesondere nicht darauf vertrauen, dass die Grundstücke keine Kampfmittelverdachtsflächen darstellen. Zum einen wird eine Kampfmittelprüfung durch die Baugenehmigungsbehörden im Rahmen des Genehmigungsverfahrens grundsätzlich nicht vorgenommen. Eine erforderliche Kampfmittelprüfung muss der Bauherr vielmehr eigenverantwortlich vornehmen bzw. vornehmen lassen. Durch den Erlass einer Baugenehmigung wird eine Kampfmittelfreiheit also grundsätzlich nicht positiv bescheinigt. Lediglich für Sonderbauten findet nach den einschlägigen Vorschriften der Landesbauordnung NRW im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens eine behördliche Kampfmittelprüfung statt. Das streitgegenständliche Bauvorhaben war jedoch nicht als Sonderbau einzustufen.  Auch die Tatsache, dass im Bebauungsplan keine Hinweise auf eine mögliche Kampfmittelbelastung genannt waren, war nicht aussagekräftig, weil der Bebauungsplan aus dem Jahre 1974 stammt. Zwar ist nach § 9 Abs. 5 BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen der Kampfmittelbeseitigungsdienst zu beteiligen, wobei dieser mitzuteilen hat, welche Flächen im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Kampfmittelverdachtsflächen darstellen, jedoch fand § 9 Abs. 5 BauGB auf den streitgegenständlichen Bebauungsplan keine Anwendung. Deshalb konnten anhand des Bebauungsplanes keine Schlussfolgerungen hinsichtlich einer Kampfmittelfreiheit getroffen werden.

3. Keine Anfechtung von Verbindlichkeitserklärungen eines Sanierungsplans durch Umweltvereinigungen

VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 14.07.2021 – 10 S 141/20

Die Klägerin, eine Umweltvereinigung, wandte sich mit ihrer Klage gegen die Verbindlichkeitserklärung eines Sanierungsplans, konnte aber nur eingeschränkt eine Überprüfung durch das Gericht erreichen.

Wie Altlasten im Einzelfall saniert werden sollen, ist häufig umstritten. Im Falle größerer Sanierungsmaßnahmen mit einem für verbindlich erklärten Sanierungsplan, die in der breiteren Öffentlichkeit Aufmerksamkeit erhalten, können Meinungsverschiedenheiten über die richtige Sanierungsvariante dazu führen, dass bspw. Umweltvereinigungen Verwaltungsgerichtsverfahren mit dem Ziel einleiten, etwa anstelle einer Vor-Ort-Sicherung eine Auskofferung durchzusetzen. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob und inwiefern Umweltvereinigungen gegenüber Verbindlichkeitserklärungen eines Sanierungsplans klagebefugt sind.

Nach Auffassung des VGH BW kann eine anerkannte Umweltvereinigung zwar gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) Rechtsbehelfe (z.B. Anfechtungsklagen) gegen eine Vielzahl verschiedener Vorhabenzulassungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG einlegen, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen – zu diesen Vorhabenzulassungen zählt aber die bodenschutzrechtliche Verbindlichkeitserklärung eines Sanierungsplans nicht.

Eine solche Verbindlichkeitserklärung ist nicht „verbandsklagefähig“, weil sie nicht zu den in § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG genannten Entscheidungen gehört. Insbesondere ist die Verbindlichkeitserklärung keine Vorhabenzulassung i.S.d. Nr. 1, und es besteht auch keine UVP-Pflicht für eine Verbindlichkeitserklärung. Die Qualifizierung als Vorhabenzulassung scheitert daran, dass eine bodenschutzrechtliche Sanierung keiner vorherigen bodenschutzbehördlichen Kontrolle unterliegt und dass die Verbindlichkeitserklärung deswegen auch nicht teilweise Aspekte einer Zulassungsentscheidung enthält. Vorrangig ist stattdessen das Prinzip der privaten Sanierungsplanung, wie es in den §§ 13 und 14 BBodSchG zum Ausdruck kommt. Durch die Verbindlichkeitserklärung erhält der Sanierungsplan vielmehr nur insoweit andere rechtliche Qualität, als er über die bloße Darstellungsfunktion (§ 13 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG) rechtliche Bindungen erzeugt. Die Bodenschutzbehörde macht sich zwar den Plan zu eigen und erkennt die geplanten Maßnahmen als sachgerecht an – das führt aber nicht zu einer Zulassung der Sanierung, sondern zu einer Bindung der Bodenschutzbehörde an den Plan. Weil die Verbindlichkeitserklärung keine Vorhabenzulassung ist, ist sie auch keine Zulassungsentscheidung i.S.d. § 2 Abs. 6 UVPG, die UVP-pflichtig sein könnte; zudem zählt eine bodenschutzrechtliche Sanierung nicht zu den in Anlage 1 zum UVPG aufgeführten UVP-pflichtigen Vorhaben.

Eine „übliche“ Klagebefugnis der Umweltvereinigung gemäß § 42 Abs. 2 VwGO lehnte der VGH BW ab, weil es an der Möglichkeit einer subjektiven Rechtsverletzung der Umweltvereinigung fehlte und einer Umweltvereinigung keine „prokuratorische“ Rechtsstellung im Bodenschutzrecht zusteht.

Erteilt die Bodenschutzbehörde aber im Zusammenhang mit der Verbindlichkeitserklärung gleichzeitig auch wasserrechtliche Erlaubnisse für im Sanierungsplan vorgesehene gewässerbezogene Sicherungsmaßnahmen (z.B. Grundwasserentnahmen oder -messstellen), handelt es sich dabei um Vorhabenzulassungen i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG, die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG verbandsklagefähig sind.

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4. Störerauswahl bei fehlender Ermittelbarkeit eines Störers

Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 22.7.2021 - M 2 S 21.2950

Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Untersuchungsanordnung. Auf dem Grundstück der Antragstellerin haben Dritte bis Anfang 2016 einen Kfz- Reparaturservice sowie einen Kfz-Handel betrieben. Im März 2019 wurden auf dem Grundstück der Antragstellerin sowie auf dem benachbarten Grundstück der M. GmbH Ablagerungen von Gebinden vorgefunden, die teilweise ölige Flüssigkeiten und andere umweltgefährdende Stoffe aufwiesen. Es bestand der Verdacht einer schädlichen Bodenver-änderungen. Der Verursacher der schädlichen Bodenveränderung konnte nicht festgestellt werden. Mit Bescheid vom 29.04.2021 hat der Antragsgegner die Antragstellerin als Grundstückseigentümerin verpflichtet, einen Sachverständigenmit der Durchführung einer Detailuntersuchung zu beauftragen. Nähere Angaben zur Art und Weise der Untersuchung und zu den zu untersuchenden Parametern machte der Antragsgegner nicht. Die Antragstellerin behauptet, dass sich die zu untersuchenden Flächen im Wesentlichen auf dem benachbarten Grundstück der M. GmbH befinden würden. Deshalb sei die M. GmbH vorrangig zu verpflichten.

Der Antrag der Antragstellerin hat Erfolg. Nach der im Eilrechtsschutz gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage kommt das VG München zu dem Ergebnis, dass die Untersuchungsanordnung inhaltlich unbestimmt und deshalb rechtswidrig ist. Rechtsgrundlage für die getroffene Anordnungen ist § 9 Abs. 2 BBodSchG. Ein hinreichender Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder eine Altlast besteht vorliegend. Auch konnte die Antragstellerin als Zustandsstörerin (Grundstückseigentümerin) grundsätzlich zur Durchführung der Detailuntersuchung verpflichtet werden, da nach Einschätzung des Sachverständigen das Grundstück der Antragstellerin als potenzieller Eintragungsort ausgemacht werden konnte und der Verursacher nicht bekannt war. Außerdem konnte der Firmeninhaber der M. GmbH trotz mehrmaliger Versuche der Kontaktaufnahme nicht rechtzeitig erreicht werden. Deshalb konnte der Antragsgegner die Antragstellerin aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr vorrangig in Anspruch nehmen.

Die Untersuchungsanordnung ist nach der Ansicht des VG München aber inhaltlich unbestimmt und deshalb rechtswidrig. Ein Verwaltungsakt ist nur dann rechtmäßig, wenn die getroffenen Regelungen für den Adressaten klar und verständlich sind. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine auf § 9 Abs. 2 S. 1 BBodSchG gestützte Anordnung die Art und Weise der Untersuchungsmaßnahmen zumindest in ihren wesentlichen Zügen festzulegen hat. Die zuständige Behörde hat dabei insbesondere eine konkrete Aussage darüber zu treffen, mit welchen Mitteln die Untersuchungen durchzuführen sind und auf welche Parameter (Schadstoffe bzw. Schadstoffgruppen, Wirkungspfade) hin zu untersuchen ist. Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung jedoch nicht.

5. Anwendbarkeit des Bodenschutzrechts auf stillgelegte Deponien

VG Regensburg, Urteil vom 2.8.2021 – RO 8 K 19.301

In einem Verfahren vor dem VG Regensburg hat sich ein Grundstückseigentümer gegen eine Anordnung gewehrt, mit dem ihm auferlegt worden war, die gegenüber einem Deponiebetreiber ergangene Verbindlicherklärung einer bodenschutzrechtlichen Sanierungsplanung zu dulden. Die Deponie war bereits vor Jahrzehnten stillgelegt worden. Für das Gericht stellte sich insbesondere die Frage, ob Abfallrecht oder Bodenschutzrecht auf diese Deponie bzw. auf die im Zusammenhang mit dieser Deponie ergehenden behördlichen Entscheidungen anzuwenden ist.

Die Entscheidung überzeugt nur in Teilen. Richtig ist sicherlich, Altdeponien, die schon vor Jahrzehnten faktisch stillgelegt worden sind, nach heutigem Recht als endgültig stillgelegt anzusehen und daher für Maßnahmen gegen den Deponiebetreiber gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG Bodenschutzrecht anzuwenden. Bedenken bestehen jedoch gegen die Annahme des Gerichts, auch Maßnahmen gegenüber Dritten auf das Bodenschutzrecht zu stützen. § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG ordnet an, dass die Abfallbehörde mit Blick auf die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von schädlichen Bodenveränderungen oder sonstigen Gefahren gegenüber dem Deponiebetreiber die Vorschriften des BBodSchG anzuwenden hat. Mit Blick auf sonstige Umstände und mit Blick auf sonstige Adressaten bleibt es bei dem abfallrechtlichen Instrumentarium. Daher ist eine Duldungsanordnung gegenüber dem Grundstückseigentümer auf eine abfallrechtliche Rechtsgrundlage zu stützen. Beizupflichten ist insoweit den hilfsweisen Ausführungen des VG Regensburg, dass die Duldungsanordnung, wenn sie nicht auf das Bodenschutzrecht gestützt werden kann, ihre Rechtsgrundlage in der abfallrechtlichen Generalklausel des § 62 KrWG findet.

Gemäß §3 Abs. 1 Nr. 2 BBodSchG kommt den Vorschriften des KrWG Vorrang vor dem BBodSchG zu, soweit sie in Bezug auf die Stilllegung von Deponien auch Einwirkungen auf den Boden regeln. § 40 Abs. 2 Satz 2 des KrWG, der die Stilllegung von Deponien zum Gegenstand hat, bestimmt aber, dass für die Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften des BBodSchG anzuwenden sind, wenn der Verdacht besteht, dass von einer endgültig stillgelegten Deponie nach § 40 Abs. 3 KrWG schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen. Diese Anwendungsanordnung ist eine Rechtsfolgenverweisung, d.h. die Deponie verbleibt auch nach ihrer endgültigen Stilllegung im Abfallrechtsregime, die Abfallbehörde hat jedoch für die Heranziehung des Deponiebetreibers zur Erfassung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung die Vorschriften des BBodSchG anzuwenden, weil das KrWG insoweit keine ins Detail gehenden Bestimmungen enthält (BVerwG, Urteil vom 7.11.2018 – 7 C 18.18). Erst mit dem Ende der Nachsorgephase gemäß § 40 Abs. 5 KrWG endet das Abfallrechtsregime und beginnt die Geltung des Bodenschutzrechts aus sich selbst heraus.

Entscheidende Wegmarken für die Beantwortung der Frage, welche Behörde welche Normen auf stillgelegte Deponien anzuwenden hat, sind folglich die endgültige Stilllegung (§ 40 Abs. 3 KrWG) und das Ende der Nachsorgephase (§ 40 Abs. 5 KrWG). Beide Zeitpunkte hat die Abfallbehörde auf Antrag des Deponiebetreibers ausdrücklich festzustellen.

Allerdings wurde die Möglichkeit dieser förmlichen behördlichen Feststellungen erst 2001 eingeführt (zunächst in § 36 KrW-/AbfG a.F., der mit dem heutigen § 40 KrWG weitgehend deckungsgleich ist). Das VG Regensburg hatte jedoch über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem bereits 1977 die Behörde über die Stilllegung der Deponie informiert war, nachfolgend Rekultivierungs- und Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden und 1982 von der Behörde die Ordnungsgemäßheit dieser Maßnahmen bestätigt wurde. Das Gericht war der Auffassung, dass diese damalige faktische Stilllegung ausreicht, um von der heutigen Anwendbarkeit des Bodenschutzrechts gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG auszugehen. Die Norm sei für solche Altfälle zu modifizieren bzw. einschränkend auszulegen.

In dem entschiedenen Fall war zudem die Frage zu klären, auf welche konkrete Rechtsgrundlage die Duldungsanordnung gegenüber dem Grundstückseigentümer gestützt werden kann. Das VG Regensburg erachtete § 10 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG als einschlägig. Zwar erkennt das Gericht, dass § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG die Anwendbarkeit des Bodenschutzrechts lediglich mit Blick auf den Deponiebetreiber und nicht auch mit Blick auf Dritte – wie z.B. bei der Duldungsanordnung gegenüber dem Grundstückseigentümer – anordnet. Dieses Problem löste das Gericht jedoch mit der Überlegung, dass es bei der Duldungsanordnung ja gar nicht um die von § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG adressierte Heranziehung des Deponiebetreibers zur Sanierung der Deponie gehe und daher diese Norm es auch nicht ausschließe, die zur Durchsetzung der Sanierungspflicht erforderliche Duldungsanordnung gegenüber dem Grundstückseigentümer auf § 10 BBodSchG zu stützen.

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6. Zur Belastungsgrenze eines Handlungs- und Zustandsstörers

Verwaltungsgericht Sigmaringen, Beschluss vom 5.8.2021 - 5 K 3006/20

Die Antragsteller wenden sich gegen eine Anordnung zur Sanierung einer schädlichen Boden- und Grundwasserverunreinigung mit per- und polyfluorierten Chemikalien (PFC). Die Antragstellerin zu 1) ist eine GbR und betreibt auf der Grundlage einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung auf ihrem Betriebsgrundstück eine Eisenshredder- und Altautobehandlungsanlage. Die Antragsteller zu 2) und 3) waren Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1). Am 30.08.2007 kam es bei Entladearbeiten zu einem Großbrand der Schrotthalde, der erst nach fünf Tagen gelöscht werden konnte. Am Abend des zweiten Brandtages entschloss sich die Feuerwehr zu einem massiven Schaummitteleinsatz. Zum Einsatz kamen große Mengen PFC-haltigen Löschschaums, der nicht vollständig wieder aufgefangen werden konnte und auf unter den Beteiligten im Einzelnen streitigen Wegen teilweise in den Boden gelangte. In der Folgezeit wurde das Schadensbild durch Sanierungsuntersuchungen konkretisiert. Mit Bescheid vom 12.08.2020 verpflichtete der Antragsgegner die Antragsteller zur Sanierung des PFC-Schadens. Die voraussichtlichen Sanierungskosten belaufen sich auf mehrere Millionen Euro. Den Antragsstellern zu 2) und zu 3) ist vor Erlass der Sanierungsanordnung eine Gelegenheit zur Stellungnahme mit einer Frist von 4 Tagen gegeben worden. Eine Einschränkung der Kostentragungspflicht fand im Hinblick auf die Sanierungskosten nicht statt. Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die Feuerwehr als Handlungsstörerin sanierungspflichtig sei. Außerdem habe aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine Einschränkung der Kostentragungspflicht auf den Verkehrswert der Grundstücke nach erfolgreicher Sanierung zu erfolgen.

Auch eine Sanierungspflicht der Feuerwehr bzw. deren Rechtsträgers lässt sich grundsätzlich mit allgemeinen gefahrenrechtlichen Bedingungen in Einklang bringen. Eine Sanierungspflicht der Feuerwehr kann etwa bestehen, wenn der Einsatz umwelt-gefährdender Löschmittel zur Brandbekämpfung nicht notwendig oder nach chemikalien-rechtlichen Vorschriften verboten war. Weitergehende Ausführungen zur Verantwortlichkeit der Feuerwehr finden sich in unserem Aufsatz „Boden-schutzrechtliche Verantwortlichkeit beim Einsatz von PFC-haltigen Löschschäumen“, erschienen im Altlasten-Spektrum, 2021, S. 57 ff.

Die Anträge haben nur teilweise Erfolg. Lediglich die Sanierungsanordnung gegenüber den Antragstellern zu 2) und zu 3) ist rechtswidrig, da der Antragsgegner ihnen keine angemessene Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, § 28 VwVfG. Das Gericht kommt jedoch nach der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass die Sanierungsanordnung gegenüber der Antragstellerin zu 1) rechtmäßig ist. Zunächst führt das Gericht aus, dass die Antragstellerin zu 1) nicht nur als Zustandsstörerin, sondern auch als Handlungsstörerin einzustufen ist. Handlungsstörer ist jede natürliche oder juristische Person, die an einer Bodenkontamination zumindest als Teilverantwortlicher mitgewirkt hat. Die Mitwirkung kann in einem Handeln, Dulden oder Unterlassen bestehen. Allerdings reicht eine bloße Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne für eine Verursacherhaftung nicht aus. Vielmehr bedarf es insbesondere bei mehreren möglichen Verursachern und unterschiedlichen Verursachungsbeiträgen einer wertenden Zurechnung der vorgefundenen Kontamination. Danach ist derjenige Störer, der bei wertender Betrachtung des Einzelfalls durch seinen Beitrag die Gefahrenschwelle überschritten und dadurch die unmittelbare Ursache für den Eintritt der Gefahr gesetzt hat. Vorliegend begründet das Gericht eine Verursachereigenschaft zu Lasten der Antragstellerin zu 1) damit, dass diese die zulässige Höhe (8m) der in Brand geratenen Schrotthalde mit 19m deutlich überschritten hatte. Die Höhe der Schrotthalde erschwerte die Brandbekämpfung erheblich und führte nach den gerichtlichen Feststellungen zu der Notwendigkeit des PFC-Löschmitteleinsatzes. Ferner hat die Antragstellerin zu 1) gegen die Vorgaben aus Nr. 3.4 des Anhangs 2 der Verordnung des Umweltministeriums über die Eigenkontrolle von Abwasseranlagen (Eigenkontrollverordnung) verstoßen. Nach dieser Bestimmung war an nicht einsehbaren Abwasserkanälen, -leitungen oder -becken eine regelmäßige Prüfung auf Dichtheit vorzunehmen. Die vor dem Brandereignis fällige Dichtheitsprüfung hat die Antragstellerin zu 1) indes mit einer Verspätung von einigen Jahren erst nach dem Brandereignis durchführen lassen. Bei dieser Überprüfung sind Risse bzw. Leckagen an den Leitungen festgestellt worden, sodass verunreinigtes Wasser unkontrolliert ins Erdreich eindringen konnte. Auch diese Gefahrenquelle war nach der Auffassung des Gerichts mitursächlich für den Eintritt des PFC-Schadens. Da die Antragstellerin zu 1) nicht nur als Zustandsstörerin, sondern auch als Verursacherin i.S.v. § 4 Abs. 3 BBodSchG sanierungspflichtig ist, haftet diese mit ihrem Vermögen uneingeschränkt für die anfallenden Sanierungskosten. Eine Einschränkung der Kostentragungspflicht auf den Verkehrswehrt der Grundstücke nach erfolgreicher Sanierung musste der Antragsgegner nicht vornehmen. Denn diese auf Zumutbarkeitserwägungen beruhende Einschränkung der Kostentragungspflicht erfolgt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur gegenüber „reinen“ Zustandsstörern (BVerfG, Beschluss vom 16.02.2000 - 1 BvR 242/91). Abschließend führte das Gericht aus, dass der Antragsgegner berechtigterweise von einer Inanspruchnahme der Feuerwehr abgesehen hat.  Insbesondere war der Einsatz des PFC-haltigen Löschmittels nach den Ausführungen des Gerichts notwendig und nach den damals geltenden chemikalienrechtlichen Vorschriften erlaubt.

7. Gewährleistungsrecht - Verpflichtung zur Altlastenbeseitigung am Gemeinschaftseigentum einer Wohnungseigentümergemeinschaft

OLG München, Urteil vom 2.9.2021 - 8 U 1796/18

Die Klägerin macht Nacherfüllungs-, Kaufpreisminderungs- und Schadensersatzansprüche aufgrund von Bodenverunreinigungen gegen die Beklagte geltend. Die Beklagte hat das streitgegenständliche Gebäude in Wohnungseigentum aufgeteilt und an einzelne Mitglieder der Klägerin (eine Wohnungseigentümergemeinschaft) veräußert. Etwa ab Ende Januar 2013 begann die Beklagte damit, die Böden des Innenhofs und der Außenflächen der Wohnanlage auf deren Baugrundtragfähigkeit untersuchen zu lassen, da sie den Bau einer Tiefgarage beabsichtigte. Am 05.03.2013 wurde der Beklagten mitgeteilt, dass Bodenauffüllungen im Innenhof festgestellt worden sind und das weitergehende Bodenanalysen erforderlich sind. Die in der Folgezeit abgeschlossenen Kaufverträge sehen zugunsten der Beklagten einen vollständigen Gewährleistungsausschluss vor. Die Beklagte versicherte außerdem, dass ihr verdeckte Mängel, insbesondere schädliche Bodenveränderungen/Altlasten nicht bekannt sind. Ende März stellte die Beklagte jedoch fest, dass die Bodenauffüllungen mit Schadstoffen belastet sind. Ende April 2013 hat die Beklagte außerdem festgestellt, dass der gesamte Innenhofbereich Bodenbelastungen aufweist. Zeitgleich wurde festgestellt, dass auch der Boden des Außenbereichs der Wohnanlage mit Schadstoffen verunreinigt ist. Die Beklagte hat den Verkauf der Wohneinheiten daher zunächst unterbrochen. Ab 29.05.2013 nahm die Beklagte die Wohnungsveräußerung jedoch wieder auf. Hierbei klärte die Beklagte die Käufer jedoch unvollständig über die Altlastensituation auf und schloss eine Haftung für den Außenbereich der Wohnanlage aus.  Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin im Kern eine Feststellung dahingehend, dass die Beklagte im Hinblick auf die betroffenen und von ihr veräußerten Wohnungen uneingeschränkt schadensersatz- und gewährleistungspflichtig ist. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte die Altlastensituation arglistig verschwiegen habe und sich deshalb nicht auf die jeweils vereinbarten Haftungsausschlüsse berufen könne. Daher sei die Beklagte im Wege der kaufvertraglichen Nacherfüllung (Gewährleistung) uneingeschränkt zur Altlastenbeseitigung verpflichtet. Das Landgericht München gab der Klage nur teilweise statt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht schulbuchmäßig die Grenzen einer altlastenrechtlichen Haf-tungsfreistellung. Diese kann zugunsten des Verkäufers nur dann wirksam vereinbart wer-den, wenn der Käufer vollum-fänglich über einen bekannten und aufklärungsbedürftigen Sachmangel aufgeklärt wird. Im altlastenrechtlichen Kon-text bedeutet dies insbesondere eine vollständige Aufklärung über einen dem Verkäufer be-kannten Altlastenverdacht sowie eine Aufklärung über bekannte Boden- und/oder Grundwasserverunreinigungen. Die bewusste Zurückhaltung relevanter Informationen durch den Verkäufer wird im Zweifel immer zu einer Unwirk-samkeit der Haftungsfreistel-lung führen.

Das OLG München gab der Berufung statt. Nach der Auffassung des Gerichts steht der Klägerin ein voller Nachbesserungsanspruch gemäß den §§ 434 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 437 Nr. 1 BGB gegen die Beklagte zu. Die Altlastensituation stellt einen kaufvertragsrechtlichen Mangel dar. Außerdem war der Beklagten bereits vor dem Abschluss der streitgegenständlichen Kaufverträge bekannt, dass ein Altlastenverdacht vorliegt, der einen aufklärungsbedürftigen Sachmangel begründet. So hatte die Beklagte bereits am 05.03.2013 festgestellt, dass sich im Innenhof und im Außenbereich der Wohnanlage eine verfüllte Kiesgrube

befindet. Dies begründet nach den Ausführungen des OLG München einen Altlastenverdacht, da Kiesgruben historisch vor allem mit Asche- und Koksrückständen sowie sonstigem Schutt aufgefüllt worden sind und daher per se den Verdacht einer Kontaminierung begründen. Nach der Ansicht des OLG München kann sich die Beklagte nicht auf die jeweils vereinbarten Haftungsausschlüsse berufen. Für die im Zeitraum vom 05.03.2013 bis zum 11.04.2013 abgeschlossenen Kaufverträge kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Beklagte den ihr bekannten Altlastenverdacht arglistig verschwiegen hatte. Der vereinbarte Gewährleistungsausschluss ist deshalb unwirksam, § 444 BGB. Entsprechendes gilt im Hinblick auf eine Haftung aus den ab dem 29.05.2013 abgeschlossenen Kaufverträgen. Insoweit kommt das OLG München zu dem Ergebnis, dass die Beklagte die Altlastensituation nicht vollständig gegenüber den Käufern aufgeklärt hatte. Schließlich bezeichnete die Beklagte die maßgeblichen Flächen lediglich als „Altlastenverdachtsflächen“ obwohl ihr bereits ab Ende März 2013 bekannt gewesen ist, dass sowohl in Innenhof als auch im Außenbereich der Wohnanlage konkrete Bodenbelastungen festgestellt worden sind. Diese unvollständige Aufklärung und das zurückhalten von konkreten Informationen zur Altlastensituation begründet nach den Ausführungen des Gerichts ebenfalls ein arglistiges Verschwiegen über einen aufklärungsbedürftigen Sachmangel i.S.v. § 444 BGB.

8. Beseitigung einer bergrechtlichen Abfallentsorgungsanlage wegen fehlender Standorteignung

OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 3.11.2021 – 2 M 18/21

Mit Beschluss vom 3.11.2021 hat das OVG Sachsen-Anhalt bestätigt, dass die Betreiberin der Obertagedeponie Brüchau verpflichtet ist, einen Abschlussbetriebsplan zur vollständigen Auskofferung der Anlage vorzulegen.

Bei der Obertagedeponie Brüchau handelt es sich um eine unter Bergaufsicht stehende Anlage zur Entsorgung von Abfällen aus der Exploration und Produktion von Erdgas. Sie wurde 1972 in einem Tontagebau-Restloch errichtet und hauptsächlich in DDR-Zeiten mit Abfällen befüllt. In einer Sonderbetriebsplanzulassung von 2012 ordnete die Bergbehörde die Einstellung der Einlagerung weiterer Abfälle an und gab der Betreiberin auf, verschiedene Stilllegungsvarianten zu erarbeiten, hieraus eine Vorzugsvariante herauszuarbeiten und zur Umsetzung dieser Vorzugsvariante einen Abschlussbetriebsplan einzureichen. Im Mai 2020 legte die Betreiberin einen Untersuchungsbericht vor, in dem der Gutachter feststellte, dass die Tonbarriere an der Basis der Ablagerung an wenigstens zwei Stellen nicht vorhanden oder nicht hinreichend mächtig ist, um die in den abgelagerten Abfällen enthaltenen Schadstoffe von der Umwelt abzuschirmen. Von den zahlreichen, ursprünglich ins Auge gefassten Varianten zur Stilllegung der Anlage blieben nach Auffassung des Gutachters nur drei Varianten übrig. So sei es denkbar, die Abfälle vor Ort zu behandeln und wieder einzubauen (Variante 9), weiterhin alle Abfälle auszukoffern und extern zu entsorgen (Variante 10), und schließlich komme auch eine Abdichtung der beiden gefundenen Fehl-/Schwachstellen in der Ablagerungsbasis und die anschließende Errichtung einer Oberflächenabdichtung in Betracht (Variante 11). Die Bergbehörde verwarf jedoch die Varianten 9 und 11 und kam zu dem Ergebnis, dass nur die Variante 10 eine taugliche Variante zur Stilllegung der Anlage darstelle. Daher ordnete sie im August 2020 an, dass die Betreiberin bis zum 31.3.2021 einen Abschlussbetriebsplan zur vollständigen Auskofferung der Anlage vorzulegen habe.

Mit Blick auf stillgelegte Deponien nach Deponie-recht kam das BVerwG bereits in seinem Klärschlamm-Urteil vom 8.7.2020 – 7 C 19.18 – zu einem ganz ähnlichen Ergebnis: Besteht die Deponie ganz oder überwiegend aus Abfällen, die nach den einschlägigen deponie- und sonstigen abfallrechtlichen Vorgaben – etwa wegen unzureichender Untergrundbeschaffenheit – an diesem Standort nicht abgelagert werden dürfen, muss diese Deponie beseitigt.

In dem nun entschiedenen vorläufigen Rechtsschutzverfahren hat das OVG Sachsen-Anhalt diese Anordnung als voraussichtlich rechtmäßig erachtet. Es hat bestätigt, dass mit dem Ende der Einlagerungsphase in 2012 die Stilllegungsphase der bergbaulichen Abfallentsorgungsanlage begonnen hat und dass die Anlage auch in dieser Stilllegungsphase sämtliche bergrechtlichen Anforderungen an den Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage erfüllen muss. Zu diesen Anforderungen zählen insbesondere die Anforderungen gemäß § 22a Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. Anhang 6 Nr. 2 ABBergV. Demnach muss die Abfallentsorgungseinrichtung u.a. an einem Standort errichtet und betrieben werden, der geologisch, hydrogeologisch und geotechnisch geeignet ist. Stellt sich nachträglich – ggf. auch erst nach Betriebseinstellung – heraus, dass die Abfallentsorgungseinrichtung den Anforderungen an den Standort nicht entspricht, muss sie entsprechend nachgerüstet werden. Für die Frage, ob ein Standort für eine Abfallentsorgungseinrichtung gemäß ABBergV geologisch, hydrogeologisch und geotechnisch geeignet ist, kann auf das sog. „Referenzdokument über die besten verfügbaren Techniken für die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie“ (Best Available Techniques (BAT) Reference Document for the Management of Waste from Extractive Industries – MWEI BREF) zurückgegriffen werden.

Wie das Gericht festgestellt hat, entspricht die Obertagedeponie Brüchau diesen Anforderungen nicht. An wenigstens zwei Stellen ist der eigentlich als geologische Barriere dienende Geschiebemergel an der Ablagerungsbasis entweder nicht oder nur geringmächtig vorhanden. Auf diesen rechtswidrigen Zustand durfte die Bergbehörde daher mit einer Anordnung auf der Grundlage der allgemeinen bergrechtlichen Anordnungsbefugnis in § 71 Abs. 1 Satz 1 BBergG reagieren. Diese Befugnis umfasst die Anordnung zur Vorlage eines Abschlussbetriebsplans. Dabei durfte der Betreiberin auch vorgegeben werden, dass der Abschlussbetriebsplan die vollständige Auskofferung der Anlage (Variante 10) vorsehen muss. Denn von den drei Varianten 9, 10 und 11, die der Gutachter der Betreiberin als denkbar erachtete, durfte die Bergbehörde die Varianten 9 und 11 als ungeeignet einstufen, da keine hinreichende Sicherheit für ihre Umsetzbarkeit besteht.

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9. Rechtmäßigkeit grundwasser- und bodenschutzrechtlicher Überwachungspflichten als immis-sionsschutzrechtliche Nebenbestimmungen

Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 9.12.2021 - 13 K 2755/20

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von grundwasser- und bodenschutzrechtlichen Nebenbestimmungen zu einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die Klägerin ist ein führendes deutsches Chemieunternehmen. Sie betreibt am Standort E. eine DSP2-Anlage zur Herstellung von Naphthalinsulfonsäure. Die Klägerin beantragte eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur wesentlichen Änderung der DSP2-Anlage. Die Beteiligten diskutierten im Vorfeld der Genehmigungserteilung die Erforderlichkeit von Maßnahmen zur Überwachung des Bodens und Grundwassers. Die Beklagte erteilte die klägerisch begehrte Genehmigung. Die Genehmigung war jedoch mit Nebenbestimmungen versehen, mit denen die Klägerin zur Durchführung regelmäßiger Untersuchungsmaßnahmen (Boden/Grundwasser) verpflichtet worden ist. Die Klägerin wendet sich gegen die Nebenbestimmungen. Sie meint, dass die Nebenbestimmungen bereits formell rechtswidrig seien, da es an einer hinreichenden Begründung fehle. Außerdem seien die Nebenbestimmungen zum Boden- und Grundwasserschutz nicht erforderlich.

Die Klage hat Erfolg. Die angefochtenen Nebenbestimmungen sind als Auflagen i.S.v. § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG isoliert angreifbar und nach Ansicht des Gerichts hier auch rechtswidrig. Zwar bestehen keine rechtlichen Bedenken wegen der fehlenden Begründung der einzelnen Nebenbestimmungen, gleichwohl auch für immissionsschutzrechtliche Auflagen das Begründungserfordernis des § 10 Abs. 7 S. 1 BImSchG gilt, da diese Bestandteil des Genehmigungsbescheides sind. Aufgrund ihres Charakters als selbständige und belastende Regelungen bedürfen daher auch Auflagen grundsätzlich einer gesonderten Begründung. Vorliegend fand zwischen den Beteiligten im Vorfeld der Genehmigungserteilung jedoch ein intensiver Austausch im Hinblick auf die Erforderlichkeit und den potenziellen Inhalt der angegriffenen Nebenbestimmungen statt. Deshalb war die Rechtsauffassung der Genehmigungsbehörde der Klägerin bereits bekannt. Eine gesonderte Begründung der einzelnen Nebenbestimmungen war somit nach der Auffassung des VG Köln hier nicht erforderlich.

Die Entscheidung des VG Köln ist äußerst praxisrelevant. Sie veranschaulicht, dass Auflagen zur Umsetzung von Vorsorgemaßnahmen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG unter dem Grundsatz der Erforderlichkeit stehen. Von den zu-ständigen Behörden wird da-her verlangt, dass sich diese dezidiert damit auseinander-setzen und ggf. begründen, weshalb Nebenbestimmungen zur Gefahrenvorsorge erforderlich sind.

Allerdings sind die angegriffenen Nebenbestimmungen rechtswidrig, weil sie zum Boden- und Grundwasserschutz nicht erforderlich sind. Nach der einschlägigen Ermächtigungsgrundlage kann eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nur dann mit Auflagen verbunden werden, sofern die Auflagenerteilung zur Einhaltung der in § 6 BImSchG genannten Genehmigungsvoraussetzungen „erforderlich“ ist. Eine Auflage kann dabei auch der Erfüllung der immissionsschutzrechtlichen Vorsorgepflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG dienen. Danach sind Anlagen so zu errichten und zu betreiben, dass schädliche Umwelteinwirkungen verhindert werden. Die Genehmigungsbehörde hätte jedoch vor einer Verpflichtung der Klägerin prüfen müssen, ob die angeordneten Vorsorgemaßnahmen zur Gefahrenvorsorge überhaupt erforderlich sind. Dies setzt eine einzelfallabhängige Prüfung des Sachverhalts voraus, welche die Genehmigungsbehörde im vorliegenden Fall nach der Ansicht des Gerichts nicht vorgenommen hat. Allein die Tatsache, dass in der zu genehmigenden Anlage umweltgefährdende Stoffe eingesetzt werden, begründet für sich genommen keine Erforderlichkeit von Vorsorgemaßnahmen.

10. Baurecht - Prüfpflicht bodenschutzrechtlicher Belange im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren

Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 16.12.2021 - 2 A 100/20

Die Beteiligten streiten über eine bodenschutzrechtlich begründete Nebenbestimmung zu einer Baugenehmigung. Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, welches sich im unbeplanten Innenbereich befindet.  Sie erwarb das Grundstück im Jahre 1991 und bezog das dort befindliche Wohnhaus. Um das Grundstück für private Wohnzwecke nutzbar zu machen, ließ die Klägerin eine auf dem Grundstück befindliche LKW-Halle abbrechen. Im Zuge der Abbrucharbeiten traten Bodenverunreinigungen und der Verdacht einer Grundwasserverunreinigung zutage. Die Klägerin ließ daraufhin Untersuchungs- sowie Sanierungsmaßnahmen durchführen. In den Folgejahren gab es keine weiteren bodenschutzrechtlichen Maßnahmen. Im Jahre 2018 wurden jedoch im näheren Umfeld zum klägerischen Grundstück erhöhte Grundwasser-Konzentrationen von leichtflüchtigen chlorierten Kohlenwasserstoffen (LCKW) festgestellt. Dies begründete einen weiteren Untersuchungsbedarf für das Grundstück der Klägerin. Die Klägerin stellte zur Errichtung einer Garage und der Erweiterung ihres Wohnhauses einen Bauantrag. Mit Bescheid vom 02.12.2021 erließ der Beklagte die Baugenehmigung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Die Baugenehmigung enthält jedoch eine Auflage, nach der die Klägerin nur dann mit den Baumaßnahmen beginnen darf, wenn die Bodenschutzbehörde schriftlich erklärt, dass auf dem klägerischen Grundstück keine schädliche Bodenveränderung oder Altlast vorliegt. Die erforderlichen Grundstücksuntersuchungen sollten auf Kosten der Bodenschutzbehörde erfolgen. Die Klägerin möchte jedoch vor Abschluss der behördlichen Untersuchungsmaßnahmen mit der Ausführung der genehmigten Baumaßnahmen beginnen. Sie meint, dass Sie einen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung ohne Auflage habe. Dies sei schon deshalb der Fall, weil das Bodenschutzrecht im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nicht zum Prüfprogramm der Baubehörde gehöre.

Diese Entscheidung verdeutlicht das Verhältnis des Baurechts zum Bodenschutz-recht. Nach der Entscheidung des Gerichts muss die Vereinbarkeit eines Bauvorhabens mit bodenschutzrechtlichen Vorschriften selbst im verein-fachten Baugenehmigungsverfahren geprüft und ggf. durch Auflagen zur Baugenehmigung sichergestellt werden. Diese Prüfpflicht leitet das Gericht vor allem aus der bundesgesetzlichen Vorschrift des § 34 BauGB ab. Damit hat die Entscheidung des VG Lüneburg eine bundesweite Relevanz.

Die Klage hat keinen Erfolg, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung der Baugenehmigung ohne Auflage hat. Gemäß § 70 Abs. 1 NBauO ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn die Baumaßnahme dem öffentlichen Baurecht entspricht. Umgekehrt darf eine Baugenehmigung nicht erteilt werden, sofern das Bauvorhaben Vorschriften widerspricht, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind. Hier widerspricht das klägerische Bauvorhaben aufgrund des bestehenden Verdachts auf das Vorliegen von LCKW-Verunreinigungen bodenschutzrechtlichen Vorschriften. Nach den Feststellungen des VG Lüneburg liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich auf dem klägerischen Grundstück eine schädliche Bodenveränderung befindet. Dies löst gemäß § 9 Abs. 1 BBodSchG behördliche Ermittlungspflichten aus, was der Erteilung einer Baugenehmigung ohne bodenschutzrechtliche Auflage entgegensteht. Entgegen der Ansicht der Klägerin, ist die Vereinbarkeit eines Bauvorhabens mit bodenschutzrechtlichen Belangen auch im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen. Dabei führt das Gericht aus, dass sich die Zulässigkeit des klägerischen Bauvorhabens nach § 34 BauGB richtet. Diese Vorschrift begründet nach der Ansicht des VG Lüneburg eine Prüfpflicht von bodenschutzrechtlichen Belangen im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Überdies würde eine Umsetzung der Baumaßnahmen vor Abschluss der behördlichen Untersuchungen eine ordnungsgemäße und hinreichende Untersuchung des klägerischen Grundstücks behindern. Ein Beginn der Baumaßnahmen vor Abschluss der behördlichen Untersuchungen ist daher unvereinbar mit § 9 Abs. 1 BBodSchG. § 9 Abs. 1 BBodSchG ist wiederum als sonstiges öffentliches Recht i.S.d. § 2 Abs. 17 NBauO gemäß § 63 Abs. 1 Nr. 1 NBauO Prüfungsgegenstand im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren. Die Baubehörde hat daher sicherzustellen, dass genehmigte Baumaßnahmen nicht mit durchzuführenden Untersuchungs- oder Sanierungsmaßnahmen kollidieren.

11. Zur ordnungsgemäßen Störerermittlung und Störerauswahl

VG Augsburg, Beschluss vom 17.12.2021 – Au 9 S 21.1897

Das VG Augsburg hat sich in dem vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit den nötigen Erwägungen zur Störerauswahl bei der Anordnung der Erstellung eines Untersuchungskonzepts im Hinblick aufeine bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung beschäftigt. Konkret ging es in dem Fall um die Verfüllung einer ehemaligen Kiesgrube mit einem Deponievolumen von ca. 25.000 m³. Diese Kiesgrube stand im Eigentum der Antragsgegnerin, die wiederum der Antragstellerin vertraglich ein Recht zu Auffüllung mit Schutt im Umfang von 5.000 m³ einräumte. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG kann die zuständige Behörde die notwendigen Untersuchungen zur Gefährdungsabschätzung anordnen, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte ein hinreichender Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast besteht. Hierzu können die in § 4 Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen herangezogen werden.

Nach summarischer Prüfung kam das VG Augsburg zu dem Ergebnis, dass die Störerauswahl im vorliegenden Fall ermessensfehlerhaft durchgeführt wurde und der Bescheid somit rechtswidrig ist. Denn zur pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens bedarf es zunächst der zutreffenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes einschließlich aller ernsthaft in Betracht kommenden Störer und ihrer jeweiligen Verantwortlichkeit sowie deren Möglichkeit zur Beseitigung der Verunreinigung. Der so ermittelte Sachverhalt ist dann zur Grundlage der Störerauswahl zu machen. § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 BBodSchG begründen dabei auch kein Rangverhältnis hinsichtlich der als Adressaten in Betracht kommenden Verantwortlichen, sondern lassen eine in erster Linie an der Effektivität der gefahrenabwehrorientierte Auswahlentscheidung zu.

Im vorliegenden Fall hatte die Antragsgegnerin nicht alle gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG in Betracht kommenden Verantwortlichen in die Überlegung zu Störerauswahl mit einbezogen, sodass das VG Augsburg ihre Erwägungen als unzureichend erachtete. Dies liegt insbesondere daran, dass die Antragsgegnerin sich selbst als mögliche Verursacherin nicht in die Störerauswahl aufgenommen hat.

Das VG Augsburg war der Auffassung, dass die Antragsgegnerin ihre Rolle im Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Verfüllung einer ehemaligen Kiesgrube hätte berücksichtigen müssen. Konkret sprach hierfür das Eigentum der Antragsgegnerin im Zeitpunkt der Verfüllung, die damals beabsichtigte Inanspruchnahme der Kiesgrube als Ersatz für einen zu 80 % befüllten Schuttplatz durch die Antragsgegnerin, selbst. Hierfür nahm das VG Augsburg eigene Berechnungen anhand der bekannten Verfüllhöhen vor, um bereits aufgrund der niedrigsten bekannten Verfüllhöhe festzustellen, dass die Antragsgegnerin einen wesentlichen Teil der Verfüllungen selbst vorgenommen haben muss. Darüber hinaus hatte die Antragstellerin vertragsgemäß lediglich mit Schutt verfüllt, sodass die Vermutung im Raum stand, die in der verfüllten Kiesgrube vorgefundenen gewerblichen Abfälle und der Hausmüll stammen ebenfalls von der Antragsgegnerin. Nach Auffassung des VG Augsburg hätte es deshalb auch einer detaillierten Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle und einem entsprechend erhöhten Begründungsaufwand seitens der Antragsgegnerin bedurft. Die potentiell gegebene (Mit-)Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin selbst wurden jedoch weder im angegriffenen Bescheid erwähnt, noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 114 Satz 2 VwGO ergänzt.

12. Fehlerhafte Störerauswahl durch Bodenschutzbehörde

Verwaltungsgericht Weimar, Urteil vom 6.1.2022 – 7 K 578/17 We

Die Klägerin wendet sich gegen eine bodenschutzrechtliche Untersuchungsanordnung. Sie betreibt ein metallverarbeitendes Unternehmen. Zum klägerischen Betriebsgelände gehörte ein Containerstellplatz, der sich jedoch nicht im Eigentum der Klägerin befindet. Der Containerstellplatz ist für Dritte frei zugänglich und wurde von der Klägerin zur Sammlung und Lagerung von Produktionsabfällen genutzt. In den Jahren 2012 und 2013 konnte in zwei Fällen ein Auslaufen des wassergefährdenden Kühlschmiermittels Kadesol HP 50 aus undichten Containern der Klägerin ermittelt werden. Außerdem konnte durch eine Probenahme von losem Bodenmaterial per Hand festgestellt werden, dass dieses Material beim Zerreiben einen deutlichen Schmierfilm auf der Handfläche hinterlässt. Der Beklagte erließ daraufhin gegenüber der Klägerin eine Untersuchungsanordnung zur Gefährdungsabschätzung. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 BBodSchG ihr gegenüber nicht vorliegen würden. So seien keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sie Verursacherin einer schädlichen Bodenveränderung sei. Vielmehr hätte der Beklagte vor einer Inanspruchnahme der Klägerin selbst orientierende Untersuchungen zur weitergehenden Sachverhaltsaufklärung vornehmen müssen. Darüber hinaus sei die Untersuchungsanordnung rechtswidrig, da der Beklagte im Rahmen seiner Ermessensausübung nicht alle in Betracht kommenden Störer berücksichtigt habe.

Die Klage hat Erfolg. Da die Klägerin nicht Eigentümerin des Containerstellplatzes ist, kann eine Untersuchungsanordnung gegenüber der Klägerin nur dann rechtmäßig erlassen werden, sofern hinreichende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin Verursacherin einer schädliche Bodenveränderung i.S.v. § 9 Abs. 2 BBodSchG ist. Ob das seitens des Beklagten vorgetragene und lediglich in zwei Fällen belegte Auslaufen des Kühlschmiermittels aus undichten Containern der Klägerin ohne Durchführung einer behördlichen orientierenden Untersuchung hinreichende Anhaltspunkte dafür belegt, dass die Klägerin Verursacherin einer schädlichen Bodenveränderung ist, wird von dem VG Weimar angezweifelt. Schließlich wurde der Containerstellplatz auch von Dritten zur Lagerung von umweltgefährdenden Stoffen genutzt. Die Untersuchungsanordnung ist jedenfalls ermessensfehlerhaft erlassen worden. So hat es der Beklagte bei seiner Entscheidung über die Auswahl des Adressaten der Untersuchungsanordnung rechtswidrig unterlassen, den Eigentümer des Containerstellplatzes als Zustandsstörer mit einzubeziehen.

13. Zur Kostenerstattungspflicht der Bundesrepublik für die Beseitigung eines Ölschadens „an einer“ Bundeswasserstraße

Verwaltungsgericht Hannover, Urteil vom 12.1.2022 - 10 A 2803/19

Nach der Auffassung des Gerichts übt der Eigentümer eines Gewässerbetts „in der Regel“ die tatsächliche Sachherschafft über das im jeweiligen Gewässerbett fließende Wasser aus. Eine derart pauschalisierte Begründung der tatsächlichen Sachherrschaft ist jedoch kritikwürdig. Denn aus der bloßen Eigentumsposition am Gewässerbett kann nicht generell gefolgert werden, dass der Gewässerbett-Eigentümer auch die tatsächliche Sachherrschaft über das in seinem Gewässerbett fließende Wasser ausübt. Die Frage, wer Inhaber der tatsächlichen Sachherrschaft ist, muss viel-mehr anhand aller Umstände des Einzelfalles geprüft werden. Maßgeblich ist, welche konkreten Einwirkungsmöglichkeiten der Gewässerbett-Eigentümer auf das fließende Wasser hat

Die Bundesrepublik Deutschland wendet sich als Klägerin gegen die Heranziehung zur Erstattung von Feuerwehrkosten.  Am 02.10.2016 stellte eine Passantin einen sich auf dem Mittellandkanal ausbreitenden Ölteppich fest und alarmierte die Feuerwehr der Stadt C. Diese beseitigte daraufhin den Ölschaden. Nachdem die Beklagte, also die Stadt C. als Rechtsträgerin der Feuerwehr, der Klägerin eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt hatte, verpflichtete sie die Klägerin per Kostenbescheid zur Erstattung der Feuerwehreinsatzkosten. Hiergegen macht die Klägerin im Kern geltend, dass sie nicht kostenpflichtig sei. Die Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes seien zwar nach BWaStrG u.a. gehalten, zur Gefahrenabwehr Maßnahmen zu treffen, die nötig seien, um die Bundeswasserstraße in einem für die Schifffahrt erforderlichen Zustand zu erhalten (sog. Strompolizei), diese Pflicht betreffe jedoch nicht die Beseitigung von solchen Verunreinigungen einer Bundeswasserstraße, die keinen Einfluss für die Schifffahrt haben. Die Beseitigung des Ölschadens sei daher ausschließlich eine Aufgabe der Beklagten gewesen. Auch aus dem Eigentum des Bundes an dem betroffenen Mittellandkanal folge nichts anderes. So hat sich der Ölschaden mit dem Fließgewässer vermischt, welches wiederum nach der Neuregelung des § 4 Abs. 2 WHG nicht eigentumsfähig ist.

Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin ist zur Erstattung der Feuerwehreinsatzkosten verpflichtet.  Dabei ist zunächst festzuhalten, dass die Beklagte berechtigt ist, die Erstattung der Einsatzkosten gegenüber der Klägerin im Wege eines Kostenbescheids zu verlangen. Rechtsgrundlage des Kostenbescheids ist § 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 2 Niedersächsisches Brandschutzgesetz (NBrandSchG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage sind erfüllt. Nach § 29 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und S. 2 NBrandSchG können die Kommunen Gebühren für „Hilfeleistungen“ erheben. Die Rechtsgrundlage gilt nach den Ausführungen des VG Hannover insb. für Leistungen bei Unglücksfällen. Ein solcher Unglücksfall lag im Hinblick auf den streitgegenständlichen Ölschaden vor. Die Klägerin ist außerdem als kostenpflichtige Zustandsstörerin anzusehen ist. Zwar steht das im Mittellandkanal fließende Wasser, die sog. "fließende Welle", mit dem sich das Öl- und Teergemisch vermischt hat wegen § 4 Abs. 2 WHG nicht im Eigentum des Bundes, jedoch  ist die Beklagte wegen § 4 Abs. 1 S. 1 WHG Eigentümerin des Gewässerbettes des Mittellandkanals. Sie hat nach der Ansicht des Gerichts deshalb die tatsächliche Sachherrschaft über das im Gewässerbett fließende und nicht eigentumsfähige Wasser. Diese Nähebeziehung zum fließenden Wasser rechtfertigt eine Zustandshaftung der Klägerin. Auch Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere bleibt nach den gerichtlichen Feststellungen unklar, wer der Verursacher des Öl-Schadens war.

14. Handlungsstörereigenschaft bei durch Hochwasserereignis aufgetretenen Umweltschaden

Verwaltungsgericht Schleswig, Urteil vom 10.2.2022 - 6 A 139/18

Der Kläger wehrt sich gegen seine Heranziehung zur Erstattung von Sanierungskosten. Auf dem klägerischen Grundstück befindet sich eine Werkstatt, in der u.a. ölhaltige Behältnisse gelagert worden sind. Am 05.10.2017 kam es zu einem Hochwasserereignis. Die Werkstatt ist dabei unter Wasser gesetzt worden. Nachdem Öl im Wasser festgestellt wurde, suchte der Fachdienst Boden- und Gewässerschutz das Grundstück noch am selben Tag auf und ordnete gegenüber dem Kläger an, geeignete Maßnahmen zur Sicherung und Sanierung durchzuführen. Der Kläger wollte das Unternehmen X mit der Durchführung entsprechender Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen beauftragten. Da dieses jedoch Zweifel an der Liquidität des Klägers hatte, lehnte es den Auftrag des Klägers ab. Daraufhin ließ die Beklagte die erforderlichen Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen auf eigene Kosten durchführen. Dabei konnte festgestellt werden, dass der Kläger unsachgemäß ölhaltige Kanister gelagert hatte. Mit Bescheid vom 16.11.2017 setzte der Beklagte die Kosten für die durchgeführten Maßnahmen auf 15.835,68 EUR fest und forderte von dem Kläger eine Kostenerstattung. Der Kläger meint, dass er nicht verantwortlich für die Verunreinigungen gewesen sei. Ursächlich für die Verschmutzung sei, dass die mit Öl befüllten Behältnisse in seiner Werkstatt durch die Überschwemmung aufgetrieben und umgekippt seien. Für den Eintritt des Hochwasserereignisses sei wiederum der Wasser- und Bodenverband verantwortlich.

Die Klage hat keinen Erfolg, weil der Kostenbescheid rechtmäßig ist. Rechtsgrundlage des Bescheids sind § 238 Abs. 1 S. 1 LVwG und § 249 Abs. 1 S. 1 LVwG. Danach kann die Vollzugsbehörde eine Gefahrenabwehrmaßnahme auf Kosten des Störers selbst ausführen oder durch einen Dritten ausführen lassen (Ersatzvornahme), wenn die erforderliche Gefahrenabwehrmaßnahme durch den Störer nicht erbracht wird oder nicht rechtzeitig erbracht werden kann. Diese Voraussetzungen lagen nach den Ausführungen des VG Schleswig vor. Insbesondere ist der Kläger kostenpflichtig, weil er als Störer einzustufen ist. Die Störereigenschaft des Klägers beruht darauf, dass dieser Eigentümer der ölhaltigen Behältnisse war. Zudem ist der Kläger auch als Verhaltensstörer einzustufen, weil er die ölhaltigen Behältnisse in seiner Werkstatt unsachgemäß gelagert hatte. Nach der Ansicht des Gerichts musste der Beklagte auch nicht vorrangig den Wasser- und Bodenverband in Anspruch nehmen. Schließlich knüpfen die streitgegenständlichen Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen an die Verunreinigungen des Wassers durch Altöl an. Maßgeblich ist daher nur die Frage, wer die Gefahr für den Eintritt der Öl-Verunreinigungen durch sein Verhalten unmittelbar verursacht hat. Das Hochwasserereignis führte dabei nach den Ausführungen des Gerichts nur mittelbar zu den Öl-Verunreinigungen und kann den Kläger nicht von dessen Verantwortung für sein objektiv pflichtwidriges Verhalten befreien.

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Dr. Jens Nusser, LL.M.
Rechtsanwalt | Partner

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